Landgericht Aurich
Urt. v. 28.06.2021, Az.: 5 O 149/21

Bibliographie

Gericht
LG Aurich
Datum
28.06.2021
Aktenzeichen
5 O 149/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 70727
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

1.) Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.027,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.12.2020 zu zahlen.

2.) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.) Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu 84 % und haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu 16 % zu tragen.

4.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beide Parteien können die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Seite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5.) Streitwert: 6.234,80 €

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einem Verkehrsunfall.

Am 12.06.2020 befuhr der Beklagte zu 1) mit seinem bei der Beklagten zu 2) versichertem Fahrzeug, einem Mercedes Vito, mit dem amtlichen Kennzeichen XY-Z 1, die A 28 Richtung O. In der Höhe von F. wollte der Beklagte zu 1) ein vor sich fahrendes Fahrzeug überholen und übersah dabei den Kläger, welcher sich mit seinem Fahrzeug, einem Audi B 8/ RS 5 Coupé, amtliches Kennzeichen AB-C 1, auf der linken Fahrbahn von hinten näherte. Der Beklagte zu 1) zog gleichwohl auf die linke Spur. Der Kläger konnte sein Fahrzeug nicht mehr rechtzeitig bremsen und stieß mit dem Fahrzeug des Beklagten zu 1) zusammen. Der Kläger schleuderte mit seinem Fahrzeug gegen einen durch einen weiteren Unfallbeteiligten gezogenen Wohnwagen, der hierdurch vom Zugfahrzeug abriss. In der Verkehrsunfallanzeige der PI Leer/Emden wird der Kläger als leicht verletzt, der Beklagte zu 1) als schwer verletzt bezeichnet.

Das Fahrzeug des Klägers hatte einen Totalschaden. Der Kläger holte ein Gutachten zum Schaden am PKW ein, welches von der D. A. GmbH unter dem 19.06.2020 erstellt wurde. Aus diesem Gutachten (Anlage K 1, Anlagenband) ergibt sich ein (differenzbesteuerter) Wiederbeschaffungswert von 35.024,39 €, ein Restwert brutto von 5.580,00 € und eine Wiederbeschaffungsdauer von 11 Tagen. Die Reparaturkosten hätten sich danach auf 47.762,76 € belaufen, die Reparaturzeit auf 23 Tage.

Außergerichtlich war die 100 % Haftung der Beklagten unstreitig. Der Kläger, nicht vorsteuerabzugsberechtigt, machte außergerichtlich die folgenden Positionen geltend:

Wiederbeschaffungswert abzüglich 5.580,00 € Restwert

29.444,39 €

Auslagenpauschale

25,00 €

Sachverständigenkosten

1.858,38 €

iPhone 11 Austauschgerät

500,00 €

Stilllegungskosten

7,50 €

Abschleppdienst

245,62 €

Nutzungsausfall 24 Tage je 120,00 €

2.880,00 €

Kreditzinsen

798,00 €

Gesamt

35.927,89 €

Hierauf zahlte die Beklagte zu 2) außergerichtlich 30.024,09 €, so dass noch eine rechnerische Differenz von 5.903,80 € verbleibt. Diese Differenz entfällt auf einen Teil des Wiederbeschaffungswertes (2.925,80 €), einen Teil des Nutzungsausfalls (2.011,00 €) und die Kreditzinsen (798,00 €).

Diese Differenz forderte der Kläger zuletzt mit anwaltlichem Schreiben vom 17.12.2020 unter Fristsetzung zum 31.12.2020 von der Beklagten zu 2), woraufhin diese mit Schreiben vom 18.12.2020 eine weitergehende Regulierung ablehnte.

Hinsichtlich des Nutzungsausfalls setzte die Beklagte zu 2) für einen Zeitraum von 11 Tagen einen Betrag von 79,00 € an. Der Kläger vertritt hierzu die Auffassung, dass ihm zum einen 120,00 €/Tag zustünden, wie es sich auch aus dem Schadensgutachten ergebe. Zudem seien ihm der Nutzungsausfall auch für 24 Tage zu ersetzen, weil ihm eine entsprechende Überlegungszeit zuzubilligen sei. Am 12.06.2020 habe sich der Unfall ereignet, am 16.06.2020 habe er das Schadensgutachten in Auftrag gegeben, welches am 19.06.2020 vorgelegen hat. Ihm stehe dann eine Überlegungszeit von sechs Tagen zu und im Anschluss weitere 11 Tage zur Wiederbeschaffung, die dann auch am 06.07.2020 unter Inanspruchnahme eines Sofortkredites erfolgt sei. Der Wiederbeschaffungsaufwand ist dem Kläger von der Beklagten sodann am 11.08.2020 (teilweise) ersetzt worden.

