Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 24.09.2013, Az.: 17 WF 199/13

Entscheidung über die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Wege der Verfahrenskostenhilfe; Verfahrensgrundsätze bei Ablehnung der Beiordnung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
24.09.2013
Aktenzeichen
17 WF 199/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 46658
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2013:0924.17WF199.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Celle - 06.08.2013

Fundstellen

  • FPR 2013, 6
  • FamFR 2013, 517
  • FamRZ 2014, 588
  • FuR 2014, 114
  • NJW 2013, 6
  • NJW-RR 2014, 194-195

Amtlicher Leitsatz

1. Über die Frage der Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten im Rahmen des § 78 Abs. 2 FamFG hat das Amtsgericht vor einer mündlichen Verhandlung zur und vor einer Entscheidung in der Hauptsache zu befinden.

2. Im Falle der Ablehnung einer Beiordnung ist dem um Verfahrenskostenhilfe nachsuchenden Beteiligten eine angemessene Frist zur Überlegung einzuräumen, ggf. auch durch Verlegung eines bereits anberaumten Termins.

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Celle vom 6. August 2013 abgeändert.

Dem Antragsgegner wird im Rahmen der bereits bewilligten Verfahrenskostenhilfe Rechtsanwältin K. zur Vertretung im ersten Rechtszug beigeordnet.

Gründe

Das vorliegende Gewaltschutzverfahren ist durch einen seitens der Antragstellerin zu Protokoll der Rechtsantragstelle des Amtsgerichts gestellten und begründeten Antrag eingeleitet worden. Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat dann zunächst Rechtsanwältin K. unter Vorlage einer entsprechenden Vollmacht die Vertretung der Antragstellerin angezeigt. Zur Vollmacht hat sie einen Betreuerausweis für die Antragstellerin vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass die Antragstellerin unter anderem in den Aufgabenkreisen Vermögenssorge und Vertretung gegenüber juristischen Personen der Betreuung bedarf. Mit kurze Zeit danach eingegangenem Schriftsatz hat sich Rechtanwältin K. für den Antragsgegner legitimiert. Das Amtsgericht hat zunächst der Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe -ohne einen Ausspruch zur beantragten Beiordnung von Rechtsanwältin K. - bewilligt und sodann darauf hingewiesen, dass eine Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten auf keiner Seite in Betracht zu ziehen sei.

Am 6. August 2013 hat das Amtsgericht sodann die Beteiligten angehört, ohne über den Verfahrenskostenhilfeantrag des Antragsgegners entschieden zu haben. Im Nachgang zur Sitzung hat das Amtsgericht sodann dem Antragsgegner Verfahrenskostenhilfe bewilligt, eine Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten aber mit der Begründung abgelehnt, dass die Vertretung durch eine Rechtsanwältin nicht erforderlich sei.

Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner sofortigen Beschwerde. Diese ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt. Sie führt zur antragsgemäßen Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

Die Entscheidung des Amtsgerichts ist verfahrensfehlerhaft ergangen. Mit der bei der Beurteilung des Anspruchs auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe unzulässigen Betrachtung im Nachhinein hat es die Anforderungen des Art 3 Abs. 1 i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip verkannt (BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2005 - 1 BvR 175/05 -, FamRZ 2005, 1893, Leitsatz). Der Verfahrenskostenhilfe begehrende Beteiligte hat grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass vor einer mündlichen Verhandlung zur Hauptsache und vor einer Hauptsacheentscheidung über sein Verfahrenskostenhilfegesuch entschieden wird (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 04. Juli 2011 - 10 WF 82/11 -, FamRZ 2011, 1971, Tz. 27).

Nachdem der Antragsgegner zum Ausdruck gebracht hatte, dass zunächst über sein Gesuch entschieden werden sollte, hätte das Gericht dem Rechnung tragen können und müssen. Im Fall einer Ablehnung seines Gesuchs hätte der Antragsgegner Vertagung des bereits anberaumten Termins beantragen können, etwa um ein Beschwerdeverfahren durchzuführen. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gebietet es nämlich, dem um Verfahrenskostenhilfe Nachsuchenden eine angemessene Frist zur Überlegung einzuräumen (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 26. Februar 2003 - 2 WF 15/03 -, FamRZ 2004, 35-36, Tz. 9), ob und inwieweit er - wie hier - ein Kostenrisiko tragen muss. Denn nur so ist er auch in der Lage, sein eigenes prozessuales Verhalten darauf einzustellen und unter Umständen ggf. ein Anerkenntnis zu erwägen. Dies folgt aus dem verfassungsrechtlichen Gebot der weitgehenden Angleichung von bemittelten und unbemittelten Beteiligten im Bereich des Rechtschutzes. Denn der nicht auf Verfahrenskostenhilfe angewiesene Beteiligte hat in diesem Zusammenhang jedenfalls die Möglichkeit, ein mögliches Kostenrisiko in etwaige prozessuale Erwägungen mit einzubeziehen (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, aaO., Tz. 29).

Da das Amtsgericht die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe sowie die hinreichenden Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung des Antragstellers bereits bejaht hat, kann der Senat -über die ihm allein angefallene Frage der Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten (§ 78 Abs. 2 FamFG)- in der Sache selbst entscheiden. Diese hat vorliegend allein aus vorstehenden Gründen zu erfolgen.

Eine Beiordnung wäre allerdings vom Amtsgericht auch nach Aktenlage in Betracht zu ziehen gewesen. Das Amtsgericht hatte sich nämlich zunächst mit der Frage auseinanderzusetzen, ob der unter Betreuung stehenden Antragstellerin ihre Verfahrensbevollmächtigte beizuordnen gewesen wäre. Dafür spricht immerhin der Umstand, dass die Betreuung Aufgabenkreise umfasst, nach denen es naheliegt, dass die Antragstellerin ihre Rechte nicht ohne Hilfe durch eine Verfahrensbevollmächtigte wahrnehmen kann. Wie der Senat bereits entschieden hat, sind im Rahmender Prüfung nach § 78 Abs. 2 FamFG grundsätzlich auch subjektive Kriterien zu berücksichtigen, weil nur so dem aus dem Sozialstaats- und Rechtsstaatsprinzip folgenden Gebot der Gleichstellung von Bemittelten und Unbemittelten zur Verwirklichung eines effektiven Rechtsschutzes genüge getan wird. Deshalb ist - unter Beachtung der Grundsätze der Berücksichtigung des Einzelfalles - nach wie vor von Bedeutung, inwieweit ein Beteiligter subjektiv in der Lage ist, seine Rechte und Interessen im Verfahren durchzusetzen (OLG Celle, Beschluss vom 11. November 2009 -17 WF 131/09-, FamRZ 2010, 582, Tz. 4) Darauf geht das Amtsgericht jedoch in seiner Prüfung der Voraussetzungen des § 78 Abs. 2 FamFG mit keinem Wort ein. Wäre es schließlich zu dem Ergebnis gekommen, der Antragstellerin ihre Verfahrensbevollmächtigte beizuordnen, hätte es hinsichtlich der Prüfung einer Beiordnung auf Seiten des Antragsgegners den Grundsatz der Waffengleichheit berücksichtigen müssen. Dieser führt im Anwendungsbereich des § 78 Abs. 2 FamFG zwar nicht zwingend zur Beiordnung eines Rechtsanwaltes; er ist für die Frage der "Erforderlichkeit" der Anwaltsbeiordnung aber als gewichtiges Abwägungskriterium zu berücksichtigen (OLG Celle, Beschluss vom 13. Januar 2010 - 17 WF 149/09 -, FamRZ 2010, 1267, Leitsatz).