Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 07.05.2012, Az.: 10 WF 385/10

Zustänigkeit des Familiengerichts für ein Feststellungsbegehren als Unterhaltssache; Vorliegen einer deliktischen Haftung eines Unterhaltsschuldners bei höherem Einkommen und Verwendung des Einkommens für erhebliche Leistungen auf ein Darlehen für eine nicht selbst bewohnte Immobilie

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
07.05.2012
Aktenzeichen
10 WF 385/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 15558
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2012:0507.10WF385.10.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 01.11.2010 - AZ: 612 F 4439/10

Fundstellen

  • FamFR 2012, 295
  • FamRB 2012, 277-278
  • FamRZ 2012, 1838-1840
  • JAmt 2012, 420
  • JurBüro 2012, 439-441
  • MDR 2012, 1167-1168
  • NJW 2012, 36
  • NZI 2012, 5

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Für das Feststellungsbegehren, daß ein zur Insolvenztabelle festgestellter Anspruch auf (Kindes-) Unterhalt entgegen dem vom Schuldner erhobenen Widerspruch im Sinne von § 74 Abs. 2 InsO auch auf unerlaubter Handlung beruht ("Attributsklage"), ist als Unterhaltssache gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 FamFG das Familiengericht zuständig; das gilt insbesondere auch dann, wenn die Unterhaltsforderung als solche bereits gerichtlich tituliert ist (Anschluß KG - Beschluß vom 30. August 2011 - 18 WF 93/11 - FamRZ 2012, 138 ff. = NJW-RR 2012, 201 ff = ZInsO 2011, 1843 ff = ZVI 2011, 462 ff.[KG Berlin 30.08.2011 - 18 WF 93/11]; gegen OLG Rostock - Beschluß vom 14. Januar 2011 - 10 WF 4/11 - FamRZ 2011, 910 in einem obiter dictum).

  2. 2.

    Zur (bejahten) deliktischen Haftung des Unterhaltschuldners aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 170 StGB, der sein in deutlich mehr als ausreichender Höhe tatsächlich an ihn ausgezahltes Einkommen aus freien Stücken zu erheblichen Leistungen auf Darlehen für eine nach eigener Erkenntnis in keinem Fall haltbare, bereits zum Verkauf stehende und nicht mehr selbst bewohnte Immobilie statt für den bereits gerichtlich geltend gemachten Mindestunterhalt seiner minderjährigen Kinder verwendet.

In der Familiensache
H. A.,
Antragstellerin und Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigte:
Anwaltsbüro W..W.,
gegen
S. A. E.,
Antragsgegner,
Verfahrensbevollmächtigter:
Rechtsanwalt J. Z.,
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 1. November 2010 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht W., den Richter am Oberlandesgericht H. und die Richterin am Amtsgericht W.-M. am 7. Mai 2012
beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 1. November 2010 geändert. Der Antragstellerin wird für das erstinstanzliche Verfahren mit ihren Antrag aus dem Schriftsatz vom 3. September 2010 Verfahrenskostenhilfe (VKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt C. W. in Hannover bewilligt.

Gründe

1

I.

Die Beteiligten waren bei Einleitung des vorliegenden Verfahrens am 6. September 2010 getrenntlebende Ehegatten. Ihre beiden 2000 und 2002 geborenen Kinder S. und S. leben seit der zum Juli 2007 erfolgten Trennung der Beteiligten in der Obhut der Antragstellerin, die als Prozeßstandschafterin gemäß § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB die Kindesunterhaltsansprüche in eigenem Namen geltend macht. Mit Senatsurteil vom 7. April 2009 ist der Antragsgegner für die Zeit ab Juli 2007 zu Kindesunterhalt in Höhe der Mindestunterhaltsbeträge abzüglich zeitweilig erbrachter Zahlungen und Leistungen verurteilt worden.

