Landgericht Verden
Urt. v. 05.07.2007, Az.: 5 O 419/06
Bibliographie
- Gericht
- LG Verden
- Datum
- 05.07.2007
- Aktenzeichen
- 5 O 419/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 61151
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGVERDN:2007:0705.5O419.06.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OLG Celle - 17.01.2008 - AZ: 13 U 152/07
- BGH - 15.07.2009 - AZ: VIII ZR 56/08
In dem Rechtsstreit
...
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Verden auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juni 2007 durch
die Vorsitzende Richterin am Landgericht ...
die Richterin am Landgericht ...
die Richterin am Landgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Der Kläger verlangt als qualifizierte Einrichtung im Sinne von §§ 3, 4 UklaG von der Beklagten, einem Gasversorgungsunternehmen, die Verwendung folgender Klausel zu unterlassen:
"kgu darf den Festpreis und den Verbrauchspreis entsprechend § 4 Abs. 2 AVBGasV anpassen. Es handelt sich um eine einseitige Leistungsbestimmung, die wir nach billigem Ermessen ausüben werden. Soweit sich der Festpreis oder der Verbrauchspreis ändert, können sie den Vertrag entsprechend § 32 Absatz 2 AVBGasV kündigen."
Die Beklagte versorgt die in ..., ... und ... ansässigen Verbraucher mit Gas. Sie bietet Haushaltskunden im Rahmen der Grundversorgung den Vertrag "..." an sowie als Alternative dazu den Sondervertrag "...". Die streitgegenständliche Klausel verwendet sie im Rahmen dieses Sondervertrags, in dem im übrigen allgemein auf die AVBGasV Bezug genommen wird (Bl. 124).
Der Kläger ist der Ansicht, die Klausel verstoße bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung gegen das Transparenzgebot. § 4 Abs. 2 AVBGasV bzw. § 5 Abs. 2 GasGVV berechtige die Beklagte - jedenfalls außerhalb der Grundversorgung - nicht zur Preisanhebung, zumal sich diese Regelung dem Wortlaut nach nur auf "allgemeine Tarife" beziehe. Andernfalls wäre § 41 Abs. 1 Nr. 1 EnWG 2005 überflüssig, wonach Energielieferungsverträge Bestimmungen über die Preisanpassung enthalten müssen. Die streitgegenständliche Klausel benachteilige Kunden unangemessen, weil der vereinbarte Gaspreis unter für den Kunden nicht vorhersehbaren und nicht nachvollziehbaren oder nachprüfbaren Voraussetzungen geändert werden könne. Der Verbraucher müsse bereits bei Vertragsschluss erkennen können, in welchem Umfang Preiserhöhungen auf ihn zukommen können, und in der Lage sein, deren Berechtigung an der Ermächtigungsklausel zu messen. Die Beklagte müsse in einer Preiserhöhungsklausel die konkreten Preisbestandteile und deren Anteil am Endpreis benennen; das Kriterium der Billigkeit sei unzureichend. Offenbar solle die Klausel auch nur der Preiserhöhung dienen. Das eingeräumte Sonderkündigungsrecht laufe mangels Wettbewerbs auf dem Gasmarkt leer.
Der Kläger verlangt im übrigen Kosten einer vorprozessualen Abmahnung erstattet.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
- 1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 50 000,- €, ersatzweise Ordnungshaft gegen einen der Geschäftführer bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, folgende oder eine dieser inhaltsgleiche Klausel in Gasversorgungsverträgen zu verwenden, sofern der Vertrag nicht mit einer Person geschlossen wird, die in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (Unternehmer): kgu darf den Festpreis und den Verbrauchspreis entsprechend § 4 Abs. 2 AVB-GasV anpassen. Es handelt sich um eine einseitige Leistungsbestimmung, die wir nach billigem Ermessen ausüben werden. Soweit sich der Festpreis oder der Verbrauchspreis ändert, können Sie den Vertrag entsprechend § 32 Absatz 2 AVBGasV kündigen.
