Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 16.09.2013, Az.: 7 W 57/13 (L)
Rechtsfolgen der Nichtigkeit eines Grundstückskaufvertrages über landwirtschaftliche Flächen im Hinblick auf die Erteilung einer Grundstücksverkehrsgenehmigung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 16.09.2013
- Aktenzeichen
- 7 W 57/13 (L)
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 53884
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2013:0916.7W57.13L.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Dannenberg - 12.04.2013
Rechtsgrundlagen
- § 138 Abs. 1 BGB
- § 4 Abs. 3 RSiedlG
- § 8 Nr. 4 GrdstVG
Amtlicher Leitsatz
Werden in einem Grundstückskaufvertrag landwirtschaftliche Flächen unter Ausnutzung der Unerfahrenheit der Käuferin weit unter Wert verkauft, ohne dass die Voraussetzungen einer sogenannten Unterverbriefung nach § 4 Abs. 3 RSG erfüllt sind, führt die offensichtliche Nichtigkeit des Vertrages nach § 138 Abs. 1 BGB dazu, dass die Grundstücksverkehrsgenehmigung weder erteilt noch versagt werden kann; auch das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht kann dann nicht wirksam ausgeübt werden.
Tenor:
1. Auf die Beschwerde der Beteiligte zu 4 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Dannenberg vom 12. April 2013 aufgehoben.
Der Bescheid der Beteiligten zu 3 vom 13. September 2012, dass die grundstückverkehrsrechtliche Genehmigung des vor dem Notar H. J. B. mit Amtssitz in U. zu UR.Nr. ... am 12. Juni 2012 beurkundeten Grundstückkaufvertrages zu versagen wäre, wird aufgehoben.
Die Ausübung des Vorkaufsrechts hinsichtlich dieses Grundstückkaufvertrages durch die Beteiligte zu 4 gemäß ihrem Schreiben vom 12. September 2012 wird für unwirksam erklärt.
Der Antrag auf Genehmigung dieses Grundstückskaufvertrages wird zurückgewiesen.
2. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
3. Die Gerichtskosten erster Instanz tragen die Beteiligten zu 1 und 2 je zur Hälfte. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren fallen nicht an. Die Erstattung außergerichtlicher Kosten wird nicht angeordnet.
4. Der Geschäftswert für das Verfahren in beiden Instanzen wird auf 23.000 € festgesetzt.
5. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Genehmigung eines Grundstückskaufvertrags zwischen der Beteiligten zu 1 und der Beteiligten zu 2, die keine Landwirtin ist, nach dem Grundstückverkehrsgesetz. Das LwGericht hat den Vertrag nach § 8 Nr. 4 GrdstVG genehmigt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 4 (N.).
Mit notariell beurkundetem Vertrag des Notars B. in U. vom 12.06.2012 hat die Beteiligte zu 1 der Beteiligten zu 2 ein landwirtschaftliches Grundstück zur Größe von 25.067 m2 sowie ein weiteres Grundstück zur Größe von 12.427 m2 für insgesamt 23.000 € veräußert (UR-Nr. ...). Unter dem 13.06.2012 ist vom Urkundsnotar der Antrag auf Genehmigung nach § 2 GrdstVG gestellt worden. Die Beteiligte zu 4 hat mit Schreiben vom 12. September 2012 erklärt, ihr gesetzliches Vorkaufsrecht nach §§ 4 ff. RSG auszuüben. Mit Bescheid vom 13.09.2012 hat die Beteiligte zu 3 als Genehmigungsbehörde daraufhin mitgeteilt, dass die Genehmigung des Vertrages gem. § 9 Abs. 1 Ziff. 1 GrdstVG zu versagen wäre (Bl. 43 f. BA). Dieser Bescheid ist am 14.09.2013 an die Beteiligten zu 1 und 2 sowie den Notar zugestellt worden (Bl. 47 ff. BA). Mit Fax vom 25./26.09.2012 ist dann der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt worden (Bl. 53 BA).
