Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 15.06.1995, Az.: 1 U 126/90
Zulässigkeit der unangemessenen Benachteiligung eines ausscheidenden Gesellschafters durch Beschränkung der Abfindung; Beeinträchtigung des Kündigungsrechtes durch Beschränkung der Abfindung ausscheidender Gesellschafter
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 15.06.1995
- Aktenzeichen
- 1 U 126/90
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 29330
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1995:0615.1U126.90.0A
Rechtsgrundlagen
- § 138 BGB
- § 723 Abs. 3 BGB
- § 241 Ziff. 3, 4 AktG
Fundstelle
- GmbHR 1997, 503-506 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Eine Beschränkung der Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters darf diesen nicht unangemessen benachteiligen oder sein Kündigungsrecht unzulässig beeinträchtigen.
Gründe
Die am 9.12.1989 beschlossene Satzungsbestimmung über die Abfindung ausscheidender Gesellschafter ist des Weiteren nicht nach § 241 Ziffer 3 oder 4 AktG analog nichtig.
Denn sie ist weder nach § 138 BGB zu beanstanden, noch ist durch sie das Kündigungsrecht der Gesellschafter entgegen § 723 Abs. 3 BGB faktisch in unzulässiger Weise beeinträchtigt.
Die rechtliche Zulässigkeit von Beschränkungen des Abfindungsrechts eines GmbH-Gesellschafters ist als Ausdruck der Satzungsautonomie der Gesellschafter im Grundsatz unbestritten (vgl. Ulmer in Hachenburg, Großkommentar zum GmbHG, 8. Aufl., § 34, Rn. 78).
Eine Beschränkung der Abfindung in einem Gesellschaftsvertrag trägt dem Interesse der Gesellschaft Rechnung, Liquidität und Fortbestand des Unternehmens nicht durch unerträglich hohe Abfindungen zu gefährden. Die Verwirklichung dieses Anliegens findet jedoch dort ihre Grenze, wo es nach den Maßstäben von Treu und Glauben dem ausscheidenden Gesellschafter nicht mehr zuzumuten ist, sich mit der Abfindung entsprechend der vertraglichen Regelung zufrieden zu geben (BGH, Urteil vom 20.9.1993 zu II ZR 104/92, Seite 9) und der Ausscheidende durch eine von der Entwicklung überholte Abfindungsregelung unangemessen benachteiligt wird. Es muss deshalb, besonders in den Fällen, in denen sich im Verlaufe der Jahre der vertragliche Abfindungsanspruch und der reale Abfindungswert in außergewöhnlich hohem Maße auseinander entwickelt haben, ohne dass eine solche Entwicklung bei Abschluss des Vertrages absehbar war, ein den veränderten Verhältnissen angepasster, angemessener Interessenausgleich zwischen ausscheidenden und verbleibenden Gesellschaftern unter Berücksichtigung der mit der vertraglichen Abfindungsregelung verfolgten Zwecke vorgenommen werden (BGH in GmbHR 1994, 871, 877).
Der Unterschied zwischen dem Abfindungs- und dem tatsächlichen Anteilswert ist hier jedoch nach den gesamten Umständen des Falles, insbesondere auch der Dauer der Mitgliedschaft der Kläger in der Gesellschaft und ihrem Anteil am Erfolg des Unternehmens, im Zeitpunkt der Satzungsänderung am 9.12.1989 weder für die Kläger noch für die anderen Gesellschafter derart groß, dass die Abfindungsklausel dadurch grob unbillig wäre.
Allerdings besteht im vorliegenden Fall zweifellos ein außergewöhnlich deutliches Auseinanderfallen von vereinbartem Abfindungs- und tatsächlichem Anteilswert. Denn § 9 i.d.F. vom 9.12.1989 beschränkt den Anspruch der nach dem 31.12.1988 der Gesellschaft beigetretenen Gesellschafter bei deren Ausscheiden auf die Rückzahlung ihrer Stammeinlage und gewährt den übrigen Gesellschaftern -so also auch den Klägern- außer dem Betrag des anteiligen Stammkapitals für jedes vor dem 31.12.1988 liegende Jahr der Mitgliedschaft ein Betrag von 1.000 DM, der sich vom elften bis zum fünfzehnten Mitgliedsjahr um jährlich 250 DM und ab dem sechzehnten Jahr der Zugehörigkeit zur Gesellschaft um weitere 100 DM pro Jahr erhöht.
Für die Kontrolle der Angemessenheit der Abfindungsklausel der Satzung der Beklagten i.d.F. vom 8.12.1989 war von einem Verkehrswert eines Geschäftsanteiles an der Beklagten von 52.600 DM im Zeitpunkt der Satzungsänderung auszugehen.