Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 02.11.2010, Az.: 13 B 5144/10
Einstellung; schwerwiegender Grund; Studienreferendar; Unterbrechung; Vorbereitungsdienst; Wiedereinstellung
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 02.11.2010
- Aktenzeichen
- 13 B 5144/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 47886
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs 4 LehrVorbDAPV ND
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.629,05 EURO festgesetzt (§§ 52 Abs. 5 Nr. 2, 53 Abs. 2 GKG).
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt seine Einstellung in den Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Gymnasium und möchte sich im Rahmen einer einstweiligen Anordnung einen Ausbildungsplatz an einem Studienseminar sichern.
Der 1959 geborene Antragsteller bestand Ende November 1983 die wissenschaftliche Prüfung für das Lehramt an Gymnasien. Mit Wirkung vom 01.05.1984 wurde er in den Vorbereitungsdienst für das Lehramt an höheren Schulen des Landes Niedersachsen eingestellt und unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Studienreferendar ernannt. Die pädagogische Prüfung für das Lehramt bestand er am 02.05.1986 nicht. Mit Schreiben vom 06.05.1986 beantragte er seine Entlassung aus dem Vorbereitungsdienst, weil er seinen Wehrdienst antreten müsse. Daraufhin wurde der Antragsteller durch Verfügung der damaligen Bezirksregierung B. vom 02.06.1986 aus dem Beamtenverhältnis entlassen.
Mit Schreiben vom 09.07.2010 bewarb sich der Antragsteller erneut um die Einstellung in den Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Gymnasien. Diese Bewerbung lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 02.08.2010 ab. Eine Neueinstellung in den Vorbereitungsdienst sei nach § 3 Abs. 4 APVO-Lehr nicht mehr möglich. Der Bescheid war nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Der Antragsteller wandte sich unter dem 22.09.2010 mit einer „Gegenvorstellung“ an den Antragsgegner, die offenbar bislang nicht beantwortet ist.
Am 01.11.2010 hat der Antragsteller um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.
Er trägt vor, der Antragsgegner habe den Begriff der schwerwiegenden persönlichen Gründe in § 3 Abs. 4 APVO-Lehr verkannt. Er, der Antragsteller, habe nicht nur Differenzen mit einem Fachleiter gehabt, seine damalige Referendarausbildung sei unkorrekt durchgeführt und an der Ausbildungsschule in P. sei er verleumdet worden. Diese Umstände hätten in dem strittigen Bescheid keine Berücksichtigung gefunden.
Der Antragsteller beantragt,
dem Antragsgegner im Weg einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, ihm einen Ausbildungsplatz an einem Studienseminar für die Fortsetzung seines Vorbereitungsdienstes für das Lehramt an Gymnasien zu „reservieren“, bis über seine Gegenvorstellung vom 22.09.2010 und ein etwaiges Klageverfahren entschieden worden ist.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die im Verfahren 13 A 3612/10 beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bleibt ohne Erfolg.
Eine einstweilige Anordnung kann das Gericht gem. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur vorläufigen Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses dann erlassen, wenn glaubhaft gemacht ist, dass der geltend gemachte Anspruch gegenüber dem Antragsgegner besteht und ohne eine vorläufige Regelung wesentliche, in § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO näher beschriebene Nachteile zu entstehen drohen.
Es kann dahingestellt bleiben, ob dem Antragsteller überhaupt bereits ein Anordnungsgrund zur Seite steht. Im vorliegenden Fall ist es dem Antragsteller jedenfalls nicht gelungen, einen Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO
Allerdings kann sich der Antragsgegner nicht auf die Rechtskraft seines Bescheides vom 02.08.2010 berufen. Denn er hat es versäumt, diesen Bescheid mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen, so dass Rechtsbehelfe hiergegen noch innerhalb der Jahresfrist des § 58 VwGO eingelegt werden können.
In der Sache kann der Antrag indes keinen Erfolg haben. Nach § 3 Abs. 4 der Verordnung über die Ausbildung und Prüfung von Lehrkräften im Vorbereitungsdienst vom 13. Juli 2010 (APVO-Lehr) wird zum Vorbereitungsdienst nicht mehr zugelassen, wer bereits mehr als neun Monate Vorbereitungsdienst für dasselbe Lehramt in Niedersachsen oder ein vergleichbares Lehramt in einem anderen Land abgeleistet hat. Denn eine sachgerechte, die Interessen und Bedürfnisse sowohl des jeweiligen Lehramtsanwärters bzw. Referendars als auch der jeweiligen Ausbildungsschule berücksichtigende Lehrerausbildung ist nur gewährleistet, wenn sie möglichst kontinuierlich durchlaufen wird.
