Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.11.1996, Az.: II 166/96

Mehraufwendungen für eine aus beruflichem Anlass begründete doppelte Haushaltsführung ; Verfassungsmäßigkeit der Begrenzung der Abzugsfähigkeit für Mehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung; Allgemeiner Gleichheitssatz im Steuerrecht

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
27.11.1996
Aktenzeichen
II 166/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 18648
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1996:1127.II166.96.0A

Fundstelle

  • NWB 1997, 1046

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Gegen die gesetzliche Neuregelung im Einkommensteuerrecht und deren Anwendung auch auf Fälle, in denen die doppelte Haushaltsführung vor 1996 bereits begründet war, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Neuregelung, wonach auch die Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung beruflich veranlaßt sein muss und der bislang zeitlich unbegrenzt mögliche Abzug der Aufwendungen nunmehr bei einer Beschäftigung am selben Ort auf insgesamt zwei Jahre begrenzt wird, verletzt nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

  2. 2.

    Der allgemeine Gleichheitssatz ist verletzt, wenn der Staat eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Daraus folgt für das Gebiet des Steuerrechts vor allem, dass die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet sein muss. Im Einkommensteuerrecht wird dieses Prinzip dadurch verfassungskonform verwirktlicht, dass grundsätzlich alle betrieblich oder durch andere einkommensrelevanten Tätigkeiten veranlaßten Aufwendungen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten absetzbar sind.

  3. 3.

    Die Voraussetzungen für den Abzug von Werbungskosten muss in dem Zeitpunkt ihrer Verausgabung vorliegen. Bei einer doppelten Haushaltsführung muss deshalb nicht nur nachgewiesen werden, dass ihre Entstehung, sondern dass auch ihre Aufrechterhaltung beruflich veranlaßt sei.

  4. 4.

    Bei der Zwei-Jahres-Frist handelt es sich um eine typisierende Regelung, die als sachlicher Grund für Differenzierungen im Rahmen des Art. 3 GG herhalten kann. Der Gesetzgeber muss sich nicht um die vollständige Gleichbehandlung aller denkbaren Einzelfällen bemühen, sondern er darf aufgrund des Gesamtbildes, das sich aus den ihm vorliegenden Erkenntnissen und Erfahrungen ergibt, innerhalb gewisser Grenzen generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen.

  5. 5.

    Die Gestaltung der ehelichen und familiären Beziehungen, insbesondere der lebens- und Wohnverhältnisse, ist grundsätzlich eine private Angelegenheit der Eheleute bzw. der Familienmitglieder. Sie ist in das Belieben der Familie gestellt. Ein aus Art. 6 GG ableitbarer Anspruch gegen die Allgemeinheit, die mit der Gestaltung des Familienlebens verbundenen Aufwendungen zum Teil zu tragen oder gar jegliche die Familie treffende Belastung auszugleichen, besteht deshalb nicht.

  6. 6.

    Zwar kann Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG auch schon berührt sein, wenn steuerrechtliche Regelungen in engem Zusammenhang zur Ausübung eines Berufs stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz aufweisen, auch wenn sie nicht unmittelbar auf die Berufsfreiheit abzielen. Indes wird durch die Nichtberücksichtigung von Aufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung weder der Zugang zu einem bestimmten noch die Ausübung eines bestimmten Berufes behindert oder gar unmöglich gemacht.

  7. 7.

    Zwar ist der Neuregelung eine unechte Rückwirkung beizumessen, da sie bereits im Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens bestehende doppelte Hausführungen insoweit berührt, als auch die Zeit ihres Bestehens vor dem Stichtag zum Ausschluss der Abzugsfähigkeit des künftig entstehenden Mehraufwandes führen kann. Diese - unechte - Rückwirkung führt indes nicht zur Verfassungswidrigkeit, weil bei der erforderlichen Abwägung zwischen dem Vertrauensschutz des einzelnen, d.h. dessen Interesse am Fortbestehen der für ihn günstigen Regelung, und dem Zweck, den der Gesetzgeber im öffentlichen Interesse mit der Regelung verfolgt, wie er bereits oben im einzelnen dargestellt ist, letzterem im Streitfall der Vorzug zu geben ist.

Der II. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 27. November 1996,
an der mitgewirkt haben:
1. Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
2. Richter am Finanzgericht ...
3. Richter am Finanzgericht ...
4. ehrenamtliche Richterin ...
5. ehrenamtlicher Richter ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird auf Kosten des Klägers abgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Beklagte (das beklagte Finanzamt - FA -) einem Antrag des Klägers (Kl.) auf Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte 1996 zurecht nur teilweise entsprochen hat; es geht darum, ob der Kl. im Streitjahr 1996 noch Mehraufwendungen wegen einer vor mehr als zwei Jahren aus beruflichem Anlaß begründeten doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehen kann.

2

Der Kl. erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit; seit November 1991 ist er Geschäftsführer der H. einer Unternehmensgruppe mit Sitz in K. bei H.. Die Ehefrau des Kl. war als Rechtsanwältin tätig, übt diesen Beruf aber vorübergehend nicht aus. Sie ist zur Zeit Beigeordnete im L. Stadtrat und erzielt insoweit ebenfalls steuerpflichtige Einkünfte.

