Landgericht Verden
Beschl. v. 18.01.2007, Az.: 6 T 274/06
Bibliographie
- Gericht
- LG Verden
- Datum
- 18.01.2007
- Aktenzeichen
- 6 T 274/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 61155
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGVERDN:2007:0118.6T274.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Stolzenau - 11.01.2006 - AZ: 8a M 571/05
- nachfolgend
- BGH - 04.07.2007 - AZ: VII ZB 15/07
In der Beschwerdesache
...
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Verden am 18.01.2007 durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht Raßweiler, den Richter Streufert und den Richter am Landgericht Seifert beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Vollstreckungsgerichts - Stolzenau vom 11.01.2006 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens - einschließlich des Rechtsbeschwerdeverfahrens vor dem Bundesgerichtshof VII ZB 25/06- trägt die Gläubigerin.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Der Beschwerdewert wird auf bis zu 300,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Nienburg vom 10.02.2004 (12 B 111/04 ) wegen einer Hauptforderung (50,36 EUR) nebst zwischenzeitlich aufgelaufener Zinsen und Kosten in Höhe von insgesamt 238,32 EUR. Das Amtsgericht erließ am 05.09.2005 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mit dem die Ansprüche des Schuldners gegen den Drittschuldner gemäß § 667 BGB auf Auszahlung von Geldleistungen, welche dem Schuldner als Leistungsempfänger zustehen, gepfändet wurden. Der Schuldner beantragte daraufhin Vollstreckungsschutz mit der Begründung, dass der Drittschuldner lediglich die dem Schuldner zustehenden Leistungen des Arbeitsmarktservice in Höhe von 680,08 EUR monatlich erhalte, welche gemäß dem Beschluss des Amtsgerichts Stolzenau vom 20.07.2005 (8 aM 383/05 ) in dieser Höhe unpfändbar seien. Grund für die Überweisung an den Drittschuldner sei, dass dem Schuldner aufgrund der vorausgegangenen Pfändungen der Gläubigerin die Konten gekündigt worden seien und kein Geldinstitut bereit sei, ihm ein Konto zur Verfügung zu stellen.
Das Amtsgericht stellte mit Beschluss vom 24.10.2005 die Zwangsvollstreckung zunächst einstweilen ein. Mit Beschluss vom 11.01.2006 änderte es den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gemäß § 765 a ZPO dahingehend ab, dass Zahlungen des Arbeitsmarktservices Nienburg an den Drittschuldner bis zur Höhe von 680,03 EUR monatlich nicht der Pfändung unterliegen, wohl aber Ansprüche aus anderem Rechtsgrund. Hiergegen legte die Gläubigerin mit Schriftsatz vom 18.01.2006 sofortige Beschwerde ein. Sie vertritt die Auffassung, dass es dem Risiko des Schuldners obliege, seine Sozialleistungen außerhalb des gesetzlichen Schutzes des § 55 SGB I und § 850 k ZPO auf das Konto eines Dritten überweisen zu lassen.
Das Amtsgericht hat nicht abgeholfen und die Akten dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Die sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss hat das Beschwerdegericht (Einzelrichterin ) mit Beschluss vom 02.02.2006 (6 T 23/06) zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit Beschluss vom 25.10.2006 hat der Bundesgerichtshof diesen Beschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht (Einzelrichter) zurückverwiesen.
Der Einzelrichter hat die Sache mit Beschluss vom 17.01.2007 gem. § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO der Kammer zur Entscheidung übertragen.
II.
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 10.01.2006 ist zulässig, jedoch unbegründet.
Zu Recht hat das Amtsgericht dem Vollstreckungsschutzantrag entsprochen. Zwar ist der Gläubigerin darin zuzustimmen, dass zugunsten des Schuldners weder die Pfändungsschutzbestimmungen des § 55 SGB I noch des § 850 k ZPO eingreifen. Die Kammer schließt sich jedoch der Auffassung des Amtsgerichts an, dass dem Schuldner zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte Vollstreckungsschutz in dem erfolgten Umfang gemäß § 765 a ZPO zu gewähren ist. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht auf Antrag des Schuldners eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn sie unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, welche mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Diese Voraussetzungen liegen vor.
Der Schuldner erhält ausweislich des in den Akten befindlichen Bescheides des Arbeitsmarktservices Nienburg vom 21.03.2005 monatliche Sozialleistungen in Höhe von 680,08 EUR, welche sich zusammensetzen aus dem Regelbedarf in Höhe von 345,- EUR, einem Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung von 51,13 EUR und den Kosten der Unterkunft einschließlich Heizung in Höhe von 283,95 EUR. Dieser Gesamtbetrag entspricht dem "notwendigen Lebensunterhalt" im Sinne des § 850 f Abs. 1 a ZPO, den das Amtsgericht im Verfahren 8 aM 383/05 zu Recht als der Pfändung nicht unterworfen angesehen hat. Gingen diese Sozialleistungen auf ein Bankkonto, wären sie gemäß § 55 Abs. 1, 4 SGB I als "laufende Sozialleistungen" auch über die 7-Tagesfrist hinaus dem Zugriff der Gläubigerin entzogen, soweit es um einen Betrag geht, der dem unpfändbaren Teil der Leistung bis zum nächsten Zahlungstermin entspricht. Allein der Umstand, dass der Schuldner aufgrund der vorausgegangenen Pfändungen sein Konto verloren hat, ist Grund dafür, dass er seine laufenden Sozialleistungen auf das Konto des Drittschuldners überweisen lässt. Dies hat der Schuldner bei Antragstellung durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht. Bei der nach § 765 a ZPO vorzunehmenden Abwägung ist deshalb weniger darauf abzustellen, aus welchem Rechtsgrund (§ 667 BGB) der Schuldner Zahlung vom Drittschuldner verlangen kann, sondern aus welchem Rechtsgrund ihm der Betrag ursprünglich zustand.
Dem steht auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ( NJW 1988, 709) nicht entgegen. Dieser hat im Gegenteil ausgeführt, dass die Nichtanwendbarkeit des Pfändungsschutzes gemäß § 55 SGB I im Verhältnis zum Kontoinhaber nicht ausschließt, dass im Einzelfall bei Vorliegen besonderer Umstände nach Treu und Glauben in der Vorenthaltung der Sozialleistungen eine unzulässige Rechtsausübung liege. Diesem Rechtsgedanken haben sich auch andere Gerichte angeschlossen (vgl. LG Bonn, Beschluss vom 28.11.2005 - 6 T 346/05; LG Mönchengladbach, Beschluss vom 01.04.2005 - 5 T 114/05; LG Verden, Beschluss vom 24.11.2005 - 6 T 245/05 ). Ähnlich liegt die Sachlage hier. Aus dem Schutzantrag und der eidesstattlichen Versicherung des Schuldners ergibt sich zudem, dass er bei dem Drittschuldner in der Vergangenheit keine Rücklagen gebildet hatte. Deshalb müssen ihm die laufenden Sozialleistungen, die er zur Sicherung seines Lebensunterhalts benötigt, verbleiben. Auch unter Berücksichtigung der Höhe der zu vollstreckenden Forderung überwiegt in diesem besonderen Fall das Schutzbedürfnis des Schuldners.
Die sofortige Beschwerde war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Dies betrifft auch die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, da dieses letztlich nicht zum Erfolg für den Beschwerdeführer führte (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 26. Aufl., § 97, Rn. 7).
Die Kammer hat die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassen.
Streitwertbeschluss:
Der Beschwerdewert richtet sich nach dem Wert der Vollstreckungsforderung.