Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.11.1996, Az.: VIII 209/93
Pflicht zur Entrichtung von Nachzahlungszinsen; Erlass wegen Vornahme der Einkommensteuernachzahlung vor Beginn des Zinslaufs und vor Festsetzung der Nachzahlung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 26.11.1996
- Aktenzeichen
- VIII 209/93
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 18647
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1996:1126.VIII209.93.0A
Rechtsgrundlagen
- § 233a AO
- § 227 AO
Fundstelle
- DStRE 1997, 479-480 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Einkommensteuer 1990
Der VIII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
in der Sitzung vom 26. November 1996,
an der mitgewirkt haben:
1. Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
2. Richter am Finanzgericht ...
3. Richterin am Finanzgericht ...
4. ehrenamtliche Richterin ...
5. ehrenamtlicher Richter ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Unter Aufhebung des Beschwerdebescheids vom 1. März 1993 und des ablehnenden Bescheids des Beklagten vom 14. Oktober 1992 wird der Beklagte verpflichtet, die mit Bescheid vom 20. Mai 1992 festgesetzten Zinsen zur Einkommensteuer 1990 in Höhe von 156,00 DM in voller Höhe zu erlassen.
Der Beklagte hat die Kosten zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der an den Kläger zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte die Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen hat, weil der Kläger die von ihm errechnete Einkommensteuernachzahlung noch vor Beginn des Zinslaufs gemäß § 233 a AO und vor Festsetzung der Nachzahlung gezahlt hat.
Der Kläger erzielt als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die er gemäß § 4 Abs. 1 EStG (Bilanz-, Gewinn- und Verlustrechnung) ermittelt, 1990 vereinnahmte er eine Mietnachzahlung für 1985 in Höhe von 28.800,00 DM. In seiner Gewinnermittlung erfaßte er diese nicht gewinnerhöhend und erläuterte in diesem Zusammenhang in der Umsatzsteuererklärung, in den Umsatzerlösen seien 28.800,00 DM Mieterträge enthalten, die ertragsteuerlich schon 1985 versteuert, umsatzsteuerlich aber erst 1990 angefallen seien.
Im Einkommensteuerbescheid für 1990 vom 4. März 1992 berücksichtigte das Finanzamt (FA) zunächst den erklärten Gewinn aus selbständiger Arbeit und setzte die Einkommensteuer in Höhe von 276.290,00 DM gemäß § 164 Abs. 1 AO unter Vorbehalt der Nachprüfung fest. Aus dem Einkommensteuerbescheid ergab sich eine zum 7. April 1992 fällige Einkommensteuernachzahlung von 38.231,00 DM.
Mit Schreiben vom 25. März 1992 teilte der Kläger dem FA mit, nach Überprüfung habe sich herausgestellt, daß versehentlich die Miete im Jahre 1985 ertragsteuerlich nicht berücksichtigt worden sei und bat, entsprechend die Einkommensteuerveranlagung für 1990 zu ändern.
Mit Schreiben vom 6. April 1992 berechnete der Kläger die aus dem Ansatz der zusätzlichen Einnahmen von 28.800,00 DM gegenüber dem Einkommensteuerbescheid vom 4. März 1992 resultierende Einkommensteuererhöhung mit 15.284,00 DM und teilte mit, er werde diese zusammen mit der gemäß dem Bescheid vom 4. März 1992 zum 7. April 1992 fälligen Abschlußzahlung von 38.231,00 DM Einkommensteuer leisten. Dementsprechend zahlte der Kläger gesamt 53.515,00 DM am 7. April 1992 an das FA.
In dem gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid für 1990 vom 20. Mai 1992 berücksichtigte das FA die Mieteinnahmen gewinnerhöhend bei den Einkünften des Klägers aus selbständiger Arbeit und setzte die Einkommensteuer mit 291.916,00 DM fest. Nach Abzug von Kapitalertrag- und Körperschaftsteuer wies das FA in der Abrechnung (Stichtag: 07.05.1992) unter "bereits getilgt" einen Betrag von 254.944,00 DM aus. Dieser Betrag beinhaltet die vom Kläger am 7. April 1992 geleistete Gesamtzahlung einschließlich der von ihm im Hinblick auf den Änderungsbescheid vom 20. Mai 1992 im voraus geleisteten Zahlung von 15.284,00 DM.
