Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 14.05.2012, Az.: 10 UF 94/11
Bestimmen des Empfangsberechtigten des Kindergeldes analog § 64 Abs. 2 S. 2 bis 4 EStG bei Betreuung des Kindes in zwei Haushalten; Bestimmung des Wertes des Beschwerdegegenstandes bei gegen die familiengerichtliche Bestimmung des Kindergeldberechtigten gerichteter Beschwerde
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 14.05.2012
- Aktenzeichen
- 10 UF 94/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 16039
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2012:0514.10UF94.11.0A
Rechtsgrundlagen
- § 64 Abs. 2 S. 2-4 EStG analog
- § 58 FamFG
- § 61 FamFG
- § 231 Abs. 2 FamFG
Fundstellen
- FF 2012, 332-333
- FPR 2012, 7
- FamFR 2012, 294
- JAmt 2012, 670-671
- NJW-RR 2012, 1351-1354
- Rpfleger 2012, 690
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Wird ein Kind getrenntlebender Eltern in annähernd gleichem Umfang in den Haushalten beider Elternteile betreut, ist der Empfangsberechtigte des Kindergeldes analog § 64 Abs. 2 Satz 2 bis 4 EStG zu bestimmen. Insofern ist auf Antrag eines Berechtigten auch eine Bestimmung durch das Familiengericht vorzunehmen. (Anschluß an BFHE 209, 338 [BFH 23.03.2005 - III R 91/03]).
- 2.
Der Einwand, annähernd gleiche Betreuungsanteile lägen tatsächlich nicht vor, ist nicht vom Familiengericht, sondern allein von der Familienkasse und im nachfolgenden finanzgerichtlichen Verfahren zu klären.
- 3.
Zur Bestimmung des Wertes des Beschwerdegegenstandes bei gegen die familiengerichtliche Bestimmung des Kindergeldberechtigten gerichteter Beschwerde (Fortführung Senatsbeschluß vom 31. Mai 2011 - 10 UF 297/10 - FamRZ 2011, 1616 f. = MDR 2011, 1180 f. = JurBüro 2011, 494 = Rpfleger 2011, 604 f. = BeckRS 2011, 14904 = [...]).
In der Familiensache
...
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht W., den Richter am Oberlandesgericht H. und die Richterin am Amtsgericht W.-M. am 14. Mai 2012
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren: 300 EUR (§ 51 Abs. 3 FamGKG).
Gründe
I.
Die Beteiligten sind seit Januar 2009 rechtskräftig geschiedene Eheleute und die Eltern der am ... 2000 geborenen gemeinsamen Tochter L.. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für L. wird aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts vom 3. Dezember 2007 (609 F 5091/07), der durch Beschluß vom 17. April 2009 (609 F 5607/08) [Bl. 40 ff. d.A.] bestätigt wurde, allein von der Antragsgegnerin ausgeübt, die elterliche Sorge im übrigen durch beide Elternteile gemeinsam. Ihren melderechtlichen Hauptwohnsitz hat L. seit August 2008 bei der Mutter; zu einem späteren Zeitpunkt ist sie mit Nebenwohnsitz auch im Haushalt des Kindesvaters angemeldet worden. Aufgrund einer umfangreichen Umgangsvereinbarung wird L. in großem Umfang auch von ihrem Vater betreut; über die genauen Aufenthaltsanteile in den beiden Haushalten werden von den Kindeseltern abweichende Angaben gemacht und unterschiedliche Bewertungen vorgenommen; beide Elternteile reklamieren dabei - u.a. mit aufwendigen tabellarischen Aufstellungen - einen überwiegenden Aufenthalt und eine überwiegende Betreuungsleistung für sich.