- 2.
an den Kläger 189,- € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, § 4 Abs. 2 AVBGasV enthalte ein materielles Preisbestimmungsrecht, das durch den Verweis auf diese Regelung Vertragsbestandteil sei. Ein effektives Massenkundengeschäft sei nur möglich, wenn der Versorger die Preise den jeweiligen Gegebenheiten anpassen könne. Die Regelung in § 41 Abs. 1 Nr. 1 EnWG 2005, wonach Verträge außerhalb der Grundversorgung Bestimmungen über die Preisanpassung enthalten müssen, belege, dass der Gesetzgeber Wert auf entsprechende vertragliche Regelungen auch außerhalb der Grundversorgung lege. Von einem Abweichen vom gesetzlichen Grundgedanken könne nicht die Rede sein, weil die streitige Klausel gerade die maßgebliche - auch für Sonderverträge als Leitbild geltende - gesetzliche Regelung in Form des § 4 Abs. 2 AVBGasV in den Vertrag integriere. § 310 Abs. 2 BGB sei zu entnehmen, dass Sondervertragskunden nicht schutzwürdiger seien als Tarifkunden. Weitergehende Angaben im Rahmen des Vertragsabschlusses zu Preisanpassungskriterien seien im übrigen nicht praktikabel. Die Flüssiggas-Entscheidung des BGH sei nicht einschlägig, weil die Lieferung von Flüssiggas nicht in den Anwendungsbereich der AVBGasV falle. Im übrigen ergebe sich aus der Bezugnahme auf § 315 BGB gerade, dass die Leistungsbestimmung billig und nicht nach freiem Belieben getroffen werde.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem als qualifizierte Einrichtung gemäß §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 4 UklaG anspruchsberechtigten Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu. Die streitgegenständliche Preisanpassungsklausel ist nicht zu beanstanden.
Die streitgegenständliche, in Verträgen mit Sonderabnehmern verwendete Klausel unterliegt nicht der Inhaltskontrolle gemäß §§ 308 f. BGB (§ 310 Abs. 2 S. 1 BGB), sondern nur derjenigen nach § 307 BGB. Eine unangemessene Benachteiligung der Sonderabnehmer liegt jedoch nicht vor.
Eine solche Benachteiligung ist gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Die streitgegenständliche Klausel ist Bestandteil von Sonderverträgen über die Abnahme von Gas. Als gesetzliches Leitbild ist deshalb allenfalls die (nur für Tarifkunden geltende) AVBGasV anzusehen, zumal der Sonderkunde, wie sich aus der Regelung in § 310 Abs. 2 BGB ergibt, nicht besser gestellt sein soll als der Tarifkunde. Von diesem Leitbild weicht die Beklagte in ihren Vertragsbedingungen hinsichtlich des vorgesehenen Preisanpassungsrechts jedoch nicht ab, im Gegenteil heißt es ausdrücklich: "kgu darf den Festpreis und den Verbrauchspreis entsprechend § 4 Absatz 2 AVBGasV anpassen".
Dass der Gasversorger im Rahmen von Vertragsbeziehungen zu allgemeinen Tarifkunden zur Preisänderung berechtigt ist, ergibt sich jedenfalls indirekt aus den Regelungen in § 4 AVBGasV, wonach das Gasversorgungsunternehmen Gas "zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen zur Verfügung" stellt und "Änderungen der Tarife ... nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam" werden. Die Nachfolgeregelung in § 5 Abs. 2 der seit November 2006 geltenden GasGVV geht ebenfalls davon aus, dass der Gasversorger seine Tarife unter bestimmten Voraussetzungen, zu denen insbesondere die öffentliche Bekanntgabe gehört, ändern kann. Diese Regelungen würden leerlaufen, wenn dem Versorger nicht ein Preisanpassungsrecht zustünde.
