Landgericht Aurich
Urt. v. 13.09.2021, Az.: 3 O 35/20

Wertersatz hinsichtlich des Veräußerungserlöses eines im Rahmen einer Grundschuld ursprünglich übertragenen und später weiterveräußerten Grundstücks

Bibliographie

Gericht
LG Aurich
Datum
13.09.2021
Aktenzeichen
3 O 35/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 73241
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGAURIC:2021:0628.3O35.20.00

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG Oldenburg - AZ: 2 U 233/21
BGH Karlsruhe - AZ: XII ZR 41/22

In dem Rechtsstreit
des Herrn M. F., W. , E.
Kläger
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanw. R., N.
gegen
Frau S.-F. S., E., L.
Beklagte
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanw. M., O.
wegen Wertersatz
hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Aurich auf die mündliche Verhandlung vom 28.06.2021 durch den Richter S. als Einzelrichter
für Recht erkannt:

Tenor:

1.) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 148.634,74 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 19.12.2019 zu zahlen.

2.) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.743,34 € zu zahlen.

3.) Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

4.) Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

5.) Der Streitwert wird auf 148.634,74 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten Wertersatz hinsichtlich des Veräußerungserlöses eines ihr ursprünglich übertragenen und später von ihr weiterveräußerten Grundstücks.

Die Parteien waren seit dem 28.12.2013 verheiratet. Im Jahr 2014 nahmen die Parteien anlässlich einer Umschuldung ein Darlehen bei der Grafschafter Voksbank eG, N., in Höhe von 380.000,00 € auf und ließen ein Gemeinschaftskonto bei dieser einrichten, auf das die Beklagte in der Folgezeit ihr Gehalt aus einer Anstellung bei einem Modehaus einzahlte.

Mit notariellem Vertrag vom 14.10.2014 (Bl. 7 ff. d.A.) übertrug der Kläger das damals mit vier Grundschulden in Höhe von insgesamt 350.000,00 € belastete Wohngrundstück unter der postalischen Anschrift "B., N." an die Beklagte. Zugleich räumte die Beklagte dem Kläger ein lebenslängliches, dingliches Wohnrecht ein (§ 6 Abs. 3 und 4). Den damaligen Wert des Grundstückes bezifferten die Parteien mit 390.000,00 € (§ 7 Abs. 1).

In § 4 behielt sich der Kläger einen Widerrufsvorbehalt mit dem folgenden Inhalt vor:

"Der Erschienene zu 1) behält sich den Widerruf der Übertragung vor, falls [...]

b) über das Vermögen der Erschienenen zu 2) das Insolvenzverfahren eröffnet oder die Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz betrieben wird (insoweit wird der Widerruf bereits heute aufschiebend bedingt erklärt) [...]

Im Falle des Widerrufs ist der Erschienene zu 1) berechtigt, von der Erschienenen zu 2) die Übereignung des übertragenen Grundbesitzes zu verlangen, jedoch mit der Maßgabe, dass die im Grundbesitz eingetragenen Belastungen, soweit sie von ihm selbst oder von beiden Vertragsparteien gemeinsam veranlasst wurden, übernommen werden, soweit sie den übertragenen Grundbesitz betreffen. [...]

Zur Absicherung des Rückübertragungsanspruches bewilligen und beantragen die Parteien zugunsten des Erschienen zu 1) an dem übertragenen Grundbesitz eine Auflassungsvormerkung einzutragen."

Das Grundbuchamt trug in Abteilung II die Vormerkung zur Sicherung des Rückübertragungsanspruches (lfd. Nr. 3) und das Wohnrecht (lfd. Nr. 4) ein.

Die Grundpfandrechte wurden in der Folge an die Grafschafter Volksbank übertragen sowie eine weitere Grundschuld zu ihren Gunsten über 60.000,00 € bestellt.