Das Kindergeld für L. wurde seit deren Geburt an die Kindesmutter ausgezahlt; insofern bestand auch nach rechtskräftiger Scheidung der Kindeseltern noch ausdrückliche Übereinstimmung. Mit an die Familienkasse Hannover gerichtetem Schreiben vom 10. Juni 2009 [Bl. 68 d.A.] hat der Kindesvater seine "Zustimmung zum bisherigen Auszahlungsverfahren" zurückgenommen und hat sich mit einem Einspruch gegen die Kindergeldfestsetzung für die Zeit ab Januar 2008 (!) gewandt. Für die Zeit ab August 2008 ist die Kindergeldfestsetzung für L. von der Familienkasse daraufhin aufgehoben worden [Bl. 10 f. d.A.]; für die Zeit ab März 2010 hat die Familienkasse gar bis zur Entscheidung des Familiengerichts über die Bestimmung des Kindergeldberechtigten die Auszahlung des Kindergeldes eingestellt.
Mit am 23. April 2010 beim Amtsgericht eingegangenem Antrag begehrt der Kindesvater die Feststellung, der Berechtigte gemäß § 64 EStG für die Auszahlung des die gemeinsame Tochter L. betreffenden Kindergeldes zu sein. Die Kindesmutter tritt dem entgegen und begehrt, ihrerseits als Kindergeldberechtigte bestimmt zu werden. Sie hat erstinstanzlich den "Hilfsantrag" geltend gemacht, den Antragsteller bei dessen Bestimmung zum Kindergeldberechtigten zu verpflichten, das hälftige Kindergeld monatlich an sie auszukehren.
Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 16. März 2011, auf den auch zur weiteren Sachdarstellung Bezuge genommen wird, die Kindesmutter zur Kindergeldberechtigten im Sinne von § 64 EStG bestimmt und den Verfahrenswert auf 300 EUR festgesetzt. Mit Beschluß vom 13. April 2011 hat das Amtsgericht - nachdem die Familienkasse eine ausdrückliche Feststellung insofern für erforderlich erklärt hatte - klargestellt, die Bestimmung der Kindergeldberechtigung gelte für die Zeit ab 1. August 2008.
Gegen den seiner Verfahrensbevollmächtigten am 23. März 2011 zugestellten Beschluß richtet sich die am 16. April 2011 eingelegte Beschwerde des Kindesvaters, der sein erstinstanzliches Ziel unter Wiederholung seines Vorbringens weiterverfolgt.
Dem Kindesvater ist vom Senat eine Frist zur Begründung der Beschwerde gemäß § 65 Abs. 2 FamFG gesetzt worden. Zugleich ist er - unter Hinweis auf die veröffentliche Senatsrechtsprechung - ausdrücklich auf die Notwendigkeit von entsprechendem Vortrag hingewiesen worden, daß im Streitfall der Beschwerdegegenstand einen Wert von mehr als 600 EUR aufweist.
Der Kindesvater hat die Beschwerde innerhalb der ihm gesetzten Frist begründet.
Zum Wert des Beschwerdegegenstandes hat er allein ausgeführt: Streitgegenstand sei das Kindergeld aus der Zeit seit dem 1. August 2008. Insofern habe das Amtsgericht über eine "Vermögensmasse von ca. 3.000 EUR" entschieden. Nicht nachvollziehbar sei deshalb, wie das Amtsgericht zu einer Festsetzung in Höhe von lediglich 300 EUR gekommen sei. Selbst wenn man im Rahmen der Feststellung einen gegebenenfalls "niedrigeren Streitwert" als den Vermögenswert selbst zu bemessen habe, könne dieser keinesfalls unter 601 EUR liegen.
II.
1. Die Beschwerde ist unzulässig und daher zu verwerfen.
a. Die Beschwerde ist allerdings gemäß § 58 FamFG statthaft, da sie sich gegen eine im erstinstanzlichen Verfahren ergangene Endentscheidung des Amtsgerichts richtet (vgl. KG - Beschluß vom 12. Juli 2010 - 16 UF 79/10 - FamRZ 2011, 494 = Rpfleger 2010, 664 = [...]; OLG Nürnberg - Beschluß vom 16. Februar 2011 - 7 WF 161/11 - FamRZ 2011, 1243 f. = MDR 2011, 731 f. = AGS 2011, 198 f, = [...]). Sie ist auch gemäß §§ 63, 64 FamFG form- und fristgerecht eingelegt worden.