Die Beteiligte zu 1 hat geltend gemacht, die Erwerberin, Beteiligte zu 2, die zurzeit noch studiert, beabsichtige nach Beendigung ihres Studiums die Betreibung eines landwirtschaftlichen "Nischenbetriebs" mit Heuhotel. Sie sei daher als Landwirtin im Nebenerwerb zu qualifizieren. Demgegenüber hat die N. mitgeteilt, ihr Vorkaufsrecht nach dem Reichssiedlungsgesetz für den Landwirt W. K. auszuüben. Das Landwirtschaftsgericht hat die Beteiligten angehört sowie Zeugen vernommen, u. a. den vorgenannten Landwirt W. K. Es hat sodann den Kaufvertrag wegen einer Grenzverbesserung nach § 8 Nr. 4 GrdstVG genehmigt. Insoweit wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 4, die geltend macht, die Genehmigung des Kaufvertrags führe nicht zu einer Grenzverbesserung i. S. v. § 8 Nr. 4 GrdstVG. Demgegenüber hat die Beteiligte zu 1 die angefochtene Entscheidung verteidigt. Diese sei im Ergebnis zutreffend. Der Vertrag entspreche allerdings nicht dem wirklichen Willen und sei eigentlich schon nichtig.
Durch Verfügung vom 17.06.2013 ist im Zusammenhang mit der Terminierung der gerichtliche Hinweis erfolgt, dass eine offensichtliche Unwirksamkeit des Grundstückskaufvertrags, hier nach § 138 BGB, im Genehmigungsverfahren zu beachten wäre.
II.
1. Die Beschwerde ist dahin begründet, dass der Grundstückskaufvertrag weder genehmigt noch versagt werden kann, weil dieser nach § 138 BGB nichtig ist. Damit geht auch die Erklärung der Beteiligten zu 4 vom 12. September 2012, hinsichtlich dieses Vertrages ihr gesetzliches Vorkaufsrecht nach §§ 4 ff RSG auszuüben, ins Leere. Dasselbe gilt für den Bescheid der Beteiligten zu 3 vom 13. September 2012, dass die Genehmigung dieses Vertrages zu versagen wäre.
Grundsätzlich ist zwar anerkannt, dass das Landwirtschaftsgericht die Rechtsgültigkeit und Rechtsbeständigkeit eines Kaufvertrages im Genehmigungsverfahren nicht zu prüfen hat. Eine Ausnahme gilt aber, wenn der Kaufvertrag offensichtlich nichtig ist und soweit das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht ausgeübt ist diese Nichtigkeit nicht auf einer Unterverbriefung beruht. Ist dies der Fall, so kann die Genehmigung weder erteilt noch versagt noch ein Vorkaufsrecht ausgeübt werden (Ernst, LwVG, 8. Aufl. 2012, Rn. 126, 158; BGH AgrarR 1977, 65; OLG München AgrarR 1992, 260; Netz, GrdstVG, 5. Aufl., Seite 969/970, 929).
Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen für die Nichtigkeit nach § 138 BGB gegeben, weil der Kaufpreis offensichtlich um mehr als 100 % zu niedrig ist. Bei einem besonders groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, welches nach gefestigter Rechtsprechung bei einer Abweichung von 100 % oder mehr anzunehmen ist, spricht eine tatsächliche Vermutung für ein Handeln aus verwerflicher Gesinnung, die in der Regel eine weitere Prüfung subjektiver Voraussetzungen entbehrlich macht und die Sittenwidrigkeit des Vertrags nach § 138 BGB begründet (BGH WM 2008, 967, [BGH 18.12.2007 - XI ZR 324/06] Rn. 35, m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Denn aus dem Kaufpreis in Höhe von 23.000 € errechnet sich ein Quadratmeterpreis von 0,61 €, wobei es sich größtenteils um Ackerland mit mehr als 60 Bodenpunkten handelt. Damit liegt die Bodenqualität deutlich über der durchschnittlichen Qualität in der betreffenden Region. Derartige Ländereien werden, wie der Senat aus eigener, durch die ehrenamtlichen Richter vermittelter Sachkunde weiß, gewöhnlich für erheblich höhere Preise gehandelt. Der tatsächliche Wert liegt mindestens bei 1,50 €/m", mithin mehr als 100 % über dem hier vereinbarten Kaufpreis von 0,61 €/m2. Zudem war die geschäftlich unerfahrene Verkäuferin bei Vertragsschluss gerade erst 18 Jahre alt.