3

Mit Beginn der Beschäftigung in K. begründete der Kl. dort einen zweiten Haushalt, den er auch weiterhin beibehielt. Im Antrag auf Lohnsteuerermäßigung 1996 beantragte der Kl. u.a., auch die Kosten der Unterkunft am Arbeitsort mit 12.136 DM und der zu erwartenden Mehraufwendungen für Verpflegung mit 3.568 DM zu berücksichtigen.

4

Das FA entsprach dem Antrag nur teilweise, indem es diese Aufwendungen mit der Begründung nicht berücksichtigte, gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1996 sei der Abzug von Aufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung bei einer Beschäftigung am selben Ort auf insgesamt zwei Jahre begrenzt und gelte diese Begrenzung auch dann, wenn die doppelte Haushaltsführung vor dem 01.01.1996 begonnen habe. Der hiergegen gerichtete Einspruch des Kl., zu dessen Begründung der Kl. die Auffassung vertrat, die Beschränkung der doppelten Haushaltsführung auf insgesamt zwei Jahre bei Beschäftigung am selben Ort sei verfassungswidrig, hatte keinen Erfolg.

5

Mit der hiergegen gerichteten Klage begehrt der Kl. weiterhin, im Lohnsteuerermäßigungsverfahren auch Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung zu berücksichtigen., verbunden mit der Anregung an das Gericht, wegen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der jetzigen Gesetzesfassung die Rechtsfrage dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorzulegen.

6

Der Kl. ist der Auffassung, die Beschränkung der doppelten Haushaltsführung auf zwei Jahre durch das Steueränderungsgesetz 1996 sei verfassungswidrig.

7

Die Regelung verstoße gegen das aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) abgeleitete Gebot der Steuergerechtigkeit. Es würden Aufwendungen, die aufgrund ihrer beruflichen Veranlassung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen erheblich einschränkten, ohne rechtfertigenden Grund nicht mehr zum Abzug zugelassen. Zwar habe der Gesetzgeber einen erheblichen Gestaltungsspielraum, doch ende dieser dort, wo ein einleuchtender, sachgerechter Grund für die gesetzliche Differenzierung fehle.

8

Der Gesetzgeber habe aus rein fiskalischen Gründen einen bestimmten Kreis von Steuerpflichtigen, nämlich solche Steuerpflichtige, die länger als zwei Jahre einen getrennten Haushalt aus beruflichen Gründen führten, besonders belastet. Dies sei deshalb schon nicht sachgerecht, weil auf der anderen Seite Steuerpflichtige, deren Beschäftigungsort ebenfalls vom Wohnort weit entfernt sei, die aber täglich zum Beschäftigungsort führen, diese Aufwendungen weiterhin in vollem Umfange als werbungskosten ohne zeitliche Beschränkung abziehen könnten. Es würden auf diese weise zwei Gruppen von Steuerpflichtigen bei vergleichbarem Sachverhalt (auswärtige berufliche Tätigkeit und dadurch bedingter zusätzlicher Aufwand) ohne vernünftigen sachgerechten Grund ungleich behandelt. Diese Ungleichbehandlung betreffe zumindest die Miet- und Nebenkosten bei doppelter Haushaltsführung, die statt der Fahrtkosten, abgesehen von Familienheimfahrten, notwendigerweise entstünden.

9

Auch ergebe sich eine Ungleichbehandlung gegenüber den Steuerpflichtigen, die vor Ablauf der Zwei-Jahres-Frist eine auswärtige Beschäftigung an einem anderen Beschäftigungsort aufnähmen und dann erneut für zwei Jahre ihre Mehraufwendungen als Werbungskosten abziehen könnten.

10

Die gesetzliche Regelung verstoße darüber hinaus auch gegen Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG), wonach Ehe und Familie unter dem besonderen Schütze der staatlichen Ordnung stünden.

11

Durch die Beschränkung der doppelten Haushaltsführung auf zwei Jahre werde ein Steuerpflichtiger gezwungen, den Familienwohnsitz an den Beschäftigungsort zu verlegen. Sei aber auch die Ehefrau berufstätig, müsse diese zwangsläufig ihre Beschäftigung aufgeben. So liege der Fall auch in seiner Familie. Seine Ehefrau habe ihren Beruf als Rechtsanwältin zwar vorübergehend aufgegeben, beabsichtige ihn aber langfristig wieder aufzunehmen. Dies sei selbstverständlich erfolgversprechender im jetzigen Umfeld. Außerdem sei die Ehefrau Beigeordnete im L. Stadtrat und erziele auch insoweit steuerpflichtige Einkünfte.

12

Die Verlegung des Familienwohnsitzes wäre insgesamt unsinnig und gegenüber der Familie auch verantwortungslos. Die Regelung sei alles in allem ehefeindlich.