b. Sie ist jedoch vorliegend deswegen nicht zulässig, weil weder das Amtsgericht die Beschwerde gemäß § 61 Abs. 2 FamFG zugelassen hat noch - wie nach § 61 Abs. 1 FamFG erforderlich - der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 EUR übersteigt.
aa. Bei dem Verfahren auf Bestimmung des Kindergeldberechtigten gemäß § 64 Abs. 2 Satz 3 EStG handelt es sich zwar gemäß § 112 Nr. 1 FamFG nicht um eine Familienstreitsache, nach § 231 Abs. 2 FamFG aber um eine Unterhaltssache und zugleich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit (Senatsbeschluß vom 31. Mai 2011 - 10 UF 297/10 - FamRZ 2011, 1616 f. = MDR 2011, 1180 f. = JurBüro 2011, 494 = Rpfleger 2011, 604 f. = BeckRS 2011, 14904 = [...]; OLG Nürnberg, Beschluß vom 16. Februar 2011 - 7 WF 161/11 - FamRZ 2011, 1243 f. = MDR 2011, 731 f. = AGS 2011, 198 f.; Zöller28-Feskorn, FamFG § 61 Rz. 4; Finke, FPR 2012, 155, 159; Thiel, AGS 2011, 157; offen Thiel, AGS 2011, 338, 339 [OLG Celle 31.05.2011 - 10 UF 297/10], die zwar nachvollziehbare Begründungen für einen vermögensrechtlichen Charakter sieht, aber auch ein Verständnis als nichtvermögensrechtliche Angelegenheit für vertretbar hält). Die familiengerichtliche Bestimmung des Kindergeldberechtigten hat zwar regelmäßig keine wesentliche unmittelbare wirtschaftliche Bedeutung, da zwischen den Berechtigten - etwa im Rahmen des Unterhaltes - ein entsprechender Ausgleich stattfindet. Da die Bestimmung jedoch insofern einen nicht unerheblichen Berechnungsfaktor klärt - wird etwa Kindesunterhalt abzüglich des hälftigen Kindergeldes oder Kindesunterhalt zuzüglich des hälftigen Kindergeldes geschuldet -, ist ein deutlich vermögensrechtlicher Charakter gegeben.
bb. Insofern ist auch bei der Bestimmung des Kindergeldberechtigten für die Eröffnung der Beschwerde ein Wert des Beschwerdegegenstandes von mehr als 600 EUR erforderlich (vgl. bereits Senatsbeschluß vom 31. Mai 2011 - 10 UF 297/10 - a.a.O.; so ausdrücklich auch Prütting/Helms-Bömelburg, FamFG § 232 Rz. 48; Thiel, AGS 2011, 157, Finke, FPR 2012, 155, 159).
Dabei ist der Wert des Beschwerdegegenstandes selbständig, insbesondere unabhängig von dem in § 51 Abs. 3 FamGKG vorgegebenen Verfahrenswert zu bestimmen. Allerdings ist die gesetzgeberische Überlegung, warum als Verfahrenswert die geringstmögliche Gebührenstufe bestimmt worden ist, auch bei der Bestimmung des Wertes des Beschwerdegegenstandes von Bedeutung (anders Thiel, AGS 2011, 338 [OLG Celle 31.05.2011 - 10 UF 297/10]). In der Gesetzesbegründung zu dem - im Gesetzgebungsverfahren nicht weiter veränderten - § 51 Abs. 3 des Regierungsentwurfes heißt es insofern (BT-Drs. 16/6308 S. 307): "Die Gebührenfreiheit dieser Verfahren soll aufgegeben werden, weil es hierfür keine sachliche Rechtfertigung gibt. Wegen der geringen Bedeutung der Verfahren wird ein einheitlicher Festwert von 300 EUR vorgeschlagen."
