Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.11.1996, Az.: XII (IX) 484/94
Abzugsmöglichkeit der auf einen erworbenen Miteigentumsanteil entfallenden Abzugsbeträge bei Erwerb des Miteigentumsanteils durch einen getrennt lebenden Ehegatten vom anderen Ehegatten ; Wirtschaftliches Eigentum als Voraussetzung für die Steuerbegünstigung; Definition des Begriffs "Wirtschaftliches Eigentum"
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 13.11.1996
- Aktenzeichen
- XII (IX) 484/94
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 22906
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1996:1113.XII.IX484.94.0A
Rechtsgrundlagen
- § 10e Abs. 1 EStG
- § 39 Abs. 2 AO
- § 10e Abs. 5 S. 3 EStG
Verfahrensgegenstand
Nur anteiliger Abzugsbetrag nach § 10 e EStG für den Zeitraum des dauernden Getrenntlebens bei Nutzung des Objekts durch einen Ehegatten
Einkommensteuer 1992
Der XII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 13. November 1996,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter ... am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtliche Richterin ...
ehrenamtlicher Richter ...
fürRecht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten des Klägers abgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung eines Abzugsbetrags gemäß § 10 e EStG für eine zu eigenen Wohnzwecken genutzte eigene Wohnung.
Streitjahr ist das Jahr 1992. Der Kläger lebt seit dem 15. Dezember 1991 von seiner Ehefrau getrennt und wurde für das Kalenderjahr 1992 getrennt zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger errichtete 1991 auf dem Grundstück N. in W. ein Einfamilienhaus zu eigenen Wohnzwecken. Im Grundbuch wurden der Kläger und seine Ehefrau als Miteigentümer je zur ideellen Hälfte eingetragen. Für das Kalenderjahr 1991, in welchem der Kläger mit seiner Ehefrau gemäß §§ 26, 26 b EStG gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt wurde, gewährte der Beklagte (das Finanzamt - FA-) für das Wohnobjekt die Steuerbegünstigung nach§ 10 e EStG (15.494,00 DM) in voller Höhe. Im Streitjahr 1992 nutzte die Ehefrau des Klägers diese Wohnung nicht zu eigenen Wohnzwecken; der Kläger nutzte die gesamte Wohnung für sich. Am 16. April 1993 erklärte die Ehefrau mit notariell beurkundeter Erklärung die Auflassung ihrer Grundstückshälfte an den Kläger.
Der Kläger machte im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 1992 einen Abzugsbetrag gemäß § 10 e EStG für die gesamte Wohnung, auch für die im Eigentum seiner Ehefrau stehende Haushälfte, geltend. Mit Einkommensteuerbescheid vom 29.03.1993 hatte das FA zunächst keine Abzugsbeträge gem. § 10 e EStG festgesetzt. Auf den Einspruch des Klägers hin berücksichtigte das FA die Hälfte des Abzugsbetrages (7.747,00 DM) und wies mit Einspruchsbescheid vom 10.08.1994 im übrigen den Einspruch ab.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage. Er vertritt die Auffassung, bei seiner Einkommensteuerveranlagung 1992 sei der volle Abzugsbetrag im Sinne des § 10 e EStG in Höhe von 15.494,00 DM steuermindernd zu berücksichtigen. Auf den Zeitpunkt des Erwerbs des Miteigentumsanteils seiner Ehefrau an der Wohnung komme es nicht an, denn der Gesetzgeber habe in § 10 e Abs. 5 Satz 3 EStG, welcher unter anderem den Erwerb von Miteigentumsanteilen von getrennt lebenden Ehegatten regele, keine Unterbrechung bei der Gewährung des Abzugsbetrages sowohl im zeitlichen Ablauf als auch in der Höhe gewollt.
