Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.02.2019, Az.: 10 K 247/17
Keine Steuerpflicht für Zahlungen im Rahmen eines Stipendiums bei einer Gastarzttätigkeit in Deutschland
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 14.02.2019
- Aktenzeichen
- 10 K 247/17
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2019, 42593
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2019:0214.10K247.17.00
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 08.07.2020 - AZ: X R 6/19
Rechtsgrundlagen
- § 22 Nr. 1 S. 1 EStG 2009
- § 22 Nr. 1 S. 2 EStG 2009
- § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG 2009
- § 3 Nr. 44 EStG 2009
- EStG VZ 2014
- § 22 Nr. 3 EStG 2009
Fundstellen
- EFG 2019, 706-709
- EStB 2019, 513
- LGP 2019, 65
- NWB 2019, 1272
- StX 2019, 214-215
Amtlicher Leitsatz
Stipendiumsleistungen, die eine in Deutschland tätige Gastärztin aus ihrem Heimatland (Libyen) zur Sicherung ihres Unterhalts erhält, sind weder Arbeitslohn von dritter Seite, noch als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG steuerbar.
Tatbestand
Streitig ist die Steuerpflicht von Zahlungen aus einem Stipendium.
Die Kläger sind libysche Staatsangehörige. Sie leben mit ihren Kindern seit ... 2013 in Deutschland. Die Klägerin ist Ärztin und hatte wegen besonders guter Leistungen bereits nach ihrem Studienabschluss in 2008 eine Zusage des libyschen Staates für ein Stipendium für die Weiterbildung im Ausland erhalten. Aus privaten Gründen nahm sie dieses Stipendium erst nach einigen Jahren in Anspruch. Nach ihrer Einreise absolvierte die Klägerin zunächst einen Deutschkurs. Seit April 2014 war die Klägerin an einer Klinik in A (im Folgenden A) als Gastärztin tätig. Als Gastärztin war sie einer Assistenzärztin vergleichbar in der Abteilung Kinderheilkunde tätig mit dem Ziel, die Facharztprüfung abzulegen.
Der Klägerin war nach ihrer Aufenthaltserlaubnis eine Erwerbstätigkeit nicht gestattet. Für die Facharztweiterbildung hatte sie eine Zustimmung vom 1. April 2014 bis 31. März 2017 erhalten unter dem Vorbehalt, dass der Unterhalt aus ausländischen Mitteln finanziert wird. Der Tätigkeit liegt eine Erlaubnis vom ... 2014 zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs in Niedersachsen gem. § 10 Bundesärzteordnung (BÄO) für den Zeitraum 1. Februar 2014 bis 31. Mai 2016 zugrunde.
Inzwischen ist die Klägerin als Ärztin in einer Klinik in S tätig. Hierzu ist sie nach ihrer am ... 2018 erteilten Aufenthaltserlaubnis berechtigt.
Für die Tätigkeit als Gastärztin erhielt die Klägerin im Streitjahr kein Entgelt von A. Indes erhielt sie von der Libyschen Botschaft in Berlin im Streitjahr von Januar bis Dezember ein Stipendium von ... € monatlich zur Deckung ihrer Lebenshaltungskosten sowie die ihrer Familie. Zusätzlich übernahm die Libysche Botschaft die Krankenversicherung für die Klägerin und ihre Familie. In der vorgenannten Bescheinigung versichert die libysche Botschaft zudem, dass die Klägerin nach Beendigung ihrer Studienzeit ins Heimatland (Libyen) zusammen mit der Familie zurückkehren wird.
Der Kläger erzielte in den Streitjahren keine Einkünfte.
Der Beklagte erhielt infolge einer Lohnsteueraußenprüfung bei A Kenntnis von der Tätigkeit der Klägerin als Gastärztin und forderte die Kläger im Mai 2015 zur Abgabe von Einkommensteuererklärung(en) auf. Mit Bescheid vom ... 2015 erließ er einen Schätzungsbescheid, mit dem er die Kläger zur Einkommensteuer 2014 zusammenveranlagte (festgesetzte Steuer ... €). Der Schätzung legte der Beklagte Arbeitslohn in Höhe von ... € zugrunde, zudem dem Progressionsvorbehalt unterliegende Einkünfte von ... €.