2

Dieser Verurteilung lag folgender Sachverhalt zugrunde: der Antragsgegner war im streitgegenständlichen Zeitraum als Alleingeschäftsführer einer Gesellschaft tätig, deren Alleingesellschafterin eine nahe Verwandte war; diese hatte ihm Ende Mai 2007 für die Übertragung von Gesellschaftsanteilen einen erheblichen Betrag gezahlt. Aus seiner Tätigkeit erhielt er - neben dem Bezug erheblicher Sachleistungen - einen Betrag von 1.600 € ausbezahlt. Er war weiter Alleineigentümer einer vollständig fremdfinanzierten Wohnimmobilie, deren Belastung ihren Wert zumindest vollständig ausschöpfte. Da er sich bewußt war, daß die Immobilie nicht gehalten werden konnte, wurde unter Mitwirkung der finanzierenden Sparkasse deren Verkauf betrieben. Im Rahmen eines Wohnungszuweisungsverfahrens hatten sich die Beteiligten vergleichsweise dahin geeinigt, daß die Antragstellerin mit den Kindern die Immobilie bis zu dem bevorstehenden Verkauf weiter bewohnen konnte. Neben einzelnen Zahlungen auf Hortkosten und Essensgeld hat der Antragsgegner - auch nach vorläufig vollstreckbarer erstinstanzlicher Verurteilung und deren Rechtskraft durch Rücknahme der eigenen Berufung - keinerlei Kindesunterhalt geleistet; insofern hat er sich auf eine weiterhin erfolgte laufende Bedienung der mit 1.160 € vereinbarten Raten für die Immobilie berufen.

3

Nachdem mit Beschluß des Amtsgerichts Hannover vom 10. März 2010 über das Vermögen des Antragsgegners das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet worden war, hat die Antragstellerin rückständigen Kindesunterhalt aus der Zeit von Juni 2007 bis Juli 2009 in Höhe von insgesamt 4.887,93 € zur Insolvenztabelle angemeldet und dabei geltend gemacht, es handele sich um eine Forderung aus unerlaubter Handlung. Während nach dem vorgelegten Auszug aus der Insolvenztabelle die Forderung selbst festgestellt worden ist, hat der Antragsgegner - allein - der Qualifikation als Forderung aus unerlaubter Handlung widersprochen.

4

Mit am 6. September 2010 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 3. September 2010 hat die Antragstellerin "Klage" auf Feststellung erhoben, daß ihr die in der Insolvenztabelle eingetragene Forderung über 4.887,93 € aus "unerlaubter Handlung" gemäß § 174 Abs. 2 InsO zusteht, und zugleich für das Verfahren um Bewilligung von "Prozeßkostenhilfe" (PKH) unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten nachgesucht.

5

Innerhalb des Amtsgerichtes ist das Verfahren als Familiensache eingetragen und geführt worden. Nach Gewährung von rechtlichem Gehör für den Antragsgegner, für den sich zwar ein Verfahrensbevollmächtigter legitimiert, jedoch - auch nach Übersendung der Beschwerdebegründung - keinerlei inhaltliche Erklärung abgegeben hat, hat das Amtsgericht mit Beschluß vom 10. November 2010 die nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe (VKH) versagt. Es hat dies damit begründet, die Rechtsverfolgung weise keine hinreichende Erfolgsaussicht auf, da nach summarischer Prüfung das Vorliegen des subjektiven Tatbestandes des § 170 StGB zu verneinen sei, der zumindest bedingten Vorsatz erfordere. Angesichts vom Antragsgegner erbrachter Leistungen auf Darlehen im Zusammenhang mit der in seinem Alleineigentum stehenden Immobilie habe ihm ein Betrag weit unterhalb des Selbstbehaltes zur Verfügung gestanden.

6

Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin. Sie greift die amtsgerichtliche Beurteilung zum Vorsatz des Antragsgegners an und macht geltend, daß eine tatsächliche Erbringung der Leistungen auf Immobiliendarlehen gar nicht erfolgt sei, wie sich schon aus von der finanzierenden Sparkasse unternommenen Vollstreckungsmaßnahmen während des streitgegenständlichen Zeitraumes ergebe.

7

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht vorgelegt. Der Einzelrichter hat die Sache zur Entscheidung auf den Senat übertragen. Im Beschwerdeverfahren sind von der Antragstellerin - auch auf Auflage des Berichterstatters - ergänzende Unterlagen vorgelegt worden.

8

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und führt in Änderung der amtsgerichtlichen Entscheidung zur Bewilligung der nachgesuchten VKH unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten.

9

Zu Unrecht hat das Amtsgericht keine hinreichende Erfolgsaussicht für das von der Antragstellerin verfolgte Rechtsschutzziel angenommen.

10

1.

Hinreichender Erfolgsaussicht steht vorliegend nicht bereits entgegen, daß die Antragstellerin die Ansprüche der minderjährigen Kinder weiterhin im eigenen Namen geltend macht; die bei Einleitung des Verfahrens unzweifelhaft vorliegenden Voraussetzungen für eine Prozeßstandschaft gemäߧ 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB sind hinsichtlich des Obhutsverhältnisses nicht entfallen. Das Verfahren kann auch ungeachtet einer etwa rechtskräftigen Scheidung der Beteiligten bis zu seinem rechtskräftigen Abschluß von ihr weiter betrieben werden.

11

2.

Die Erfolgsaussicht fehlt auch nicht etwa deswegen, weil das Familiengericht für die begehrte Feststellung nicht zuständig wäre. Zutreffend hat das Amtsgericht das Verfahren vielmehr als Familiensache angesehen.

12

Im vorliegenden Verfahren ist allein zu entscheiden, ob noch offene titulierte Unterhaltsansprüche für die beiden Kinder aus der Zeit von Juli 2007 bis Juli 2009 (auch) im Sinne von § 174 Abs. 2 InsO auf unerlaubter Handlung des Antragsgegners beruhen, hier mithin der Anspruch auch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 170 StGB begründet ist. Nachdem der Antragsgegner den Ansprüchen allein hinsichtlich ihrer deliktischen Qualifizierung widersprochen hat und sie zur Tabelle festgestellt sind, stehen sie auch im Verhältnis der Beteiligten bindend der Sache und der Höhe nach fest (vgl. Janlewing, FamRB 2012, 155, 158, 161). Insofern spielt es hier auch keine Rolle, ob die Ansprüche nicht für die Zeit ab Mai 2009, für die die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren den Bezug von Leistungen nach dem UVG angegeben hat, teilweise auf das das Land Niedersachsen übergegangen sind.

13

Zwar handelt es sich bei einem derartigen isolierten Feststellungsbegehren ("Attributsklage") unproblematisch um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit (vgl. BGH - Urteil vom 2. Dezember 2010 - IX ZR 41/10 - MDR 2011, 130 f. = WM 2011, 93 ff.[BGH 02.12.2010 - IX ZR 41/10]). Die sachliche Zuständigkeit jedoch, also ob es sich insofern um eine Familiensache handelt, ist umstritten.

14

a.