Im übrigen sei auch zu berücksichtigen, daß er mit Getrenntleben von seiner Ehefrau Ende 1991 wirtschaftlicher Eigentümer der betreffenden Wohnung geworden sei, so daß ihm aus diesem Grund der Miteigentumsanteil seiner Ehefrau im Sinne des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zuzurechnen sei und er diesen Anteil neben seinem eigenen Anteil geltend machen könne. Seine Ehefrau sei im Streitjahr im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung bezüglich der Scheidung mit dieser Zurechnung einverstanden gewesen. Lediglich der entsprechende Vertrag sei erst am 16.04.1993 abgeschlossen worden. Außerdem habe er allein sämtliche Kosten und Lasten des Hauses von Anfang an getragen, was ebenfalls zur Annahme wirtschaftlichen Eigentums führe.
Der Kläger beantragt,
unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1992 in der Fassung des Einspruchsbescheides vom 10.08.1994 weitere 7.747,00 DM gemäß § 10 e EStG wie Sonderausgaben zum Abzug zuzulassen und die Einkommensteuer 1992 dementsprechend herabzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Kläger könne nicht den vollen Abzugsbetrag für die betreffende Wohnung geltend machen, da er im Streitjahr nur zur Hälfte Eigentümer der Wohnung gewesen sei. Erst durch notariellen Vertrag vom 16.04.1993 habe er die Rechtsstellung eines wirtschaftlichen Eigentümers bezüglich der zunächst im Eigentum seiner Ehefrau stehenden Haushälfte erworben. Die mündliche Vereinbarung des Klägers und seiner Ehefrau über die Zurechnung der Wohnung habe dem Kläger kein wirtschaftliches Eigentum an der Haushälfte der Ehefrau vermittelt. Außerdem habe die Übernahme der Herstellungskosten durch den Kläger nicht dazu geführt, daß die Verfügungsmacht der Ehefrau als bürgerlich-rechtlicher Miteigentümerin ausgeschlossen worden sei; der Kläger habe auch durch die alleinige Finanzierung des Objekts kein wirtschaftliches Eigentum erworben. Erst vom Zeitpunkt der Anteilsübertragung an - im vorliegenden Fall also ab 1993 - könne die Steuerbegünstigung des § 10 e EStG in voller Höhe berücksichtigt werden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung eines Abzugsbetrages nach § 10 e Abs. 1 EStG für das Grundstück N. in W. in Höhe von 15.494,00 DM im Streitjahr 1992. Der mit Einkommensteuerbescheid vom 10.08.1994 festgesetzte Abzugsbetrag in Höhe von 7.747,00 DM ist rechtmäßig.
Gemäß § 10 e EStG erhält ein Steuerpflichtiger eine Steuerbegünstigung für die zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung im eigenen Haus, indem er von den Herstellungskosten dieser Wohnung zuzüglich der Hälfte der Anschaffungskosten für den dazugehörenden Grund und Boden die sich aus § 10 e Abs. 1 Satz 1 EStG ergebenden Beträge wie Sonderausgaben abziehen kann. Bei Miteigentümern bestimmt sich die Höhe des Abzugsbetrags nach ihrem Miteigentumsanteil (§ 10 e Abs. 1 Satz 6 EStG). Bei getrennt lebenden Ehegatten stellt jeder Miteigentumsanteil ein selbständiges Objekt im Sinne des§ 10 e EStG dar (BFH-Urteil vom 10.07.1996, X R 72/93, pStR 1996, 1727). Erwirbt ein getrennt lebender Ehegatte vom anderen Ehegatten dessen Miteigentumsanteil an einer vormals gemeinsamen Wohnung, so kann er die auf diesen Anteil entfallenden Abzugsbeträge weiter in der bisherigen Höhe abziehen (§ 10 e Abs. 5 Satz 3 EStG).
Der Kläger hat den hälftigen Miteigentumsanteil seiner Ehefrau an dem. Einfamilienhaus auf dem Grundstück N. in W. nicht im Streitjahr 1992, sondern erst am 16.04.1993 erworben.
