Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.11.1996, Az.: XII 682/95
Finanzierung einer Fahrlehrerausbildung als Betriebskosten; Bestimmung von gemischten Aufwendungen; Ermessensspielraum des Unternehmers bei Betriebsausgaben
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 13.11.1996
- Aktenzeichen
- XII 682/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 16470
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1996:1113.XII682.95.0A
Rechtsgrundlagen
- § 4 Abs. 4 EStG
- § 12 Nr. 1 EStG
Verfahrensgegenstand
Aufwendungen im Rahmen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft sind im Regelfall als BA abzugsfähig
Einkommensteuer 1993
In dem Rechtsstreit
hat der XII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 13. November 1996,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter ... am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtliche Richterin ... Altenpflegerin
ehrenamtlicher Richter ... Vorstandsmitglied
für Recht erkannt:
Tenor:
Unter Aufhebung des Einspruchsbescheides vom 20. September 1995 und Änderung des Einkommensteuerbescheides 1993 vom 27. März 1995 wird die Einkommensteuer von 24.112,00 DM auf 22.754,00 DM herabgesetzt.
Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird Vollstreckungsnachlaß gegen Sicherheitsleistung gewährt.
Der Streitwert beträgt 1.358,00 DM.
Tatbestand
Streitig ist, ob Aufwendungen des Klägers (Betreiber einer Fahrschule) für die Fahrlehrerausbildung seiner zukünftigen Arbeitnehmerin als Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind.
Wegen der am 15.06.1993 geschiedenen Ehe des Klägers wurde für das Kalenderjahr 1993 eine Einzelveranlagung durchgeführt.
Frau ... K. erhielt im Anschluß an ihre vom 05.04.1993 bis zum 21.09.1993 dauernde Fahrlehrerausbildung am 08.10.1993 ihren Fahrlehrerschein, für dessen Erlangung sie die Fahrerlaubnis der Klassen 1 a und 2 (Motorrad und LKW) erwerben mußte und 1993 auch erwarb. Zum 01.11.1993 wurde sie vom Kläger als Fahrlehrerin eingestellt. Den voraussichtlichen Beginn des Arbeitsverhältnisses hatte der Kläger mit Schreiben vom 25.09.1993 vorab dem Arbeitsamt ... mitgeteilt. Bereits 1992 war Frau K. aushilfsweise im Fahrschulbetrieb des Klägers angestellt gewesen.
Im Rahmen einer Außenprüfung im Betrieb des Klägers wurde festgestellt, daß er Aufwendungen für die Erlangung der Fahrerlaubnisse der Frau K. in Höhe von 3.229,70 DM als Betriebsausgaben geltend gemacht hatte. Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte diese Aufwendungen wegen einer persönlichen Bindung zwischen dem Kläger und Frau K. nicht an. Gegen den im Anschluß an die Außenprüfung geänderten Einkommensteuerbescheid für 1993 legte der Kläger Einspruch ein und verwies zur Begründung auf die ausschließliche betriebliche Veranlassung der Aufwendungen. Er habe die Ausbildungskosten übernommen, weil sich Frau K. verpflichtet habe, nach Bestehen der Prüfung in ein Arbeitsverhältnis bei dem Kläger einzutreten. Das FA wies den Einspruch insoweit als unbegründet zurück.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Klage erhoben. Mit seiner Klage vertritt er weiterhin die Auffassung, daß die geltend gemachten Aufwendungen als Betriebsausgaben anzuerkennen seien. Er habe die Aufwendungen ausschließlich aus betrieblichen Gründen getätigt, um langfristig eine Fahrlehrerin in seinem Betrieb zu beschäftigen. Mit Schreiben vom 20.11.1992 habe Frau K. ihn als zukünftigen Arbeitgeber umÜbernahme der Kosten für den Erwerb der Fahrerlaubnisse für die Klassen 1 a und 2 ersucht. Er habe daraufhin mit Schreiben vom 15.12.1992 die Kostenübernahme bestätigt. Außerdem habe es sich bei der im Scheidungsurteil vom 15.06.1993 (Amtsgericht W., Az.: ...) erwähnten Beziehung des Klägers zu einer anderen Frau nach der Trennung von seiner Ehefrau nicht um Frau K. gehandelt. Frau K. sei zur Zeit der Aufwendungen nicht seine Lebensgefährtin gewesen und habe mit ihm insbesondere auch keine gemeinsame Wohnung bewohnt.
Der Kläger beantragt,
die Einkommensteuer 1993 auf 22.754,00 DM herabzusetzen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Aufwendungen für die zur Fahrlehrerscheinerlangung notwendigen Führerscheine der Klassen 1 a und 2 der Frau K. könnten nicht als Betriebsausgaben berücksichtigt werden, weil sie wegen der persönlichen Bindung zwischen dem Kläger und Frau K. nicht abzugsfähige gemischte Aufwendungen im Sinne des § 12 Nr. 1 EStG darstellten und daher nicht im Sinne des § 4 Abs. 4 EStG ausschließlich oder ganz überwiegend betrieblich veranlaßt seien. Der Kläger habe im übrigen den vom Gericht geforderten Nachweis darüber, daß Frau K. sich verpflichtet hatte, nach Bestehen der Fahrlehrerausbildung in ein Arbeitsverhältnis beim Kläger einzutreten, nicht erbracht. Die vom Kläger vorgelegten Schreiben vom 20.11.1992, 15.12.1992 und 25.09.1993 belegten lediglich die Kostenübernahme für die Fahrlehrerausbildung und die Mitteilung an das Arbeitsamt ... über die Einstellung von Frau K. als Fahrlehrerin.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die Aufwendungen des Klägers für die Fahrlehrerausbildung der Frau K. sind Betriebsausgaben im Sinne des § 4 Abs. 4 EStG.