Hinsichtlich dieser Sach- und Rechtslage besteht im Übrigen zwischen allen Beteiligten grundsätzlich Einigkeit, wie sich bei der Erörterung in der mündlichen Verhandlung ergeben hat. Soweit die Beteiligte zu 4 als Beschwerdeführerin allerdings eingewandt hat, sie habe ihr Vorkaufsrecht wegen Unterverbriefung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 RSG gleichwohl wirksam ausgeübt, greift dies im Ergebnis nicht durch. Zwar heißt es in der genannten Vorschrift:
"Das Vorkaufsrecht wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass in dem Veräußerungsvertrag ein geringeres als das vereinbarte Entgelt beurkundet ist."
Jedoch setzt dies entsprechend dem Wortlaut der Norm eine Abweichung zwischen der tatsächlich getroffenen Vereinbarung und dem beurkundeten Vertragsinhalt voraus, wie dies etwa bei sog. Schwarzgeldzahlungen zusätzlich zu der Zahlung des beurkundeten Kaufpreises der Fall ist. Anhaltspunkte dafür, dass hier eine Schwarzgeldzahlung vorläge, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.
Allerdings ist im vorliegenden Fall, weil die Beteiligte zu 1 für die Renovierung des von ihr anderweitig erworbenen Wohnhauses in R. Geld benötigte, vor der Beurkundung des hier betroffenen Vertrages ein Betrag von 30.000 € vom Vater der Beteiligten zu 2 an die Beteiligte zu 1 gezahlt worden, wie diese durch ihren Verfahrensbevollmächtigten selbst hat vortragen lassen. Auch ist in dem nunmehr inzwischen beurkundeten Vertrag über die Gesamtflächen zu einem Gesamtkaufpreis von 166.830 € eine Vorauszahlung von 65.000 € per 25.01.2013 aufgeführt, die die vorgenannte Zahlung des Vaters der Beteiligten zu 2 in Höhe von 30.000 € mit einschließt, wie die Beteiligten zu 1 und 2 übereinstimmend angegeben haben. Damit könnte allerdings eine Unterverbriefung im Sinne von § 4 Abs. 3 Satz 1 RSG vorliegen. Denn es könnte angenommen werden, der vereinbarte Kaufpreis für die vorliegend betroffenen Flächen habe nicht 23.000 €, sondern tatsächlich 53.000 € betragen, sodass ein Kaufpreis in dieser Höhe sowie eine bereits geleistete Vorauszahlung von 30.000 € hätte beurkundet werden müssen.