Inhaltliche Stellungnahmen der Rechtsprechung zur Bestimmung des Werts des Beschwerdegegenstandes in den Fällen des § 231 Abs. 2 FamFG sind - abgesehen von der Senatsentscheidung vom 31. Mai 2011 (a.a.O.) - bislang nicht ersichtlich. In - bereits unter Geltung des FamFG ergangenen - einschlägigen Entscheidungen wird jeweils nur pauschal die Zulässigkeit (OLG Stuttgart - Beschluß vom 13. Januar 2010 - 15 UF 225/09 - NJW-RR 2010, 1014 f. = MDR 2010, 507 f. = AGS 2010, 198 f. [OLG Stuttgart 13.01.2010 - 15 UF 225/09] = [...]; OLG München - Beschluß vom 7. Juni 2011 - 33 UF 21/11 - NJW-RR 2011, 1082 ff. = AGS 2011, 406 f. = [...]) bzw. ohne weitere Ausführung ein "Beschwerdewert von 600 EUR" (!) konstatiert (OLG Nürnberg - Beschluß vom 16. Februar 2011 - 7 WF 161/11 - FamRZ 2011, 1243 f. = MDR 2011, 731 f. = AGS 2011, 198 f.); die Entscheidung des OLG Jena (Beschluß vom 5. Mai 2011 - 1 WF 87/11 - [...]) ist in einem Beschwerdeverfahren betreffend die Befangenheitsablehnung des Rechtspflegers ergangen, in dem es eines bestimmten Wertes des Beschwerdegegenstandes nicht bedurfte. Auch soweit das KG (Beschluß vom 12. Juli 2010 - 16 UF 79/10 - FamRZ 2011, 494 = Rpfleger 2010, 664 = [...]) eine Erinnerung gegen die Entscheidung des Rechtspflegers des Familiengerichts verworfen hat, weil es von einer eröffneten Beschwerde gemäß § 58 Abs. 1 FamFG ausging, ist dabei der Frage des dafür erforderlichen Wertes des Beschwerdegegenstandes in keiner Weise angesprochen worden.
Im Schrifttum hat Thiel (AGS 2011, 157) zunächst die Auffassung vertreten, maßgebend sei "der begehrte Kindergeldbetrag für die voraussichtliche Dauer des streitigen Bezuges, einschließlich bereits fälliger Kindergeldbeträge"; dabei sei in analoger Anwendung von § 9 ZPO von einem dreieinhalbjährigen Bezug für die Zukunft auszugehen; von einer derartigen Vorstellung geht offenbar auch der Antragsteller aus. Später (AGS 2011, 338 f. [OLG Celle 31.05.2011 - 10 UF 297/10]) hat Thiel allerdings ausdrücklich die im Senatsbeschluß vom 31. Mai 2011 (10 UF 297/10 - a.a.O.) vorgenommene Bestimmung der Beschwer als "im Ergebnis wohl zutreffend" angesehen und ausgeführt, daß in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht auf die Vorschriften der §§ 3 ff. ZPO zurückgegriffen werden kann. Auch Finke (FPR 2012, 155, 159) geht davon aus, daß ein Beschwerdeführer jeweils einen "ihn treffende[n] wirtschaftliche[n] Schaden [von] mehr als 600 EUR" darlegen muß, was nicht schon dann der Fall ist, wenn ein anderer Anspruchsberechtigter als Kindergeldberechtigter bestimmt worden ist.
Für eine durch die Bestimmung der Kindesmutter zur Kindergeldberechtigten ihn treffende Beschwer von mehr als 600 EUR hat der Kindesvater in diesem Sinne nichts dargetan.