Vor Ende des Streitjahres hat der Kläger den Miteigentumsanteil seiner Ehefrau zivilrechtlich nicht erworben, da hierfür gemäß § 873 BGB die Grundbucheintragung des Klägers als alleiniger Eigentümer des Wohngrundstücks erforderlich war und diese Eintragung bis 1992 nicht bewirkt wurde.
Die Steuervergünstigung nach § 10 e EStG kann ein Steuerpflichtiger allerdings nicht nur dann geltend machen, wenn er bürgerlich-rechtlicher Eigentümer des Gebäudes ist, sondern auch dann, wenn er lediglich wirtschaftliches Eigentum im Sinne des § 39 Abs. 2 AO erlangt hat (BFH-Urteil vom 21.05.1992, X R 61/91, BStBl II 1992, 94; BFH-Urteil vom 20.09.1995, X R 94/92, BFHE 178, 429; BMF-Erlaß vom 31.12.1994, BStBl I 1994, 87 Tz. 5, 6). Im Veranlagungszeitraum 1992 hat der Kläger jedoch auch nicht das wirtschaftliche Eigentum im Sinne des§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO an dem Miteigentumsanteil seiner früheren Ehefrau erworben. Wirtschaftliches Eigentum liegt nur dann vor, wenn ein anderer als der bürgerlich-rechtliche Eigentümer die tatsächliche Herrschaftüber ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, daß er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer Von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen kann. Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn der Herausgabeanspruch des bürgerlichrechtlichen Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung hat oder ein Herausgabeanspruch überhaupt nicht besteht (BFH-Urteil vom 21.05.1992, X R 61/91, BStBl II 1992, 94). Insbesondere bei einander nahestehenden Personen kann wirtschaftliches Eigentum des Nutzenden nur angenommen werden, wenn ihm aufgrund eindeutiger Abmachungen mit dem zivilrechtlichen Eigentümer eine Stellung eingeräumt wird, aufgrund derer er wie ein Eigentümer über das gesamte Gebäude verfügen kann. Das vom Kläger für das Streitjahr 1992 behauptete Einverständnis zwischen ihm und seiner Ehefrau, wonach ihm allein das genannte Wohngrundstück zuzurechnen sei, reicht für die Annahme wirtschaftlichen Eigentums jedoch nicht aus (BFH-Urteil vom 21.05.1992, a.a.O.). Hierdurch wurde der Herausgabeanspruch der Ehefrau gemäß § 985 BGB bezüglich ihres Miteigentumsanteils an der genannten Wohnung nicht eingeschränkt. Dieses - auch vor dem mit der Scheidung der Eheleute befaßten Rechtsanwalt erklärte - Einverständnis hatte hinsichtlich der Ehefrau Keine bindende Wirkung im Sinne eines Verzichts auf die Geltendmachung des Herausgabeanspruchs hinsichtlich ihres Miteigentumsanteils. Die Zurechnung an den künftigen Erwerber scheidet aus, wenn die Beteiligten den Übergang des Eigentums in Aussicht genommen, aber noch keine auf die Übertragung des Eigentums gerichteten Verträge abgeschlossen haben, denn der künftige Erwerber kann den bisherigen Eigentümer nicht im Sinne des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen (so FG München, EFG 1992, 188; Tipke/Kruse, AO/FGO,§ 39 AO Tz. 33).
Auch der vom Kläger vorgetragene Umstand, er habe allein sämtliche Kosten und Lasten des betreffenden Hauses getragen, konnte dem Kläger kein wirtschaftliches Eigentum vermitteln. Der Herausgabeanspruch seiner Ehefrau bezüglich der ideellen Haushälfte bestand zivilrechtlich aufgrund der entsprechenden Grundbucheintragung uneingeschränkt und war nicht etwa durch die alleinige Finanzierung des Klägers wirtschaftlich entwertet (vgl. BFH a.a.O., FG München a.a.O.).
