Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 23.09.2010, Az.: 13 A 2732/10

Ausbildung; Ausbildungszeit; Dienstzeit, ruhegehaltsfähige; Fenrmeldehandwerkerlehre; Fernmeldehandwerker Lehre; Schulbildung, allgemeine

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
23.09.2010
Aktenzeichen
13 A 2732/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 41096
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2010:0923.13A2732.10.0A

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

  3. Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Anerkennung seiner Fernmeldehandwerkerlehre als Ruhegehaltsfähige Dienstzeit.

2

Der am 23.10.1952 geborene Kläger war Beamter der Deutschen Bundespost und zuletzt der Deutschen Telekom zugewiesen.

3

Er absolvierte nach erfolgreichem Volksschulabschluss vom 01.04.1969 bis 29.03.1972 eine Lehre als Fernmeldehandwerker bei der Deutschen Bundespost. Anschließend arbeitete er in diesem Beruf, bis er die Berufsaufbauschule und die Fachoberschule besuchte. Danach war er erneut als Fernmeldehandwerker tätig, bis er ab 01.02.1975 bis 05.07.1978 an der Fachhochschule Hannover Elektrotechnik studierte. Anschließend war er - nunmehr im Beamtenverhältnis - erneut bei der Deutschen Bundespost und später der Deutschen Telekom beschäftigt. Zum 01.02.2010 trat er in den Ruhestand.

4

Mit Bescheid vom 19.02.2010 setzte die Deutsche Telekom die Versorgungsbezüge des Klägers fest. Die Zeit der Lehre als Fernmeldehandwerker wurde dabei nicht als ruhegehaltsfähige Dienstzeit berücksichtigt.

5

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, den die Deutsche Telekom mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.2010, zugestellt am 09.06.2010, zurückwies. Der Kläger habe die Fachschulreife aufgrund der Lehre zuerkannt bekommen; damit sei die Lehre Teil der allgemeinen Schulbildung geworden und in diesem Zusammenhang "verbraucht" worden.

6

Der Kläger hat am 16.06.2010 Klage erhoben.

7

Er trägt vor, die Lehrzeit habe das vorgeschriebene Praktikum an der Fachhochschule ersetzt.

8

Der Kläger beantragt,

  1. den Bescheid der Beklagten vom 19.02.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Lehre als Fernmeldehandwerker, soweit sie nach Vollendung des 17. Lebensjahres absolviert wurde, als ruhegehaltsfähige Dienstzeit anzuerkennen.

9

Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen

10

Sie bezieht sich auf die Gründe ihres Widerspruchsbescheides.

11

Alle Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung und mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle der Kammer einverstanden erklärt.

12

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

13

Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung gemäß § 87a Abs. 2 und 3 VwGO durch den Berichterstatter und nach § 101 Abs. 2 VwGO weiterhin ohne mündliche Verhandlung.

14

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung der nach Vollendung des 17. Lebensjahres absolvierten Lehrzeit als ruhegehaltsfähige Dienstzeit.

15

Eine Berücksichtigung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG kommt entgegen der Ansicht des Klägers nicht in Betracht.

16

Nach dieser Vorschrift kann die nach Vollendung des siebzehnten Lebensjahres verbrachte Mindestzeit

  1. 1.

    der außer der allgemeinen Schulbildung vorgeschriebenen Ausbildung (Fachschul-, Hochschul- und praktische Ausbildung, Vorbereitungsdienst, übliche Prüfungszeit) oder

  2. 2.

    einer praktischen hauptberuflichen Tätigkeit, die für die Übernahme in das Beamtenverhältnis vorgeschrieben ist,

17

als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt werden.

18

Die handwerkliche Lehre war jedoch weder als Ausbildung für die Laufbahn des gehobenen technischen Dienstes bei der Bundespost vorgeschrieben noch handelt es sich um eine hauptberufliche Tätigkeit im Sinn der Nr. 2.