Soweit der Kindesvater auf die Summe des in der von seiner Auseinandersetzung mit der Familienkasse betroffenen Zeit auszuzahlenden Kindergeldes abstellt, wirkt sich die fragliche Bestimmung aufgrund der zwischen den Kindeseltern vorzunehmenden weiteren Abwicklung insofern auf ihn nicht aus. Abgesehen davon, daß im Wege der Verrechnung oder Auskehrung die Hälfte des etwa an ihn ausgezahlten Kindergeldes ohnehin der Kindesmutter zufließen müßte, hat er seinerseits bei Auszahlung an die Kindesmutter entsprechende Ansprüche. Dies wird nicht zuletzt dadurch deutlich, daß die Kindesmutter erstinstanzlich ausdrücklich einen Hilfswiderantrag dahin gestellt hatte, den Kindesvater bei Bestimmung zum Kindergeldberechtigten entsprechend zu verpflichten. Zwar stellt ein solcher Antrag unzweifelhaft eine Familienstreitsache dar, die in keinem Fall im Rahmen eines vorliegend gegebenen Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit anhängig gemacht werden kann. Er macht aber jedenfalls deutlich, daß die Bestimmung des Kindergeldberechtigten als solche nicht etwa eine wirtschaftliche Zuweisung des auszuzahlenden Kindergeldes an den Berechtigten bedeutet. Der Annahme einer generellen wirtschaftlichen Gefährdung des familiengerichtlich nicht zum Auszahlungsberechtigten des Kindergeldes bestimmten Elternteils im Hinblick auf eine etwa unterbleibende Weiterleitung des hälftigen Betrages an ihn steht zudem die Möglichkeit des § 74 EStG - insbesondere auch nach dessen Abs. 1 Satz 4 - entgegen, der ggf. eine Abzweigung eröffnet.
Eine gerade unter den besonderen Umständen des konkreten Falles ausnahmsweise weitergehende wirtschaftliche Betroffenheit oder Beeinträchtigung durch die Bestimmung der Kindesmutter zur Kindergeldberechtigten hat der Kindesvater dagegen nicht aufgezeigt.
2. Im übrigen könnte die Beschwerde auch in der Sache keinen Erfolg haben.
a. Dabei hat das Amtsgericht zunächst einmal zutreffend überhaupt eine familiengerichtliche Bestimmung des Kindergeldberechtigten vorgenommen.
§ 64 EStG weist die Bestimmung des Kindergeldberechtigten ausdrücklich lediglich in zwei spezifischen Konstellationen dem Familiengericht zu. Zum einen in § 64 Abs. 2 Satz 3 EStG dann, wenn das Kind in den gemeinsamen Haushalt der Eltern (bzw. anderer Kindergeldberechtigter) aufgenommen ist und die beiden Berechtigten eine Bestimmung des Auszahlungsberechtigten nicht getroffen haben. Zum anderen in § 64 Abs. 3 Satz 4 EStG dann, wenn das Kind nicht in den Haushalt eines Berechtigten aufgenommen ist und keiner der Berechtigten eine höhere Unterhaltsrente zahlt.
Beide Fallgruppen sind im vorliegenden Fall offenkundig nicht einschlägig, da das Kind unstreitig nicht im Sinne von § 64 Abs. 2 EStG in einen gemeinsamen Haushalt der Eltern aufgenommen ist, es zugleich aber auch nicht im Sinne von § 64 Abs. 3 EStG an der Aufnahme des Kindes in den Haushalt eines Berechtigten fehlt.
Allerdings hat der Bundesfinanzhof über den Wortlaut von § 64 Abs. 2 EStG hinaus ausdrücklich in einer dritten Fallgruppe auf eine entsprechende Anwendung von § 64 Abs. 2 Satz 2 bis 4 EStG erkannt und zwar in den - vom Gesetz nicht geregelten - Fällen, in denen das Kind annährend gleichwertig in die Haushalte beider getrenntlebenden Elternteile aufgenommen ist (BFHE 209, 338 [BFH - Urteil vom 23. März 2005 - III R 91/03] = FamRZ 2005, 1173 f. = NJW 2005, 2175 f. = [...]; vgl. auch Finke, FPR 2012, 155, 157; Bork/Jacoby/Schwab-Kodal, FamFG § 231 Rz. 10).