Teilweise wird eine Zuständigkeit der Zivilgerichte angenommen. So hat das Oberlandesgericht Rostock (Beschluß vom14. Januar 2011 - 10 WF 4/11 - FamRZ 2011, 910 = BeckRS 03822 = [...]) im Rahmen einer Gerichtsstandsbestimmung (für die tragend allerdings allein die Tatsache des bindenden Verweisungsbeschlusses an das Familiengericht ist, so daß es sich sachlich um ein obiter dictum handelt) die Auffassung vertreten, das auf isolierte Feststellung eines deliktischen Haftungsgrundes nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 170 StGB gerichtete Beschwerdebegehren falle in die Zuständigkeit der Zivilabteilung bzw. -kammer. Von §§ 111, 231 FamFG würden Schadensersatzansprüche nicht erfaßt. Es bestehe auch keine Annexzuständigkeit des Familiengerichts, da der Ursprungsrechtstreit, in dem die Unterhaltsforderung ohne deliktische Feststellung tituliert wurde, rechtskräftig beendet sei. § 180 InsO sei - da es sich nicht um eine Neuklage handele - nicht einschlägig. Auch§ 185 InsO ergäbe schließlich keine Zuständigkeit des Familiengerichts, da sich der Vorrechtsstreit auf einen anderen Streitgegenstand bezogen habe - seinerzeit sei ein Unterhaltsanspruch, nunmehr ein Anspruch aus unerlaubter Handlung gegenständlich. Entscheidungen über das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des § 823 BGB fiele in die Zuständigkeit der Zivilkammern bzw. -abteilungen der ordentlichen Gerichte.

15

b.

Überwiegend wird dagegen von einer Zuständigkeit des Familiengerichts ausgegangen.

16

So hat das KG (Beschluß vom 30. August 2011 - 18 WF 93/11 - FamRZ 2012, 138 ff. = NJW-RR 2012, 201 ff = ZInsO 2011, 1843 ff = ZVI 2011, 462 ff.[KG Berlin 30.08.2011 - 18 WF 93/11] = [...]) für das Verfahren auf Feststellung des Haftungsgrundes aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 170 StGB die Zuständigkeit des Familiengerichts bestätigt. Es hat auf die - unverändert aus § 23b Abs. 1 S. 2 Nr. 5 GVG a.F. übernommene - weitgehende Formulierung in § 231 Abs. 1 Nr. 1 FamFG und auf die insofern ergangene Rechtsprechung abgestellt. Eine entsprechende Beurteilung lag auch dem Fall zugrunde, über den das OLG Hamm mit Urteil vom 22. Juni 2010 (13 UF 252/09 - [...] = BeckRS 2010, 28487) befunden hat. Ausdrücklich in diesem Sinne befürwortet auch Janlewing (FamRB 2012, 155, 159 f.) die Zuständigkeit des Familiengerichts.

17

c.

Zutreffend ist die letztere Auffassung, der sich der Senat anschließt.

18

aa.

Dabei sind die Vorschriften der InsO für die hier maßgebliche Frage unergiebig. Die Bedeutung von § 180 Abs. 1 S. 1 InsO beschränkt sich insofern darin, daß er die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts ausschließt und auf das ordentliche Verfahren verweist (vgl. MüKo-InsO2-Schumacher, § 1780 Rz. 1). Abs. 1 S. 2 und 3 betreffen die Frage derörtlichen Zuständigkeit vor den ordentlichen Gerichten (a.a.O. Rz. 2). Abs. 2 schließlich betrifft den Fall bereits rechtshängiger Ansprüche, für die das gemäß § 240 ZPO insolvenzunterbrochene Verfahren aufzunehmen ist (a.a.O. Rz. 3). § 184 InsO regelt in S. 1 ausschließlich die Frage der Zulässigkeit einer Neuklage im Verhältnis zum Schuldner selbst, in S. 2 die Aufnahmemöglichkeit von insolvenzunterbrochenen Verfahren in diesem Verhältnis. § 185 InsO schließlich regelt ausschließlich die streitige Festsetzung von Insolvenzforderungen, für die der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nicht gegeben ist.

19

bb.

Die maßgebliche Frage beantwortet sich somit nach den allgemeinen Regeln über die sachliche Zuständigkeitsverteilung zwischen allgemeinem Zivil- und Familiengericht, also nach § 23a Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 111 Nr. 8, 231 Abs. 1 Nr. 1 FamFG.

20

Die - vom OLG Rostock auch nicht weiter begründete - Annahme, eine familiengerichtliche Zuständigkeit nach § 231 Abs. 1 Nr. 1 FamFG sei für deliktisch begründete Ansprüche ausgeschlossen, findet weder im Gesetz noch in der bisherigen Rechtsprechung eine irgend geartete Grundlage.

