Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 14.06.2005, Az.: 4 W 114/05

abberufener Wohnungseigentumsverwalter; Abberufungsbeschluss; Bankkonto; Beauftragter; Beschlussanfechtungsverfahren; Bestandskraft; Eigentumswohnung; Geldbestand; Gemeinschaftskonto; Herausgabeanspruch; Herausgabepflicht; Mehrheitsbeschluss; neuer Wohnungseigentumsverwalter; Rechtskraft; rechtskräftige Endentscheidung; Verwaltungskonto; Verwaltungsunterlagen; Vorzeitigkeit; Wirksamkeitsprüfung; Wohnungseigentumsgericht; Wohnungseigentumsverfahren; Wohnungseigentümergemeinschaft; Wohnungseigentümerversammlung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
14.06.2005
Aktenzeichen
4 W 114/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 51101
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG - 29.04.2005 - AZ: 4 T 11/05

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin vom 31. Mai 2005 gegen den am 17. Mai 2005 zugestellten Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 29. April 2005 wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des weiteren Beschwerdeverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt, die auch die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im Verfahren der weiteren Beschwerde zu tragen hat.

Der Geschäftswert wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Antragsgegnerin wurde durch die Teilungserklärung vom 20. Dezember 2001 zur Verwalterin der Wohnungserbbauberechtigten der streitbefangenen Wohnanlage bestellt. In der Versammlung der Wohnungserbbauberechtigten vom 27. November 2004 wurde mehrheitlich beschlossen, die Antragsgegnerin aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung abzuberufen, die Antragstellerin zur neuen Interimsverwalterin zu bestellen und die Antragstellerin zu ermächtigen, im eigenen Namen die Herausgabe sämtlicher Unterlagen, der Geldbestände und Bankkonten gerichtlich geltend zu machen. Die Abwahl der Verwalterin stand dabei nicht auf der Tagesordnung. Die Abberufung der Antragsgegnerin und die Bestellung der Antragstellerin zur neuen Verwalterin wurde in der Versammlung vom 16. Dezember 2004 mehrheitlich bestätigt. Die Antragsgegnerin hat die Beschlüsse angefochten. Das gerichtliche Verfahren (72 II 652/04 Amtsgericht Hannover) dauert an.

2

Auf den Antrag der Antragstellerin hat das Amtsgericht der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 11. Januar 2005 aufgegeben, die im Beschlusstenor im einzelnen aufgeführten Unterlagen an die Antragstellerin herauszugeben. Die gegen diesen am 21. Januar 2005 zugestellten Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 29. April 2005 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die am 31. Mai 2005 eingegangene sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin, die vorträgt, der angefochten Beschluss sei ihr am 17. Mai 2005 zugestellt worden.

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Die Antragsgegnerin wiederholt ihr Vorbringen in den bisherigen Rechtszügen und macht ferner geltend, dass es an dem erforderlichen dringenden Bedürfnis für ein sofortiges Einschreiten fehle. Die Parteien hätten am 18. April 2005 in dem Hauptsacheverfahren einen Widerrufsvergleich geschlossen, der die Verwaltungstätigkeit für die streitbefangene Anlage ebenso geregelt habe wie die Herausgabe der im vorliegenden Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung streitgegenständlichen Verwaltungsunterlagen. Dieser Umstand sei bereits mit Schriftsatz vom 27. April 2005 vorgetragen worden, ohne dass die Antragstellerin widersprochen habe. Der tatsächliche Vortrag der Antragstellerin im Schriftsatz vom 15. April 2005 zum Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Abberufung der Antragsgegnerin als Verwalterin werde bestritten. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ergebe sich aus der Teilungserklärung eine feste Laufzeit für die Bestellung der Antragsgegnerin, welche deren Abberufung nur aus wichtigem Grund ermögliche, der jedoch nicht vorgelegen habe.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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die Anträge der Antragstellerin unter Aufhebung der Beschlüsse des Amtsgerichts Hannover vom 11.Januar 2005 und des Landgerichts Hannover vom 29. April 2005 zurückzuweisen.

6

Die Antragstellerin beantragt,

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die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen.

8

Die Antragsgegnerin verteidigt die angefochtene Entscheidung und vertritt die Ansicht, dass die Begründung des Rechtsmittels der Antragsgegnerin für das vorliegende Verfahren, in dem es nur um die Herausgabe der Verwaltungsunterlagen und des Verwaltungsvermögens gehe, irrelevant sei. Der Abberufungsbeschluss möge anfechtbar sein, sei aber offensichtlich nicht nichtig, so dass die Abberufung von der Antragsgegnerin bis zu einer anderweitigen rechtskräftigen Entscheidung hinzunehmen sei. Zwischenzeitlich habe sich zudem ein neuer Sachverhalt ergeben, der bestätige, dass die Antragsgegnerin zu Recht aus wichtigem Grund als Verwalterin abberufen worden sei. Die Antragstellerin legt u. a. einen Schriftsatz vom 30. Mai 2005 in Abschrift vor, in dem der Widerruf des am 18. April 2005 geschlossenen Vergleich gegenüber dem Amtsgericht Hannover in dem Verfahren 72 II 652/045 erklärt wird.

