Landgericht Aurich
Urt. v. 16.06.2021, Az.: 6 O 1130/19

unlauterer Wettbewerb

Bibliographie

Gericht
LG Aurich
Datum
16.06.2021
Aktenzeichen
6 O 1130/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 70729
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Produkt „S.-Snack“ Ergänzungsfuttermittel für Hunde zu werben mit den Angaben:

1. „Zecken-Prophylaxe“,

2. „… Zutaten, die Zecken und andere Plagegeister fernhalten“,

3. „erzeugt (…) einen (…) Körpergeruch, welcher Zecken abschreckt“,

4. „Steigerung der körpereigenen Abwehrkräfte“,

5. „Zeckenschutz“,

6. „Zecken & Floh Schutzschild“,

sofern dies geschieht wie in der Anlage K3 zu diesem Urteil wiedergeben.

Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung Ordnungsgeld bis zu 250.000,-- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an die jeweiligen Geschäftsführer, angedroht.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 178,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 09.11.2019 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung des Klägers in Höhe von 20.000,-- € vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: bis zu 30.000,-- €

Tatbestand:

Der im Wettbewerbsschutz tätige Kläger beanstandet die in der Anlage K3 zur Klageschrift und zum Urteil wiedergegebene Werbung der Beklagten für das Produkt „S.-Snack“. Der Kläger behauptet, entgegen den Werbeaussagen habe dieses Ergänzungsfuttermittel nicht die angepriesene Wirkung, nämlich Zecken und andere Insekten oder von Hunden, die mit dem Mittel gefüttert werden, fernzuhalten.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagte aus dem Gesichtspunkt der irreführenden Werbung und insbesondere unter gleichzeitigem Verstoß gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) nebst einschlägiger EU-Normen zur Unterlassung verpflichtet sei.

Der Kläger beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, es gebe ausreichende einschlägige Erfahrungen, insbesondere positive Berichte aus Nutzerkreisen, dass wegen der Zugabe von Schwarzkümmelöl in das beanstandete Ergänzungsfuttermittel eine Abschreckungswirkung insbesondere auf Zecken auftrete. Der Körpergeruch der so gefütterten Hunde werde nämlich entsprechend verändert. Schwarzkümmelöl habe nachgewiesenermaßen eine repellierende Wirkung auf Zecken.

Wegen aller übrigen Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. V. und dessen mündliche Erläuterung, worauf verwiesen wird.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Unterlassung der beanstandeten Werbung aus §§ 3a, 5 Abs.1 Nr. 1 und § 8 UWG i.V.m. § 19 LFGB wegen irreführender Werbung.

Die Bewerbung des Produkts „S.-Snack“ ist irreführend, weil es für die behauptete repellierende Wirkung insbesondere gegen Zecken bei Einsatz des beworbenen Mittels keine auch nur ansatzweise bestätigenden wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt. Dies folgt zur Überzeugung des Gerichts aus den Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. V. von der Tierärztlichen Hochschule Hannover, der entsprechend dem Beweisauftrag des Gerichts die fachwissenschaftlich verfügbare internationale Literatur auf einschlägige Veröffentlichungen überprüft hat.

Feststellen lässt sich allein, dass Schwarzkümmelöl als solches, isoliert mit Zecken in Berührung gebracht, eine abschreckende Wirkung ausübt. Entsprechende Hinweise haben jedenfalls einschlägige Versuche ergeben. Davon zu unterscheiden ist aber die Frage, ob die Verfütterung eines Mittels, welches seinerseits Schwarzkümmelöl enthält, bei den damit gefütterten Tieren ebenfalls eine Abschreckungswirkung erzeugt. Dies könnte nach dem von der Beklagten behaupteten Wirkungszusammenhang durch eine einschlägige Veränderung des Körpergeruchs erfolgen. Vereinfacht gesagt, könnten Zecken vom Befall eines Hundes abgehalten werden, wenn der Hund nach Schwarzkümmelöl riecht.

Dies setzt aber, wie der Gutachter nachvollziehbar dargelegt hat, voraus, dass in mehreren Schritten die Duftstoffe des Schwarzkümmelöls trotz Verarbeitung bei Herstellung des Ergänzungsfuttermittels und Passage durch den Verdauungstrakt des Hundes noch bis in dessen Haut und Fell transportiert werden. Es gibt bisher weder für eine solche, den Körpergeruch des Hundes verändernde Wirkung des beworbenen Mittels oder vergleichbarer Produkte irgendwelche Erkenntnisse in der Wissenschaft, noch für eine daraus folgende abschreckende Wirkung in Bezug auf Zecken. Letzteres ist deshalb von Relevanz, weil es einen Unterschied macht, ob Zecken unmittelbar mit reinem Schwarzkümmelöl und dessen Duftstoffen in Kontakt gebracht werden, oder ob die Duftstoffe des Schwarzkümmelöls sich mit den sonstigen Geruchsmerkmalen z. B. eines Hundes vermischen.

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf stützen, dass ihre Kunden aus eigener Erfahrung eine positive Wirkung im Sinne der Werbung bestätigen. Laienhafte Beobachtungen, deren Ergebnisse durch Zufälligkeiten oder auch Einbildungen verfälscht werden können, ersetzen keine kontrollierten wissenschaftlichen Prüfungen in Versuchsreihen. Wenn allerdings, wie im vorliegenden Fall, überhaupt keine Anhaltspunkte für eine entsprechende Wirksamkeit des Futtermittels in wissenschaftlicher Überprüfung gefunden worden sind, dann stellt die Behauptung einer solchen Wirkung eine leichtfertige Irreführung dar, die wettbewerbsrechtlich unzulässig ist.

Im Hinblick auf die erfolgte Abmahnung hat der Kläger einen Kostenerstattungsanspruch gemäß § 13 UWG. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO, wobei die angeordnete Sicherheitsleistung neben dem Kostenerstattungsanspruch des Klägers auch das mutmaßliche Interesse der Beklagten an der zeitweiligen Fortführung der Werbung bis zur Rechtskraft der Entscheidung berücksichtigt.

Der Streitwert entspricht den regelmäßig bei Klagen von Wettbewerbsverbänden gerichtlich angesetzten Orientierungswerten.