In diese Gruppe fällt nach dem im Kern übereinstimmenden Vortrag beider Kindeseltern der Streitfall, so daß das Familiengericht die ausdrücklich beantragte Bestimmung des Kindergeldberechtigten vorzunehmen hatte.
b. Auf den Einwand des Antragstellers, ein überwiegender Obhutsanteil liege tatsächlich bei ihm, kann es dabei in keinem Fall ankommen.
aa. Zum einen wird von beiden Elternteilen insofern allenfalls ein geringfügiger Unterschied der Obhutsanteile reklamiert, auf den es nach der zutreffenden Rechtsprechung des BFH nicht entscheidend ankommen dürfte. Gleichgültig ob man - mit der Kindesmutter - auf drei oder - mit dem Kindesvater - auf fünf täglichen Hauptmahlzeiten des Kindes abstellen will und deren jeweilige Einnahme bei den Elternteilen nachrechnet bzw. wie man die einzelnen, durch Schulbesuche unterbrochenen Zeitabschnitte nun genau addieren mag, wird sich eine mehr als unwesentliche Abweichung der Betreuungsanteile daraus nicht darstellen lassen.
bb. Zum anderen kommt es aber im Rahmen des familiengerichtlichen Verfahrens zur Bestimmung des Kindergeldberechtigten auf einen derartigen Streit hinsichtlich der tatsächlichen Betreuungsanteile ohnehin nicht an.
Die dem Familiengericht in § 64 Abs. 2 und 3 EStG ausdrücklich zugewiesenen Entscheidungen betreffen Sachlagen, in denen die tatsächlichen Voraussetzungen (Aufenthalt in einem gemeinsamen Haushalt; Leistung gleich hoher oder keiner Unterhaltsrenten beider Berechtigter) keiner weitergehenden, aufwendigen Ermittlung bedürfen. Dies entspricht auch der weiteren gesetzgeberischen Wertung, die entsprechende Entscheidung funktionell dem Rechtspfleger zu übertragen. Eine analoge Anwendung von § 64 Abs. 2 Satz 2 bis 4 EStG kommt daher aber auch nur insoweit in Betracht, als dies nicht zu einer gänzlich anderen Form notwendiger Ermittlungen durch das Familiengericht führt, noch zumal angesichts der Einordnung als Nichtstreitsache derartige Ermittlungen gemäß § 26 FamFG amtswegig vorzunehmen wären.
Daher hat das Familiengericht seiner Entscheidung den schlüssigen und substantiierten Vortrag des Antragstellers zu im wesentlichen gleichgewichtigen Betreuungsanteilen zugrunde zu legen und auf dieser Basis eine entsprechende Bestimmung des Kindergeldberechtigten zu treffen. Mit dem Einwand, daß im wesentlichen gleichgewichtige Betreuungsanteile tatsächlich nicht vorlägen, kann der Antragsgegner vor dem Familiengericht dabei nicht gehört werden. Eine dahingehende streitige Auseinandersetzung der Berechtigten ist vielmehr allein durch die Familienkasse bzw. in einem - ggf. nachgelagerten - finanzgerichtlichen Verfahren zu klären. Kommt es dort zu der Feststellung, daß die tatsächlichen Voraussetzungen für die Berechtigtenbestimmung nach § 64 Abs. 2, 3 bzw. Abs. 2 analog EStG nicht vorliegen, geht die familiengerichtliche Bestimmung ins Leere und ist der Auszahlungsempfänger nach den insofern vorrangigen steuerrechtlichen Regelungen zu bestimmen (vgl. FG München - Urteil vom 21. Februar 2008 - 9 K 2096/07 - EFG 2008, 1464 f = [...]), werden die Voraussetzungen für die familiengerichtliche Bestimmung dagegen festgestellt, bleibt diese Bestimmung auch für die Familienkasse und die Finanzgerichte maßgeblich.
