Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 11.05.2012, Az.: 4 W 36/12

Rechtswirkungen eines im Grundbuch eingetragenen Widerspruchs gegen Alleineigentum im Hinblick auf die Vermutungswirkung des § 891 BGB

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
11.05.2012
Aktenzeichen
4 W 36/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 16552
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2012:0511.4W36.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hildesheim - 21.02.2012
AG Hildesheim - 05.09.2011

Fundstellen

  • BauR 2012, 1693
  • FGPrax 2012, 189
  • NJW 2012, 6
  • NJW-RR 2012, 1298-1299 "keine Zerstörung durch eingetragenen Widerspruch gegen Alleineigentum"
  • ZfIR 2012, 484-485

Amtlicher Leitsatz

Der im Grundbuch eingetragene Widerspruch gegen das Alleineigentum verhindert nur den gutgläubigen Erwerb bei einem Verkauf des Grundstücks, zerstört aber nicht die Vermutungswirkung des § 891 BGB. Der Widerspruch hindert nicht die Eintragung der neuen Eigentümer.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 vom 4. Oktober 2011 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Grundbuchamt - Hildesheim vom 5. September 2011 i. d. F. des Nichtabhilfebeschlusses vom 21. Februar 2012 aufgehoben.

Das Amtsgericht - Grundbuchamt - Hildesheim wird angewiesen, nach Anforderung und Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts die Beteiligten zu 1 und 2 als Eigentümer einzutragen.

Gerichtskosten für das Verfahren werden nicht erhoben.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 105.000 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Beteiligten zu 1 und 2 begehren ihre Eintragung als Eigentümer des vom verstorbenen Vaters der Beteiligten zu 1 und 3 gekauften Grundstücks.

2

Der Erblasser ist als Alleineigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Der Kaufvertrag zwischen dem Erblasser und den Beteiligten zu 1 und 2 datiert vom 11. November 2008. Seit dem 03. April 2009 ist aufgrund einer einstweiligen Verfügung ein Widerspruch der Beteiligten zu 3 gegen die Eintragung des Alleineigentums des Erblassers in Abt. II unter Nr. 5 eingetragen. Der Erblasser ist am 8. Februar 2010 verstorben. Mit Schriftsatz vom 11. Februar 2011 des beurkundenden Notars sind die in der Kaufvertragsurkunde enthaltenen Anträge gemäß § 15 GBO (mit Ausnahme der Eintragung eines Wohnungsrechts) gestellt worden.

3

Mit Zwischenverfügung vom 15. Februar 2011 hat das Amtsgericht darauf hingewiesen, dass durch die Eintragung des Widerspruchs die Vermutung des § 891 BGB hinsichtlich der alleinigen Verfügungsmacht des eingetragenen Eigentümers zerstört sei. Es wären daher die Zustimmungserklärungen zur Kaufvertragsurkunde durch den Beteiligten zu 1 und die Beteiligte zu 3 in der Form des § 29 GBO oder aber die zur Löschung des Widerspruchs erforderlichen Anträge und Bewilligungen vorzulegen. Eine Reaktion ist nicht erfolgt. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 5. September 2011 hat das Grundbuchamt den Antrag auf Eigentumsumschreibung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die trotz längeren Zuwartens nicht näher begründete Beschwerde.

4

II. Die gemäß den §§ 71 ff. GBO zulässige Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung des Verfahrens mit einer bestimmten Anweisung an das Grundbuchamt.

5

1. Die Verfügung des noch als Alleineigentümer eingetragenen Erblassers im Grundstückskaufvertrag vom 11. November 2008 ist wirksam und eintragungsfähig. Entgegen der Auffassung des Grundbuchamts zerstört der aufgrund einer einstweiligen Verfügung eingetragene Widerspruch nicht die Vermutungswirkung des § 891 BGB, sondern die Gutglaubenswirkung des § 892 Abs. 1 Satz 1 BGB (Erman/A. Lorenz, BGB, 13. Aufl., § 899 Rn 15; MüKo/Kohler, BGB, 5. Aufl., § 899 Rn 21). Die Vermutung des § 891 BGB lässt sich nur durch ihre Widerlegung, also durch den vollen Beweis der Unrichtigkeit des Grundbuchstands ausschalten. Die einzige Aufgabe des Widerspruchs besteht jedoch darin, die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs auszuschließen. Dementsprechend muss das Grundbuchamt Verfügungen des als Rechtsinhaber Eingetragenen trotz des gegen seine Rechtsinhaberschaft eingetragenen Widerspruchs eintragen, solange die Berechtigung des Widerspruchs nicht nachgewiesen und damit die Vermutung aus § 891 BGB widerlegt ist (Staudinger/Gursky, BGB, Stand: 2008, § 891 Rn. 53 m. w. N.; MüKo/Kohler, aaO., § 899 Rn. 21; Erman/A. Lorenz, aaO., § 891 Rn. 19, § 899 Rn. 17; BGH LM § 891 BGB Nr. 3).

6

Dies hat zur Folge, dass der zugunsten der Beteiligten zu 3 eingetragene Widerspruch gegen die Eintragung des Alleineigentums des Erblassers nicht daran hindert, die notarielle Urkunde vom 11. November 2008 zu vollziehen und die Beteiligten zu 1 und 2 als Eigentümer einzutragen.

7

2. Jedoch liegen noch nicht alle Voraussetzungen für die Eintragung vor. Dem Senat ist es deshalb nicht möglich, bereits jetzt das Grundbuchamt anzuweisen, die Eintragung vorzunehmen. Denn gemäß § 11 der Urkunde vom 11. November 2008 ist Voraussetzung für die Eintragung die Vorlage der Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts. Diese befindet sich jedoch nicht bei der Grundakte. Das Grundbuchamt wird deshalb durch Zwischenverfügung die Beteiligten zu 1 und 2 zur Vorlage dieser Bescheinigung aufzufordern haben.

8

Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, auch bei der Zurückweisung eines Eintragungsantrags und der Beschwerde gegen einen Beschluss des Grundbuchamts die Sache aufzuheben und dem Grundbuchamt mit einer bestimmten Weisung zurückzugeben (vgl. Hügel/Kramer, GBO, 2. Aufl., § 77 Rn. 38; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 14. Aufl., Rn. 508).

9

III. Eine Kostenentscheidung ist wegen des Erfolgs der Beschwerde nicht veranlasst. Die Wertfestsetzung orientiert sich an dem durch die Urkunde ersichtlichen Wert des übertragenen Grundstücks.