13

Im Ergebnis habe die gesetzliche Regelung sogar die Wirkung eines gegen Art. 12 GG verstoßenden Berufsverbots, zum einen konkret im Hinblick auf die Berufstätigkeit seiner Ehefrau, wenn nämlich dem Zwang zur Verlegung des Familienwohnsitzes nachgegeben werde, zum anderen abstrakt im Hinblick darauf, daß eine Vielzahl auswärtiger Beschäftigter durch den Wegfall der Absetzbarkeit der Aufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung ihre auswärtige Beschäftigung aufgeben müßten.

14

Die Einschränkung der doppelten Haushaltsführung gegenüber der bisherigen Regelung verstoße darüber hinaus gegen Treu und Glauben und damit gegen das in Art. 20 Abs. 3 GG niedergelegte Rechtsstaatsprinzip, da der Gesetzgeber für Altfälle keine Übergangsregelung vorgesehen habe. Bestehe nämlich die doppelte Haushaltsführung bereits länger als zwei Jahre, entfalle nach der jetzigen gesetzlichen Regelung der Abzug der bisher abziehbaren Aufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung sofort. Hierdurch werde das vertrauen der Steuerpflichtigen auf den Fortbestand einer bisher systemgerechten gesetzlichen Regelung enttäuscht.

15

Zwar könnte man noch der Auffassung des BFH im Urteil vom 06.10.1994 IV R 136/89 (BStBl II 1995, 184 [BFH 06.10.1994 - VI R 136/89]) folgen, daß nach einer angemessenen Umstellungs- und Eingewöhnungszeit objektiv keine nennenswerten Mehraufwendungen für Verpflegung mehr entstehen würden. Dies vermöge aber die gesetzliche Einschränkung der doppelten Haushaltsführung auf zwei Jahre nicht in vollem Umfange zu begründen. Denn die Aufwendungen für Miet- und Nebenkosten am Arbeitsort fielen wie Aufwendungen für tägliche Fahrten zum Arbeitsplatz weiterhin ausschließlich aus beruflichen Gründen an.

16

Die gesetzliche Regelung berücksichtige in keiner weise die besonderen Umstände der Wirtschaft. Gerade von Leitenden Wirtschaftsfachleuten werde höchste Flexibilität erwartet. Aus diesem Grunde würden Arbeitsverträge regelmäßig nur noch mit beschränkter Laufzeit und ohne Kündigungsschutz abgeschlossen. Er selbst habe seinen vertrag nunmehr mit Wirkung zum 30.09.1996 und die Zweitwohnung zum 31.10.1996 gekündigt.

17

Der Kl. beantragt,

das FA zu verpflichten, Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung in Höhe von insgesamt 13.200 DM auf der Lohnsteuerkarte 1996 einzutragen.

18

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

19

Das FA hält an seiner Auffassung fest.

20

Nach der jetzigen gesetzlichen Regelung könne der Kl. Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung nicht mehr beanspruchen. Die gesetzliche Regelung sei entgegen der Auffassung des Kl. auch nicht etwa verfassungswidrig.

21

Grundsätzlich seien Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung Kosten der privaten Lebensführung, die gem. § 12 Nr. 1 EStG steuerlich nicht abziehbar seien. Dieser Rechtsgrundsatz werde durch § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG eingeschränkt, soweit nach dieser Vorschrift beruflich veranlaßte Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung abziehbar sind. Während früher Begründung und Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung hätten beruflich bedingt sein müssen, sei die Abziehbarkeit ab 1979 dahingehend ausgeweitet worden, daß die Gründe der Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung unbeachtlich seien. Mit der jetzigen gesetzlichen Regelung habe der Gesetzgeber lediglich die Systematik dahingehend wieder hergestellt, daß auch die Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung beruflich bedingt sein müsse und sei er dabei typisierend davon ausgegangen, daß nach Ablauf von zwei Jahren die Beibehaltung einer doppelten Haushaltsführung regelmäßig, zumindest in nicht lediglich unbedeutendem Umfang, privat veranlaßt sei. Eine derart typisierende Regelung sei dem Gesetzgeber gestattet. Daß auch weiterhin Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gem. § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG unbegrenzt als Werbungskosten abzugsfähig seien, sei sachgerecht. Dies beruhe nämlich darauf, daß derartige Fahrten immer ausschließlich beruflich veranlaßt seien, während eine Zweitwohnung am Arbeitsort nur solange beruflich veranlaßt sein könne, als die Bereitschaft zur Aufgabe der Familienwohnung gegeben sei.

22

Wenn bei einem Wechsel des Beschäftigungsortes innerhalb von zwei Jahren der zweite Haushalt am neuen Beschäftigungsort wieder für zwei Jahre zum Abzug von Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung berechtige, so sei auch dieses sachgerecht, weil ein Steuerpflichtiger in dieser Situation erneut Zeit benötige, um sich an dem neuen Beschäftigungsort einzugewöhnen und eine geeignete Familienwohnung zu finden.

23

Auch habe der Gesetzgeber nicht gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen. Dem Gesetzgeber sei es unbenommen, für künftige Besteuerungszeiträume bisherige günstige Regelungen einzuschränken.

Entscheidungsgründe

24

Die Klage ist unbegründet.

25

1.