Mit an die Parteien adressiertem Schreiben vom 31.07.2018 (Anlage B2, Bl. 157 Bd. I d.A.) erklärte die Grafschafter Volksbank eG aufgrund von Kontopfändungen und ausstehender Zahlungen die Kündigung der Geschäftsverbindung und machte Kontokorrentforderungen von 4.595,81 € und Darlehensforderungen von 363.856,36 € geltend.

Mit weiterem Schreiben vom 29.08.2018 (Anlage B3, Bl. 159 Bd. I d.A.) wies die Bank darauf hin, dass sie die Zwangsversteigerung des streitgegenständlichen Grundstücks vorbereitet wird. Ab dem 05.09.2018 betrieb die Grafschafter Volksbank eG als Grundpfandgläubigerin beim Amtsgericht N. die Zwangsversteigerung gegen die Beklagte und ließ einen Zwangsversteigerungsvermerk in das Grundbuch eintragen.

Am 11.09.2018 nahmen die Parteien ein Beratungsgespräch bei ihrem damaligen Rechtsanwalt, dem Zeugen S., in B. wahr, um die Situation erörtern. Die Parteien entschlossen sich, das Grundstück zu veräußern. Der Zeuge S. wandte sich daraufhin im Namen der Beklagten an die Grafschafter Volksbank eG und erwirkte eine Einigung mit dieser, die vorsah, dass die Beklagte den Veräußerungserlös zur vollständigen Tilgung der Verbindlichkeiten einsetzt.

Mit Beschluss vom 24.10.2018 stellte das Vollstreckungsgericht die Zwangsversteigerung gem. § 30a ZVG einstweilig ein.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 22.03.2019 (Anlage B1, Bl. 130-141 d.A.) veräußerte die Beklagte im Einverständnis des am Vertragsschluss beteiligten Kläger das Grundstück zum Kaufpreis i.H.v. 530.000,00 €. Ziff. VI.3 des Kaufvertrags lautet:

"Der Erschienene zu 3. bewilligt die Löschung der Rechte Abt. II lfd. Nrn. 3 und 4. [...]"

Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.11.2019 forderte der Kläger die Beklagte auf, den Restbetrag bis zum 01.12.2019 auf ein Konto des Klägers zu überweisen.

Am 19.12.2019 erhielt die Beklagte den Restkaufpreis von 148.634,74 € ausgezahlt. Der Restkaufpreis entspricht dem damaligen Wert des Grundstücks abzüglich der bestehenden Belastungen.

Der Kläger meint, ihm stehe der Veräußerungserlös abzüglich der Verbindlichkeiten zu; er habe Anspruch auf Wertersatz aus § 531 Abs. 2 BGB. Hilfsweise folge der Anspruch aus § 528 BGB, weil er verarmt sei, und behauptet, er erhalte ab Mai 2020 Grundsicherung. Ein angemessener, von der Beklagten zu leistender Unterhalb betrage 1.027,64 € pro Monat (vgl. Schriftsatz vom 13.12.2020, Bl. 62-63 Bd. II d.A.).

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 148.634,74 Euro zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 19.12.2019 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 2.743,34 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, der Grundstücksübertragungsvertrag sei als gemischte Schenkung einzuordnen. Der Kläger habe die im Vertrag verankerte Bedingung wider Treu und Glauben herbeigeführt (§ 162 Abs. 2 BGB). Sie behauptet, der Kläger habe zugesagt, die Kapitaldienste für die Immobilie im Rahmen der Kontoverwaltung aufzubringen. Die Schreiben der Bank habe er ihr vorenthalten. Sie vertritt die Auffassung, der Beklagte habe unter anderem durch vorbehaltlose Zustimmung zur Veräußerung des Grundstücks und Bewilligung der zu seinen Gunsten eingetragenen Rechte auf den Rückübertragungsanspruch verzichtet. Sie behauptet, anlässlich des Beratungsgesprächs mit dem Zeugen Sommer habe der Beklagte die Rückübertragung des Grundstücks ausdrücklich abgelehnt.