Unter "noch zu zahlen" wies das FA den verbleibenden Restbetrag von 342,00 DM Einkommensteuer aus, zu zahlen bis zum 23. Juni 1992.
Gleichzeitig setzte das FA in dem Bescheid Zinsen gemäß § 233 a AO in Höhe von 156,00 DM fest und erläuterte dazu: "Zu verzinsen 15.600,00 DM vom 01.04.1992 bis 23.06.1992 (zwei volle Monate zu 0,5 v. H. = 1,0 v. H.).
Mit Schreiben vom 25. Mai 1992 legte der Kläger gegen die Festsetzung der Nachzahlungszinsen Einspruch ein und beantragte gleichzeitig, die Zinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen. Das Schreiben vom 25. März 1992 sei als Anmeldung einer nachträglichen Vorauszahlung zu werten. Die Vorauszahlung selbst in Höhe von 15.600,00 DM sei fristgerecht vor Beginn des Zinslaufs entrichtet worden und sei deshalb gemäß § 233 a Abs. 3 AO als Vorauszahlung auf die Einkommensteuerschuld 1990 anzusetzen.
Das FA wies den Einspruch unter Hinweis auf die in § 233 a AO unabhängig von der Frage eines Verschuldens gesetzlich vorgeschriebene Verzinsung zurück. Den Erlaßantrag lehnte es mit Bescheid vom 14. Oktober 1992 ab. Nicht festgesetzte, freiwillig geleistete Vorauszahlungen seien bei der Verzinsung nicht zu berücksichtigen. Das Schreiben des Klägers vom 25. März 1992 habe nicht zu einer Anpassung der Vorauszahlungen führen können, weil Vorauszahlungen nur innerhalb der gesetzlichen Fristen angepaßt werden dürften (§ 37 Abs. 3 EStG) und zudem bereits vorher der Einkommensteuerbescheid vom 4. März 1990 ergangen sei. Der Kläger sei verpflichtet gewesen, einen Antrag auf Anpassung der Vorauszahlung so rechtzeitig zu stellen, daß eine Bearbeitung innerhalb der gesetzlichen Fristen und vor Beginn des Zinslaufs sichergestellt gewesen wäre.
Die Einbeziehung freiwillig geleisteter Vorauszahlungen in die Zinsberechnung würde im Ergebnis dazu führen, daß auch die Steuerpflichtigen, die aufgrund zu hoher freiwilliger Zahlungen einen Erstattungsanspruch gegenüber der Finanzbehörde begründeten, einen Verzinsungsanspruch hätten. Es könne nicht angehen, daß die Finanzverwaltung verpflichtet sei, Beträge zu verzinsen bzw. auf die Erhebung von Nachzahlungszinsen zu verzichten, wenn sie die zugrunde liegende Steuer nicht bzw. erst zu einem späteren Zeitpunkt angefordert habe.
Zahle ein Steuerpflichtiger freiwillig vor Fälligkeit, habe er damit zu rechnen und das Risiko zu tragen, daß die Zinsfestsetzung sich nur nach der Fälligkeit der Steuerfestsetzung richte.
Mit seiner Beschwerde vom 19.10.1992 machte der Kläger geltend, die Zinsen seien unter Berücksichtigung des Zwecks der Verzinsung aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen. Mit der neu eingeführten Vollverzinsung habe der Gesetzgeber den Zinsvorteil des Steuerpflichtigen abschöpfen wollen. Da er mit der Zahlung vom 7. April 1992 nicht nur die Schuld lt. Einkommensteuerbescheid vom 4. März 1992, sondern auch die später durch Änderungsbescheid festgesetzte Nachzahlung von 15.626,00 DM vor Beginn des gesetzlichen Zinslaufes gezahlt habe, sei ihm kein Zinsvorteil erwachsen.