cc. Der Senat teilt nach dem Vorgesagten insofern auch nicht den Ansatz, das Familiengericht könne erst dann tätig werden, wenn ein gleichwertiger Obhutsanteil unstreitig oder im Verfahren vor der Familienkasse bzw. dem Finanzgericht positiv festgestellt sei (so aber offenbar OLG Nürnberg - Beschluß vom 16. Februar 2011 - 7 WF 161/11 - FamRZ 2011, 1243 f. = MDR 2011, 731 f. = AGS 2011, 198 f. = [...]; OLG München - Beschluß vom 7. Juni 2011 - 33 UF 21/11 - NJW-RR 2011, 1082 ff. = AGS 2011, 406 f. = [...]; OLG Jena - Beschluß vom 5. Mai 2011 - 1 WF 87/11 - AGS 2011, 307 = [...]; Finke, FPR 2012, 155, 157; Kasenbacher, NJW-Spezial 2011, 516, 517).
Völlig zutreffend ist zwar der in den genannten Fundstellen zugrunde gelegte Befund, daß das Familiengericht für die Klärung eines etwaigen nicht unwesentlichen Überwiegens der Betreuungsanteile bei einem der Berechtigten nicht zuständig ist. Zu bedenken ist aber auch, daß in einer Fallgestaltung wie vorliegend gegeben bei der Familienkasse bzw. vor dem Finanzgericht regelmäßig auch noch weitere Fragen klärungsbedürftig sind. So dürfte vorliegend etwa der vom Kindesvater erklärte Widerruf seiner Zustimmung zur Auszahlung des Kindergeldes an die Kindesmutter erst für den nächstfolgenden Monat, also ab Juli 2009 zu Auswirkungen führen können (vgl. FG Rheinland-Pfalz - Urteil vom 10. April 2000 - 5 K 2268/98 - DStRE 2001, 134, 135 = [...]). Vielfach wird die Prüfung des nach steuerrechtlichen Maßstäben vorrangig Berechtigten auch für einzelne Zeitabschnitte zu abweichenden Ergebnissen führen (vgl. FG München - Urteil vom 21. Februar 2008 - 9 K 2096/07 - EFG 2008, 1464 ff. = [...]). Schließlich kann das Familiengericht - schon aufgrund des Vorranges einer diesbezüglichen Entscheidung durch das Finanzgericht - gar nicht verbindlich klären, wann genau von einer "gleichwertigen Aufnahme in mehrere Haushalte" bzw. "annähernd gleichem zeitlichem Umfang des Aufenthalts" im Sinne der finanzgerichtlichen Rechtsprechung ausgegangen werden kann, was also genau zwischen den Berechtigten unstreitig sein muß.
Es erschiene nicht zuletzt im Hinblick auf diese Umstände wenig sachgerecht, den Prätendenten der Kindergeldauszahlung zuzumuten, sich zunächst der aufwendigen Auseinandersetzung vor der Familienkasse bzw. dem Finanzgericht zu stellen, die im Falle eines teilweisen oder vollständigen Vorranges der familiengerichtlichen Bestimmung nur zu vorläufigen Ergebnissen führen könnte, dann die familiengerichtliche Entscheidung herbeizuführen, um anschließend wiederum das finanzgerichtliche Verfahren fortführen zu können. Es spricht vielmehr nichts dagegen, ein auf der Grundlage des hier vertretenen Ansatzes von etwaigen tatsächlichen Streitigkeiten über Betreuungsanteile befreites, damit vergleichsweise einfach und zügig abzuschließendes und nicht mit erheblichem Aufwand verbundenes Verfahren der familiengerichtlichen Bestimmung des Berechtigten bereits dann zuzulassen, wenn die erforderlichen - vom Familiengericht nicht zu klärenden - tatsächlichen Verhältnisse vom Antragsteller substantiiert dargetan sind. Dies führt dazu, daß im Rahmen der finanzgerichtlichen Auseinandersetzung in einem Zug die selbständige Prüfung erfolgen kann, ob und ggf. für welche Zeiträume nach dortigen Maßstäben ein vorrangig Berechtigter festgestellt werden kann, und im übrigen Rückgriff auf die familiengerichtliche Bestimmung zu nehmen.
b. Auch die vom Amtsgericht getroffene Auswahl erweist sich im Ergebnis als zutreffend.
