Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 25.05.2012, Az.: 8 W 17/12

Auswirkungen einer Beschränkung der Prämienhöhe des Basistarifs in der privaten Krankenversicherung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
25.05.2012
Aktenzeichen
8 W 17/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 16993
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2012:0525.8W17.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 15.02.2012

Amtlicher Leitsatz

Zu der - nicht im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren zu entscheidenden - Frage nach einer möglicherweise nicht nur an § 12 Abs. 1 c) VAG zu messenden Beschränkung der Prämienhöhe im Fall des Basistarifs nach § 193 Abs. 3 Satz 9 VVG.

Tenor:

Der Beschluss des Landgerichts Hannover vom 15. Februar 2012 und der Nichtabhilfebeschluss vom 23. Februar 2012 werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Hannover zurückverwiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.

Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

1

Die zulässige sofortige Beschwerde des Beklagten hat insoweit Erfolg, als das Landgericht über den Prozesskostenhilfeantrag neu zu entscheiden hat.

2

Anders als das Landgericht gemeint hat, kann es den Prozesskostenhilfeantrag des Beklagten nicht allein deswegen zurückweisen, weil der Beklagte dem Klägervorbringen zuletzt nicht mehr entgegengetreten sei (Beschluss vom 15. Februar 2012) bzw. in der Sache selbst nichts vorgebracht habe (Beschluss vom 23. Februar 2012). Wie das Landgericht selbst nicht verkannt hat, hat der Beklagte eingewandt, die geltend gemachten Forderungen seien - aus rechtlichen Gründen - überhöht. Mehr musste der Beklagte, der Rechtsausführungen nicht schuldet ("da mihi factum"), nicht vortragen. In der Sache hat er darauf hingewiesen, dass niedrigere Leistungen aufgrund des Basistarifs nicht zu fast verdoppelten Beiträgen des Beklagten führen dürften (Schriftsatz vom 23. September 2011). Eine Verpflichtung des Beklagten, dies auf jeden weiteren Schriftsatz der Klägerin zu wiederholen, bestand nicht.

3

Einschlägiger rechtlicher Anknüpfungspunkt ist § 193 Abs. 6 VVG (n. F.). Kommt wie vorliegend der Versicherungsnehmer seiner vertraglichen Pflicht zur Zahlung der Prämien nicht nach, so kommt es nach Maßgabe des § 193 Abs. 6 Satz 9 VVG zu einem Tarifwechsel - also einer Vertragsänderung - kraft Gesetzes. Das bisherige Versicherungsverhältnis wird im Basistarif fortgesetzt. Das Ruhen der Versicherung besteht fort (§ 193 Abs. 6 Satz 10 i. V. m. § 193 Abs. 6 Satz 6 VVG).

4

Für den dann geltenden Basistarif gilt § 12 Abs. 1 c) VAG. Der Beitrag darf den Höchstbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung nicht übersteigen. Damit ist noch nichts darüber gesagt, welchen Beitrag der Versicherer im Einzelfall verlangen darf. § 12 Abs. 1 d) VAG verhält sich dazu nicht; um Art, Umfang oder Höhe der Leistungen geht es nicht, weil es in dieser Vorschrift nur um die Leistungen des Versicherers gehen kann (für die Prämienzahlungspflicht des Versicherungsnehmers passen die Begriffe "Art" und "Leistungen" nicht). Die Klägerin hat eingeräumt, dass sie in Fällen wie dem vorliegenden immer den maximal zulässigen Beitrag im Sinne von § 12 Abs. 1 c) VAG beansprucht. Dies könnte dem Ziel des Gesetzgebers zuwiderlaufen, Versicherungsnehmern Leistungen zu einer "bezahlbaren Prämie" zur Verfügung zu stellen; die Höhe der Leistung des Versicherungsnehmers soll sich nämlich gerade nicht mehr an dem eingebrachten Risiko orientieren, sondern an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Versicherungsnehmers. Der Versicherungsnehmer wird häufig im Basistarif nach § 193 Abs. 6 Satz 9 VVG für geringe Leistungen Prämien zu zahlen haben, die höher sind als bei Fortführung der vertraglichen Vereinbarung. Zwar kommt es zu dem Tarifwechsel nach § 193 Abs. 6 Satz 9 VVG erst dann, wenn der Versicherungsnehmer seine Pflichten aus dem Vertrag verletzt hat. Das ändert an dem Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung aber nichts. Der Anspruch des Versicherers auf die Prämien bleibt erhalten, dies obgleich die Missachtung des Prinzips "subjektiver Äquivalenz" (Larenz) nach der rechtspolitisch umstrittenen, vom BVerfG (BVerfGE 123, 186) aber weitgehend gebilligten Entscheidung des Gesetzgebers an sich zum Nachteil des Versicherers ausgefallen ist. Dass der Zahlungsverzug des Versicherungsnehmers, der anders als bislang allgemein im Zivilrecht und auch im Versicherungsrecht (§ 38 VVG) üblich, nicht einmal mehr zum Kündigungsrecht des Versicherers führt (§ 206 VVG), die einseitige Belastung des Versicherers nun in ihr Gegenteil verkehren soll, ist jedenfalls keine Selbstverständlichkeit.

5

Die vom Beklagten aufgeworfene Rechtsfrage ist nach Ansicht des Senats einer Klärung im Prozesskostenhilfeverfahren nicht zugänglich (vgl. BVerfG, NJW-RR 2004, 61 [BVerfG 30.09.2003 - 1 BvR 2072/02]). Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne von § 114 Satz 1 ZPO ist deshalb zu bejahen.

6

Ob die übrigen Voraussetzungen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe an den Beklagten vorliegen, wird das Landgericht zu prüfen und zu entscheiden haben. Bislang hat sich der Beklagte nicht in der Lage gezeigt, zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vollständige Angaben zu machen.

7

Da die sofortige Beschwerde des Beklagten in Gestalt der Aufhebung und Zurückverweisung Erfolg hat, ergeht der Senatsbeschluss gerichtskostenfrei.

8

Dass Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet werden, ergibt sich aus § 127 Abs. 4 ZPO.