Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 09.09.2013, Az.: 4 U 68/13

Auslegung des Bürgschaftstextes einer Gewährleistungsbürgschaft als allgemeine Erfüllungsbürgschaft

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
09.09.2013
Aktenzeichen
4 U 68/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 47344
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2013:0909.4U68.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 09.04.2013 - AZ: 9 O 232/12

Fundstellen

  • BauR 2014, 1484-1486
  • IBR 2013, 739
  • MDR 2014, 459-460

In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... am 9. September 2013 einstimmig
beschlossen:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 9. April 2013 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Bürgschaft vom 14. Oktober 2010 auf Zahlung von 45.000 EUR in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren weiter; hilfsweise hat sie die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Hannover begehrt.

1.

Der Senat hat mit Beschluss vom 15. August 2013 die Klägerin darauf hingewiesen, dass eine Zurückweisung des Rechtsmittels gem. § 522 Abs. 2 ZPO in Betracht kommt. Im Senatsbeschluss heißt es zur Begründung:

"I.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass kein Bürgschaftsfall eingetreten sei, weil nach dem eindeutigen Wortlaut des Bürgscheins die Beklagte nur eine Gewährleistungsbürgschaft und keine umfassende Erfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft eingegangen sei. Eine Auslegung der Bürgschaft im Sinne einer umfassenden Erfüllungsbürgschaft sei angesichts dieses klaren und eindeutigen Wortlauts des Bürgschaftstextes nicht möglich.

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin. Die Klägerin ist der Auffassung, dass das landgerichtliche Verfahren wegen falscher Beweiswürdigung an wesentlichen Verfahrensmängeln i.S.d. §§ 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO leide. Die vom Landgericht angenommene Eindeutigkeit der Bürgschaft sei nicht gegeben. Vom maßgeblichen Empfängerhorizont der Klägerin her bestünden vielmehr Unklarheiten, die zu Lasten der Beklagten als Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gingen. Das folge auch daraus, dass im Bürgschein auf das Geschäftszeichen ... Bezug genommen werde, das jedoch nicht in dem als Anlage K 2 eingereichten Angebot vom 5. Februar 2010, sondern in der Auftragsbestätigung vom 15. März 2010 (Anlage K 3) enthalten sei. Hieraus werde erkennbar, dass die Beklagte die Bestellung vom 15. März 2010 und die dort auf S. 5 erwähnte Vertragserfüllungsbürgschaft gekannt und auch selbst als Bürgschaftsinhalt gewollt habe. Schließlich sei der im Text der Bürgschaft enthaltene Hinweis auf eine Gewährleistung eine auch unter Überraschungsgesichtspunkten unwirksame Klausel.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des am 9. April 2013 verkündeten Urteils des Landgerichts Hannover zum Az. 9 O 232/12 den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Hannover zurückzuverweisen,

hilfsweise, unter Aufhebung des am 9. April 2013 verkündeten Urteils des Landgerichts Hannover zum Az. 9 O 232/12 die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 45.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. April 2012 zu zahlen, hilfsweise Zug um Zug gegen Übergabe des Bürgscheins ... vom 14. April 2010.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat nach derzeitiger Beurteilung der Sach- und Rechtslage offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert keine Entscheidung des Berufungsgerichts. Eine mündliche Verhandlung erscheint nach der Aktenlage nicht geboten.

1. Zur Zurückverweisung der Sache nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO führende Verfahrensmängel sind dem Landgericht nicht unterlaufen Die Vorschrift ist vorliegend ersichtlich unanwendbar. Das Landgericht hat schon keine Beweisaufnahme durchgeführt hat, die sich als verfahrensfehlerhaft darstellen könnte. Die rechtliche Würdigung des unstreitigen Inhalts der Bürgschaftsurkunde ist keine Beweiswürdigung. Es sind auch keine sonstigen Verfahrensfehler ersichtlich, die gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zur Notwendigkeit einer umfangreichen oder aufwendigen Beweisaufnahme führen könnten.

2. Das Landgericht hat die Abweisung der Klage auf die Annahme gestützt, dass die Bürgschaft ihrem Wortlaut nach eindeutig eine Gewährleistungsbürgschaft sei. Da die Bürgschaft ihrem Wortlaut nach nur dazu diene, die vertragsgemäße Gewährleistung für fertig gestellte und abgenommene Arbeiten sicherzustellen, eine Abnahme aber auch nach dem Vortrag der Klägerin nicht vorliege, lägen auch die Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten aus dieser Bürgschaft nicht vor. Diese rechtliche Beurteilung ist nicht zu beanstanden.

a) Der Wortlaut der Bürgschaft (Anlagenhefter Klägerin Anlage K 1) ist auch nach Auffassung des Senats eindeutig. Dass es zu Beginn des Bürgschaftstextes auch heißt, dass sich die Beklagte "für die vertragsmäßige Leistung dieser Lieferung/Bauarbeit" verbürge, begründet keine Unklarheit dahin, dass es sich anstelle einer Gewährleistungsbürgschaft um eine allgemeine Erfüllungsbürgschaft handeln könnte. Denn die Gewährleistung ist - zumindest im allgemeinen Sprachgebrauch - auch ein Unterfall vertragsgemäßer Leistung. Wenn im folgenden Satz des Bürgschaftstextes die Erläuterung folgt, dass die Bürgschaft dazu diene, die vertragsgemäße Gewährleistung für fertig gestellte und abgenommene Arbeiten sicherzustellen, wird dadurch also ausdrücklich und keine weiteren Zweifel zulassend klargestellt, dass die Beklagte nur eine Gewährleistungspflicht aus dem Spektrum der insgesamt möglichen vertraglichen Pflichten als Bürge übernehmen will.

Dieser eindeutige Wortlaut der Bürgschaft lässt eine Auslegung des Bürgschaftstextes als allgemeine Erfüllungsbürgschaft nicht zu. Denn für eine Auslegung ist bei eindeutigem Wortlaut der rechtsgeschäftlichen Erklärung kein Raum (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 72. Aufl., § 133 Rn. 6 m. w. Nachw.). Da es auf eine Auslegung nicht ankommt, kann auch entgegen dem klaren Vertragstext eine weitergehende Bedeutung der Bürgschaft nicht aus dem Zitat des Geschäftszeichens im Briefkopf des Bürgscheins gefolgert werden. Soweit der in der Auftragsbestätigung der Klägerin vom 15. März 2010 auf Seite 5 unter "Zahlungsbedingungen" enthaltenen Formulierung entnommen werden kann, dass die Klägerin von ihrer Vertragspartnerin eine Erfüllungsbürgschaft verlangt hat, ändert dies mit dem Landgericht (Urteil Seite 5 2. Absatz) nichts daran, dass sie eine solche von der Beklagten nicht erhalten hat.

b) Selbst wenn man ungeachtet des eindeutigen Wortlauts der Bürgschaftsurkunde eine Auslegung zulassen könnte, würde diese zu keinem der Klägerin günstigerem Ergebnis führen. Denn verbleibende Unklarheiten der Bürgschaftserklärung gehen zu Lasten des Gläubigers (BGHZ 76, 187; Palandt/Sprau, a.a.O., § 765 Rn. 6 m. w. Nachw. aus der BGH-Rspr.). Bestünden tatsächlich Zweifel, ob eine generelle Erfüllungsbürgschaft und Gewährleistungsbürgschaft oder nur eine Gewährleistungsbürgschaft übernommen worden ist, müsste also aus diesem Grunde auch dann zugunsten der Beklagten eine bloße Gewährleistungsbürgschaft angenommen werden.

c) Die Grundsätze der Unklarheitenregel und überraschender Klauseln aus dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen führen zu keiner abweichenden Beurteilung. Zum einen ist nicht ersichtlich, dass die Bürgschaft der Beklagten überhaupt Bestandteil Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist. Für die der Bürgschaft zugrunde liegende Bestellung hat die Klägerin jedenfalls auf S. 5 oben ihres Schriftsatzes vom 26. November 2012 (Bl. 30 d.A.) vorgetragen, dass es sich um individualvertraglich ausgehandelte Vereinbarungen handele. Warum für die Bürgschaftserklärung der Beklagten anderes gelten soll, ist nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich. Bei dem Bürgschein (Anlage K 1) ist vom äußeren Schriftbild her nicht einmal klar, ob es sich um ein Formular handelt. Zum anderen ist die Bürgschaft selbst wie dargelegt nicht unklar. Sie ist in ihrem kurzen, übersichtlichen und einfach gestalteten Text auch unschwer als Gewährleistungsbürgschaft für den Durchschnittskunden erkennbar. Außerdem ist eine auf Gewährleistungsansprüche beschränkte Bürgschaft auch nicht ungewöhnlich i.S.v. § 305 c Abs. 1 BGB.

2. Hieran hält der Senat fest. Das Vorbringen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 5. September 2013, in dem sie ihre bisherige Rechtsauffassung wiederholt, rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Zwar mag es zutreffen, dass die Bürgschaft vorliegend zu einem Zeitpunkt bestellt worden ist, zu dem das geschuldete Werk noch nicht fertiggestellt und daher noch kein Gewährleistungsfall zu besorgen oder eingetreten war. Dies führt jedoch deshalb zu keiner im Sinne der Klägerin günstigeren Beurteilung, weil der Text der Bürgschaftsurkunde eindeutig ist. Dort heißt es, die Bürgschaft diene dazu, die vertragsgemäße Gewährleistung für fertiggestellte und abgenommene Arbeiten (Hervorhebung durch den Senat) sicherzustellen. Im Übrigen spricht gegen die Argumentation der Klägerin auch, dass die Bürgschaft nicht bereits bei Vertragsschluss, sondern erst im Zusammenhang mit der Werksfertigstellungsmeldung und damit nach vorausgegangener Zahlung von 30% der Auftragssumme und bei Zahlung weiterer 30% erbracht werden sollte.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10 ZPO.