Der Kl. kann die notwendigen Mehraufwendungen, die ihm wegen seiner unstreitig aus beruflichem Anlaß begründeten doppelten Haushaltsführung für das Streitjahr 1996 bereits entstanden sind und - möglicherweise - noch entstehen, jedenfalls soweit es um Mehraufwendungen wegen des in Kirchlengern begründeten doppelten Haushalts geht, nicht als Werbungskosten abziehen.

26

Für das Streitjahr 1996 ist § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG gem. § 52 Abs. 1 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1996 vom 11.10.1995 (Bundesgesetzblatt I 1995, 1250) und des Jahressteuerergänzungsgesetzes 1996 vom 18.12.1995 (Bundesgesetzblatt I 1995, 1959) (nachfolgend als Einkommensteuergesetz 1996 - EStG 1996 - bezeichnet) anzuwenden. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG 1996 ist die Abziehbarkeit notwendiger Mehraufwendungen wegen einer aus beruflichem Anlaß begründeten doppelten Haushaltsführung nunmehr bei einer Beschäftigung am selben auswärtigen Ort auf nur noch zwei Jahre begrenzt. Dies umfaßt nach dem Wortlaut der Vorschrift auch schon die Fälle, in denen die doppelte Haushaltsführung vor 1996 begonnen hat. Der Gesetzgeber hat darüber hinaus in § 52 Abs. 11 a EStG 1996 ausdrücklich bestimmt, daß die einschränkende Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG bereits ab 1996 mit der Maßgabe anzuwenden ist, daß die zeitliche Begrenzung einer aus beruflichem Anlaß begründeten doppelten Haushaltsführung auf zwei Jahre auch für Fälle einer bereits vor dem 1. Januar 1996 bestehenden doppelten Haushaltsführung gilt. Danach entspricht die Entscheidung des FA der Gesetzeslage.

27

2.

Entgegen der Auffassung des Kl. bestehen gegen die gesetzliche Neuregelung und deren Anwendung auch auf Fälle, in denen die doppelte Haushaltsführung vor 1996 bereits begründet war, keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

28

a)

Die Neuregelung, wonach auch die Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung beruflich veranlaßt sein muß (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG 1996) und der bislang zeitlich unbegrenzt mögliche Abzug der Aufwendungen nunmehr bei einer Beschäftigung am selben Ort auf insgesamt zwei Jahre begrenzt wird (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG 1996), verletzt nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

29

aa)

Die Regelung berücksichtigt insbesondere die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im erforderlichen Umfang.

30

aaa)

Der allgemeine Gleichheitssatz ist verletzt, wenn der Staat eine Gruppe von Normadressaten im vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Daraus folgt für das Gebiet des Steuerrechts vor allem, daß die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet sein muß.

31

Im Einkommensteuerrecht wird dieses Prinzip dadurch verfassungskonform verwirktlicht, daß grundsätzlich alle betrieblich oder durch andere einkommensrelevanten Tätigkeiten veranlaßten Aufwendungen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten absetzbar sind - Prinzip der Nettobesteuerung - (BVerfG-Beschluß vom 23.01.1990 1 BvL 4, 5, 6, 7/87, BVerfGE 81, 228, BStBl II 1990, 483 unter B I 1.; BVerfG-Beschluß vom 02.10.1969 1 BvL 12/68, BVerfGE 27, 58, BStBl II 1970, 140 unter C II 1).

32

Das BVerfG hat bisher offengelassen, ob dieses Prinzip verfassungsrechtlich vorgeschrieben ist. Es hat aber entschieden, daß es, wenn es dieses wäre, jedenfalls vom Gesetzgeber bei vorliegen gewichtiger Gründe durchbrochen werden könne. Der Gesetzgeber sei bei der Normierung solcher Ausnahmen allerdings nicht völlig frei. Insbesondere müsse er darauf achten, daß sich die Fälle, in denen er eine betrieblich veranlaßte Aufwendung nicht als absetzbare Betriebsausgabe anerkenne, so weitgehend von allen übrigen Fällen unterscheide, daß diese unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz sachlich ausreichend gerechtfertigt sei (BVerfG-Beschluß vom 23.01.1990 a.a.O. unter B I 1; BVerfG-Beschluß vom 02.10.1969 a.a.O. unter C II 1). Dabei stehe ihm allerdings eine weite Beurteilungs- und Gestaltungsfreiheit zu. Außerdem dürfe er sich - wie stets bei der Ordnung von Massenerscheinungen - bei der Ausgestaltung seiner Normen generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen bedienen (BVerfG-Beschluß vom 23.01.1990 a.a.O. unter B I 1).

33

bbb)

Der Bundesfinanzhof (BFH-Urteil vom 02.09.1977 VI R 114/76, BFHE 123/444, BStBl II 1978, 26) ist zu § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG in der bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 1977 geltenden Fassung davon ausgegangen, daß Kosten der Haushaltsführung grundsätzlich zu den Ausgaben für die allgemeine Lebensführung gehören, die nach § 12 Nr. 1 EStG weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden dürfen. Der Gesetzgeber habe diesen Grundsatz in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG dadurch durchbrochen, daß er die notwendigen Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer aus Anlaß einer doppelten Haushaltsführung entstehen, dann zum Abzug zugelassen habe, wenn es sich um Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG handele, d.h. um Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen.