Sie sind betrieblich veranlaßt und stellen keine gemischten, zumindest teilweise durch die private Lebensführung veranlaßten Aufwendungen im Sinne des § 12 Nr. 1 EStG dar.
Beruft sich ein Steuerpflichtiger auf das Vorliegen einer betrieblichen Veranlassung, obliegt es ihm in Zweifelsfällen, anhand der objektiven, tatsächlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten des Betriebes und des jeweiligen Geschäftsvorfalls darzulegen und glaubhaft zu machen, daß das seinen Entschluß auslösende Moment unzweifelhaft im betrieblichen Bereich lag und private Motive ausgeschlossen werden können (so Schmidt/Heinicke EStG, 15. Aufl. 1996, § 4 Rn. 31; vgl. auch BFH-Urteil vom 23. November 1988, X R 17/86, BStBl II 1989, 45). Der Kläger hat im vorliegenden Fall zur betrieblichen Veranlassung glaubhaft gemacht, die Führerscheinkosten der Frau K. nur gezahlt zu haben, um sie später langfristig in seinem Fahrschulbetrieb als Fahrlehrerin anzustellen. Tatsächlich hat der Kläger Frau K. ab 01.11.1993 nach dem Erwerb der entsprechenden Qualifikation in seinem Betrieb als Fahrlehrerin eingestellt. Ein weitergehender Nachweis ist im vorliegenden Fall - entgegen der Auffassung des FA - nicht erforderlich. Die vom BFH entwickelten Grundsätze zu Verträgen unter Angehörigen, wonach diese Verträge hinsichtlich der ausgetauschten Leistungen einem Fremdvergleich standhalten müssen (vgl. BFH-Urteil vom 14.12.1990, III R 92/88, BStBl II 1991, 35), sind im Streitfall nicht anwendbar. Der Kläger und Frau K. standen im Streitjahr in keinem Angehörigenverhältnis. Der Senat kann im vorliegenden Fall auch offen lassen, ob zwischen dem Kläger und Frau K. im Jahre 1993 eine nichteheliche Lebensgemeinschaft bestand oder aber - wie der Kläger vorgebracht hat - dies jedenfalls im Streitjahr noch nicht der Fall war. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, können die Grundsätze, die für Verträge unter Ehegatten gelten, nicht herangezogen werden; eine nichteheliche Lebensgemeinschaft begründet auch in wirtschaftlicher Hinsicht keine Rechtsgemeinschaft. Demzufolge gewährt sie keine Rechtsgrundlage für Unterhaltsleistungen und Dienstleistungen im Betrieb des Partners. Aus diesem Grund kann im Regelfall nicht davon ausgegangen werden, daß zwischen Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft im allgemeinen keine gegensätzlichen wirtschaftlichen Interessen bestehen, mit der Folge, daß Zuwendungen als privat behandelt werden müßten. Vielmehr muß hier der Grundsatz der Vertragsfreiheit des Unternehmers unabhängig vom Fremdvergleich Anwendung finden (BFH-Urteil vom 14.04.1988, IV R 225/85, BStBl II 1988, 60; BFH-Urteil vom 05.12.1985, IV R 182/84, BFH/NV 1986, 452; gleicher Ansicht BFH-Urteil vom 17.01.1985, IV R 149/84, BFH/NV 1986, 148 zu Verträgen zwischen Verlobten). Bei Betriebsausgaben steht dem Unternehmer ein subjektiver Ermessensspielraum zu, welcher außerhalb von Angehörigenverhältnissen von der Finanzverwaltung nicht unter wirtschaftlichen Aspekten, insbesondere nicht anhand eines Fremdvergleichs korrigiert werden darf. Dementsprechend ist es für die Anerkennung der streitigen Aufwendungen unschädlich, daß der Kläger mit Frau K. weder eine Kostenbegrenzung noch eine Rückzahlungsklausel für den Fall des Nichteintritts in den Betrieb bzw. des frühzeitigen Ausscheidens aus dem Betrieb des Klägers vereinbart hatte.
Nach alldem war der Klage stattzugeben.
Bei der sich daraus ergebenden neuen Steuerberechnung war das zu versteuernde Einkommen 1993 von 85.133,00 DM um die als Betriebsausgaben anzuerkennenden Aufwendungen in Höhe von 3.229,00 DM auf 81.904,00 DM zu kürzen. Dementsprechend war gemäß der Einkommensteuer-Grundtabelle die festgesetzte Einkommensteuer von 24.112,00 DM um 1.358,00 DM zu kürzen und auf 22.754,00 DM neu festzusetzen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zugelassen worden. Hiergegen kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Niedersächsischen Finanzgericht in Hannover Beschwerde eingelegt werden. Auf Abs. 4 der Rechtsmittelbelehrung wird hingewiesen. In der Beschwerdeschrift muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt, die Entscheidung des Bundesfinanzhofs, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert beträgt 1.358,00 DM.