Landgericht Aurich
Urt. v. 08.06.2021, Az.: 3 O 1279/20

Prämienerhöhung privater Krankenversicherung

Bibliographie

Gericht
LG Aurich
Datum
08.06.2021
Aktenzeichen
3 O 1279/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 71239
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG - AZ: 1 U 143/21

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen von der Beklagten vorgenommene Prämienerhöhungen im Rahmen der privaten Kranken- und Pflegeversicherung.

Der Kläger unterhält bei der Beklagten für seine Person eine private Krankenversicherung zur Versicherungsnummer 14.1/1 und eine private Pflegeversicherung zur Versicherungsnummer 14…/7/1.

Zwischen den Parteien ist vereinbart, dass die Beklagte unter bestimmten Voraussetzungen die Beiträge anpassen darf.

Der Kläger kam den Forderungen aus den mitgeteilten Beitragserhöhungen jeweils nach und erbrachte die Zahlungen.

Der Kläger ist der Auffassung, dass aufgrund der Weigerung der Beklagten, die angeforderten Unterlagen herauszugeben bzw. über deren Inhalt Auskunft zu erteilen, begründete Anlass zur Annahme bestehe, dass im vorliegenden Versicherungsverhältnis Prämienanpassungen durchgeführt worden seien, die der Begründungspflicht nach § 203 Abs. 5 VVG nicht genügen.

Der Kläger beantragt,

1) Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerseite Auskunft über alle Beitragsanpassungen ab dem 01.04.2012 bis zur Rechtshängigkeit zu erteilen, die die Beklagte in dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag mit der Versicherungsnummer 14…1/1 + 14…7/1 vorgenommen hat und hierzu geeignete Unterlagen zur Verfügung zu stellen, in denen mindestens die folgenden Informationen enthalten sind:

- die Höhe der Beitragserhöhungen unter Benennung der jeweiligen Tarife im Versicherungsverhältnis der Klägerseite,

- die der Klägerseite zu diesem Zwecke übermittelten Informationen aus Anschreiben und Nachträgen zum Versicherungsschein sowie

- die der Klägerseite zum Zwecke der Beitragserhöhung übermittelten Informationen aus den Begründungschreiben sowie der Beiblätter.

2) Es wird festgestellt, dass alle Erhöhungen in den Krankenversicherungstarifen der Klägerseite, die die Beklagte gegenüber der Klägerseite im Rahmen des zwischen ihnen bestehenden Krankenversicherungsverhältnisses zur Versicherungsnummer 14…1/1 + 14….7/1 vorgenommen hat, und die nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu Ziffer 1) noch genauer zu bezeichnen sind, unwirksam sind und die Klägerseite nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrags verpflichtet ist, sowie, dass der monatlich fällige Gesamtbetrag für die Zukunft auf einen nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Klageantrag zu 1) noch genau zu beziffernden Betrag zu reduzieren ist.

3) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Klageantrag zu 1) noch zu beziffernden Betrag nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass die Beitragserhöhungen nicht unwirksam seien. Zudem sei die Stufenklage unzulässig. Ein Anspruch auf Übersendung der geforderten Unterlagen und Informationen bestehe nicht. Auch erhebt sie die Einrede der Verjährung. Selbst wenn Ansprüche dem Grunde nach bestünden, seien diese bis einschließlich des Jahres 2016 verjährt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf bei der Akte befindlichen Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unzulässig und unbegründet.