Hinsichtlich des Hilfsanspruches behauptet die Beklagte, der Kläger wäre in der Lage, einer ordnungsgemäßen beruflichen Tätigkeit nachzugehen bzw. habe steuerneutrale Einnahmen aus Schwarzarbeit.

Das Gericht hat die Parteien informatorisch angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen S., B., B. und N.. Wegen des Ergebnisses der Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der öffentlichen Sitzungen vom 31.08.2020, Bl. 210 ff./Bd. I d.A., vom 14.12.2020, Bl. 80 ff./Bd. II d.A. und vom 28.06.2021, Bl. 116 ff./Bd. III d.A., verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 148.634,74 € aus § 4 lit. b) des notariellen Grundstückskaufvertrages vom 14.10.2014 i.V.m. § 531 Abs. 2 und § 818 Abs. 2 BGB.

Der Kläger hat den Grundstücksübertragungsvertrag vom 14.10.2014 wirksam widerrufen. Die Parteien haben in § 4 lit. b) des vorgenannten Vertrages vereinbart, dass der Kläger sich den Widerruf der Übertragung vorbehält, falls die Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz betrieben wird. Der Widerruf wurde diesbezüglich bereits mit Abschluss des Grundstücksübertragungsvertrages aufschiebend bedingt erklärt. Die Zwangsvollstreckung wurde in Form des Antrags auf Zwangsversteigerung am 05.09.2018 durch die Grafschafter Volksbank in das Grundstück betrieben, das der Kläger in dem Vertrag vom 14.10.2014 an die Beklagte übertragen hatte.

§ 162 Abs. 2 BGB ist nicht anzuwenden. Denn entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Kläger die Zwangsversteigerung in das Grundstück nicht wider Treu und Glauben herbeigeführt hat.

Damit der Anwendungsbereich des § 162 Abs. 2 BGB eröffnet ist, muss die Einflussnahme auf den Eintritt der Bedingung gegen Treu und Glauben verstoßen. Hierzu ist nicht die Verletzung einer einklagbaren Vertragspflicht erforderlich (BGH LM Nr. 3). Es genügt, wenn das Gesamtverhalten bei Würdigung von Anlass, Zweck und Beweggrund unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles als treuwidrig erscheint (BGH NJW 2005, 3417 [BGH 16.09.2005 - V ZR 244/04]). Subjektive Momente können in die Bewertung einfließen, auch wenn § 162 BGB absichtliches Verhalten nicht voraussetzt (RGZ 122, 247 (251); BGH NJW-RR 1989, 802 (803) [BGH 13.02.1989 - II ZR 110/88]; BVerwG NVwZ 1991, 74 [BVerwG 29.06.1990 - BVerwG 8 C 22/89] (75)). Die Beweislast trägt derjenige, der sich auf eine unredliche Beeinflussung durch den anderen Teil beruft. Er muss in diesem Fall das treuwidrige Verhalten (LG Aachen NJW-RR 1986, 411 [LG Aachen 30.10.1985 - 4 O 237/85] (412)) sowie den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkung und Ausfall bzw. Eintritt der Bedingung beweisen (BGH LM Nr. 2; JZ 1958, 211; RGZ 66, 222 (224)).

