Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 21.11.1996, Az.: III 30/94

Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer bei Übergang des zum Gesellschaftsvermögen einer Personengesellschaft gehörende Grundstücks in das Alleineigentum des übernehmenden Gesellschafters; Bemessung der Steuer nach dem Wert der Gegenleistung; Einstufung einer Leistung als Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
21.11.1996
Aktenzeichen
III 30/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 16472
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1996:1121.III30.94.0A

Verfahrensgegenstand

Grunderwerbsteuer

Amtlicher Leitsatz

Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer bei Übergang des zum Gesellschaftsvermögen einer Personengesellschaft gehörende Grundstücks in das Alleineigentum des übernehmenden Gesellschafters

Der III. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 21. November 1996,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am ... Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtliche Richterin Krankenschwester
ehrenamtlicher Richter Geschäftsführer
fürRecht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, nach welchen Grundsätzen sich die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer im Fall der Vollbeendigung einer Personengesellschaft und Übergang eines zu deren Vermögen gehörenden Grundstücks bestimmt.

2

Die G. GmbH & Co.KG - im folgenden: KG - war Eigentümerin eines Betriebsgrundstücks in B., P. straße 39. An ihr waren als persönlich haftende Gesellschafterin die am Vermögen der KG nicht beteiligte Firma "Beteiligungsgesellschaft G. mbH" - im folgenden: GmbH - und bis zum 15. Dezember 1988 als Kommanditisten A. T. und S.T. beteiligt. Durch Verträge vom 15. Dezember 1988 und 5. Januar 1989 und Anteilsabtretung per 1. Januar 1990 erwarb die Klägerin sämtliche Kommanditanteile der KG. Aufgrund Vertrag vom 14. Dezember 1990 schied die GmbH am 29. Dezember 1990 ohne Gegenleistung aus der KG aus. Die KG war damit aufgelöst; das vermögen der KG ging unter Ausschluß der Liquidation mit allen Aktiven und Passiven und dem Recht zur Fortführung der Firma auf die Klägerin über. Das beklagte Finanzamt - FA - sah in der Anwachsung des Vermögens der KG bei der Klägerin hinsichtlich des übergegangenen Betriebsgrundstücks einen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Grunderwerbsteuergesetz - GrEStG - steuerpflichtigen Rechtsvorgang und setzte gegen die Klägerin durch Bescheid vom 30. November 1993 Grunderwerbsteuer von 40.824 DM fest. Die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer wurde mit 280 v.H. des Einheitswerts des Betriebsgrundstücks von 729.000 DM, d.h. 2.041.200 DM ermittelt. Mit dem hiergegen erhobenen Einspruch machte die Klägerin geltend, daß es an einem grunderwerbsteuerpflichtigen Rechtsvorgang fehle. Allenfalls könne, da die GmbH keine Abfindung für ihr Ausscheiden aus der KG erhalten habe, der Einheitswert des Betriebsgrundstücks gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG angesetzt werden. Durch Einspruchsbescheid vom 7. Januar 1994 setzte das FA die Grunderwerbsteuer auf 40.798 DM herab und wies den Einspruch imübrigen als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus: Für den hier nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerpflichtigen Grundstücksübergang auf die Klägerin kraft Anwachsung sei eine Gegenleistung i.S.d. § 8 Abs. 1 GrEStG vorhanden. Diese ergebe sich als Gesamtgegenleistung aus dem Wert der von der Klägerin übernommenen Schulden und Lasten sowie dem Wert des bisherigen Gesellschaftsanteils der Klägerin. Diese Gegenleistung sei anteilig auf das Betriebsgrundstück zu verteilen, woraus sich eine Gesamtgegenleistung von 6.231.370 DM und unter Berücksichtigung des Teilwerts des Betriebsgrundstücks von 2.150.000 DM eine grunderwerbsteuerrechtliche Gegenleistung von 2.039.941 DM und mithin eine Grunderwerbsteuer von 40.798 DM errechne. Der Annahme einer Gegenleistung i.S.d. § 8 Abs. 1 GrEStG stehe nicht entgegen, daß die GmbH ihrerseits nicht am vermögen der KG beteiligt gewesen sei. Denn die Gegenleistung der Klägerin gegenüber der GmbH bestehe insoweit darin, daß sie die bisher im Gesamthandsvermögen der KG stehenden Schulden übernommen und die persönlich haftende GmbH von deren Haftungsverpflichtung gegenüber der KG freigestellt habe.