34

Die Voraussetzungen für den Abzug von Werbungskosten müßten in dem Zeitpunkt ihrer Verausgabung vorliegen. Bei einer doppelten Haushaltsführung müsse deshalb nicht nur nachgewiesen werden, daß ihre Entstehung, sondern daß auch ihre Aufrechterhaltung beruflich veranlaßt sei.

35

Ein beruflicher Anlaß für das Entstehen der doppelten Haushaltsführung werde in der Regel zunächst weiter bestehen, bei längerer Fortdauer könnten jedoch private, insbesondere in der Familie liegende Gründe zutage treten, die dazu Veranlassung geben könnten, die doppelte Haushaltsführung nicht zu beenden und im Laufe der Zeit die berufliche Veranlassung überlagerten. Da zunächst eine geeignete Familienwohnung am Arbeitsort oder in dessen Nähe gesucht und gefunden werden müsse und auch der erforderliche Umzug eine gewisse Zeit in Anspruch nähme, spreche nach der Lebenserfahrung eine Vermutung, die allerdings vom Finanzamt widerlegt werden könne, dafür, daß die bei Begründung der doppelten Haushaltsführung gegebene berufliche Veranlassung für die ersten zwei Jahre fortbestehe. Danach müsse dagegen der Steuerpflichtige die berufliche Veranlassung für die Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung nachweisen.

36

Die Berücksichtigung beruflich veranlaßter Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung nach diesen Grundsätzen steht ersichtlich im Einklang mit dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit (Nettoprinzip).

37

Nach der ab dem 01.01.1978 geltenden Gesetzesfassung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG durch Ergänzung um den Halbsatz "... und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird", kam es dagegen fortan auf die Gründe für die Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung nicht mehr an. Hierdurch sollte aus arbeitsmarktpolitischen Gründen die Mobilität der Arbeitnehmer gefördert werden. Es handelt sich mithin insoweit um eine steuerrechtliche Ausnahmevorschrift mit Entlastungscharakter (BFH-Urteil vom 02.12.1981 VI R 167/79, BFHE 135/37, BStBl II 1982, 297 unter IV 1 a) am Ende).

38

Mit der Streichung des in der ab 1978 geltenden Gesetzesfassung hinzugefügten Halbsatzes ist der Gesetzgeber nunmehr zu der die steuerliche Leistungsfähigkeit berücksichtigenden, systemkonformen Rechtsprechung des BFH zur doppelten Haushaltsführung bis 1977 zurückgekehrt, kann mithin ein verstoß gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Leistungsfähigkeitsprinzips nicht vorliegen.

39

ccc)

Allerdings ist der Gesetzgeber dadurch, daß er in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG nunmehr den Abzug der Aufwendungen bei einer Beschäftigung am selben Ort auf insgesamt zwei Jahre begrenzt, für denkbare Einzelfälle vom Leistungsfähigkeitsprinzip abgewichen. Denn während der Steuerpflichtige nach der Rechtsprechung zur Rechtslage bis einschließlich 1977 (auch) nach Ablauf von zwei Jahren nach der beruflich veranlaßten Begründung der doppelten Haushaltsführung den Nachweis erbringen konnte, daß die doppelte Haushaltsführung allein aus beruflichen Gründen beibehalten werde, ist der Abzug von Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung fortan nach Ablauf von zwei Jahren generell ausgeschlossen.

40

Doch darf der Gesetzgeber - wie oben unter 2. a) aa) aaa) schon dargelegt ist - vom Leistungsfähigkeitsprinzip abweichen, sofern er hierfür sachlich einleuchtende Gründe hat (BVerfG-Beschluß vom 23.01.1990 a.a.O. unter B I 1; BVerfG-Beschluß vom 02.10.1969 a.a.O. unter C II 1) und darf er außerdem typisierende Regelungen erlassen (BVerfG-Beschluß vom 23.01.1990 a.a.O. unter B I 1; BVerfG-Beschluß vom 08.06.1993 1 BvL 80/85, BVerfGE 1989, 15, BStBl II 1994, 59 [BVerfG 08.06.1993 - 1 BvL 20/85] unter B II 1).

41

Für die in Einzelfällen denkbare Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip bestehen in diesem Sinne einleuchtende Gründe. Denn nach den Gesetzesmaterialien hatte der Bundesrat es für erforderlich gehalten, die Mindereinnahmen aufgrund anderer Gesetzesänderungen im Jahressteuergesetz 1996 durch Streichung ungerechtfertigter Steuervergünstigungen "gegenzufinanzieren" und hat er hierzu auf die Empfehlungen des Finanzausschusses verwiesen (vgl. Bundesratsdrucksache 171/2/95 vom 23. Mai 1995 und Anlage zur Bundestagsdrucksache 13/1686 vom 13. Juni 1995), der u.a. auch die zeitliche Begrenzung der Inanspruchnahme des Werbungskostenabzugs wegen doppelter Haushaltsführung auf zwei Jahre vorgeschlagen hatte (vgl. Bundestagsdrucksache 13/1986 vom 13. Juni 1995 Seite 2 - Nr. 12 - in Verbindung mit Seite 9).

