Landgericht Aurich
Beschl. v. 08.02.2019, Az.: 1 S 89/18

Bibliographie

Gericht
LG Aurich
Datum
08.02.2019
Aktenzeichen
1 S 89/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 69593
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG - 31.05.2018 - AZ: 10 C 22/16 (WEG)

Gründe

I.

Die Kammer legt die Berufung dahingehend aus, dass nur die Beklagte zu 2) Berufung eingelegt hat. In der Berufungsbegründung wird nämlich ausgeführt, dass die Beklagte bei ihrer Rechtsauffassung bleibt.

II.

Gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO wird darauf hingewiesen, dass die Kammer beabsichtigt, die Berufung der Beklagten zu 2) durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

Das angefochtene Urteil weist weder Rechtsfehler im Sinne der §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO auf, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.

Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit keine konkreten Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (BGH, NJW 2007, 2919 [BGH 25.04.2007 - VIII ZR 234/06]). Derartige vernünftige Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen sind vorliegend nicht ersichtlich.

Das Amtsgericht hat die Beklagten zu Recht zum Rückbau des Schornsteins samt Abluftkanal verurteilt. Der Anspruch auf Beseitigung einer baulichen Veränderung ergibt sich aus § 1004 Abs. 1 BGB, §§ 14 Nr. 1, 15 Abs. 3, 22 Abs. 1 WEG. Hierbei handelt es sich um einen Individualanspruch den jeder Eigentümer durchsetzen kann (BGH, NJW 2010, 2801 [BGH 18.06.2010 - V ZR 193/09]). Eine bauliche Veränderung ist die gegenständliche Umgestaltung des gemeinschaftlichen Eigentums durch Eingriff in die Substanz oder die Veränderung des Erscheinungsbildes des gemeinschaftlichen Eigentums (vgl. Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 12. Aufl., § 22 Rn. 10). Die Anbringung einer Entlüftungsanlage an der Fassade und auf dem Dach stellt ein Eingriff in die Substanz des Gebäudes dar.

Mit inzwischen rechtskräftigen Urteil vom 31. Mai 2018 (Az.: 10 C 13/17 WEG LG Oldenburg; 1 S 88/18 LG Aurich) wurde die Beklagte zu 2) verurteilt, für sich und die Wohnungseigentümergemeinschaft H. Str. 151 (Grundbuch von Oldenburg A, Blätter 8082, 8083, 8084, 8085, 8086, 8087, 8088, 8089, 8090 und 8091) zuzustimmen, dass die Änderung der Teilungserklärung gemäß Urkunde des Notars H. R. aus O. vom 02. November 2016 (UR-Nr. 810/16) aufgehoben wird. Weiter wurde die Beklagte zu 2) rechtskräftig verurteilt, die Löschung der in den Wohnungsgrundbüchern von Oldenburg zugunsten des Teileigentums Nr. 1 (Bl. 8082) der Beklagten zu 2) eingetragenen Berechtigung, einen Entlüftungsschacht anzubringen und diesen zu Entlüftungszwecken auf Dauer zu nutzen gemäß Bewilligung vom 02. November 2016 des Notars R. (UR-Nr. 810/2016) auf folgenden Grundbuchblättern Bestandsverzeichnis von O. A zu bewilligen: Blatt 8084 (Wohnung 3), Blatt 8091 (Wohnung 10), Blatt 8087 (Wohnung 6) und Blatt 8089 (Wohnung 8).

Gem. § 894 BGB gelten diese Willenserklärungen mit der Rechtskraft des Urteils als abgegeben. Damit ist das zu Gunsten des jeweiligen Sondereigentümers der Teileigentumseinheit Nr. 1 eingeräumte Sondernutzungsrecht zur Installation einer Entlüftungsanlage und deren dauerhaften Betrieb erloschen. Die Anbringung der Entlüftungsanlage ist der Beklagten zu 2) nicht durch die Wohnungseigentümergemeinschaft genehmigt worden.

Von der Anbringung der Entlüftungsanlage in einer Nische zwischen Aufzug und Treppenhaus von den Gewerberäumen der Pizzeria im Erdgeschoss bis über das Dach ist die Fassade des Gebäudes betroffen, die gemäß § 5 Abs. 2 WEG in Verbindung mit III Nr. 1, 3 der Teilungserklärung für die Wohnungseigentümergemeinschaft H. Str. (UR Nr. 333 vom 30. Mai 2013 des Notars R.) im Gemeinschaftseigentum steht. Entgegen § 22 Abs. 1 WEG fehlt es hier bereits an einem Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft.

Darüber hinaus wird durch die von der Beklagten zu 2) vorgenommene bauliche Veränderung im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG im Bereich des Gemeinschaftseigentums auch ein Nachteil zu Lasten der Kläger begründet, der über das nach § 14 Nr. 1 WEG im Interesse eines gedeihlichen Zusammenlebens hinzunehmende Maß hinausgeht. Ein solcher Nachteil stellt die Befestigung der Entlüftungsanlage an der Fassade und dem Dach des Gebäudes dar, welche massiv ausgeführt ist und damit einen Eingriff in die Substanz des Gebäudes darstellt (vgl. LG Berlin, ZWE 2017, 130). Daher bedarf es – entgegen der Ansicht der Berufung – auch keiner Inaugenscheinnahme des Gebäudes hinsichtlich der Frage, ob die Entlüftungsanlage optisch stört.

Es kommt auch nicht darauf an, dass beim Rückbau der Anlage die Parteien hinsichtlich der Geruchsbelästigungen „wieder bei Null“ stehen. Auch eine „sinnvolle“ bauliche Veränderung darf nicht ohne Zustimmung der Wohnungseigentümer vorgenommen werden, deren Rechte über das in § 14 Abs. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden.

III.

Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Auffassung der Kammer hält sich an die rechtlichen Vorgaben der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme und Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Berufung binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses. Die Kammer weist insoweit vorsorglich darauf hin, dass sich die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens im Falle einer Berufungsrücknahme auf die Hälfte ermäßigen (Nr. 1222 KV GKG).