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II. 1. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller ist gemäß §§ 45 Abs. 1 WEG 27, 29 FGG statthaft und zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 29 Abs. 1 und 4, 22 Abs. 1 FGG). Da sich ein Empfangsbekenntnis des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin nicht bei den Akten und nach fernmündlicher Auskunft auch nicht in den Geschäftsstellen des Amts- und Landgerichts Hannover vorliegt, kann der Antragsgegnerin nicht widerlegt werden, dass ihr der Beschluss des Landgerichts vom 29. April 2005 erst am 17. Mai 2005 zugestellt worden ist. Der Beschwerdewert gemäß § 45 WEG ist erreicht, weil die Antragsgegnerin geltend macht, dass ihr durch die ausgeurteilte Herausgabe der Unterlagen die Erfüllung ihrer Aufgaben als (vermeintlich) fest bis zum 31. Dezember 2007 bestellter Verwalterin der Wohnanlage unmöglich gemacht werde, obwohl ihre Abberufung durch die Beschlüsse der Eigentümerversammlungen vom 27. November 2004 und 16. Dezember 2004 nicht wirksam erfolgt sei. Das wirtschaftliche Interesse der Antragsgegnerin, ihr die weitere Verwaltertätigkeit nicht durch die Herausgabe der Unterlagen abzuschneiden, übersteigt jedenfalls 750 €.

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2. In der Sache hat die sofortige weitere Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Gemäß § 27 Abs. 1 FGG wäre das Rechtsmittel im Verfahren der weiteren Beschwerde in der Hauptsache nur begründet, wenn das Beschwerdegericht eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet hat und dessen Entscheidung gerade auf einer derartigen Verletzung des Rechts i. S. v. §§ 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 FGG, 546 ZPO n. F. beruht. Bei der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung vermag der Senat jedoch keine Rechtsfehler festzustellen.

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Mit Recht haben die Vorinstanzen übereinstimmend angenommen, dass die Antragstellerin nach der bestehenden Beschlusslage der Eigentümerversammlung derzeit als Verwalterin anzusehen ist. Als frühere Verwalterin ist die Antragsgegnerin jedoch gemäß §§ 675, 6767 BGB verpflichtet, sämtliche in Ausführung der Verwaltertätigkeit erhaltenen Unterlagen an die Wohnungserbbauberechtigten herauszugeben (vgl. Bärmann/Pick/Merle, WEG. 9. Aufl. § 26 Rdnr. 105 m. w. N.). In der Eigentümerversammlung vom 27. November 2004 ist die Antragstellerin durch Mehrheitsbeschluss der Wohnungserbbauberechtigten ermächtigt worden, dieses Herausgabeverlangen im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen. Zwar hat die Antragsgegnerin im Verfahren 72 II 652/04 Amtsgericht Hannover die Beschlüsse der Eigentümerversammlungen betreffend ihre Abberufung als Verwalterin angefochten. Mangels rechtskräftiger Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse ist der mit Beschluss vom 16. Dezember 2004 bestätigte Beschluss vom 27. November 2004 über die Abberufung der Antragsgegnerin als Verwalterin aber gemäß §§ 23 Abs. 4, 43 Abs. 1 Nr. 4, 45 Abs. 2 WEG weiterhin wirksam, so dass sie den Wohnungserbbauberechtigten weiter zur Herausgabe der Unterlagen über die Verwaltung der streitbefangenen Wohnanlage verpflichtet ist. Die Berufung auf die Fortgeltung der Beschlüsse ist auch nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen, weil § 23 Abs. 4 WEG der Rechtssicherheit gegenüber der Rechtmäßigkeit von Beschlüssen bis zur Entscheidung über den Anfechtungsantrag den Vorrang einräumt, solange es sich nicht um nichtige Beschlüsse handelt. Das Landgericht hat mit zutreffenden Erwägungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, angenommen, dass die Abberufung der Antragsgegnerin und die Bestellung der Antragstellerin zur neuen Interimsverwalterin jedenfalls mit Rücksicht auf die diese Entscheidungen bestätigenden Beschlüsse in der Versammlung vom 16. Dezember 2004 nicht offensichtlich und erkennbar unrichtig seien. Eine abschließende Prüfung der Wirksamkeit der Abberufung der Antragsgegnerin hat im Verfahren 72 II 652/04 zu erfolgen. Dies gilt insbesondere für die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die Abberufung nur aus wichtigem Grund zulässig war und ob ein solcher Grund vorlag. Für das vorliegende Verfahren ist mit Rücksicht auf § 23 Abs. 4 WEG von der Gültigkeit der Abberufung auszugehen. Das ist auch sachgerecht, weil es einer ordnungsgemäßen Verwaltung der Wohnanlage abträglich wäre, wenn während der möglicherweise langen Dauer des gerichtlichen Verfahrens über die Anfechtung der Beschlüsse die abberufene Verwalterin und die neu bestellte Verwalterin sich dadurch gegenseitig zum Schaden der Wohnungserbbauberechtigten blockieren könnten, dass die eine an der Ausübung weiterer Tätigkeit gehindert wird und der anderen die zur sachgerechten Erledigung der Verwalteraufgaben notwendigen Unterlagen vorenthalten werden. Erweist sich die Abberufung der Antragsgegnerin letztlich als unwirksam, können sich daraus allenfalls Schadensersatzansprüche gegen die Wohnungserbbauberechtigtengemeinschaft ergeben.