Hinsichtlich der Differenz des Wiederbeschaffungsaufwandes hat der Kläger vorgetragen, dass die Beklagte zu 2) mit Schreiben vom 15.10.2020 lediglich mitgeteilt habe, dass der Kaufpreis des neuen Fahrzeuges unter dem Wiederbeschaffungswert des verunfallten Fahrzeuges gelegen habe, weswegen die Umsatzsteuer nicht gezahlt werde. Es sei aber unklar geblieben, weshalb die Differenz für den Wiederbeschaffungswert netto von 2.925,80 € nicht ausgeglichen worden sei. Nachfragen hierzu bei der Beklagten seien vergebens gewesen.

Hinsichtlich der Kreditzinsen vertrat die Beklagte zu 2) außergerichtlich die Ansicht, dass eine Regulierung deswegen nicht in Betracht komme, weil das beschädigte Fahrzeug ebenso wie das Ersatzfahrzeug nur durch Finanzierung hätte erworben werden könne. Dies sei aus seiner Sicht unverständlich, so der Kläger, weil es darauf nicht ankomme. Er habe nicht über ausreichende Mittel verfügt, um ein Fahrzeug ohne Kredit zu finanzieren, mit der Folge, dass die hierfür berechneten Zinsen ersatzfähig seien. Die finanzierende Bank habe mit Schreiben vom 27.07.2020 mitgeteilt, dass der Restwert zur Ablösung der Finanzierung eingetroffen sei und der Kreditvertrag einvernehmlich zum 15.08.2020 beendet werden. Der erhaltene Betrag reiche aber nicht zur sofortigen Ablösung des Darlehens aus, weswegen er zur Zahlung von 8.583,48 € aufgefordert wurde.

Darüber hinaus macht der Kläger nunmehr auch ein Schmerzensgeld in Höhe von 500,00 € geltend. Er behauptet, dass er unfallbedingt ein HWS-Syndrom und multiple Prellungen erlitten habe. Zudem seien ihm seine (weiteren) außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten, berechnet mit einer 1,8 Gebühr, zu ersetzen.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagten zu verurteilen, gesamtschuldnerisch an ihn 5.734,80 € nebst Zinsen in Höhe vom 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 18.12.2020 zu zahlen,

2. die Beklagten zu verurteilen, gesamtschuldnerisch an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 500,00 €, nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. die Beklagten zu verurteilen, gesamtschuldnerisch an seine Rechtsschutzversicherung die vorgerichtliche Geschäftsgebühr i.H.v. 978,71 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie sind der Ansicht, dass sich der Kläger wegen des Überschreitens der Richtgeschwindigkeit von etwa 40 km/h (170 km/h statt 130 km/h) jedenfalls seine Betriebsgefahr in Höhe von 25 % anrechnen lassen müsse. Hierzu hat der Kläger repliziert, dass sich der Unfall am 12.06.2020 um 14:41 Uhr bei trockener Fahrbahn und Tageslicht ereignet habe. Hinweise auf irgendwelche Gefährdungen ließen sich nicht finden. Der Beklagte zu 1) habe auch nicht behauptet, die Geschwindigkeit des Klägers falsch eingeschätzt zu haben, sondern dieser habe ihn schlicht übersehen. Hierauf habe seine eigene Geschwindigkeit keinen Einfluss.

Hinsichtlich der Nutzungsausfallentschädigung sei zu berücksichtigen, so die Beklagten, dass sich aus dem Gutachten ein glasklarer wirtschaftlicher Totalschaden ergebe. In einer derartigen Konstellation bestehe keine gesonderte Überlegungsfrist für den Geschädigten. Entsprechend seien die 11 Tage für die Wiederbeschaffung zugrunde gelegt worden, was bei einer fiktiven Abrechnung auch gerechtfertigt sei, andernfalls käme es zu einer unzulässigen Vermischung von fiktiver und konkreter Abrechnung. Der Höhe nach sei ihre Eingruppierung in die Schwacke Liste gerechtfertigt, wenn man berücksichtige, dass das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt bereits acht Jahre alt gewesen sei, 75.000 km Laufleistung aufgewiesen habe und zumindest einen weiteren Halter gehabt habe.