Die Kläger wendeten sich gegen den Schätzungsbescheid mit Einspruch vom ... 2015 und reichten im Einspruchsverfahren eine Steuererklärung für das Streitjahr ein. Zu dem Stipendium vertraten die Kläger die Auffassung, dass das Stipendium nach § 3 Nr. 44 EStG steuerfrei sei. Es werde unmittelbar aus öffentlichen Mitteln des libyschen Staates zur Förderung der wissenschaftlichen Ausbildung oder Fortbildung gewährt. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 3 Nr. 44 EStG lägen vor. Die Klägerin sei in Zusammenhang mit dem Stipendium insbesondere nicht zu einer bestimmten Gegenleistung oder zu einer bestimmten Arbeitnehmertätigkeit verpflichtet gewesen. Da die Kläger keine weiteren Einkünfte erzielt haben, würde sich keine Steuerfestsetzung ergeben.
Der Beklagte setzte die Steuer mit Einspruchsentscheidung vom ... 2017 zwar auf ... € herab, wies den Einspruch im Übrigen aber als unbegründet zurück. Er berücksichtigte das Stipendium nunmehr in unveränderter Höhe als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 1 S. 1 oder Nr. 3 EStG und zudem im Rahmen des Progressionsvorbehaltes Elterngeld i.H.v. ... €.
Zur Begründung der Steuerbarkeit des Stipendiums bezog sich der Beklagte auf das Ergebnis der Erörterungen des Bundes und der obersten Finanzbehörden der Länder sowie Ausführungen des Niedersächsischen Finanzministeriums.
Die Klägerin erbringe für das Stipendium eine Gegenleistung, da sie sich nach Absolvierung der Facharztausbildung zu einer Tätigkeit im Gesundheitssektor in Libyen verpflichtet habe.
Die Voraussetzungen des § 3 Nr. 11 EStG lägen zudem nicht vor, weil die Klägerin zu einer bestimmten Arbeitnehmertätigkeit verpflichtet sei. § 3 Nr. 44 EStG sei nicht einschlägig, weil die Gelder nicht aus den begünstigten Quellen stammten.
Mit Änderungsbescheid vom ... 2017 setzte der Beklagte die Steuer auf ... € herab. Dem liegen geänderte Erkenntnisse über die Höhe des Stipendiums (...) zugrunde. Außerdem berücksichtigte der Beklagte Werbungskosten -wie erklärt- i.H.v. ... €. Die (geschätzten) Krankenversicherungsbeiträge hat der Beklagte zudem als Sonderausgaben berücksichtigt.
Die Kläger vertreten weiterhin die Auffassung, dass bereits kein Einkünftetatbestand vorliege. Bei dem Stipendium handele es sich entgegen der Auffassung des Beklagten nicht um sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 1 oder Nr. 3 EStG. So würden die Zahlungen freiwillig gewährt und seien keine wirtschaftliche Gegenleistung für ein Tun, Dulden oder Unterlassen der Klägerin. Insbesondere habe sich die Klägerin nicht zur Rückkehr nach Libyen verpflichtet. Jedenfalls sei das Stipendium nach § 3 Nr. 44 EStG sowie auch nach § 3 Nr.11 EStG steuerfrei.
Die Klägerin habe bezüglich der vom Beklagten behaupteten Rückkehrpflicht keine Verträge oder Vereinbarungen geschlossen und keine Verpflichtungserklärung abgegeben. Sie sei zur Rückkehr auch tatsächlich nicht verpflichtet und müsse das Stipendium bei Nichtrückkehr auch nicht zurückzahlen.
Der Versicherung der Libyschen Botschaft in ihrer Bescheinigung über das Stipendium, nach der die Empfängerin nach Beendigung ihrer Studienzeit ins Heimatland zurückkehren wird, lasse sich eine rechtliche Verpflichtung nicht entnehmen. Auch aus der Aufenthaltsgenehmigung lasse sich eine Rückkehrpflicht nicht herleiten.
Unter Berücksichtigung des in Libyen seit 2011 herrschenden Krieges und der bis heute bestehenden unsicheren Lage müsse es einleuchten, dass die Klägerin mit ihrer Familie tatsächlich nicht nach Libyen zurückgekehrt sei und dass sie dazu auch nicht hätte verpflichtet werden können.