19

Allerdings war nach dem Erlass des MK vom 13.11.1961 - II C 2427/61 - (SVBL. 1961, 294) Voraussetzung für die Zulassung zu den öffentlichen Ingenieurschulen (die staatliche Ingenieurakademie Hannover war eine Vorläuferin der Fachhochschule Hannover) auch eine praktische Ausbildung, entweder nachgewiesen durch ein "gelenktes Praktikum" von zwei Jahren oder eine mit einer Prüfung abgeschlossen Lehrzeit. Ist aber als Voraussetzung für die Aufnahme eines Studiums eine fachpraktische Ausbildung nachzuweisen, so ist diese fachpraktische Ausbildung grundsätzlich mit zu berücksichtigen (vgl. VV's Nr. 12.1.4; insoweit ist eine Ermessensbindung eingetreten).

20

Im vorliegenden Fall kann sich der Kläger jedoch nicht mit Erfolg auf diese Regelung berufen. Denn als Absolvent einer Volksschule war eine erfolgreich abgeschlossene Berufsausbildung bereits Aufnahmevoraussetzung für den Besuch der Berufsaufbauschule in Vollzeitform (vgl. § 2 Abs. 3 des Erl. des MK vom 27.12.1971 - 307-4284/71 -, SVBL. 1971, 26). Der Kläger benötigte die abgeschlossene Lehre als Fernmeldehandwerker mithin schon deshalb, weil er ohne diese praktische Ausbildung die für alle vergleichbaren Laufbahnbewerber geltende Voraussetzung eines Schulabschlusses nach Ziff. 1 des Erl. d. MK vom 13.11.1961 zur Aufnahme eines Studiums an einer Ingenieurschule bzw. der Fachhochschule nicht hätte erbringen können. Die Berücksichtigung der hier streitigen Lehrzeit ist nach alledem durch § 12 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG ausgeschlossen.

21

Der Anwendung von § 12 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG steht hier nicht entgegen, dass der Kläger mit der abgeschlossenen Lehre als Fernmeldehandwerker zugleich die neben der allgemeinen Schulbildung für die Aufnahme des Studiums und damit für die Erlangung des Ingenieurzeugnisses erforderliche Voraussetzung einer mit der Gesellen- oder Facharbeiterprüfung abgeschlossenen Lehrzeit erfüllte. Denn bei dieser Vorschrift kommt es nicht darauf an, ob die praktische Ausbildung neben dem Ersatz einer allgemeinen Schulbildung zugleich noch einem anderen Zweck dient. Sinn und Zweck von § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG ist, die Benachteiligung derjenigen Beamten, bei denen über die allgemeine Schulbildung hinaus eine zusätzliche Vorbildung oder praktische Tätigkeit als Eignungsvoraussetzung gefordert ist, gegenüber den Beamten auszugleichen, die unmittelbar nach dem Schulabschluss in das Beamtenverhältnis eintreten und damit bereits von einem früheren Zeitpunkt an ruhegehaltfähige Dienstzeiten erwerben können. Auf diese Weise soll etwa der Angehörige einer technischen Fachrichtung dem Angehörigen einer nichttechnischen Verwaltungslaufbahn, bei dem beispielsweise eine praktische Tätigkeit nicht verlangt wird, gleichgestellt werden. Demnach kommt eine Berücksichtigung einer Ausbildung nur dann in Betracht, wenn diese wegen Besonderheiten der jeweiligen Fachrichtung der Laufbahn abverlangt werden, nicht aber, wenn sie schon deshalb benötigt wird, weil der Betreffende ansonsten eine für alle vergleichbaren Laufbahnbewerber geltende Schulausbildungsvoraussetzung nicht erbringen könnte (VG Düsseldorf, Urt. v. 09.02.2007 - 13 K 2430/05 -, zit. n. juris).

22

Auch eine Berücksichtigung nach § 10 BeamtVG kommt nicht in Betracht.

23

Als ruhegehaltfähig sollen danach Zeiten berücksichtigt werden, in denen ein Beamter nach Vollendung des siebzehnten Lebensjahres vor der Berufung in das Beamtenverhältnis im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn ohne von dem Beamten zu vertretende Unterbrechung tätig war, sofern diese Tätigkeit zu seiner Ernennung geführt hat.

24

Die Lehrzeit hat nicht zur Ernennung geführt. Zum Einen besteht schon kein zeitlicher Zusammenhang, zum Anderen zählte die Lehre nicht zu den Einstellungsvoraussetzungen in den gehobenen technischen Dienst der Bundespost.

25

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.