I. Die Stufenklage ist unzulässig. Die Verbindung zwischen Auskunfts- und Leistungsansprüchen in der in § 254 ZPO vorgesehenen Weise entsprechend dem Zweck der Vorschrift ist nur dann zulässig, wenn die begehrte Auskunft dazu dient, den Leistungsanspruch zu beziffern oder in sonstiger Weise zu konkretisieren (BeckOK ZPO/Bacher ZPO § 254 Rn. 4-6, beck-online). Eine Stufenklage ist aber unzulässig, wenn die begehrte Auskunft nicht der Bestimmung des Leistungsanspruchs dient, sondern dem Kläger sonstige Informationen über seine Rechtsverfolgung verschaffen soll (BGH NJW 2002, 2952 (2953)). Der erforderliche Zusammenhang zwischen Auskunfts- und Leistungsbegehren fehlt insbesondere, wenn die Auskunft dem Kläger die Beurteilung ermöglichen soll, ob ihm dem Grunde nach ein Anspruch zusteht, ob also z.B. ein zum Schadensersatz verpflichtendes Verhalten des Beklagten vorliegt und ob dieses für einen dem Kläger entstandenen Schaden kausal ist (BGH NJW 2000, 1645 (1646)). Der Kläger ist auch ohne die Auskünfte in der Lage den Leistungsanspruch zu berechnen. Der Kläger sind die von ihm geleisteten Zahlungen bekannt, aus dieser kann er die jeweiligen Prämienerhöhungen errechnen.

II. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB. Entsprechend bestehen auch kein Auskunfts- und kein Feststellungsanspruch.

1. Bis einschließlich des Jahres 2016 sind die vom Kläger behaupteten Ansprüche verjährt.

Gem. §§ 195, 199 BGB beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Wie die Verjährungsberechnung des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 19. Dezember 2018 – IV ZR 255/17, Rn. 72, zeigt, geht der Bundesgerichtshof in den Fällen von Beitragserhöhungen im Rahmen der privaten Krankenversicherung davon aus, dass die Möglichkeit der Kenntniserlangung von der Unwirksamkeit einer Beitragserhöhung bereits im Jahr der Mitteilung entsteht. Nach der o.g. Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist für den Verjährungsbeginn auch nicht die Kenntnis von der Person des Treuhänders entscheidend. Denn ob der betroffene Treuhänder von der Beklagten unabhängig ist oder nicht, berührt die Wirksamkeit der Prämienanpassung nicht. Dementsprechend kann die Kenntnis über die Person des Treuhänders und dessen (vermeintliche) Abhängigkeit per se kein anspruchsbegründender Umstand i.S.d. § 199 Abs.1 Nr. 2 BGB sein (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2018 – IV ZR 255/17 Rn. 30). Für den Verjährungsbeginn ist es ausreichend, wenn der Gläubiger den Hergang in seinen Grundzügen kennt und weiß, dass der Sachverhalt Anhaltspunkte für die Entstehung eines Anspruchs bietet (z.B. BGH NJW 90, 176, 179 [BGH 29.06.1989 - III ZR 92/87]). Im Fall einer Beitragsanpassung genügt hierfür die erteilte Mitteilung über die Beitragsanpassung. Weitere Detailkenntnisse sind nicht erforderlich (so auch OLG Köln, Urt. v. 7.4.2017 – 20 U 128/16, BeckRS 2017, 148327; LG Stuttgart (RuS 2019, 642), LG Nürnberg-Fürth (VersR 2019, 1411), LG Arnsberg (VersR 2019, 1409).

2. Dem Kläger steht der geltend gemachten Auskunftsanspruch aus keiner Anspruchsgrundlage zu. Der Anspruch ergibt sich weder aus § 666 BGB i.V.m § 675 Abs. 1 BGB und § 242 BGB, sowie aus Art. 15 Abs. 1 und 3 DS-GVO, aus § 3 Abs. 4 VVG und aus § 810 BGB.

a) Ein Auskunftsanspruch aus § 666 i.V.m. § 675 Abs.1 BGB gilt für das Verhältnis zwischen Beauftragtem und Auftraggeber. Der sachliche Anwendungsbereich des § 675 Abs. 1 BGB setzt eine Geschäftsbesorgung voraus, die im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrags entgeltlich erbracht wird. Bei einem Krankenversicherungsvertrag fehlt es an der Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen, so dass die genannte Anspruchsgrundlage keine Anwendung findet.

b) Ein Anspruch aus § 242 BGB ist nicht gegeben. Dem Kläger wurden die jeweiligen Schreiben zur Beitragsanpassung übersandt und sind ihm zugegangen. Dementsprechend fehlt vorliegend ein schutzwürdiges Interesse der Klagepartei an einer Übersendung von Kopien sämtlicher beantragter Dokumente. Bei einer ordnungsgemäßeren Verwaltung wichtiger persönlicher Vertragsunterlagen ist zu erwarten, dass diese noch vorhanden sind.