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Ohne Erfolg verweist die Antragsgegnerin auf das angeblich fehlende dringende Bedürfnis für ein sofortiges Einschreiten. Die Antragsgegnerin verkennt, dass es sich bei dem vorliegenden Verfahren auf Herausgabe von Unterlagen nicht um ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung handelt. Die Antragstellerin hat zwar ausdrücklich neben ihrem Herausgabeverlangen sowohl gegenüber dem Amtsgericht als auch gegenüber dem Landgericht Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Darüber ist aber nicht entschieden worden. Eine einstweilige Anordnung kann zwar bei Anhängigkeit des Hauptsacheverfahrens für dessen Dauer erlassen werden. Das ist aber vorliegend gerade nicht geschehen. In dem Beschluss des Amtsgerichts vom 11. Januar 2005 ist von einer einstweiligen Anordnung nicht die Rede, sondern es wurde über den Anspruch auf Herausgabe der streitbefangenen Unterlagen in der Hauptsache entschieden. Bei anderer Beurteilung hätte die sofortige weitere Beschwerde im übrigen erst Recht zurückgewiesen werden müssen und zwar mit der Maßgabe, dass die Erstbeschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts als unzulässig zu verwerfen wäre, weil einstweilige Anordnungen gemäß § 44 Abs. 3 Satz 2 WEG nicht selbständig angefochten werden können.

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Soweit die Antragsgegnerin darauf verweist, dass sie sich mit der Wohnungserbbauberechtigtengemeinschaft in einem Widerrufsvergleich (72 II 652/04 Amtsgericht Hannover) am 18. April 2005 darauf geeinigt habe, dass die Antragsgegnerin die Verwaltung zum 30. Juni 2005 abgebe, wird davon der im vorliegenden Verfahren von dem Amtsgericht zuerkannte Herausgabeanspruch nicht berührt und zwar auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses. Zwar hat die Antragsgegnerin diesen Vortrag bereits mit dem am 27. April 2005 eingegangenen Telefaxschriftsatz gegenüber dem Landgericht gehalten, ohne dass das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss vom 29. April 2005 dazu Stellung nimmt. Die Entscheidung des Landgerichts beruht jedoch nicht auf einem darin etwa liegenden Verfahrensfehler. Die Antragsgegnerin hat nämlich nicht behauptet, dass der Vergleich nach Ablauf der Widerrufsfrist wirksam geworden sei, so dass eine Abrede über die Fortdauer der Verwaltertätigkeit der Antragsgegnerin bis zum 30. Juni 2005 nicht festgestellt werden kann. Das Gegenteil ergibt sich auch nicht aus der Stellungnahme der Antragstellerin. Die Antragstellerin hat ihrer Stellungnahme zur sofortigen weiteren Beschwerde einen Schriftsatz vom 30. Mai 2005 in Abschrift beigefügt, in dem am letzten Tag der Frist (6 Wochen seit dem 18. April 2005) der Widerruf des Vergleichs erklärt wird. Der Senat konnte davon absehen, der Antragsgegnerin Gelegenheit zu diesem neuen Vorbringen zu gewähren, weil es Sache der Antragsgegnerin war, zu den Voraussetzungen eines wirksamen Vergleichs vorzutragen, also darzulegen, dass ein Widerruf nicht erfolgt ist. Der bloße Abschluss eines Widerrufsvergleich ist für sich allein unerheblich. Der weitere Vortrag der Antragstellerin zu neuen Tatsachen, die eine Abberufung der Antragsgegnerin als Verwalterin aus wichtigem Grund rechtfertigen sollen, ist für das vorliegende Verfahren - unbeschadet der Prüfung der Zulässigkeit dieses neuen Tatsachenvorbringens im Rechtsbeschwerdeverfahren - unbeachtlich und deshalb von dem Senat bei seiner Entscheidung auch nicht berücksichtigt worden.

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III. Die Kostenentscheidung für das Verfahren der weiteren Beschwerde beruht hinsichtlich der Gerichtskosten auf § 47 Satz 1 WEG und trägt dem Umstand Rechnung, dass der in der Hauptsache Unterliegende regelmäßig die Kosten zu tragen hat. Da das Rechtsmittel der Antragsgegnerin zudem offensichtlich unbegründet ist, war ausnahmsweise die Erstattung der außergerichtlichen Kosten gemäß § 47 Satz 2 WEG anzuordnen.

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Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 2 WEG in Verbindung mit § 30 Abs. 2 WEG.