3

Hiergegen richtet sich die Klage, mit der die Klägerin ihr Einspruchsvorbringen wiederholt und vertieft. Die Klägerin trägt ergänzend vor, daß das von ihr im Rahmen des Anwachsungsvorgangsübernommene vormalige Haftungsrisiko der GmbH nur theoretisch bestanden habe. In Anlehnung an die Grundsätze zur Übernahme einer Bürgschaftsverpflichtung durch den Grundstückserwerber sei dieses Haftungsrisiko mit 0 DM zu bewerten.

4

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids vom 30. November 1993 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 7. Januar 1994 die Grunderwerbsteuer auf 20.412 DM herabzusetzen,

5

hilfsweise,

6

im Falle des Unterliegens die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

7

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Es tritt dem Klagevorbringen entgegen.

9

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze und auf die beim FA geführten Grunderwerbsteuerakten (St.-Nr.: ...) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

10

Die Klage ist unbegründet.

11

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG unterliegt der Übergang des Eigentums an einem Grundstück der Grunderwerbsteuer, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und es auch keiner Auflassung bedarf. Dieser Steuertatbestand ist erfüllt, wenn in Anwendung des§ 142 HGB das gesamthänderisch gebundene Sondervermögen einer Personengesellschaft zu Alleineigentum desübernehmenden Gesellschafters wird. Diese Rechtsfolge ist im Streitfall mit dem Ausscheiden der GmbH als persönlich haftender Gesellschafterin der KG durch Vertrag vom 14. Dezember 1990 eingetreten.

12

Eine Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG liegt insoweit nicht vor, weil beim Erwerb aller Anteile an einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft durch eine einzige Person die Anteile mit der Übertragung auf den Anteilserwerber untergehen und es mithin nicht (mehr) zu einem Innehaben aller Anteile in einer Hand kommt, die nach der Gesetzesintention des § 1 Abs. 3 GrEStG eine besteuerungswürdige Änderung in der Rechtszuständigkeit des Grundstücks bewirken könnte (BFH-Urteil vom 13. September 1995 II R 80/92 BStBl II 1995, 903).

13

Eine Grunderwerbsteuerbefreiung des Erwerbs der Klägerin gemäß § 6 Abs. 2 GrEStG kommt aufgrund der Regelung des § 6 Abs. 4 GrEStG deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin innerhalb von fünf Jahren vor dem hier fraglichen Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG ihre Kommanditanteile an der KG aufgrund der Verträge vom 15. Dezember 1988 bzw. 5. Januar 1989 erworben hatte.

14

Die Einwände der Klägerin gegen die Höhe der vom FA angesetzten Gegenleistung sind unbegründet. Nach § 8 Abs. 1 GrEStG bemißt sich die Steuer nach dem Wert der Gegenleistung. Der Auffassung der Klägerin, daß die Grunderwerbsteuer gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG nach dem wert des Grundstücks (d.h. dem Einheitswert, vgl. § 10 Abs. 1 S. 1 GrEStG) zu berechnen sei, trifft nicht zu. Denn im Streitfall ist eine Gegenleistung vorhanden und zu ermitteln. Die Anwendung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG scheidet aus, weil der Eigentumsübergang von Grundstücken im Wege der Anwachsung - wie dargelegt - nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG und nicht nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegt.