Finanzierungszinsen schulde sie deshalb nicht, weil dem Kläger nach der Differenzhypothese bereits kein Schaden entstanden sei. Er habe zuvor ein finanziertes Fahrzeug gehabt und habe dies nach dem Unfall erneut. Der Kläger dürfe sich durch das Unfallereignis nicht bereichern.

Hinsichtlich der Abrechnung des unmittelbaren Fahrzeugschadens habe sie, die Beklagte zu 2), dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 29.06.2020 ein annahmefähiges erhöhtes Restwertanagebot in Höhe von 8.450,00 € unterbreitet, bei dem der Ankäufer das Fahrzeug auf eigene Kosten gegen Barzahlung bei dem Kläger abgeholt hätte. Dass der Kläger das Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt bereits veräußert hatte, werde ausdrücklich bestritten.

Erstmalig behaupte der Kläger schließlich mit der Klage, durch den Unfall verletzt worden zu sein. Die unfallbedingten Verletzungsfolgen werden mit Nichtwissen bestritten. Hierzu hat der Kläger repliziert, dass er sich am Unfalltag in die Notfallaufnahme des Klinikums L. begeben habe. Auf den Bericht vom selben Tag (Anlage K10, Bl. 45 d.A.) wird Bezug genommen. Auch wenn die Diagnose „Autounfall“ unzureichend sei, habe er sich nicht zum Spaß in die Notfallaufnahme begeben. Es müsse daher von einem HWS-Schleudertrauma ausgegangen werden. Eine Arbeitsunfähigkeit sei nicht attestiert worden. Er habe aber auch wegen seines Umzuges zu diesem Zeitpunkt keine Zeit gefunden, einen neuen Hausarzt zu suchen.

Rechtsanwaltskosten seien schließlich außergerichtlich bereits in Höhe von 1.437,70 € nach einem Wert von 36.427,89 € reguliert, wobei eine 1,3 Gebühr angesetzt worden sei; eine 1,8 Gebühr für einen Verkehrsunfall sei schließlich übersetzt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner aus dem Verkehrsunfall vom 12.06.2020 einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 1.027,00 € aus §§ 7, 17 StVG, § 115 Abs. 1 Satz 4 VVG, §§ 823, 249 BGB.

I. Haftungsquote

Die Beklagten haften für den Verkehrsunfall zu 100 %. Der Kläger muss sich keine Betriebsgefahr in Höhe von 25 % wegen des Überschreitens der Richtgeschwindigkeit anrechnen lassen.

Die Parteien haften aus dem Verkehrsunfall, der sich beim jeweiligen Betrieb der Fahrzeuge der Parteien ereignet hat, grundsätzlich beide. Im Rahmen einer Haftungsabwägung sind die jeweiligen Verursachungsbeiträge zu berücksichtigen. Dabei trägt jeweils die eine Partei die Beweislast für den Verkehrsverstoß der jeweils anderen Partei. Bei besonders groben Verkehrsverstößen kommt grundsätzlich auch eine alleinige Haftung einer der beiden Parteien in Betracht.

Unstreitig hat der Beklagte zu 1), als er zum Überholen auf die linke Spur wechselte, den Kläger übersehen. Unstreitig ist ebenfalls, dass der Kläger mit einer Geschwindigkeit fuhr, die über der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h lag. Der von den Beklagten behaupteten Geschwindigkeit von 170 km/h ist der Kläger nicht entgegengetreten. Allein diese über der Richtgeschwindigkeit liegende gefahrene Geschwindigkeit des Klägers rechtfertigt aber die Mithaftung des Klägers, jedenfalls durch die Betriebsgefahr, nicht.

Hierzu führt etwa das OLG Hamm in seiner Entscheidung vom 21.12.2017, 7 U 39/17, juris, Randziffer 13 aus,