Das Gericht ist der Auffassung, dass bei der Bewertung der treuwidrigen Herbeiführung des Bedingungseintritts alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind und damit auch solche, die die Sphäre der Vertragspartei betreffen, die sich auf die treuwidrige Herbeiführung des Bedingungseintritts beruft. Eine treuwidrige Herbeiführung des Bedingungseintritts liegt in dem Fall nicht vor, in dem die andere Vertragspartei die treuwidrige Herbeiführung des Bedingungseintritts "sehenden Auges" hinnimmt, obwohl es ihr möglich gewesen wäre, dem treuwidrig herbeigeführten Bedingungseintritt entgegenzuwirken. Zwar ist § 162 BGB Ausdruck des allgemeinen Rechtsgedankens, dass niemand aus seinem treuwidrigen Verhalten Vorteile ziehen darf (Palandt/Ellenberger, 78. Auflage, § 162, Rn. 1). Dieser Rechtsgedanke verliert jedoch an Rechtfertigung, wenn die andere Vertragspartei Kenntnis davon erlangt, dass die treuwidrige Herbeiführung des Bedingungseintritts bevorsteht oder ein solcher zumindest naheliegt, ohne sicher feststehen zu müssen, jedoch selbst keine Maßnahmen ergreift, dem Bedingungseintritt entgegenzuwirken, obwohl es ihr problemlos möglich gewesen wäre. Denn in diesem Falle ist die Vertragspartei, zu dessen Nachteil der Bedingungseintritt herbeigeführt wurde, nicht mehr schutzwürdig.

So liegt der Fall hier. Die Beklagte ist in Anbetracht aller Umstände des Einzelfalles im Hinblick auf eine etwaige treuwidrige Herbeiführung der Zwangsvollstreckung durch den Kläger nicht schutzwürdig. Denn die Beklagte hatte unstreitig Kenntnis davon, dass sich der Kläger in einer schwierigen finanziellen Situation befand und dass es zu Rückständen bei den Kapitaldiensten gekommen war. Mit Schriftsatz vom 17.06.2020 hat sie selbst vorgetragen, dass ihr der Kläger noch vor Beginn des Zwangsversteigerungsverfahrens mitgeteilt habe, dass ihr gemeinsames Konto bei der Grafschafter Volksbank eG gekündigt worden sei, weil es zu Rückständen bei den Kapitaldiensten gekommen sei. Diese Umstände hätten die Beklagte nach eigenen Angaben sehr beunruhigt. Allerdings habe sie darauf vertraut, dass der Kläger sich darum kümmern werde. Da die Beklagte selbst Darlehensnehmerin und Gesamtschuldnerin gegenüber der Grafschafter Volksbank eG und dieser gegenüber verpflichtet war, die laufenden Verbindlichkeiten aus den Grundschulden zu bedienen, lag es an ihr, sich zu vergewissern, dass die Kapitaldienste weiterhin bedient werden, auch wenn sich der Kläger im Innenverhältnis gegenüber der Beklagten dazu verpflichtet haben mag.

In Kenntnis dessen, dass bereits ein Konto aufgrund von Rückständen bei den Kapitaldiensten aufgekündigt worden war, hätte sich die Beklagte vergewissern und sicherstellen müssen, dass die Kredite zukünftig wieder bedient werden, da es ansonsten nahe lag, dass die Grafschafter Volksbank eG weitere und vor allem stärkere Maßnahmen wie die Zwangsvollstreckung nutzen werde, um die Finanzierung der laufenden Verbindlichkeiten mittels der Zwangsversteigerung des streitgegenständlichen Grundstücks sicherzustellen. Die Beklagte hat jedoch nichts unternommen und keinen Kontakt mit dem Kreditinstitut aufgenommen, um Rücksprache hinsichtlich der Rückstände bei den laufenden Verbindlichkeiten zu halten und etwaigen weiteren Maßnahmen entgegenzuwirken, obwohl es ihr problemlos möglich gewesen wäre. Allein der Verweis darauf, dass der Kläger zugesagt habe, sich um das Problem zu kümmern, vermag die Beklagte nicht zu entlasten, weil ihr in diesem Zeitpunkt, in dem der Kläger von der Kündigung des Gemeinschaftskontos berichtete, klar gewesen sein muss, dass der Kläger allein nicht in der Lage war, die laufenden Verbindlichkeiten zu tilgen. Da sie im Verhältnis zur Grafschafter Volksbank Gesamtschuldnerin war, hätte sie zwingend aktiv werden müssen und durfte gerade nicht darauf vertrauen, dass der Kläger die finanziellen Probleme lösen werde.