Weitere Unterlagen über die Vergabebedingungen des Stipendiums könne die Klägerin nicht vorlegen, weil solche nicht existierten.
Die Kläger beantragen,
die Einkommensteuerbescheide für 2014 vom ... 2015 und ... 2017 sowie die Einspruchsentscheidung vom ... 2017 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertritt weiterhin die Auffassung, die Klägerin erziele mit dem Stipendium steuerpflichtige Einkünfte.
Zwar handele es sich nicht wie zunächst angenommen um Arbeitslohn, da kein unmittelbarer Veranlassungszusammenhang zwischen dem Stipendium und dem Dienstverhältnis bei A bestehe.
Indes handele es sich um sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 1 EStG. Eine freiwillige Zahlung liege nicht vor, weil die Klägerin eine Gegenleistung erbringe, da sie sich nach Absolvierung der Facharztausbildung zu einer Tätigkeit im Gesundheitssektor in Libyen verpflichtet habe. Außerdem sei auch § 22 Nr. 3 EStG einschlägig. Die erforderliche Gegenleistung sei ebenfalls in der Verpflichtung zur Rückkehr nach Libyen und der Aufnahme einer Tätigkeit im Gesundheitssektor zu sehen.
Zur Annahme der Rückkehrpflicht bezieht sich der Beklagte darauf, dass ihm aus anderen Fällen mit Gastärzten, insbesondere aus Saudi-Arabien, bekannt sei, dass die Stipendiaten sich verpflichten müssten, nach Beendigung des Studiums in ihr Heimatland zurückzukehren. Außerdem erhielten sie auch nur zeitlich begrenzte Aufenthaltsgenehmigungen für die Dauer des Facharztstudiums. Aus diesem Grund sei auch im vorliegenden Fall von einer entsprechenden Verpflichtung der Klägerin auszugehen. Diese habe jedenfalls ursprünglich bestanden und entfalle nicht durch die zwischenzeitlichen sicherheitspolitischen Entwicklungen in Libyen bzw. die tatsächliche Nichtrückkehr der Klägerin.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist begründet. Die Kläger werden durch den angefochtenen Einkommensteuerbescheid in ihren Rechten verletzt, § 100 Abs. 1 FGO. Die Zahlungen des libyschen Staates (Stipendium) sind nicht steuerbar. In Ermangelung weiterer Einkünfte der Kläger ist für das Streitjahr keine Einkommensteuer festzusetzen.
1. Die Klägerin erzielt keine Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit gem. § 19 EStG. Die Klägerin erhielt im Streitjahr für ihre Tätigkeit bei A keinen Arbeitslohn, auch nicht von Dritter Seite.
a) Zuwendungen durch Dritte sind Arbeitslohn, wenn sie ein Entgelt für eine Leistung bilden, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses für seinen Arbeitgeber erbringt, erbracht hat oder erbringen soll, die sich für den Arbeitnehmer als Ertrag seiner individuellen Arbeit für den Arbeitgeber darstellen und in Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis stehen. Entscheidend ist der Rechtsgrund für die Zuwendung des Dritten und die Frage, ob der Dritte den Vorteil dem Arbeitnehmer aus eigenwirtschaftlichen Interessen oder im Interesse des Arbeitgebers gewährt (vgl. Krüger in Schmidt EStG § 19 Rz. 70ff. m.w.N.).
b) Die Zahlung der libyschen Botschaft dient der Ermöglichung der Facharztausbildung im Interesse der Klägerin sowie ggf. des libyschen Staates, weil es von der Vorstellung der Rückkehr des Arztes und Unterstützung des Gesundheitssystems im Heimatland geprägt ist. Hingegen besteht kein Grund für die Annahme, der libysche Staat gewähre die Leistung im Interesse und zur Entlastung der deutschen Klinik. Aus Sicht der Klägerin, deren Stellung als Arbeitnehmerin überdies jedenfalls im Streitjahr fraglich ist (vgl. dazu Eufinger, Die rechtliche Stellung des Gastarztes im Krankenhaus, GesR 2016, 8-12), stellt sich die Zahlung als Unterstützung für die Fortbildung dar, nicht aber als Entlohnung für die während der Fortbildung geschuldete Arbeitsleistung (vgl. zum Facharztstipendium Thüringer FG, Urteil vom 14. März 2018 3 K 737/17EFG 2018, 1554; zum Forschungsstipendium FG Baden-Württemberg Urteil vom 12. Dezember 2007 3 K 209/03EFG 2008, 670).