42

Diese finanzpolitischen, mithin sachlichen Gründe des Gesetzgebers sind hinreichend gewichtig, die in Einzelfällen auftretende Ungleichbehandlung zu rechtfertigen.

43

Außerdem handelt es sich bei der Zwei-Jahres-Frist um eine typisierende Regelung, die ebenfalls als sachlicher Grund für Differenzierungen im Rahmen des Art. 3 GG herhalten kann. Der Gesetzgeber muß sich nämlich nicht um die vollständige Gleichbehandlung aller denkbaren Einzelfällen bemühen, sondern er darf aufgrund des Gesamtbildes, das sich aus den ihm vorliegenden Erkenntnissen und Erfahrungen ergibt, innerhalb gewisser Grenzen generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen (BVerfG-Beschluß vom 23.01.1990 a.a.O. unter B I 1; BVerfG-Beschluß vom 08.06.1993 a.a.O. unter B II 1).

44

Die vorgenommene Typisierung ist auch sachgerecht. Der Gesetzgeber hat nämlich mit ihr die Rechtsprechung des BFH aufgegriffen, wonach aufgrund der Lebenserfahrung für die Dauer von zwei Jahren - widerlegbar - zu vermuten ist, daß die beruflich veranlaßte doppelte Haushaltsführung auch aus beruflichen Gründen beibehalten werde. Der Gesetzgeber ist damit im Grundsatz der Rechtsprechung gefolgt und dann typisierend davon ausgegangen, daß nach Ablauf von zwei Jahren die Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung überwiegend durch private Gründe veranlaßt ist. Die für die Typisierung gewählte Grenze von zwei Jahren erscheint damit auch nicht als sachfremd oder gar willkürlich (s. auch Bundestagsdrucksache 13/1686 vom 16. Juni 1995, Seite 9).

45

bb)

Die gesetzliche Regelung verstößt auch nicht gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Grundsatz der Steuergerechtigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung.

46

aaa)

Hierzu hat das BVerfG mit Beschluß vom 13.03.1979 2 BvR 72/76 (BVerfGE 50, 386, BStBl II 1979, 322) ausgeführt: "Der Gleichheitssatz hat im Steuerrecht seine besondere Ausprägung in Form des Grundsatzes der Steuergerechtigkeit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gefunden. Die Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG beruht stets auf einem vergleich von Lebensverhältnissen, die nie in allen, sondern stets nur in einzelnen Elementen gleich sind. Es ist Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche Elemente der zu ordnenden Lebensverhältnisse er als maßgebend dafür ansieht, sie im Recht gleich oder verschieden zu behandeln. Voraussetzung für die Übereinstimmung einer Regelung mit dem Gleichheitssatz ist lediglich, daß die gewählte Differenzierung auf sachgerechten Erwägungen beruht. Im Rahmen seiner weitgehenden Gestaltungsfreiheit im Bereich des Steuerrechts kann sich der Gesetzgeber beispielsweise von finanzpolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder steuertechnischen Erwägungen leiten lassen. Seine Gestaltungsfreiheit endet erst dort, wo die gleiche oder ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also ein sachlicher Grund für die Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung fehlt. Nur die Einhaltung dieser äußersten Grenzen der gesetzgeberischen Freiheit ist vom BVerfG nachzuprüfen". (vgl. auch BVerfG-Beschluß vom 29.11.1989 1 BvR 1402, 1528/87, BVerfGE 81, 108, BStBl II 1990, 479).

47

bbb)

Die Regelung verstößt unter diesem verfassungsrechtlichen Aspekt der Steuergerechtigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht etwa deshalb gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil der Abzug von Aufwendungen bei einer Beschäftigung am selben Ort gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG auf zwei Jahre beschränkt ist, dagegen Steuerpflichtige, die vor Ablauf der Zwei-Jahres-Frist eine auswärtige Beschäftigung an einem anderen Beschäftigungsort aufnehmen, weitere zwei Jahre Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung als Werbungskosten abziehen können. Diese Differenzierung ist sachgerecht. Denn im Fall des Arbeitsplatzwechsels an einen anderen auswärtigen Ort liegt eine neue berufliche Veranlassung für den neuen doppelten Haushalt vor mit der Folge, daß dieser Steuerpflichtige nach der Lebenserfahrung erneut Zeit zur Suche einer angemessenen Familienwohnung und zum erforderlichen Umzug benötigt.

48

ccc)

Die Regelung verstößt auch nicht deshalb gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil der Abzug der Aufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung am selben Ort auf zwei Jahre beschränkt ist, während der Steuerpflichtige, der am Beschäftigungsort keinen zweiten Haushält unterhält, dafür aber täglich zum Beschäftigungsort fährt, die Fahrtkosten als solche zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zeitlich unbeschränkt gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG als Werbungskosten abziehen kann.