Allerdings ist das Amtsgericht fälschlich davon ausgegangen, daß es für seine Entscheidung auf formale Gesichtspunkte bei der Obhut abstellen könne; es hat gemeint, der Kindesvater sei bereits durch die einvernehmlich erfolgte Anmeldung der Tochter mit Hauptwohnsitz bei der Mutter als einer Bestimmung des Lebensmittelpunktes gemäß § 64 Abs. 2 S. 1 EStG ausgeschlossen. Gerade die derartige Bestimmung eines vorrangig Kindergeldberechtigten ist dem Familiengericht aber verwehrt.
Insofern hat das Amtsgericht die ihm übertragene Ermessensausübung bei der Bestimmung des Kindergeldberechtigten nicht vorgenommen, so daß eine solche vom Senat vorzunehmen wäre.
Die Rechtsprechung verlangt insofern eine Abwägung unter umfassender Berücksichtigung aller konkreten Umstände (Finke, FPR 2012, 155, 156 m.w.N.). Von besonderer Bedeutung ist dabei das Kindeswohl (OLG München - Beschluß vom 27. Januar 2006 - 33 Wx 68/05 - FamRZ 2006, 1567 f. = Rpfleger 2006, 320 = [...]). Dem ist etwa gedient durch bessere Gewähr für ein unmittelbares Zugutekommen des Kindergeldes (OLG Stuttgart - Beschluß vom 13. Januar 2010 - 15 UF 225/09 - NJW-RR 2010, 1014 f. = MDR 2010, 507 f. = AGS 2010, 198 f. [OLG Stuttgart 13.01.2010 - 15 UF 225/09] = [...]; OLG München a.a.O.), durch Auswahl des objektiv weitergehend leistenden bzw. durch gleichgewichtig geleistete Beiträge stärker belasteten Berechtigten (OLG Kiel - Beschluß vom 1. Dezember 2003 - 13 WF 187/03 - SchlHA 2004, 211 = OLGR Schleswig 2004, 62 f. = [...]), durch Wahrung des Grundsatzes der Kontinuität (OLG Kiel a.a.O.) sowie durch Vermeidung der Belastung des bisherigen Beziehers durch etwaige Rückforderungen (OLG München a.a.O.).
Nach diesen Kriterien sind insgesamt keine Gründe dafür ersichtlich oder dargetan, die für eine Bestimmung des Kindesvaters sprechen könnten. Nach dem Sachvortrag der Beteiligten liegen unabhängig von etwaigen allenfalls geringfügigen zeitlichen Unterschieden in der Betreuung der Tochter grundsätzlich gleichwertige Leistungen beider Elternteile vor; für die offenkundig wirtschaftlich erheblich "schwächere" Kindesmutter bedeutet diese Leistung zugleich eine wesentlich stärkere Belastung. Die Kindeseltern hatten über längere Zeit auch nach der Trennung die Zahlung des Kindergeldes an sie vereinbart. Durchgreifende Gründe für die Notwendigkeit einer Änderung insofern liegen nicht ersichtlich vor. Eine etwaige - mit einem erfolgreichen Vorgehen des Kindesvaters im Verfahren gegenüber der Familienkasse zwingend verbundene - Rückforderung des in der Vergangenheit ausgezahlten Kindergeldes von der Kindesmutter würde diese offenkundig massiv belasten. Die Bestimmung der Kindesmutter zur Kindergeldberechtigten hat - entgegen der Annahme des Kindesvaters - auch keinen Einfluß auf die Höhe einer etwaigen Berücksichtigung des für die aus ihr und der Tochter bestehenden sozialhilferechtlichen Bedarfsgemeinschaft. Ausweislich der vorliegenden Bescheide erfolgt aufgrund der Meldung der Tochter in beiden elterlichen Haushalten lediglich eine hälftige Berücksichtigung des Kindergeldes für die Tochter - diese ist wiederum auch gänzlich unabhängig davon, an welchen Elternteil das Kindergeld tatsächlich ausgezahlt wird.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.