2. Die Leistungen sind auch nicht als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 1 Satz 1 (wiederkehrende Bezüge) oder § 22 Nr. 3 EStG steuerbar.
a) Gemäß § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG sind Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen sonstige Einkünfte, soweit sie nicht zu den in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 EStG bezeichneten Einkunftsarten gehören. Zu den in § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG bezeichneten Einkünften gehören auch Einkünfte aus Zuschüssen und sonstigen Vorteilen, die als wiederkehrende Bezüge gewährt werden (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. b EStG).
Wiederkehrende Bezüge setzen eine Wiederholung der Bezüge auf Grund eines einheitlichen Entschlusses oder eines einheitlichen Rechtsgrunds mit einer gewissen Regelmäßigkeit voraus (BFH-Urteil vom 14. April 2015 IX R 35/13 BStBl II 2015, 795, unter II.1.a, m.w.N.).
Die Klägerin erhält mit dem Stipendium regelmäßige monatliche Zahlungen auf Grund eines einheitlichen Entschlusses und mithin sich wiederholende Zahlungen.
b) Allerdings reicht allein die Wiederholung von Zahlungen nicht aus, die Steuerpflicht von Zahlungen auszulösen. Dies stünde in Widerspruch zum Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (BFH-Urteil vom 25. Oktober 1994 VIII R 79/91, BStBl II 1995, 121). Die Einkommensteuer umfasst grundsätzlich nur die erwirtschaftete objektive Leistungsfähigkeit, d.h. den erzielten Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen (BFH Urteil vom 26. November 2008 X R 31/07 BStBl II 2009, 651).
Die erwirtschaftete wirtschaftliche Leistungsfähigkeit beurteilt der BFH in seinem Urteil vom 25. Oktober 1994 (VIII R 79/91, juris) danach, ob ein Transfer von Markteinkommen auf den Bezugsberechtigten vorliegt, wie dies zB bei privaten Versorgungsrenten im Rahmen von Vermögensübergaben aus dem Rechtsgedanken der "vorbehaltenen Vermögenserträge" angenommen wird. Eine bloße Umschichtung von Privatvermögen steuere die finanzielle Leistungsfähigkeit ebenso wenig wie die lediglich zum Ausgleich für verletzungsbedingt entstandene zusätzliche Bedürfnisse gezahlten Ersatzleistungen.
c) Die Beurteilung der Steuerbarkeit von Stipendien ist umstritten:
aa) Gegen die Erfassung von unentgeltlichen Studien- und Ausbildungsbeihilfen als sonstige Einkünfte (§ 22 Nr. 1 b) "Einkünfte aus Zuschüssen und sonstigen Vorteilen" sprechen sich Weber-Grellet in Schmidt EStG § 22 Rz. 99 sowie Nacke in Blümich EStG § 22 Rz. 133 und Fischer in Kirchhof EStG § 22 Rz. 1521 aus.
Von Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff EStG § 3 Nr. 44 Rz. B 44/9 sowie Bergkemper in Hermann/Heuer/Raupach EStG § 3 Nr. 44 Anm. 1a vertreten die Auffassung, die (wiederkehrende) Leistung sei bei Stipendien zur Förderung der Ausbildung nur steuerbar, wenn eine Besteuerung nach §§ 18 oder 19 EStG in Betracht komme. Die Annahme wiederkehrender Bezüge nach § 22 Nr. 1 EStG setze voraus, dass der Steuerpflichtige sie erwirtschaftet habe, was im Fall von Stipendien nicht der Fall sei. Sowohl § 22 Nr. 1 Satz 2 wie auch § 3 Nr. 44 EStG sei in Zusammenhang mit Stipendien daher lediglich deklaratorische bzw. keine Bedeutung beizumessen. Unter einer Gegenleistung sei dabei insbesondere nicht die Verpflichtung zur Erledigung etwa der geförderten Forschungsarbeit selbst zu verstehen (vgl. Bergkemper in Hermann/Heuer/Raupach EStG § 3 Nr. 44 Anm. 2).
Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. 2018 § 8 Rz. 124 vertritt ebenfalls die Auffassung, dass Stipendien, die nicht einer konkreten Erwerbstätigkeit zugeordnet werden können, nicht steuerbar sind und insoweit in § 3 Nr. 44 EStG eine klarstellende Steuerbefreiung normiert sei.
Konkret für Stipendien aus dem Ausland in Zusammenhang mit einer Gastarzttätigkeit werden in der Literatur erhebliche Bedenken bereits an der Steuerbarkeit angemeldet (vgl. Betz/Stiegler, IStR 2016, S. 850ff.; Birk, IStR 2017, S. 932ff). Bedenken werden an der Erwirtschaftung der Leistung angemeldet. So sei insbesondere zweifelhaft, ob die von der Finanzverwaltung in diesen Fällen angeführte Rückkehrpflicht bzw. der bezweckte Wissenstransfer (die allerdings ausweislich Birk wohl durchaus besteht, insbesondere auch Rückzahlung bei Nichtrückkehr entgegen der Vergaberichtlinien, Birk, a.a.O. S. 933) als Gegenleistung für das Stipendium anzusehen sind.
bb) Der BFH hat allerdings wiederkehrende Bezüge nach § 22 EStG angenommen im Fall einer Studienbeihilfe, deren Zahlung mit der Verpflichtung zum Abschluss eines Arbeitsvertrages nach Abschluss des Studiums sowie einer Rückzahlungspflicht bei Nichterfüllung dieser Pflicht verbunden war (vgl. BFH-Urteil vom 18. September 1964 VI 244/63 U BStBl III 1965, 11). Offengelassen, aber nicht ausgeschlossen hat er -im Hinblick auf die Feststellung der Steuerfreiheit- die Steuerbarkeit eines Forschungsstipendiums (vgl. BFH-Urteil vom 15. September 2010 X R 33/08 BStBl II 2011, 637). Das FG hatte in der ersten Instanz ausdrücklich eine Leistungsbeziehung zwischen dem Stipendiaten und dem Geber für die Annahme der Steuerbarkeit nicht vorausgesetzt.
Auch in nachfolgenden Entscheidungen zu Stipendien setzt der BFH die Steuerbarkeit ohne Weiteres voraus und befasst sich mit der Steuerfreiheit (zB BFH-Urteil vom 24. Februar 2015 VIII R 43/12 BStBl II 2015, 691; ebenso FG Münster Urteil vom 16. Mai 2013 2 K 3208/11 EEFG 2014, 19; FG Köln Urteil vom 20. Mai 2016 12 K 562/13EFG 2016, 1605). Das Thüringer FG hat mit Urteil vom 14. März 2018 (3 K 737/17EFG 2018, 1554, Rev. anhängig unter dem Az. VI R 33/18) die Steuerbarkeit eines Stipendiums (Einmalzahlung) nach § 22 Nr. 3 EStG ausdrücklich bejaht im Hinblick auf die Verpflichtung des Stipendiaten, sich nach Bestehen der Facharztprüfung für eine bestimmte Zeit in einer Region niederzulassen und dort an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen. Auch die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 44 EStG seien nicht gegeben, weil mit dem Stipendium keine der aufgeführten steuerbegünstigten Zwecke gefördert würden, indes die Zweckbestimmung darin liege, dem Ärztemangel insgesamt und der drohenden Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung entgegenzuwirken.
Das FG Düsseldorf hat mit rechtskräftigem Urteil vom 8. Mai 2018 (13 K 614/17 EFG 2018, 1372) monatliche Zahlungen aus einem Forschungsstipendium unabhängig von der Frage nach einer Gegenleistung als steuerbare sonstige Einkünfte angesehen. Das Stipendium habe die Leistungsfähigkeit der Klägerin erhöht, weil sie über dieses nicht zweckgebundene Einkommen frei habe verfügen können. Ein Leistungsaustausch, wie er teilweise in der Literatur gefordert werde, sei nicht Voraussetzung für die Annahme der Steuerbarkeit wiederkehrender Bezüge. Dieses Erfordernis lasse sich (anders als bei Nr. 2 und 3 der Norm) weder der Entstehungsgeschichte der Vorschrift noch der Rechtsprechung des BFH entnehmen.
d) Das an die Klägerin vom libyschen Staat gezahlte Stipendium ist nach Auffassung des Senats nicht nach § 22 Nr. 1 EStG steuerbar, denn es handelt sich um eine Unterhaltsleistung, die die Klägerin nicht erwirtschaftet hat.
aa) Unzweifelhaft steigert das wiederkehrend ausgezahlte Stipendium die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klägerin. Es dient der Sicherung des Lebensunterhalts der Klägerin und ihrer Familie und ermöglicht damit der Klägerin und ihrer Familie den Aufenthalt in Deutschland und die geförderte Facharztweiterbildung. Der Nachweis des Stipendiums ist bereits eine aufenthaltsrechtliche Voraussetzung. Der Aufenthalt der Klägerin und ihrer Familie in Deutschland sowie die Zustimmung zur Facharztweiterbildung als Gastärztin und das Stipendium bedingen sich insoweit, als die Klägerin ohne Nachweis der Sicherung ihres Unterhalts aus ausländischen Mitteln die entsprechenden Erlaubnisse/Zustimmungen nicht erhalten hätte und ihrer Ausbildung nicht nachgehen könnte.
bb) Die Leistung hat die Klägerin aber nicht erwirtschaftet. Indes handelt es sich nach den Gesamtumständen des vorliegenden Falles um eine (freiwillige) Unterhaltsleistung seitens des libyschen Staates.
(1) Der Hintergrund der Facharztausbildung von (ausländischen) Gastärzten ist u.a. geschildert in einem Bericht der Deutschen Orient-Stiftung über die Kooperation mit dem Nahen und Mittleren Osten und Zentralasien "Facharztweiterbildung in Deutschland" aus Dezember 2011:
Aus Sicht der Drittstaaten diene die Kooperation dem (Wieder)aufbau eines funktionierenden Gesundheitssystems im Heimatland des Gastarztes (Wissenstransfer). Bestätigt wird diese Zielsetzung auch im Urteil des VG Hannover vom 17. Juni 2010 (2 A 3924/09, openjur). In dem Urteil führt das Gericht aus, dass die in der Bundesrepublik Deutschland gewährte Ausbildung zum Arzt eine entwicklungspolitische Zielsetzung hat und der Verbesserung der ärztlichen Versorgung im Heimatland dient.
Deutschland wiederum verzichtet seit Juni 2011 zur Sicherung des Fachkräftebedarfs auf eine Vorrangprüfung. Für die Ausbildungskliniken bedeute die Aufnahme der Gastärzte eine Entlastung und Ergänzung des Klinikpersonals, ohne dass hierfür zusätzliche Kosten entstehen.
(2) Im Fall der Klägerin beruhe die Zusage des Stipendiums für die Fachweiterbildung im Ausland auf besonders guten Studienleistungen und war nicht an besondere Bedingungen geknüpft.
Die mit dem Stipendium geförderte Ausbildung als solche stellt keine Gegenleistung des Stipendiaten für das erhaltene Stipendium dar (vgl. Bergkemper in Hermann/Heuer/Raupach EStG § 3 Nr. 44 Anm. 2), auch wenn das Stipendium der Ermöglichung der Ausbildung dient und das tatsächliche Ableisten der Ausbildung auch Voraussetzung für den Erhalt der Mittel ist.
Eine Gegenleistung ergibt sich auch weder aus einer Rückkehrpflicht oder Rückzahlungspflicht bei Nichtrückkehr. Eine Rückkehrpflicht oder Rückzahlungspflicht des Stipendiums bei Nichtrückkehr bestand im Fall der Klägerin bereits nicht. Abgesehen davon stellte die Rückkehr als solche aber auch keine Gegenleistung für das Stipendium dar. Findet der beabsichtigte Wissenstransfer nach Rückkehr tatsächlich statt, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Zahlungen aus dem Stipendium auf spätere Vergütungen angerechnet werden würden. Das Stipendium wäre nicht als vorweggenommene Vergütung für diese spätere Tätigkeit anzusehen.