Der Antragsteller hatte bereits mehr als neun Monate Vorbereitungsdienst abgeleistet, als er seinen Antrag auf Entlassung stellte. Es greift nach alledem das Verbot des § 3 Abs. 4 Satz 1 APVO-Lehr.
Zwar sind nach § 3 Abs. 4 Satz 2 APVO-Lehr Ausnahmen vom Verbot des § 3 Abs. 4 Satz 1 APVO-Lehr aus schwerwiegenden persönlichen Gründen zulässig. Derartige Gründe stehen dem Antragsteller jedoch nicht zur Seite.
Der Begriff der schwerwiegenden persönlichen Gründe in § 3 Abs. 4 APVO-Lehr ist ebenso wie in der Vorgängernorm der PVO-Lehr II ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Auslegung durch die Behörde zur Überprüfung der Verwaltungsgerichte steht. Da es sich um eine Ausnahmevorschrift handelt, ist jedoch ein strenger Maßstab anzulegen.
Derartige Gründe können möglicherweise Familienzusammenführung, Kindererziehung, alleinige Verantwortung für einen ärztlich anerkannten Pflegefall, längere schwere Erkrankung oder berufliche Weiterqualifizierung für den Lehrerberuf sein, die zu einer Unterbrechung des Vorbereitungsdienstes geführt haben (vgl. VG Arnsberg, Beschluss vom 08.08.2008 - 2 L 471/08 - zit. n. juris). Welche persönlichen Gründe im Einzelfall eine Wiedereinstellung in den Vorbereitungsdienst aber tatsächlich rechtfertigen könnten, bedarf hier keiner abschließenden Klärung. Die vom Antragsteller genannten Gründe stellen jedenfalls keine schwerwiegenden persönlichen Gründe nach § 3 Abs. 4 APVO-Lehr dar.
Weder „Schwierigkeiten und Differenzen mit einem Ausbilder bzw. Fachleiter während des früheren Vorbereitungsdienstes“, noch eine vom Antragsteller vorgetragene vermeintlich unkorrekte Ausbildung (kein eigenverantwortlicher Unterricht) noch eine angeblich erlittene üble Nachrede sind geeignet, die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 3 Abs. 4 Satz 2 APVO-Lehr zu erfüllen. Gegen etwaige Beeinträchtigungen hätte sich der Antragsteller seinerzeit im Beamtenverhältnis auf Widerruf wehren können und hätte nicht zwangsläufig die Ausbildung abbrechen müssen. Im Übrigen können Probleme mit Vorgesetzten/Ausbildern immer wieder einmal vorkommen, so dass diese für sich allein noch keine außergewöhnlichen Umstände begründen können, die den Fall des Antragstellers zu einem atypischen Fall machen, der zu schwerwiegenden persönlichen Gründen iSd. APVO-Lehr führen könnte. Daneben hat der Antragsteller seinerzeit zur Begründung seines Entlassungsantrages lediglich die Einberufung zum Wehrdienst angegeben. Aber auch insoweit wäre keine Entlassung erforderlich gewesen; der Antragsteller hatte vielmehr einen Anspruch auf Beurlaubung ohne Dienstbezüge gehabt. Hinzu kommt, dass sich die Ereignisse, auf die sich der Antragsteller beruft, sich 1984/85 abgespielt haben sollen und damit lange entfallen sind. Der Antragsteller hat jedoch erst jetzt - ein Vierteljahrhundert später - sich um eine Wiedereinstellung beworben.
Eine Wiedereinstellungszusage von Seiten des Antragsgegners ist nicht erfolgt. Aus dem Hinweis in der Entlassungsverfügung, dass bei etwaigen Interesse an eine erneuten Zulassung zum Vorbereitungsdienst Bewerbungsfristen eingehalten müssen, ist nicht zu entnehmen, dass das Land Niedersachsen einer entsprechenden Bewerbung auch entsprechen wollte. Abgesehen davon könnte nach Ablauf von 25 Jahren sich niemand mehr erfolgreich auf eine damalige Zusage, wenn sie denn gegeben worden wäre, berufen. Etwaige Rechte daraus wären verwirkt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2 Satz 1 und 53 Abs. 3, 52 Abs. 5 Nr. 2 GKG. Hiernach ist grundsätzlich der 6,5-fache Betrag des Anwärtergrundbetrages - hier in Höhe von 1116,63 € - anzusetzen. Der sich so ergebende Betrag von 7.258,10 € war im Hinblick darauf, dass es sich vorliegend nur um ein vorläufiges Eilverfahren handelt, mit dem ein Ausbildungsplatz freigehalten werden sollte, auf die Hälfte zu ermäßigen.