„Ob - wie die Beklagten meinen - wegen der von dem Drittwiderbeklagten zu 2. selbst eingeräumten Überschreitung der Autobahnrichtgeschwindigkeit gestützt auf die Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, Urteil vom 17.03.1992, Az. VI ZR 62/91, MDR 1992, 647) die Annahme einer Unabwendbarkeit gemäß § 17 Abs. 3 StVG ausscheidet, da nicht feststeht, dass es auch bei einer Geschwindigkeit von 130 km/h zu dem Unfall mit vergleichbar schweren Folgen gekommen wäre, erscheint bereits fraglich; denn der BGH hat seine Ansicht, wonach nur derjenige, der die Richtgeschwindigkeit einhält, "Idealfahrer" ist, damit begründet, dass die Überschreitung der Richtgeschwindigkeit erfahrungsgemäß und damit in haftungsrelevanter Weise die Gefahr erhöhe, dass sich ein anderer Verkehrsteilnehmer auf diese Fahrweise nicht einstellt, insbesondere die Geschwindigkeit unterschätzt. Eben dieser Gefahr trage der Idealfahrer durch Einhaltung der Richtgeschwindigkeit Rechnung. Da sich in aller Regel bei Überschreitung der Richtgeschwindigkeit die Gefahr des Unterschätzens der Geschwindigkeit durch den Spurwechsler realisiere, obliege es dem Auffahrenden nachzuweisen, dass es auch bei Einhaltung der Richtgeschwindigkeit zu dem Unfall mit vergleichbar schweren Folgen gekommen wäre.“

Vorliegend haben die Beklagten nicht einmal behauptet, und insofern auch nicht unter Beweis gestellt, dass der Beklagte zu 1) die Geschwindigkeit des Klägers falsch eingeschätzt habe, als er zum Überholen angesetzt hat und daher auch die Geschwindigkeit des Klägers zum Unfall beigetragen haben könnte. Auch haben sich aufgrund der Umstände (Tageslicht, Sommer, trockene Straßenverhältnisse) keine Umstände ergeben, die gegen eine Überschreitung der Richtgeschwindigkeit gesprochen hätten, ergeben, zumal diese der Höhe nach zwar durchaus nicht unerheblich, gleichwohl aber nicht völlig unerwartbar gewesen ist. Insofern rechtfertigt schon der Vortrag der Beklagten eine Haftung des Klägers nicht. Davon sind die Beklagten offensichtlich außergerichtlich auch selbst ausgegangen und haben geltend gemachte Schäden mit einer Quote von 100 % reguliert.

II. Schadenshöhe

1. Wiederbeschaffungsaufwand

Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf (weiteren) Ersatz des Wiederbeschaffungsaufwandes in Höhe von 2.925,80 €.

Der Kläger hat seinen Wiederbeschaffungsaufwand nach dem außergerichtlichen Gutachten berechnet und in entsprechender Höhe, 29.444,39 €, geltend gemacht. Laut Gutachten vom 19.06.2020 lag der Wiederbeschaffungswert bei 35.024,39 € (differenzbesteuert) und der Restwert bei 5.580,00 €. Hierauf hat die Beklagte außergerichtlich 26.518,59 € gezahlt, so dass eine Differenz von 2.925,80 € verbleibt.

Sofern der Kläger im Zusammenhang mit der nicht vollständigen Erstattung des Wiederbeschaffungsaufwandes durch die Beklagte zu 2) auf ein unverständliches Schreiben der Beklagten zu 2) vom 15.10.2020 verweist, ist schon der Zusammenhang zur geltend gemachten Position für das Gericht nicht gänzlich nachvollziehbar, da dort die Ersatzfähigkeit der Umsatzsteuer gemäß der Kaufrechnung für das neu erworbene Fahrzeug abgelehnt wird und diese Rechnung dem Gericht bereits nicht vorliegt.

Wie sich aber aus dem von der Beklagten zu 2) zu den Akten gereichten Schreiben an den Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 29.06.2020 ergibt, welches dieser nicht eingereicht oder erwähnt hat, hat diese den Kläger, der sich die Kenntnis seines Prozessbevollmächtigten gemäß § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen muss, auf ein höheres Restwertangebot, nämlich einen Betrag in Höhe von 8.540,00 €, verwiesen. Dieses wäre, das ist vom Kläger auch nicht in Abrede gestellt worden, ohne weiteren Aufwand durch einen Telefonanruf beim Ankäufer anzunehmen gewesen, der das Fahrzeug dann bei ihm abgeholt hätte. Insofern hat dieses Angebot auch den durch die Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an ein wirksames Restwertangebot entsprochen, vgl. hierzu etwa OLG München, Urteil vom 21.10.2011, 10 U 2304/11, BeckRS 2011, 24850.