21

So hat bereits das OLG Hamm (Beschluß vom 26. April 1991 - 9 WF 121/91 - NJW-RR 1991, 1349) für die ausdrücklicheSchadensersatzklage der Ehefrau gegen ihren geschiedenen Ehemann wegen im Unterhaltsprozeß verschwiegener Einkünfte die Zuständigkeit des Familiengerichts bejaht.

22

Insbesondere aber auch der Bundesgerichtshof hat bereits wiederholt in diesem Sinne erkannt. So hat er ausgeführt, daß eine Familiensache im Sinne von § 23b Abs. 1 S. 2 Nr. 5 und 6 GVG a.F. entsprechend heute § 23b Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 111 Nr. 8, 231 Abs. 1 Nr. 1 und 2 FamFG auch dann vorliegt, wenn es zu den wesentlichen Anspruchsvoraussetzungen gehört, daß ein Unterhaltsanspruch gegeben ist, ohne daß es darauf ankäme, ob im konkreten Fall der Schwerpunkt der rechtlichen Problematik im Unterhaltsrecht oder auf anderem Rechtsgebiet liegt (BGHZ 71, 264 Tz. 13, 16). Im dort entschiedenen negativen Kompetenzkonflikt hat er die Zuständigkeit des Familiengerichts für einen Bereicherungsanspruch zwischen Ehegatten im Hinblick auf aufgrund eines zwischen diesen geschlossenen Vergleiches vollstreckten Kindesunterhalt bestätigt. Dabei hat er ausgeführt, daß der Gesetzgeber bereits im 1. EheRG bewußt eine Ausweitung der sachlichen Zuständigkeit der Familiengerichte auf Verfahren, die einen durch gesetzliche Unterhaltspflicht begründeten Anspruch "betreffen", vorgenommen hat, die aufgrund des Verzichtes auf eine enumerative Aufzählung über den in der damaligen Gesetzesbegründung hinaus angegebenen Bereich der Auskunftsansprüche hinaus alle Verfahren erfaßt, die ihre Wurzel in einem Unterhaltsrechtsverhältnis haben (vgl. Praxiskommentar-Finke, § 231 Rz. 4). Für den dort entschiedenen Fall hat der BGH darauf abgestellt, daß der gegenständliche Bereicherungsanspruch in Abhängigkeit von der Entscheidung über die gesetzliche Unterhaltspflicht steht, deren Beurteilung das Gesetz dem Familienrichter zur Verwirklichung des Gedankens der Zuständigkeitskonzentration und wegen der als notwendig erachteten besonderen Fachkunde zugewiesen habe. Im Interesse der Rechtssicherheit könne dabei auch nicht darauf abgestellt werden, ob im konkreten Fall der Schwerpunkt der rechtlichen Problematik im Unterhaltsrecht oder auf anderem Rechtsgebiet liegt. In einem Freistellungsansprüche von Krankenkosten aus einer Familienversicherung betreffenden Fall hat der BGH mit Beschluß vom 9. Februar 1994 - XII ARZ 1/94 - FamRZ 1994, 626 = NJW 1994, 14 f. = MDR 1994, 586 [BGH 09.02.1994 - XII ARZ 1/94] = [...]) ausdrücklich bekräftigt, daß auch Ansprüche, die im Gewand eines Befreiungs-, Schadensersatz- oder Bereicherungsanspruches geltend gemacht werden, ihre Wurzel aber in einem unterhaltsrechtlichen Verhältnis haben, in den Zuständigkeitsbereich des Familiengerichts fallen.