Zudem müsse sich das FA fragen lassen, warum es die Einkommensteuerüberzahlung nicht erstattet habe, weil insoweit keine Zahlungsverpflichtung bestanden habe bzw., warum das FA nicht mitgeteilt habe, woraus sich eine unbegründete und nicht verbuchbare Steuerzahlung ergeben habe.
Ferner sei das Schreiben vom 25. März 1992 als rechtzeitiger Antrag auf Anpassung der Steuerabschlußzahlung 1990 zu werten. Bis zur Zahlungsfälligkeit, dem 7. April 1992, seien dem FA noch 12 Tage zur Bearbeitung dieses Antrages verblieben. Dies sei im Rahmen von Vorauszahlungen eine durchaus angemessene Frist.
Der Hinweis des FA auf die Verzinsung freiwillig geleisteter Steuerzahlungen hänge nicht mit der Streitfrage zusammen. Diese polemischen Ausführungen dienten nicht der sachlichen Auseinandersetzung. Strittig sei allein die Frage, ob die festgesetzten Zinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen seien, weil die formelle Strenge des § 233 a AO eine unbillige Härte im Streitfall bedeute, die vom Gesetzgeber nicht gewollt sei.
Die Oberfinanzdirektion Hannover (OFD) wies die Beschwerde zurück. Führe die Festsetzung der Einkommensteuer zu einer Steuernachforderung, so sei diese gemäß § 233 a AO zu verzinsen. Im Schreiben des Klägers vom 25. März 1992 liege kein Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlung für 1990, weil er ausdrücklich die Änderung der Einkommensteuerveranlagung 1990 beantragt habe.
Die vorzeitige Zahlung der auf die Mieterträge entfallenden Einkommensteuer am 7. April 1992 rechtfertige keine andere Beurteilung. Die Vollverzinsung sei als Ausgleich für mögliche Zinsvorteile des Schuldners gewollt. Die Zinsen sollten weder Sanktionen noch Druckmittel oder gar Strafe darstellen. Durch die Zinsen sollten lediglich Zinsvorteile des Schuldners bzw. Zinsnachteile des Gläubigers ausgeglichen werden, denn das der Steuernachforderung entsprechende Kapital könne bis zur erstmaligen Fälligkeit vom Steuerpflichtigen genutzt werden.
Subjektive Gesichtspunkte könnten aufgrund des Prinzips der Sollverzinsung die Berechnung der Zinsen nicht beeinflussen. Entscheidend sei nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung allein der Zeitpunkt der Fälligkeit. Deshalb mache es keinen Unterschied, wann der Kläger tatsächlich gezahlt habe.
Der Kläger müsse sich vorhalten lassen, daß er zwar tatsächlich keinen Zinsvorteil erzielt haben möge, diese Entscheidung jedoch in seiner Sphäre gelegen habe. Es bliebe dem Steuerpflichtigen selbstverständlich unbenommen, erst am letzten Tag der gesetzlichen Fälligkeit eine Nachzahlung zu entrichten.
Zu einer Erstattung der Einkommensteuerüberzahlung 1990 sei das FA nicht verpflichtet gewesen, weil der Kläger insoweit freiwillig vor Fälligkeit gezahlt hätte.
Dagegen richtet sich die Klage.
Der Kläger macht sein bisheriges Vorbringen geltend. Die formelle, isolierte Anwendung des § 233 a AO verkehre sich im Streitfall in eine Strafvorschrift, weil dem FA tatsächlich kein Zinsverlust erwachsen sei. Nach der ablehnenden Entscheidung der OFD habe das FA nicht nur keinen Zinsverlust gehabt, sondern darüber hinaus noch Zinsen in Höhe von 156,00 DM abgerechnet.
Demgegenüber habe der Kläger zum einen den Nachteil des entgangenen Zinsvorteils durch die frühe Zahlung und zum anderen die Belastung mit Nachzahlungszinsen in Höhe von 156,00 DM gehabt.
Die Auffassung des FA bzw. der OFD führe praktisch zur Unanwendbarkeit der §§ 163, 227 AO bei der Festsetzung von Nachzahlungszinsen gemäß § 233 a AO. Dies sei mit dem Gesetz nicht vereinbar.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, die festgesetzten Zinsen gemäß § 233 a AO in Höhe von 156,00 DM zu erlassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner Auffassung fest. Ergänzend weist er darauf hin, daß das FA die Bearbeitung nicht verzögert habe. Es habe in angemessener Frist einen Änderungsbescheid erlassen und damit für die Sollstellung der vom Kläger errechneten Nachzahlung gesorgt.
