Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 21.06.1995, Az.: 2 U 98/95
Wirksamkeit von Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Werkunternehmers; Verkürzung der Verjährungsfrist auf 6 Monate bei Bauwerken; Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen im Geschäftsverkehr zwischen Kaufleuten
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 21.06.1995
- Aktenzeichen
- 2 U 98/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 29100
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1995:0621.2U98.95.0A
Rechtsgrundlagen
- § 635 BGB
- § 638 BGB
- § 9 AGBG
Amtlicher Leitsatz
Unwirksame Klauseln in AGB eines Werkunternehmers betr. Gewährleistungsbeschränkung und auf 6 Monate verkürzte Verjährungsfrist bei Bauwerken.
Entscheidungsgründe
Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es nach dem bisherigen Sach- und Streitstand darauf an, ob der in dem Beweissicherungsverfahren 4 H 19/93 AG festgestellte und von dem Sachverständigen auf die Schweißarbeiten der Beklagten zurückgeführte Verzug der Vorschweißflansche, die die Klägerin angeliefert und die die Beklagte an von ihr gestellte Pumpendruckrohre angeschweißt hatte, von der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit abwich und ob die von der Klägerin für die Mängelbeseitigung geltend gemachten Aufwendungen erforderlich waren. Zur Klärung des diesbezüglichen streitigen Vorbringens bedarf es umfänglicher Beweiserhebung, insbesondere der Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Diese Beweiserhebung ist aus folgenden Gründen erforderlich:
Da beide Parteien wesentliche Teile der von der Beklagten gefertigten, unvertretbaren neuen Sachen bereitgestellt haben, nämlich die Klägerin die Vorschweißflansche und die Beklagte die Pumpendruckrohre, kommt als gesetzliche Grundlage des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs § 635 BGB in Betracht (vgl. Staudinger/Peters, BGB, 12. Aufl., § 651 Rdn. 19 u. 38; Soergel-Ballerstedt, BGB, 10. Aufl., § 651 Rdn. 8).
Der Anwendung von § 635 BGB steht nicht entgegen, dass nach Zif. XI.5. der Lieferungs- und Zahlungsbedingungen der Beklagten über das in Zif. XI.1. bis 4. geregelte Rücktrittsrecht hinaus "alle weiter gehenden Ansprüche des Bestellers, insbesondere auf Wandlung, Kündigung oder Minderung sowie auf Ersatz von Schäden irgendwelcher Art, und zwar auch von solchen Schäden, die nicht an dem Liefergegenstand selbst entstanden sind", ausgeschlossen sind.
Ein so weit gehender Ausschluss von Gewährleistungsansprüchen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ist auch im kaufmännischen Geschäftsverkehr nach § 9 AGBG unwirksam. Der Senat schließt sich insoweit der Entscheidung BGH NJW 1991, 2631 zu im Wesentlichen gleich lautenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen an.
Der Schadensersatzanspruch aus § 635 BGB ist nicht verjährt. Die gesetzliche Verjährungsfrist aus § 638 BGB beträgt fünf Jahre, weil die Beklagte als Subunternehmerin Arbeiten "bei Bauwerken" durchzuführen hatte. Die Beklagte bestreitet in der Beru-fungserwiderung zwar erstmals, dass ihr bekannt war, dass die von ihr hergestellten Pumpenanschlussstutzen für das Bauvorhaben "Am Schöpfwerk" in H bestimmt waren. Einer Vernehmung des hierfür von der Klägerin benannten Zeugen L bedarf es aber nicht. Denn nach der Rechtsprechung des BGH, der der Senat folgt, genügt es jedenfalls, dass für die Beklagte als Subunternehmerin die Verwendung bei einem bestimmten Bauwerk erkennbar war. Demgegenüber spielt es keine Rolle, ob die Beklagte wusste, um welches Bauvorhaben es sich handelte (BGH NJW 1979, 158, 159) [BGH 12.10.1978 - VII ZR 220/77]. Demnach sind Arbeiten "bei Bauwerken" zu bejahen, weil der Beklagten auf Grund längerer Geschäftsbeziehungen bekannt war, dass die Klägerin nicht fabrikmäßig produzierte, sondern sich mit Sonderkonstruktionen, Industrieanlagen u.Ä. befasste, weil es sich bei den herzustellenden Pumpenanschlussstutzen um Sonderanfertigungen nach den Skizzen der Klägerin handelte und weil die einzelnen Teile terminlich gestaffelt geliefert werden sollten. Diese Umstände, auf Grund derer für die Beklagte die beabsichtigte Verwendung bei einem bestimmten Bauwerk erkennbar war, sind auch in der Berufungsinstanz unstreitig.