Der Kläger hat auch nicht vorgetragen, dass er das Fahrzeug zu dem Zeitpunkt, als ihn das Schreiben der Beklagten zu 2) erreichte, bereits veräußert hatte, nachdem dies von den Beklagten in der Klagerwiderung ausdrücklich bestritten wurde. Dann müsste er sich auch nicht den höheren Restwert verweisen lassen, wenn er im Vertrauen auf das Schadensgutachten den dort errechneten Restwert bereits erzielt hatte.

Insofern legt das Gericht zugrunde, dass eine Veräußerung des verunfallten Fahrzeuges zum Zeitpunkt des unterbreiteten höheren Restwertangebotes noch nicht erfolgt war, was auch dazu passt, dass es (erst) im Schreiben der finanzierenden Bank des Klägers, der BDK, vom 27.07.2020 heißt, dass diese den Restwert erhalten habe und nunmehr dem Ankäufer die Zulassungsbescheinigung Teil II übersende.

Insofern war der Wiederbeschaffungsaufwand um den höheren Restwertbetrag zu kürzen, so dass dem Kläger hier kein weiterer Anspruch zusteht.

2. Nutzungsausfall

Eine Nutzungsentschädigung kann der Kläger vorliegend für einen Zeitraum von 24 Tagen zu je 79,00 € von den Beklagten ersetzt verlangen, mithin 1.896,00 €. Hierauf hat die Beklagte zu 2) bereits einen Betrag in Höhe von 869,00 € reguliert, so dass noch ein Zahlungsanspruch von 1.027,00 € verbleibt.

Der Kläger hat hier die fiktive Abrechnung gewählt. Dann besteht der Anspruch wegen des Nutzungsausfalls nur für die objektiv erforderliche Wiederherstellungsdauer. Auf diese Dauer muss der Geschädigte die Ausfallzeit beschränken, allerdings muss ihm auch – nach dem Schadensermittlungszeitraum - ausreichend Zeit zur Disposition eingeräumt werden, gleichwohl ist die Ersatzbeschaffung zügig durchzuführen (Jahnke in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 26. Auflage 2020, Randziffern 195 a ff, m.w.N.).

Der Verkehrsunfall hat sich an einem Freitag, dem 12.06.2020, ereignet. Der Kläger hat das Gutachten am darauffolgenden Dienstag, den 16.06.2020 in Auftrag gegeben, das Ergebnis lag ihm am 19.06.2020 vor. Er macht dann weitere 6 Tage Überlegungszeit sowie dann weitere 11 Tage für die Ersatzbeschaffung einschließlich der Finanzierung geltend. Gemäß § 287 ZPO erachtet das Gericht die Gesamtdauer von 24 Tagen angesichts des konkreten Ablaufs und mit Hinblick darauf, dass sich aus dem Gutachten eine Reparaturdauer von 23 Tagen ergibt, zwar nicht für effektiv kurz, aber gleichwohl nicht so lang, dass aufgrund eines Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht es schon einer Kürzung des Anspruches bedurfte.

Hinsichtlich der Höhe des Tagessatzes hat der Kläger unbestritten vorgetragen, dass sich aus dem Gutachten eine Eingruppierung des Fahrzeuges ergeben hat, nach der 120,00 € pro Tag zu zahlen sind, die Beklagte zu 2) hat hingegen eine Eingruppierung eine Gruppe „darunter“ vorgenommen und dies mit dem Alter des Fahrzeuges, Erstzulassung 25.05.2012, mithin acht Jahre, einer Laufleistung von 75.000 km und mindestens einem Vorbesitzer in die Schwacke Liste eingeordnet.

Eine entsprechende Herabsetzung der Höhe der Nutzungsentschädigung wegen des Alters des Fahrzeugs von rund acht Jahren erachtet das Gericht im Rahmen seiner Schätzungsbefugnis gemäß § 287 ZPO aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls und vor dem Hintergrund der insoweit gängigen Rechtsprechung, vgl. etwa die Darstellung bei Geigel, Haftpflichtprozess/Katzenstein, 28. Aufl. 2020, Kap. 3 Randnummer 208 und etwa des Urteils des OLG Koblenz vom 17.03.2015, 3 U 655/14, NJW-RR 2015, 971, Randziffer 26, m.w.N., für angemessen.

Der Zinsanspruch folgt aus Verzug, §§ 286, 288 BGB.