23

Nach diesen gefestigten Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann nicht ernsthaft fraglich sein, daß auch die Feststellung der (auch) deliktischen Begründung bereits titulierter Unterhaltsansprüche eine Familiensache im Sinne von §§ 111 Nr. 4, 231 Nr. 1 FamFG darstellt. Der deliktische Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 170 StGB setzt zentral das Bestehen und die Verletzung einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung voraus. Insofern "betrifft" das Verfahren Ansprüche aus gesetzlicher Unterhaltsverpflichtung, ohne daß es darauf ankäme, ob im konkreten Streit der Schwerpunkt darin oder auf anderen Rechtsgebieten läge.

24

3.

Der am vorliegenden Verfahren durch Gewährung rechtlichen Gehörs und Legitimation eines Verfahrensbevollmächtigten bereits beteiligte Antragsgegner ist seiner Inanspruchnahme im Rahmen der "Attributsklage" inhaltlich bislang in keiner Weise entgegen getreten und hat seinen Widerspruch gegen eine auch deliktische Begründung der (hinsichtlich ihrer Höhe durch die Feststellung zur Tabelle einer Überprüfung hier nicht mehr zugänglichen) Ansprüche in keiner Weise begründet. Dies dürfte - worauf der Senat bereits jetzt hinweist - einer etwa noch nachgesuchten VKH-Bewilligung seinerseits zur Verteidigung durchgreifend entgegenstehen (vgl. Senatsbeschluß vom12. August 2011 - 10 WF 299/10 - FamRZ 2012, 47 = MDR 2011, 1235 f. = JurBüro 2011, 653 f. = FuR 2012, 42 ff. = BeckRS 2011, 20901 = [...]). Insofern muß zugleich die Prüfung der Erfolgsaussicht für die Rechtsverfolgung der Antragstellerin - jedenfalls soweit dem Gericht nicht Gegenteiliges positiv bekannt ist - auf der Grundlage ihres tatsächlichen Vortrages erfolgen.

25

a.

Die Antragstellerin hat - unwidersprochen - geltend gemacht, die vom Antragsgegner gegenüber seiner Inanspruchnahme auf Unterhalt in Berufung genommenen erheblichen Darlehensraten für die Wohnimmobilie seien in der streitgegenständlichen Zeit tatsächlichnicht erbracht worden. Auf dieser - hier maßgeblichen - Grundlage muß das Feststellungsbegehren der Antragstellerin ohne jeden Zweifel Erfolg haben, weil die Voraussetzungen des § 170 StGB gegeben sind.

26

Das Vorliegen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht steht für die Zeit bis Ende März 2009 (Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Vorprozeß) bindend fest. Für die Folgezeit begründet der Unterhaltstitel zwar nicht bereits eine abschließende Bindung; da sich in der Zeit bis Juli 2009 jedoch keine tatsächlichen Veränderungen ergeben haben, der Antragsgegner insbesondere weiterhin tatsächlich über das seiner Verurteilung zugrunde gelegte Nettogehalt verfügte, steht auch insofern seine gesetzliche Unterhaltsverpflichtung gegenüber den Kindern in unverminderter Höhe fest.

27

Auf der Grundlage des bislang unstreitigen Vortrages der Antragstellerin - keine Leistung an die Sparkasse - hat der Antragsgegner trotz unproblematisch bestehender Möglichkeit seine Unterhaltsverpflichtung bewußt nicht erfüllt und sich ihr somit entzogen und dadurch den Lebensbedarf seiner Kinder gefährdet. Er handelte dabei auch - jedenfalls bedingt - vorsätzlich.

28

b.

Etwas anderes ergäbe sich im übrigen auch nicht, wenn der Antragsgegner - wie vom Amtsgericht unterstellt - tatsächlich Leistungen gegenüber der Sparkasse erbracht hätte. Dies ändert nämlich nichts an seiner Möglichkeit zur Erfüllung des Unterhalts - die bestehenden vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Sparkasse wurden durch diese nämlich nicht vollstreckt, sie waren aufgrund der Pfändungsfreibeträge des dreifach unterhaltsverpflichteten Antragsgegners vielmehr ohnehin nicht durchsetzbar. Er hat - anwaltlich beraten - auch nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die fraglichen Beträge zu hinterlegen und so einer etwaigen Ungewißheit über den Vorrang innerhalb seiner Verpflichtung Rechnung zu tragen.