49

Zwar geht das Argument des FA fehl, Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte seien immer ausschließlich beruflich veranlaßt, während eine Zweitwohnung am Arbeitsort nur so lange beruflich veranlaßt sein könne, als die Bereitschaft zur Aufgabe der Familienwohnung gegeben sei. In beiden Fällen sind nämlich die Aufwendungen eines Steuerpflichtigen gleichermaßen privat veranlaßt, wenn er aus privaten Gründen heraus nicht mit seiner Familie an den Beschäftigungsort ziehen will.

50

Gleichwohl ist die gegenüber der doppelten Haushaltsführung unterschiedliche Behandlung der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gerechtfertigt. Denn bei einer Beschränkung auch dieser Fahrten auf zwei Jahre würde sonst bei der Masse der Steuerpflichtigen, die noch innerhalb des Einzugsbereiches des Arbeitsorts, wenn auch auswärtig wohnen, eine Belastung, die nach dem Nettoprinzip abziehbar sein muß, weil die steuerliche leistungsfähigkeit hierdurch gemindert ist, nicht abgezogen, obwohl ein weiteres Heranziehen an den Arbeitsort in diesen Fällen verkehrspolitisch, städtebaulich und volkswirtschaftlich unsinnig und im übrigen für die Steuerpflichtigen auch nicht einsehbar und nicht zumutbar wäre. Demgegenüber betreffen die Fälle doppelter Haushaltsführung nach der Lebenserfahrung überwiegend Beschäftigungsverhältnisse an weiter entfernt liegenden Beschäftigungsorten, bei denen diese Gesichtspunkte nicht einschlägig sind.

51

Die abweichende Behandlung der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ist mithin durch besondere sachliche Gründe gerechtfertigt.

52

Außerdem ist die Beschränkung der doppelten Haushaltsführung aufgrund der oben dargestellten (s.o. unter 1. a) aa)) gesetzgeberischen, nämlich finanzpolitischen Gründe und der den Lebenssachverhalten entsprechenden Typisierung sachgerecht. Sie bewegt sich jedenfalls noch innerhalb des dem Gesetzgeber zustehenden weiten Gestaltungsspielraumes.

53

3.

Es liegt auch kein Verstoß gegen Art. 6 GG vor, der den Schutz von Ehe und Familie zum Inhalt hat. Zwar handelt es sich bei dieser Vorschrift um eine wertentscheidende Grundsatznorm, mit der der Gesetzgeber Ehe und Familie dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung unterstellt hat.

54

a)

Aus ihr lassen sich jedoch keine Folgerungen für die Auslegung des Begriffs der beruflichen Veranlassung und damit des Werbungskostenbegriffs ziehen. Diese Begriffe wenden sich gleichermaßen an alle Steuerpflichtigen und sind als rein steuerliche Begriffe deshalb weitestgehend grundrechtsneutral. Durch sie wird das Institut von Ehe und Familie nicht berührt.

55

Die Gestaltung der ehelichen und familiären Beziehungen, insbesondere der lebens- und Wohnverhältnisse, ist grundsätzlich eine private Angelegenheit der Eheleute bzw. der Familienmitglieder. Sie ist in das Belieben der Familie gestellt. Ein aus Art. 6 GG ableitbarer Anspruch gegen die Allgemeinheit, die mit der Gestaltung des Familienlebens verbundenen Aufwendungen zum Teil zu tragen oder gar jegliche die Familie treffende Belastung auszugleichen, besteht deshalb nicht (BFH-Urteil vom 02.12.1981 VI R 167/79, BFHE 135/37, BStBl II 1982, 297 unter III 2. mit Hinweis auf BVerfG-Beschluß - Beschluß gemäß § 93 a Bundesverfassungsgerichtsgesetz - vom 29.06.1981 1 BvR 226/75, HFR 1981, 579; BVerfG-Beschlüsse vom 18.03.1970 1 BvR 498/66 BVerfGE 28, 105, 113; vom 18.06.1975 1 BvR 4/74 BVerfGE 40, 121, 132; vom 23.11.1976 1 BvR 150/75 BVerfGE 43, 108, 121).

56

Eine Pflicht des Staates zur Förderung der Familie durch Gewährleistung der Abziehbarkeit von Aufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung läßt sich Art. 6 Abs. 1 GG jedenfalls nicht entnehmen.

57

b)

Die Ehe und Familie ist für die hier zu beurteilende gesetzliche Regelung auch nicht etwa Anknüpfungspunkt für eine diese betreffende nachteilige Regelung, für die dann allerdings auch besondere, sachgerechte Gründe sprechen müßten.

58

Allerdings ist das in diesem Sinne in Art. 6 GG enthaltene Diskriminierungsverbot auch schon dann verletzt, wenn die Benachteiligung nicht schon auf einer Tendenz gegen die Ehe beruht, das Grundrecht kann vielmehr auch schon dann verletzt sein, wenn die Benachteilung zufällig zustande kommt (BVerfG-Beschluß vom 03.04.1962 1 BvL 35/57 BVerfGE 14, 34, 39).