3. Kreditzinsen

Der Kläger kann hier die – der Höhe nach unstreitigen – Kreditzinsen von 798,00 € nicht von den Beklagten ersetzt verlangen, weil er seiner Schadensminderungspflicht gem. § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht nachgekommen ist, die Beklagte zu 2) vorab von der Erforderlichkeit der Finanzierung in Kenntnis zu setzen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zählen zum Herstellungsaufwand im Sinne von § 249 Satz 2 BGB zwar grundsätzlich auch die Kosten für die Inanspruchnahme eines Kredits zur Finanzierung der Instandsetzung des Unfallfahrzeugs und zur Anmietung eines Ersatzwagens für die Dauer seines Ausfalls, soweit dem Geschädigten die Herstellung nur durch Aufnahme von Fremdmitteln möglich oder zuzumuten ist (so BGH, Urteil vom 06.11.1973, VI ZR 27/73, NJW 1974, 34 (35)).

Gleichwohl muss der Schädiger in aller Regel nicht schon von vornherein damit rechnen, dass der Geschädigte zu einer zügigen Schadensregulierung nicht imstande ist und zu deren Durchführung einen Kredit aufnehmen müsste (OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.4.2019 – 1 U 139/18NJOZ 2020, 812 (814), m.w.N.).

Es ist nicht dargetan, dass der Kläger die Beklagte zu 2) gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB vorher darauf hingewiesen hat, dass er zur Ersatzbeschaffung finanziell nicht durch Eigenmittel in der Lage ist und daher auf eine Finanzierung angewiesen sein wird.

Insofern scheidet eine Ersatzfähigkeit der Finanzierungskosten bereits aus diesem Grunde aus, so dass es auf die Frage, inwiefern bei Beendigung des zunächst laufenden Kreditvertrages zur Finanzierung des dann verunfallten Fahrzeuges und dem „Freiwerden“ von der dortigen Zinslast, die Zinsen des „neuen“ Kreditvertrages einen ersatzfähigen Schaden darstellen, bereits nicht mehr an.

II. Der Kläger hat schließlich keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 500 €. Der Kläger hat bereits nicht substantiiert dargetan, dass es zu unfallbedingten Verletzungen seinerseits gekommen ist. Nach den zu den Akten gereichten Behandlungsbericht des Klinikum L. vom 12.06.2020 hat sich der Kläger dort nach dem Verkehrsunfall vorgestellt. Als Diagnose ist dort „Autounfall“ vermerkt. Hinsichtlich der Befunde heißt es unter anderem „keine Schmerzen, keine Wunden, neurologisch unauffällig, Pupillen isokor. Patient fühlt sich gut.“ Die Empfehlung lautet „Körperliche Schonung und Wiedervorstellung bei Besonderheiten“. Sofern der Kläger vorträgt, dass er danach wegen seines Umzuges keinen weiteren Hausarzt aufgesucht hat, weil er einen solchen noch nicht gehabt hat, erscheint dies zwar möglich, spricht aber auch dafür, dass die Schmerzen nicht so erheblich gewesen sein können, dass etwa eine Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit benötigt wurde, deren Ausstellung zunächst behauptet worden war. Beweis für das Vorliegen von unfallursächlichen Verletzungen hat der Kläger nicht angeboten, so dass er diesbezüglich beweisfällig geblieben ist. Mangels Anknüpfungstatsachen wäre etwa ein Sachverständigengutachten hierzu aber auch nicht einzuholen gewesen, weil dies auf reine Ausforschung hinausgelaufen wäre. Selbst wenn man von einem leichten HWS-Syndrom ausgehen würde, würde dieses aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls die Grenze zur Bagatellverletzung, die keinen Schmerzensgeldanspruch begründet, nicht überschreiten.

III. Rechtsanwaltskosten

Der Kläger hat vorliegend schließlich auch keinen weiteren Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Grundsätzlich hat der Kläger gegen die Beklagten auch einen Anspruch auf Ersatz seiner außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Diese sind unstreitig aber bereits unter Zugrundelegung einer 1,3 Gebühr reguliert. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers eine 1,8 Gebühr geltend macht, handelt es sich vorliegend um die Regulierung eines Verkehrsunfalls, der der Sache nach weder einen besonders hohen Streitwert oder Umfang, noch besondere Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art aufweist, weswegen eine Erhöhung der Regelgebühr nicht gerechtfertigt erscheint.

Ein Gutachten der Rechtsanwaltskammer gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 RVG war nicht einzuholen, weil es sich um einen sachlich-rechtlichen Schadensersatzanspruch handelt, vgl. v. Seltmann, BeckOK RVG, 52. Edition, Stand 01.03.2021, Randziffer 57, m.w.N..

IV. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.