Nach dem vom Gesetzgeber bewußt zugrunde gelegten Prinzip der Sollverzinsung blieben reine Kassenvorgänge, wie es die freiwillige Zahlung vor Fälligkeit darstelle, grundsätzlich außer Betracht. Der Kläger hätte es in der Hand gehabt, den geschuldeten Betrag bis zum Zeitpunkt der Fälligkeit zurückzuhalten. Die Vollverzinsung stelle einen Ausgleich für mögliche Zinsvorteile unabhängig vom tatsächlichen Entstehen eines Zinsvorteils dar.
Wegen des weiteren Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der zwischen ihnen vorgerichtlich und gerichtlich gewechselten Schriftsätze und die Steuer-, Erlaß- und Beschwerdeakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die Entscheidungen des FA und der OFD sind ermessensfehlerhaft. Gemäß § 227 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden. Zinsen gehören gem. § 3 Abs. 3 AO zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis. Bei der Entscheidung über den Erlaß von Zinsen handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, bei der dem FA ein Ermessensspielraum eingeräumt wird, wie die Verwendung des Begriffs "können" in § 227 AO zeigt. Ist die Finanzbehörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie gemäß § 5 AO ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.
Die Ermessensentscheidung der Finanzbehörde in der Gestalt, die sie durch die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat (§ 44 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO-), ist durch das Gericht im Rahmen des § 102 FGO zu überprüfen. Dies beinhaltet die Prüfung, ob die vorgerichtlichen Entscheidungen rechtswidrig sind, weil das der Finanzbehörde zustehende Ermessen über- oder unterschritten oder fehlerhaft gebraucht worden ist, ferner die Prüfung, ob sich das Ermessen auf eine einzige ermessensfehlerfreie Entscheidung reduziert hat.
Im Streitfall sind die vorgerichtlichen Entscheidungen ermessensfehlerhaft. Der Kläger hat geltend gemacht, die Zinsen seien aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen. Sachliche Billigkeitsgründe liegen vor, wenn die Geltendmachung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis im Einzelfall zwar dem Wortlaut einer Vorschrift entspricht, aber nach dem Zweck des zugrunde liegenden Gesetzes nicht (mehr) zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft, wobei die vom gesetzlichen Tatbestand typischerweise umfaßten und vom Gesetzgeber in Kauf genommenen Härten unbeachtlich sind (vgl. BFH, Urteil vom 11. Juli 1996 V R 18/95, Der Betrieb 1996, S. 2063 f., und Tipke/Kruse, Kommentar zur AO, Rdz. 19 ff. zu § 227 AO).
Das Vorliegen dieser Voraussetzungen haben FA und OFD ermessensfehlerhaft verneint, weil sie es für entscheidungsunerheblich gehalten haben, daß dem Kläger wegen der Zahlung an das FA am 07.04.1992 tatsächlich kein Zinsvorteil erwachsen konnte, und zwar mit der Begründung, es komme nur auf die Möglichkeit des Zinsvorteils an unabhängig davon, ob sich der Kläger - freiwillig, durch verfrühte Zahlung an das FA - dieser Möglichkeit begeben habe.