Die Beantwortung der zwischen den Parteien umstrittenen Frage, ob der Kläger gegenüber der Beklagten erklärt habe, im Innenverhältnis zwischen den Parteien allein die Tilgung der laufenden Verbindlichkeiten aus den Grundschulden gegenüber der Grafschafter Volksbank eG zu übernehmen, kann somit dahinstehen.

Sofern die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 14.12.2020 erklärt hatte, dass sie lediglich von finanziellen Schwierigkeiten, nicht jedoch von den finanziellen Problemen im Zusammenhang mit der Grafschafter Volksbank und konkret die Kündigung des Gemeinschaftskontos gewusst habe, ist ihr Vortrag widersprüchlich zu ihrem Vorbringen aus dem Schriftsatz vom 17.06.2020 und damit unbeachtlich. In Folge dessen erscheint auch die Aussage des Zeugen Sommer, dass er den Eindruck hatte, dass der Beklagten bei dem Gespräch im September 2019 zum ersten Mal reiner Wein eingeschenkt worden sei und sie vor dem Gespräch gedacht habe, dass es sich lediglich um einen Liquiditätsengpass handele, nicht glaubhaft. Dies wird durch eine E-Mail der Beklagten an den Kläger vom 31.08.2018 gestützt. Diese E-Mail hatte die Beklagte vor dem Gespräch mit dem Kläger und dem Zeugen Sommer versandt. Hierin teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass keine andere Bank sie nehmen würde, weil der Kläger seit fünf Monaten kein Geld verdient und die Bank ihnen gekündigt habe.

Der Kläger hat weder einen konkludenten noch ausdrücklichen Verzicht hinsichtlich der Rückübertragung des Grundstücks vor dessen Verkauf bzw. einen Verzicht auf Zahlung eines etwaig verbliebenen Vermögenswertes nach Verkauf des Grundstücks erklärt. Die Voraussetzungen eines Erlassvertrages nach § 397 Abs. 1 BGB liegen nicht vor.

Der Gläubiger muss unmissverständlich seinen Willen zum Ausdruck bringen, dass er auf seine Forderung gegen den Schuldner verzichten will. Die Erklärung des Gläubigers kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass ein Gläubiger nicht ohne Weiteres auf seine Forderung verzichtet. Daher sind an die Erklärung des Gläubigers strengen Anforderungen zu knüpfen. Das gilt insbesondere dann, wenn die Erklärung zum Forderungsverzicht konkludent erfolgt. Im Zweifel darf eine Erklärung des Gläubigers nicht als Verzicht gewertet werden (BeckOGK/Wolber, 15.08.2021, BGB § 397 Rn. 56). Bei der Feststellung einer konkludenten Verzichtserklärung ist besondere Vorsicht geboten, wobei neben dem Wortlaut sämtliche Begleitumstände berücksichtigt werden müssen. Die an die Auslegung der ausdrücklichen Verzichtserklärung gestellten Sorgfaltsanforderungen gelten in besonderem Maße für die konkludente Erklärung des Verzichts. Der Verzichtswille darf niemals vermutet werden, sondern muss eindeutig erkennbar sein. Erforderlich ist ein unzweideutiges Verhalten, woraus der Schuldner schließen kann, dass der Gläubiger sein Recht aufgeben will. Betrifft der Erlass Rechte, die dem Gläubiger unbekannt sind, wird ein konkludenter Erlass regelmäßig ausgeschlossen sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Gläubiger mit dem Bestehen der Rechte nicht rechnet (BeckOGK/Wolber, 15.08.2021, BGB § 397 Rn. 61 f.).