Der Anwendung von § 638 BGB steht nicht die bereits zitierte Regelung in Zif. X.2. der Lieferungs- und Zahlungsbedingungen der Beklagten entgegen. Diese Bestimmung ist nach § 9 AGBG unwirksam.
Nach der Rechtsprechung des BGH, der der Senat zustimmt, gilt das Verbot der unmittelbaren oder mittelbaren Verkürzung gesetzlicher Gewährleistungspflichten grundsätzlich auch bei der Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen im Geschäftsverkehr zwischen Kaufleuten, um die es sich bei den Parteien handelt. Fällt eine Klausel bei Verwendung gegenüber Nichtkaufleuten unter eine der Verbotsnormen des § 11 AGBG - hier von § 11 Nr. 10 f) AGBG - so ist dies ein Indiz dafür, dass sie auch im Falle der Verwendung unter Kaufleuten zu einer unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners führt (BGH NJW 1993, 2054, 2055) [BGH 20.04.1993 - X ZR 67/92].
Durch die Bestimmung in Zif. X.2. der Lieferungs- und Zahlungsbedingungen der Beklagten, Ansprüche aus Mängeln verjährten in allen Fällen vom Zeitpunkt der rechtzeitigen Rüge an in sechs Monaten, spätestens jedoch mit Ablauf der Gewährleistungspflicht, in Verbindung mit der Regelung in Zif. X.1., wonach die Gewährleistungspflicht 6 Monate (bei Tag- und Nachtbetrieb 3 Monate) ab Gefahrübergang beträgt, in Verbindung mit der Regelung in Zif. VII.2. Satz 2, wonach Gefahrübergang mit der Übergabe an den Spediteur oder Frachtführer, spätestens jedoch mit dem Verlassen des Werkes eintritt, würde nicht nur die gesetzliche Verjährungsfrist für Arbeiten bei Bauwerken aus § 638 BGB drastisch verkürzt.
Darüber hinaus würde die Verjährungsfrist (von der Regelung bei Tag- und Nachtbetrieb gänzlich abgesehen) sogar weniger als sechs Monate betragen, wenn der Zeitpunkt des Gefahrübergangs vor dem der Abnahme i.S.v. § 638 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt oder wenn Mängel bereits vor Abnahme gerügt werden. Zudem ist die Formulierung, Ansprüche verjährten "in allen Fällen" entsprechend den Fristen nach Zif. X.2., jedenfalls auf Grund der Unklarheitenregel aus § 5 AGBG dahingehend auszulegen, dass abweichend von § 639 Abs. 2 BGB die Prüfung des Mangels durch die Beklagte oder deren Beseitigungsversuche eine Hemmung der Verjährung nicht bewirken sollen. Zif. X.2. verstößt daher gegen § 9 AGBG (vgl. BGH NJW 1981, 1510, 1511 [BGH 09.04.1981 - VII ZR 194/80]; BGH NJW 1984, 1750, 1751 [BGH 08.03.1984 - VII ZR 349/82]; BGH NJW 1992, 1236, 1237) [BGH 19.02.1992 - VIII ZR 65/91].