Wirtschaftliches Eigentum hat der Kläger vielmehr erst mit der notariell beurkundeten und daher gemäß § 873 Abs. 2 BGB bindenden Auflassungserklärung seiner Ehefrau bezüglich ihrer Wohngrundstückshälfte am 16.04.1993, also außerhalb des hier im Streit stehenden Veranlagungszeitraums erworben.
Auch das Vorbringen des Klägers, der Gesetzgeber habe bei der Fassung des § 10 e Abs. 5 Satz 3 EStG keine Unterbrechung oder Einschränkung bei der Gewährung des Abzugsbetrages nach Wegfall der Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG gewollt und der Abzugsbetrag sei daher während des Abzugszeitraums in voller Höhe unabhängig vom Zeitpunkt der Eigentumsübertragung zu berücksichtigen, geht fehl. Der Gesetzgeber wollte Steuerbegünstigungen vielmehr nur gewähren, soweit deren Voraussetzungen vom Steuerpflichtigen erfüllt werden. Voraussetzung aller in § 10 e EStG genannten Fallkonstellationen ist die Nutzung der eigenen Wohnung zu eigenen Wohnzwecken. § 10 Abs. 5 Satz 3 EStG stellt insofern lediglich eine Sonderregelung zu Abs. 1 hinsichtlich des "begünstigten Objektes" dar, wofür die weiteren Voraussetzungen des Abs. 1 jedoch auch vorliegen müssen (vgl. BFH-Urteil vom 20.09.1995, X R 94/92, BFHE 178, 429; BFH-Urteil vom 10.07.1996, X R 72/93, DStR 1996, 1727). Sofern diese Voraussetzungen im Einzelfall nicht erfüllt sind, kommt eine Steuerbegünstigung nicht in Betracht. Bei der im Eigentum der Ehefrau stehenden Wohnungshälfte lagen im Streitjahr die Voraussetzungen der Steuerbegünstigung nicht vor, weil die Ehefrau wegen des Getrenntlebens der Eheleute ihren Wohnungsteil nicht zu eigenen Wohnzwecken nutzte. Nutzt ein Miteigentümer die gemeinsame Wohnung allein, hat er nur den Abzug nach § 10 e Abs. 1 Satz 6 EStG entsprechend seinem Miteigentumsanteil; demÜberlassenden steht kein Abzugsbetrag zu (Schmidt/Drenseck, EStG, 15. Auflage 1996, § 10 e Tz. 61; B. Meyer, Zur steuerlichen Förderung eigengenutzten Wohneigentums gem. § 10 e EStG, FR 1991, 33, 43; BMF-Erlaß V. 25.10.1990, BStBl 1990, 626 Tz. 26).
Es kann mithin durchaus eine zeitliche Lücke zwischen der letzten Ehegattenveranlagung und dem Veranlagungszeitraum der Eigentumsübertragung liegen, innerhalb der nur die teilweise Berücksichtigung von Abzugsbeträgen für eine gemeinsame Wohnung möglich ist. Dadurch wird jedoch wegen der Regelung des § 10 e Abs. 5 Satz 3 EStG ein begünstigter Hinzuerwerb nicht ausgeschlossen (vgl. Schmidt/Drenseck, a.a.O., Tz, 67).
Nach alldem konnte die Klage keinen Erfolg haben.
Das Gericht hat gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Rechtsfrage, ob die Steuerbegünstigung des § 10 e EStG nach Wegfall der Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG weiterhin ohne Unterbrechung in voller Höhe gemäß § 10 e Abs. 5 Satz 3 EStG zu gewähren ist, wenn die Übernahme eines Wohnungsmiteigentumsanteils vom getrennt lebenden Ehegatten erst in einem späteren Veranlagungszeitraum erfolgt, ist bisher höchstrichterlich noch nicht entschieden.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.