Aus dem Umstand, dass der Kläger mit notariellen Kaufvertrag vom 22.03.2019 der Veräußerung des Grundbesitzes zugestimmt und die Löschung der zu seinen Gunsten eingetragenen Rechte bewilligt hat, geht ein solches unzweideutiges Verhalten nicht hervor. Denn möglicherweise war es dem Kläger gerade daran gelegen, nicht das Grundstück gegenständlich zurückzuerhalten, sondern sich den Wert des Grundstücks auszahlen zu lassen. Seine Zustimmung und Löschungsbewilligung kann auch dahingehend gewertet werden, dass er seinen Anspruch aus § 531 Abs. 2 BGB in einer anderen Form weiterverfolgt. Ferner handelt es sich bei der Regelung in IV.3 des Kaufvertrages vom 22.03.2019, wonach der Restbetrag auf ein noch zu benennendes Konto der Verkäufer zu überweisen ist, um eine Vertragsmodalität, die gerade das Verhältnis zwischen den Parteien des Kaufvertrages (also die Beklagte und die Käuferin) betrifft. Hieraus kann gerade nicht geschlossen werden, dass der Beklagte auf die Auskehrung des Restbetrags verzichtet.

Auch der streitige Vortrag der Beklagten, dass der Kläger die vorgeschlagene Rückübertragung des Grundstücks im Gespräch mit der Beklagten und dem Zeugen Sommer im September 2018 abgelehnt habe, da er erhebliche Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt und weiteren Gläubigern habe und im Falle des Verkaufs das Geld weg sei und daher die Beklagte die Verwertung des Grundstücks durchführen solle, ist bereits nicht geeignet, einen Verzicht des Klägers begründen zu können. Eine Beweisaufnahme hinsichtlich des streitigen Vortrags ist damit entbehrlich. Denn die von der Beklagten vorgetragene Erklärung des Klägers kann auch dahingehend verstanden werden, dass er auf den Anspruch auf Rückübertragung des Grundstücks nicht verzichten, ihn aber zum Zeitpunkt des Gesprächs im September 2018 nicht gegenüber der Beklagten geltend machen bzw. durchsetzen wolle, um zu verhindern, dass das Grundstück in seinem Vermögen dem Zugriff von etwaigen Dritten ausgesetzt ist. Dem Gläubiger einer Forderung steht es grundsätzlich frei, den Zeitpunkt zu wählen, in dem er seinen Anspruch durchsetzt. Ein unzweideutiges Verhalten des Klägers lag bereits nach dem streitigen Vortrag der Beklagten nicht vor.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von Wertersatz in Höhe von 148.634,74 € nach den §§ 531 Abs. 2, 818 Abs. 2 BGB. Die Einordnung des Grundstücksübertragungsvertrages als gemischte Schenkung spricht dieser Wertung nicht entgegen.

Da der Anspruch auf Rückübertragung des Grundstücks durch die Übereignung an die Käuferin und Löschung der Rückübertragungsvormerkung unmöglich geworden ist, kann der Kläger von der Beklagten lediglich Wertersatz nach den vorgenannten Vorschriften verlangen. Der Anspruch kann gerade nicht auf die Herausgabe des Kaufpreises gerichtet werden, weil dieser kein Surrogat im Sinne des § 818 Abs. 1 BGB darstellt (vgl. Palandt/Sprau, 78. Auflage, § 818, Rn. 15). Unstreitig ist der Beklagten durch die Veräußerung des Grundstücks und nach Ablösung der dinglichen Belastungen (§ 818 Abs. 3 BGB) ein Vermögenswert in Höhe von 148.634,74 € verblieben. In dieser Höhe hat die Beklagte Wertersatz an den Kläger zu leisten, weil dieser Wert dem damaligen Grundstück abzüglich der bestehenden Belastungen entspricht.

2. Der Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen seit dem 19.12.2019 ergibt sich aus § 280 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 286 Abs. 1 BGB.

3. Der Kläger hat gegen die Beklagte ferner einen Anspruch auf Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.743,34 € aus § 280 Abs. 1 BGB, da die Beklagte ihre Pflicht zur Zahlung des Wertersatzes aus § 4 lit. b) des notariellen Grundstückskaufvertrages vom 14.10.2014 i.V.m. § 531 Abs. 2 und § 818 Abs. 2 BGB schuldhaft nicht nachgekommen ist.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.