Auch eine Rückzahlung bei Nichtrückkehr oder Nichtaufnahme einer Tätigkeit im Gesundheitswesen stellte keine Gegenleistung für das Stipendium dar. Sie wäre allein Folge der Nichteinhaltung der Vergabebedingungen.
(2) Jedenfalls bewirkt die Unentgeltlichkeit die Anwendung des § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG.
Nach § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG sind wiederkehrende Bezüge, die freiwillig, aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht oder einer gesetzlich unterhaltsberechtigten Person gewährt werden, dem Empfänger nicht zuzurechnen.
Unter einer freiwillig begründeten Rechtspflicht wird eine vertraglich begründete Verpflichtung verstanden, zu deren Eingehung keine rechtliche Verpflichtung bestand. Im Hinblick auf den Zweck des § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG kommt es für die Definition der Freiwilligkeit dabei darauf an, ob die Bezüge unentgeltlich, d.h. nicht als Gegenleistung zufließen (vgl. Wernsmann/Neudenberger in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff § 22 Rn. B 114; Killat in Hermann/Heuer/Raupach EStG § 22 Anm. 225ff.). Der Einordnung als unentgeltlich steht nach Lüsch in Littmann/Bitz/Pust § 22 Rz. 30 ff. zudem eine Gegenleistung nicht entgegen, wenn der Unterhaltscharakter offensichtlich überwiegt.
Vorliegend beruht die Zahlung des Stipendiums auf einer in diesem Sinne freiwillig begründeten und in Ermangelung einer Gegenleistung unentgeltlichen Rechtspflicht und dient allein der Sicherstellung des Unterhalts der Klägerin und ihrer Familie.
e) Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG liegen ebenfalls nicht vor.
Die Norm des § 22 Nr. 3 EStG bildet innerhalb der Vorschrift des § 22 EStG, die bereits eine Auffangvorschrift zu den übrigen Einkunftsarten darstellt, eine weitere subsidiäre Auffangvorschrift. Nach § 22 Nr. 3 EStG sind sonstige Einkünfte Einkünfte aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6 EStG) noch zu den Einkünften i.S. der Nrn. 1, 1a, 2 oder 4 der Vorschrift gehören.
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BFH-Beschluss vom 23. März 2016 IX B 22/16 BFH/NV 2016, 1013 [BFH 23.03.2016 - IX B 22/16] sowie Urteile vom 24. April 2012 IX R 6/10 BStBl II 2012, 581 [BFH 24.04.2012 - IX R 6/10]; vom 19. März 2013 IX R 65/10 BFH/NV 2013, 1085 [BFH 19.03.2013 - IX R 65/10], und vom 14. April 2015 IX R 35/13 BStBl II 2015, 795 [BFH 14.04.2015 - IX R 35/13]) ist Leistung i.S. des § 22 Nr. 3 EStG jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein kann und eine Gegenleistung auslöst, sofern es sich nicht um eine Veräußerung oder einen veräußerungsähnlichen Vorgang im privaten Bereich handelt, bei denen ein Entgelt dafür erbracht wird, dass ein Vermögenswert in seiner Substanz endgültig aufgegeben wird (vgl. BFH-Urteile vom 18. Mai 2004 IX R 63/02 BStBl II 2004, 874 und vom 19. Dezember 2000 IX R 96/97 BStBl II 2000, 391 [BFH 28.10.1999 - VIII R 42/98]).
Steuergegenstand der Einkommensteuer ist die entgeltliche Leistungserstellung, der Begriff "Leistung" ist das gemeinsame Kriterium aller Einkunftsarten. Für die Anwendung des § 22 Nr. 3 EStG kommt es entscheidend darauf an, dass das Entgelt durch das Verhalten des Steuerpflichtigen ausgelöst wird und er einen Betrag als Entgelt dafür erhält und annimmt (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 7. Dezember 2010 IX R 46/09 BStBl II 2012, 310).
Ein entgeltlicher Leistungsaustausch ist indes, wie oben ausgeführt, nicht gegeben.
3. Da das Stipendium bereits nicht zu steuerbaren Einkünften führt, ist nicht entscheidungsrelevant, ob die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung vorliegen.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
IV. Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO zugelassen.