Damit haben FA und OFD den Sinn und Zweck der Regelung des § 233 a AO, beim Steuerpflichtigen denjenigen - möglichen - Zinsvorteil abzuschöpfen, der dadurch entsteht, daß der Steuerpflichtige bis zur Zahlung an das FA über das Geld verfügen kann. Diesem Sinn und Zweck entspricht die gesetzliche Regelung des § 233 a AO insoweit nicht, als es für die Zinspflicht (in der bis zum 31. Dezember 1993, d.h. auf den Streitfall anwendbaren, geltenden Fassung) lediglich auf die Fälligkeit der Steuer (Verzinsung nach dem Sollprinzip) ankommt. Als Folge dieser gesetzlichen Regelung können sich jedoch Unbilligkeiten ergeben, wenn freiwillig auf eine noch nicht festgesetzte Steuerschuld geleistet wird. Der Gesetzgeber ist bei der Einführung des § 233 a AO davon ausgegangen, die Finanzverwaltung werde dem Steuerpflichtigen im Verwaltungswege die Möglichkeit eröffnen, unabhängig vom Zeitpunkt der steuerlichen Veranlagung, die sich aus der Steuererklärung etwa ergebenden Nachforderungen an die Finanzkasse leisten zu können, um Nachforderungszinsen zu vermeiden (vgl. BT-Drucks 11/2529, zitiert in BFH, Urteil vom 15. März 1995 I R 56/93, BStBl II 1995, S. 490 ff.). Aus diesem Grund kann dem Gesetz nicht entnommen werden, daß mit § 233 a AO tatsächlich nicht vorhandene Zinsvorteile abgeschöpft werden sollen (vgl. BFH, Urteil vom 11.07.1996 a.a.O., S. 2064), zumindest: daß tatsächlich nicht (mehr) denkbare Zinsvorteile abgeschöpft werden sollen. Soweit der Kläger vor Fälligkeit an das FA bezahlte, konnte bei ihm kein möglicher Zinsvorteil mehr entstehen. Die Abschöpfung dieses nicht mehr denkbaren Zinsvorteils widerspricht dem Sinn und Zweck des § 233 a AO und ist auch nicht typischerweise von dessen Tatbestand umfaßt, weil in aller Regel Steuern nicht vor Fälligkeit gezahlt werden. Angesichts der Äußerungen im Gesetzgebungsverfahren (BT-Drucks a.a.O.) ist nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber eine Verpflichtung des Steuerpflichtigen zur Zinszahlung auch für solche Beträge einführen wollte, die der Steuerpflichtige bereits vor Fälligkeit freiwillig an das FA gezahlt hat.
Der sachlichen Unbilligkeit der Erhebung der Zinsen im Streitfall steht nicht entgegen, daß der Kläger die Nachzahlung freiwillig leistete. Seine Zahlung kann nicht als irgendwie geartete Zahlung ohne Rechtsgrund behandelt werden, weil er in seinem Schreiben vom 6. April 1992 ausdrücklich erklärt hatte, zur Begleichung welcher - mit Ablauf des 31. Dezember 1990 entstandenen (vgl. § 36 Abs. 1 EStG) - Einkommensteuerschuld diese Zahlung bestimmt war und weil das FA diese freiwillig geleistete Zahlung bereits im Änderungsbescheid vom 20. Mai 1992 unter "bereits getilgt" auf die Einkommensteuer angerechnet und damit gezeigt hat, daß es das ausdrückliche Angebot des Klägers, die Zahlung auf die noch fällig werdende, jedoch bereits entstandene restliche Einkommensteuerschuld 1990 zu verwenden, angenommen hat. Insbesondere hat das FA die Zahlung auch nicht zurücküberwiesen. Es widerspricht Treu und Glauben, wenn das FA die Zahlung behielt und sodann auf die Nachzahlung anrechnete, den Kläger aber nicht zuvor darauf hinwies, daß es trotz der vorzeitigen Zahlung Nachzahlungszinsen erheben werde und ihm damit nicht ermöglichte, die Zahlung zurückzuverlangen.
Daß der Kläger im Ergebnis für 342,00 DM Nachzahlung für zwei Monate 156,00 DM Zinsen zahlen soll, ist unbillig und vom Sinn und Zweck des § 233 a AO nicht mehr gedeckt. Die Ermessensentscheidung des FA ist dergestalt reduziert, daß nur die Entscheidung, die Zinsen in voller Höhe zu erlassen, ermessensfehlerfrei ist, weil aus der verbleibenden Nachzahlung von 342,00 DM keine Zinsen nach § 233 a AO resultieren; Zinsbeträge unter 20,00 DM (1 % von abgerundet 300,00 DM für zwei Monate) sind gemäß § 239 Abs. 2 AO nicht festzusetzen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung. Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf § 151 Abs. 3 FGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.