Letztlich vermag der Senat jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen, dass dem so ist. Denn die Beteiligten zu 1 und 2 haben übereinstimmend angegeben, die 30.000 € seien als zinsloses Darlehen geleistet worden, welches durch eine Grundschuld habe abgesichert werden sollen, was letztlich wegen der damit verbundenen Kosten unterblieben sei. Ferner ist eine schriftliche Vereinbarung vorgelegt worden, wonach die 30.000 € eine Provisionsvorauszahlung an die Beteiligte zu 1 sowie eine R. N. für Immobilienvermittlung gewesen sei (Bl. 120 d. A.). Im Rahmen des beurkundeten Gesamtvertrages ist dann unter Ziffer III. vereinbart worden, die bisher geleisteten Beträge als Vorauszahlungen auf den Gesamtkaufpreis zu verrechnen bei gleichzeitiger Aufhebung der insoweit zuvor jeweils getroffenen Vereinbarung (Bl. 75 d. A.). Wenngleich die Angaben zu einem Darlehen einerseits und zu einer Provisionszahlung andererseits widersprüchlich sind und die letztlich getroffene Vorauszahlungsvereinbarung ein Indiz dafür sein könnte, dass die 30.000 € von vornherein als Vorauszahlung für die betroffene Teilflächen gedacht waren, kann eine unvollständige oder falsche Beurkundung letztlich aber nicht festgestellt werden. Dies gilt zumal vor dem Hintergrund, dass die Konzeption des Gesamtgeschäfts vom Vater der Beteiligten zu 2 vorgegeben wurde, ohne dass die Beteiligten zu 1 und 2 als betroffene Vertragsparteien dies im Einzelnen nachvollzogen und durchdacht haben mögen (vgl. insoweit Entwurf der Feststellungsklage; Bl. 35 ff. d. A.). Zudem wurde der hier betroffene Kaufvertrag über die Teilflächen ohnehin nur als vorgezogener Teilakt des Gesamtgeschäfts gesehen, um der Beteiligten zu 1 für die Hausrenovierung vorab einen weiteren benötigten Geldbetrag in Höhe von 23.000 € zur Verfügung stellen zu können, wobei - im Hinblick auf die aus Kostengründen unterlassene Grundschuldbestellung - der Beteiligten zu 2 und ihrer Familie durch die Übereignung der Teilflächen eine Sicherheit eingeräumt werden sollte. Vor diesem Hintergrund erscheint es als nachvollziehbar, dass die Beteiligten zu 1 und 2 sich über Leistung und Gegenleistung - isoliert betrachtet wegen der betroffenen Teilfläche - keine vertieften Gedanken gemacht hatten, mithin nicht bewusst im Sinne einer vorab erfolgten Schwarzzahlung einen geringeren Kaufpreis als tatsächlich vereinbart beurkunden wollten. Gegen die Annahme, die Beteiligte zu 1 und 2 hätten hinsichtlich der betroffenen Teilflächen tatsächlich eine Wertvorstellung bzw. Kaufpreisvorstellung von 53.000 € gehabt, spricht im Übrigen der Umstand, dass die Ermäßigung des nunmehr beurkundeten Gesamtkaufpreises von 166.380 € für sämtliche Flächen im dem Falle, dass die Beteiligte zu 1 nicht in der Lage sein sollte, die betroffenen Teilflächen zu übereignen, nicht 53.000 €, sondern nur 23.000 € beträgt (vgl. Ziffer III. Abs. 3 des zwischenzeitlich beurkundeten Vertragsentwurfs; Bl. 75 d. A.).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 34 Abs. 1, 44 Abs. 1, 45 Abs. 1 LwVG, 131 KostO.
Hinsichtlich der Kosten für die erste Instanz belässt es der Senat bei der Entscheidung des LwGerichts, welche die Beteiligten nicht angegriffen haben und die im Ergebnis als angemessen erscheint. Hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens fallen keine Gerichtsgebühren an, weil ein Fall des § 131 Abs. 1 Nr. 1 KostO nicht vorliegt. Die Beschwerde ist nach § 131 Abs. 3 KostO grundsätzlich gerichtgebührenfrei. Nur wenn die Beschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird, werden nach Abs. 1 Nr. 1 Gerichtsgebühren erhoben. Die Beschwerde hatte hier aber zum überwiegenden Teil Erfolg, weil der erstinstanzliche Beschluss aufgehoben und der Genehmigungsantrag der Beteiligten zu 1 und 2 zurückgewiesen worden ist.
Die Festsetzung des Geschäftswertes folgt aus § 34 Abs. 2 LwVG i. V. m. § 36 Abs. 1 und § 37 Abs. 1 LwVG. Er bemisst sich nach dem notariellen Vertragswert, d. h. nach dem Kaufpreis.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.