29

Tatsächlich geleistete Zahlungen ließen darüber hinaus aber auch nicht seinen Vorsatz entfallen. Der entsprechende Vorsatz ergibt sich vorliegend vielmehr daraus, daß der Antragsgegner seine bewußte Nichtzahlung des Kindesunterhaltes auch in der Folgezeit nicht aufgab und bis zuletzt selbst keinerlei laufende Zahlungen erbrachte. Bereits nach der für vorläufig vollstreckbar erklärten amtsgerichtlichen Verurteilung konnte er von einem pauschalen Vorrang anderweitiger Zahlungsverpflichtungen in keinem Fall mehr ausgehen. Nach der Rücknahme seiner (Anschluß-) Berufung war bereits ein wesentlicher Teil der Unterhaltsverurteilung rechtskräftig, nach dem Senatsurteil vom 7. April 2009 stand seine Verpflichtung sogar in vollem Umfang endgültig fest. Dieses Verhalten des Antragsgegners schließt aus, daß die Nichtzahlung auf einem beachtlichen Tatbestandsirrtum hinsichtlich seiner Zahlungsverpflichtung beruhte.

30

Dies gilt um so mehr, als es vorliegend auf Zahlungsrückstände aus dem ersten Abschnitt der fraglichen Zeit gar nicht entscheidend ankommt.

31

Nach der von der Antragstellerin bei der Anmeldung zur Tabelle zugrunde- und mittlerweile auch im vorliegenden Verfahren vorgelegten Rückstandsberechnung (in der in Abweichung von der Titulierung des Senates die Unterhaltsansprüche für S. für die Zeit von Februar bis Dezember 2008 jeweils um 35 € zu gering eingestellt und für S. eine um 4 € zu geringe Summe errechnet ist) liegen dem offene Ansprüche zugrunde für S. in Höhe von 2.914,32 € und für S. in Höhe von 2.713,33 €, insgesamt also 5.627,65 €. Angesichts eines in der Insolvenztabelle entsprechend der Anmeldung festgestellten und Gegenstand des vorliegenden Feststellungsbegehrens bildenden Betrages von lediglich 4.887,93 € werden davon nur jeweils 86,86% geltend gemacht, also 2.531,25 € für S, und 2.356,68 € für S.. Da der teilweise berücksichtigten Erfüllung im wesentlichen nachträgliche Beitreibungen zugrunde liegen, für die der Antragsgegner keine Leistungsbestimmung treffen konnte, sind die einzustellenden 1.445,68 € für S. bzw. 1.444,67 € für S. gemäß § 366 Abs. 2 BGB hier also auf die jeweils ältesten Forderungen anzurechnen. Dies führt zu dem Ergebnis, daß die streitgegenständliche Feststellung der deliktischen Haftung für S. allein den Zeitraum ab April 2008 (geltend gemachter Unterhaltsanspruch für 04/08 bis 07/09: 2.621 €) und für S. den Zeitraum ab Mai 2008 (geltende gemachter Unterhaltsanspruch für 05/08 bis 07/09: 2.400 €) betrifft. Lediglich insofern kommt es hier auf die Feststellung einer deliktischen Anspruchsgrundlage überhaupt an.

32

4.

Schließlich liegen bei der Antragstellerin, die für sich und die beiden Kinder Leistungen nach SGB II bezieht, auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen einer VKH-Bewilligung vor; angesichts des laufenden Privatinsolvenzverfahrens über das Vermögen des Ehemannes - eine rechtskräftige Ehescheidung hat die Antragstellerin nicht angegeben - sowie der vorrangigen Unterhaltsansprüche der beiden minderjährigen Kinder ist auch ein durchsetzbarer Anspruch auf einen Verfahrenskostenvorschuß ausgeschlossen.