Vor diesem Hintergrund - dass es sich vorliegend nämlich um Verträge mit Sonderkunden handelt, die ohne weiteres auch Gas zu den allgemeinen Tarifen unter den Bedingungen der AVBGasV bzw. GasGVV beziehen könnten und nicht besser als Tarifkunden zu behandeln sind - steht die Wirksamkeit der Klausel auch nicht etwa deshalb in Frage, weil das Preisanpassungsrecht der Beklagten nicht ausreichend inhaltlich bestimmt ist. Die Entscheidung des BGH vom 21. September 2005 ("Flüssiggas I" NJW-RR 2005, 1717 ff.) ist vorliegend nicht einschlägig, weil es sich gerade nicht um Verträge handelt, bei denen den Kunden unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte keine Alternative zu Gebote steht, sondern sie vom Sondervertrag ohne weiteres zum allgemeinen Tarif wechseln können (bei dem ohnehin die AVBGasV bzw. die GasGVV gilt).
Die Kammer ist im übrigen der Auffassung, dass die an die Formulierung von Preisanpassungsklauseln gestellten höchstrichterlichen Anforderungen nur schwerlich in die Praxis - zumal in für die Kunden übersichtliche und verständliche allgemeine Geschäftsbedingungen - umzusetzen sein dürften und deshalb die Vereinbarung von Preisanpassungen unter diesen Voraussetzungen so gut wie unmöglich sein dürfte. Entsprechende Zweifel klingen in der Flüssiggas II-Entscheidung des BGH vom 13. Dezember 2006 ( WRP 2007, 332 ff.) an, wenn dem Klauselverwender auferlegt wird, eine klauselmäßig nicht mögliche Preiserhöhungsbegrenzung durch ein Kündigungsrecht auszugleichen. Die faktische Unmöglichkeit, eine solche Klausel zu formulieren, würde auch den für Verträge außerhalb der Grundversorgung geltenden § 41 Abs. 1 EnWG über die Preisänderung leerlaufen lassen, weil gar keine wirksame Preisänderung mehr vereinbart werden könnte.
Die streitgegenständliche Klausel hält auch den höchstrichterlichen Anforderungen im Hinblick auf die Einräumung eines Rechts zur Lösung vom Vertrag stand (Flüssiggas II). Dieses Recht darf nicht erst nach der Preiserhöhung wirksam werden und auch nicht durch unzumutbare Folgekosten für den Kunden oder ähnliche Hindernisse eingeschränkt werden; der Kunde muss klar erkennen können, dass ihm überhaupt ein Recht zur Lösung vom Vertrag zusteht, es darf ihm insbesondere nicht durch einen Verweis auf andere Regelwerke verborgen bleiben (BGH aaO). Diesen Anforderungen entspricht die streitgegenständliche Klausel, indem sie nicht nur hinsichtlich des eingeräumten Kündigungsrechts auf § 32 Abs. 2 AVBGasV, sondern im übrigen generalklauselartig auf die "beigefügte" AVBGasV Bezug nimmt ("Soweit dieser Vertrag nichts Abweichendes vorsieht, gilt die beigefügte Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung ..."). Dem Kunden wird schließlich auch für den Fall ein Kündigungsrecht eingeräumt, dass die AVBGasV geändert oder - wie durch die GasGVV geschehen - durch eine Nachfolgeregelung ersetzt wird.
Dass die Beklagte die Preisanpassung zusätzlich an billiges Ermessen im Sinne von § 315 BGB bindet, steht der Wirksamkeit der Klausel selbstverständlich nicht entgegen. Zwar genügt der weite Spielraum der Billigkeit nicht den an die Eingrenzung und Konkretisierung einer Formularbestimmung zu stellenden Anforderungen ( BGHZ 89, 206 ). Aus den bereits dargelegten Gründen ist die Klausel vorliegend indes auch ohne weitere Konkretisierung wirksam, so dass sich die Bezugnahme auf § 315 BGB nur als zusätzliche, nicht zwingend erforderliche Bezugnahme auf den Gesetzeswortlaut darstellt.
Die auf Unterlassung gerichtete Klage war deshalb abzuweisen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.