59

Indes kann insoweit nicht jede tatsächliche Beeinträchtigung maßgebend sein. Abzustellen ist insoweit auf die Rechtsfolge der Nichtabziehbarkeit von Mehraufwendungen, die nach Ablauf von zwei Jahren weiterhin entstehen. Diese Belastungen treffen aber alle auswärts Berufstätigen gleichermaßen unabhängig von ihren familiären Verhältnissen. Daß sich Ledige aufgrund einer höheren Flexibilität und stärkerer Ungebundenheit dieser zusätzlichen Belastung durch einen Umzug leichter entziehen können, liegt in der Natur der Sache und kann deshalb für die Beurteilung nicht ausschlaggebend sein.

60

4.

Entgegen der Auffassung des Kl. ist das Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG ebenfalls nicht verletzt.

61

Zwar kann Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG auch schon berührt sein, wenn steuerrechtliche Regelungen in engem Zusammenhang zur Ausübung eines Berufs stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz aufweisen, auch wenn sie nicht unmittelbar auf die Berufsfreiheit abzielen (BVerfG-Beschluß vom 29.11.1989 1 BvR 1402, 1528/87, BVerfGE 81, 108, BStBl II 1990, 479 unter B III m.w.N.). Indes wird durch die Nichtberücksichtigung von Aufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung weder der Zugang zu einem bestimmten noch die Ausübung eines bestimmten Berufes behindert oder gar unmöglich gemacht. Denn das EStG knüpft an einen unspezifischen Adressatenkreis ohne jeglichen Bezug auf bestimmte Berufe und allgemein an einkommensteuerrelevante Erwerbstätigkeiten an, deren Ausübung ihrerseits weder dem Grunde nach noch inhaltlich eingeschränkt wird. Selbst bei vollständiger Beseitigung der Abziehbarkeit von Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung läge deshalb kein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG vor (BVerG-Beschluß - Beschluß gemäß § 93 b Bundesverfassungsgerichtsgesetz - vom 26. September 1988 1 BvR 849/88 HFR 1989, 682). Erst recht fehlt es daran, wenn die Berücksichtigung solcher Aufwendungen lediglich, wie z.B. hier, zeitlich eingeschränkt wird.

62

5.

Ebenfalls nicht verletzt ist der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleitete Grundsatz des Vertrauensschutzes.

63

a)

Die Neuregelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG entfaltet keine echte Rückwirkung, da sie sich lediglich auf Sachverhalte bezieht, die erst verwirklicht werden, nachdem die Gesetzesänderung wirksam geworden ist.

64

Auch soweit die zeitliche Beschränkung der doppelten Haushaltsführung durch § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG 1996 für bereits am 01.01.1996 bestandene doppelte Haushaltsführungen gilt, wird nicht etwa auf schon abgewickelte, in der Vergangenheit abgeschlossene Steuertatbestände eingewirkt; vom Abzug ausgeschlossen wird nämlich erst der noch entstehende künftige Mehraufwand.

65

b)

Zwar ist der Neuregelung eine unechte Rückwirkung beizumessen, da sie bereits im Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens bestehende doppelte Hausführungen insoweit berührt, als auch die Zeit ihres Bestehens vor dem Stichtag zum Ausschluß der Abzugsfähigkeit des künftig entstehenden Mehraufwandes führen kann. Diese - unechte - Rückwirkung führt indes nicht zur Verfassungswidrigkeit, weil bei der erforderlichen Abwägung (BVerfG-Beschluß vom 11.10.1962 1 BvL 22/57 BVerfGE 14, 288, 300; umfassend: BVerfG-Beschluß vom 14.05.1986 2 BvL 2/83 BVerfGE 72, 200, 241 f, 261 f und BVerfG-Beschluß vom 23.03.1971 2 BvL 17/69 BVerfG 30, 392) zwischen dem Vertrauensschutz des einzelnen, d.h. dessen Interesse am Fortbestehen der für ihn günstigen Regelung, und dem Zweck, den der Gesetzgeber im öffentlichen Interesse mit der Regelung verfolgt, wie er bereits oben im einzelnen dargestellt ist, letzterem im Streitfall der Vorzug zu geben ist. Die zwingenden finanzpolitischen Gründe begründen schon für sich allein ein überwiegendes öffentliches Interesse. Außerdem darf vorliegend dem Vertrauensschutz kein zu hoher wert beigemessen werden, weil die bisherige gesetzliche Regelung nicht systemkonform war und der Gesetzgeber eben zur systemgerechten Rechtsprechung des BFH (zur Rechtslage vor 1978) zurückgekehrt ist.

66

c)

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht über seine Rechtsprechung zur echten und unechten Rückwirkung hinaus auch in besonderen Fällen das vertrauen des Staatsbürgers in die Kontinuität und Folgerichtigkeit gesetzgeberischer Maßnahmen geschützt (BVerfG-Beschluß vom 23.03.1971 2 BvL 17/69 BVerfGE 30, 392), die Grenze indes auch dort wie bei der unechten Rückwirkung gezogen. Zugunsten des Kl. kann sich deshalb hieraus nichts ergeben.

67

Der erkennende Senat mißt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung bei. Aus diesem Grunde war die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

68

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

69

Gegen dieses Urteil ist die Revision zugelassen worden.