15

Als Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne gilt jede Leistung, die der Erwerber als Entgelt (im weiteren Sinne) für den Erwerb des Grundstücks gewährt oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks empfängt. Entscheidend ist, daß der Erwerb des Grundstücks und die Gegenleistung für den Erwerb kausal verknüpft sind. Der so verstandene Gegenleistungsbegriff ist nicht auf schuldrechtliche Geschäfte oder auch nur auf rechtsgeschäftliche Eigentumsübertragungen beschränkt (BFH-Urteil vom 13. September 1995, a.a.O., m.w.N.). Auf der Grundlage dieses eigenständigen, spezifisch grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistungsbegriffs besteht die Gegenleistung in Fällen des Eigentumsübergangs infolge Anwachsung in dem anteiligen Entgelt, daß der übernehmende Gesellschafter bei der Übernahme des Geschäfts insgesamt für das Grundstück zu erbringen hat. Zur Gegenleistung gehören im einzelnen die Abfindung der ausscheidenden Gesellschafter, die Schulden der Gesellschaft, für die derübernehmende Gesellschafter nunmehr allein einzustehen hat, und der "bisherige Gesellschaftsanteil" des übernehmenden Gesellschafters (BFH-Urteile vom 1. Juli 1964 II 191/61 HER 1966, 12; vom 16. Februar 1977 II R 89/74 BStBl II 1977, 671; Hofmann, Kommentar zum GrEStG, 6. Aufl. 1996, § 9 Rz. 55, m.w.N.). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn - wie hier - der Eigentumsübergang kraft Anwachsung durch das Ausscheiden einer am vermögen der KG nicht beteiligten persönlichen haftenden Gesellschafterin bewirkt wird. In Anwendung dieser Grundsätze hat das FA im Streitfall, zutreffend, da die Klägerin keine Abfindung an die GmbH für deren Ausscheiden aus der KG zu zahlen hatte, Lediglich die von der Klägerin übernommenen Schulden und Lasten sowie den wert des bisherigen Gesellschaftsanteils der Klägerin in die Ermittlung der Gesamtgegenleistung einbezogen.

16

Den hiergegen erhobenen Einwendungen der Klägerin vermag der Senat nicht zu folgen. Die Klägerin verneint im Kern das vorliegen einer Gegenleistung i.S.d. § 8 Abs. 1 GrEStG bezüglich der von ihr übernommenen Gesellschaftsschulden deshalb, weil sie auch schon vor dem Eigentumsübergang infolge Anwachsung für die Gesellschaftsschulden der KG einzustehen hatte. Diese Betrachtung verkennt, daß die Personengesellschaft als grunderwerbsteuerrechtlich selbständiger Rechtsträger ein von ihren Gesellschaftern verschiedenes Rechtssubjekt ist. Dementsprechend gehört grunderwerbsteuerrechtlich beim Kauf eines Grundstücks durch einen Gesellschafter von einer Personengesellschaft gegen Übernahme von Schulden die Schuldübernahme in vollem Umfang zur Gegenleistung, auch wenn der Gesellschafter als solcher für die Gesellschaftsschulden einzustehen hatte. Dieser Grundsatz muß konsequenterweise auch die Einbeziehung der Schuldübernahme in die Gegenleistung zur Folge haben, wenn - wie hier - ein nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG Steuerpflichtiger und nicht gemäß § 6 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreiter Übergang des Eigentums von einer Personengesellschaft auf denübernehmenden Gesellschafter vorliegt (BFH-Urteil vom 16. Februar 1977, a.a.O.). Ob - wie die Klägerin vorträgt - für die GmbH bezüglich der Verbindlichkeiten der KG ein quantifizierbares Haftungsrisiko fehlte ist ebenfalls grunderwerbsteuerlich unerheblich. Denn der Ansatz der von der Klägerin übernommenen Verbindlichkeiten als Gegenleistung i.S.d. § 8 Abs. 1 GrEStG rechtfertigt sich bereits deshalb, weil die Klägerin infolge der Anwachsung nunmehr allein die Verbindlichkeiten als übernehmende Gesellschafterin zu tragen hat (BFH-Urteil vom 16. Februar 1977, a.a.O.). Aus diesem Grunde erweist sich auch der Hinweis der Klägerin auf die Grundsätze über die Einbeziehung von Bürgschaftsverpflichtungen des Grundstückserwerbers in die grunderwerbsteuerrechtliche Gegenleistung als nicht tragfähig.

17

Rechtliche Bedenken gegen die Einzelheiten der vom FA vorgenommenen Berechnung der Grunderwerbsteuer sind im übrigen weder ersichtlich noch vorgetragen.

18

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

19

Die Revision war nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund i.S.d. § 115 Abs. 2 FGO vorliegt.