c) Der Auskunftsanspruch ergibt sich auch nicht aus Art. 15 Abs. 1 und 3 DS-GVO. In Art. 15 DS-GVO ist das Auskunftsrecht der betroffenen Person geregelt. Insbesondere ist in Art. 15 Abs. 1 DS-GVO geregelt, über welche personenbezogenen Daten und welche Informationen ein Recht auf Auskunft besteht. Nach Art. 15 Abs. 3 DS-GVO stellt der Verantwortliche eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung. Dementsprechend besteht lediglich ein Recht zur Auskunft, nicht aber ein Recht auf Vorlage oder Herausgabe von bestimmten Unterlagen, in welchen sich personenbezogene Daten betroffener Personen befinden.

d) Ein Anspruch auf Auskunft folgt auch nicht aus § 3 Abs. 4 VVG. Diese Vorschrift regelt, dass ein Versicherungsnehmer jederzeit Abschriften von Erklärungen verlangen kann, die er mit Bezug auf den Vertrag abgegeben hat.

Dies betrifft zunächst alle Äußerungen des Versicherungsnehmers, die er in Bezug auf den Versicherungsvertrag abgegeben hat, also z.B. Anträge, Auskunftsverlangen, Beratungsbitten, Kündigungen, Stundungsersuchen und das Vorhandensein oder die Einräumung/Änderung von Bezugsberechtigungen (vgl. Langheid/Rixecker, VVG § 3 Rn. 6). Die mit dem Klageantrag zu 1. geforderten Unterlagen gehören gerade nicht hierzu. Im Einzelfall kann ein Versicherungsnehmer darauf angewiesen sein, Einsicht in die Akte zu nehmen, die es dem Versicherungsnehmer ersparen, eigene sachverständige Ermittlungen vorzunehmen. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

e) Auch ein Auskunftsanspruch aus § 810 BGB (analog) besteht nicht. Gemäß § 810 BGB kann derjenige, der ein rechtliches Interesse daran hat, eine in fremdem Besitz befindliche Urkunde einzusehen, von dem Besitzer die Gestattung der Einsicht verlangen, wenn die Urkunde z.B. in seinem Interesse errichtet wurde. Insoweit gibt § 810 BGB lediglich einen Anspruch auf Einsicht in die Originalurkunde, nicht aber einen Anspruch auf Übersendung von Kopien.

3. Soweit eine Rückforderung nicht ohnehin wegen Verjährung ausgeschlossen ist, erfolgten die streitgegenständlichen Beitragszahlungen mit Rechtsgrund.

Mit Urteilen vom 16. Dezember 2020 – IV ZR 294/19 und IV ZR 314/19 – hat der Bundesgerichtshof entschieden, welche Anforderungen an eine Anpassungsmitteilung zu stellen sind. Den Entscheidungen lassen sich folgende Kernpunkte entnehmen:

- Es muss nur angegeben werden, bei welcher Rechnungsgrundlage – Versicherungsleistungen, Sterbewahrscheinlichkeit oder beiden – eine nicht nur vorübergehende und den festgelegten Schwellenwert überschreitende Veränderung eingetreten ist.

- Dagegen muss der Versicherer nicht die genaue Höhe dieser Veränderung mitteilen.

- Er hat auch nicht die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie z.B. des Rechnungszinses anzugeben.

- Die Mitteilungspflicht hat nicht den Zweck, dem Versicherungsnehmer eine Plausibilitätskontrolle der Prämienanpassung zu ermöglichen.

Die Beklagte trägt vor, dass allen strittigen Anpassungen Veränderungen in den Versicherungsleistungen (und nicht der Sterbewahrscheinlichkeiten) als Auslöser zugrunde lagen. Eben hierauf wurde bereits in den jeweiligen Anschreiben und zusätzlich in den beigefügten Informationsblättern hingewiesen. Materielle Einwendungen gegen die Begründung der Beitragserhöhung wurden von der Klägerseite nicht schlüssig dargelegt.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO.