Landgericht Aurich
Urt. v. 26.07.2019, Az.: 5 O 762/18

Bibliographie

Gericht
LG Aurich
Datum
26.07.2019
Aktenzeichen
5 O 762/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 69570
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BGH - 08.12.2020 - AZ: VI ZR 244/20

Tenor:

I.) Die Klage wird abgewiesen.

II.) Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Streitwert: bis zu 30.000,-€

Tatbestand:

Der Kläger erwarb im Juni 2016 von der Fa. G. S. OHG in P. auf der Grundlage einer „Verbindlichen Bestellung eines Kraftfahrzeugs“ vom 20.5.2016 einen gebrauchten PKW Audi Q 5 2.0 TDI zu einem Kaufpreis in Höhe von 32.600,00 €. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 ausgerüstet. Dieser hat über eine Motorsteuerungssoftware verfügt, die dafür gesorgt hat, dass im Prüfstandlauf (NEFZ) eine höhere Abgasrückführungsrate mit der Folge erreicht wird, dass weniger Stickoxide ausgestoßen werden. Unter Fahrbedingungen im normalen Straßenverkehr wurde das Fahrzeug in einem anderen Modus betrieben, so dass mehr Stickoxide emittiert worden sind. Am 22.9.2015 gab die V. AG dazu eine Ad-hoc-Mitteilung heraus. Darin heißt es auszugsweise:

„Volkswagen treibt die Aufklärung von Unregelmäßigkeiten einer verwendeten Software bei Diesel-Motoren mit Hochdruck voran….. Auffällig sind Fahrzeuge mit Motoren vom Typ EA 189 mit einem Gesamtvolumen von weltweit rund 11 Millionen Fahrzeugen. Ausschließlich bei diesem Motortyp wurde eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb festgestellt. Volkswagen arbeitet mit Hochdruck daran, diese Abweichungen mit technischen Maßnahmen zu beseitigen. Das Unternehmen steht dazu derzeit in Kontakt mit den zuständigen Behörden und dem Deutschen Kraftfahrtbundesamt………

Weitere bisherige interne Prüfungen haben ergeben, dass die betreffende Steuerungssoftware auch in anderen Diesel-Fahrzeugen des Volkswagen Konzerns vorhanden ist.“

Nach der Aufdeckung dieses Umstandes hatte das Kraftfahrtbundesamt (KBA) die Auffassung vertreten, dass die Beklagte unzulässige Abschalteinrichtungen in ihren Fahrzeugen verwendet hat. Es ordnete mit Bescheid vom 14.10.2015 den Rückruf aller betroffenen Fahrzeuge an. Die Beklagte entwickelte daraufhin Maßnahmen, insbesondere in Form eines Software-Updates, um die Umschaltlogik zu beseitigen und die Grenzwerte für NOx einzuhalten, ohne dass der Motor dafür in einen Prüfstandmodus gewechselt werden muss. Unter dem 13.4.2017 gab das KBA die technische Überarbeitung für das streitgegenständliche Modell frei und bestätigte, dass sich nach Überprüfung die Umsetzung der technischen Maßnahmen nicht negativ auf die Kraftstoffverbrauchswerte, CO2 – Emissionswerte, Motorleistung, Drehmoment, Geräuschemissionen und die Dauerhaltbarkeit von emissionsmindernden Einrichtungen auswirkt. Das von der Beklagten vorgesehene Software-Update wurde bereits am 10.1.2017 bei dem Fahrzeug des Klägers durchgeführt.

Der Kläger behauptet, er habe sich beim Kauf des Fahrzeuges von den Angaben zu den Verbrauchs– und Emissionswerten leiten lassen. Er habe ein wertstabiles Fahrzeug erwerben wollen, welches zudem umweltfreundlich ist. Ein wesentliches Kaufkriterium sei die sogenannte „grüne Plakette“ gewesen, auch im Hinblick auf einen möglichen Wiederverkaufswert. Er habe sich hinsichtlich des Spritverbrauchs Gedanken gemacht und sich deshalb für ein Dieselfahrzeug entschieden. Als er den Kaufvertrag abgeschlossen habe, habe er noch keine Kenntnis vom Abgasskandal gehabt. Der Verkäufer habe ihn ebenfalls nicht darauf hingewiesen, dass das streitgegenständliche Fahrzeug davon betroffen ist. Mit großer Enttäuschung habe er im Rahmen des „Abgasskandals“ aufgrund der nach dem Kauf eingehenden Nachricht des Herstellers zu der erforderlichen Nachrüstung feststellen müssen, dass die Emissionswerte der Fahrzeuge durch den Einsatz der sogenannten „Schummelsoftware“ erheblich beschönigt worden waren. Hätte er von der Manipulation bereits zum Zeitpunkt des Erwerbs gewusst, hätte er das Fahrzeug nicht gekauft. Er habe das Vertrauen in die Beklagte und ihre Fahrzeuge verloren. Es sei ihm nicht zuzumuten, dieses weiter zu nutzen.

Auf eine Kenntnis vom Abgasskandal könne nicht abgestellt werden. Er habe ein Fahrzeug der Marke Audi erworben. Die Audi AG sei zunächst nicht in den Fokus geraten, die Veröffentlichungen hätten sich nicht auf den deutschen Markt bezogen. Selbst einen Monat nach dem Abschluss des streitgegenständlichen Kaufvertrages habe die Süddeutsche Zeitung noch berichtet, es gebe bislang keine belastenden Beweise, dass die Audi AG auf illegale Weise Abgaswerte manipuliert hat. Es könne ihm – dem Kläger – nicht vorgeworfen werden, sich nicht derart intensiv mit der Materie auseinandergesetzt zu haben, dass er den Schluss habe ziehen müssen, das streitgegenständliche Kfz könne in den Abgasskandal verwickelt sein. Es falle in die Risikosphäre der Beklagten, wenn eine spätere Aufklärung nicht alle Teile der betroffenen Verkehrskreise erreicht.

Aufgrund zahlreicher Presseveröffentlichungen müsse er davon ausgehen, dass selbst nach der Nachrüstung ein technischer Mangel verblieben ist. So verringere sich durch die vermehrte Rückführung von Abgas mit erhöhtem Stickoxid und Rußpartikeln zwangsläufig die Lebensdauer des Partikelfilters. Auch die Lebensdauer des Motors werde verkürzt. Jedenfalls erhöhe sich der Wartungsaufwand. Davon abgesehen bleibe selbst nach der Nachrüstung der nicht zu beseitigende Makel, dass das Fahrzeug vom „Abgasskandal“ betroffen ist. Derartige Fahrzeuge unterlägen im Warenverkehr einem erheblichen merkantilen Minderwert, welcher sich zumindest auf 10 % des zum Zeitpunkt des Kaufs bestehen Fahrzeugwertes beläuft.

Indem die Beklagte die Fahrzeuge mit dem manipulierten Motor in den Verkehr gebracht und ihn, den Kläger, nicht über den Einsatz der Motorsteuerungssoftware, die den Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand optimiere, aufgeklärt habe, habe er einen wirtschaftlich nachteiligen Vertrag abgeschlossen. Ein verständiger, wirtschaftlich denkender Kunde hätte ein derartiges Fahrzeug nicht erworben, zumal er damit hätte rechnen müssen, dass es bei Aufdeckung der Manipulation zur Schwierigkeiten mit der Zulassung des Fahrzeuges kommt.

Er gehe davon aus, dass der Vorstand der Beklagten zum Zeitpunkt des Verkaufs über den Einsatz der Motorsteuerungssoftware umfassend informiert gewesen ist. Es handele sich um einen Sachverhalt, welcher sich allein in der Sphäre der Beklagten abgespielt hat. Dementsprechend treffe die Beklagte nach der Rechtsprechung eine sekundäre Darlegungslast. Sie habe darzulegen, wer bei ihr wann die maßgebliche Entscheidung getroffen hat und wer in dieses Vorgehen eingeweiht gewesen ist.

Die Manipulation der Beklagten sei als Verstoß gegen die guten Sitten zu werten. Diese habe bewusst eine Vermögensminderung ihrer Kunden in Kauf genommen, um ihr eigenes Vermögen zu mehren. Zudem habe die Beklagte aus reiner Gewinnsucht Gesundheitsschädigungen vieler Menschen in Kauf genommen.

Die Beklagte sei dafür verantwortlich, dass die Fahrzeuge mit der „Manipulationssoftware“ in Verkehr gebracht worden sind. Sie habe den Motor konstruiert und hergestellt; dieser sei für den Einbau in sämtliche Dieselfahrzeuge des Konzerns vorgesehen gewesen.

Die Beklagte habe ihn so zu stellen, als hätte er das streitgegenständliche Fahrzeug nicht erworben. Im Wege der Vorteilsausgleichung lasse er sich gezogene Nutzungen anrechnen. Danach ergebe sich eine Schadensersatzforderung in Höhe von 28.798,14 €. Wegen der weiteren Einzelheiten der Berechnung wird auf die Klageschrift, S. 24, 25 verwiesen. Hilfsweise mache er die merkantile Wertminderung in Höhe von 10 % des Kaufpreises geltend. Schließlich habe ihm die Beklagte die außergerichtlich entstandenen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.358,86 € zu erstatten.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 28.798,14 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Rücknahme des Kfz des Typs Audi Q 5 2.0 TDI quattro S-tronic mit der Fahrzeugidentifizierungsnummer W…,

2. hilfsweise für den interprozessualen Fall, dass das Gericht keinen deliktsrechtlichen Anspruch auf Rückzahlung des anteiligen Kaufpreises gegen Rücknahme des Kfz aus dem Antrag zu 1. erkennt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.260,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.358,86 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet, den Kläger getäuscht zu haben. Das Fahrzeug sei technisch sicher und in seiner Fahrbereitschaft nicht eingeschränkt. Es verfüge über alle erforderlichen Genehmigungen und die für das Fahrzeug erteilte EG–Typgenehmigung sei unverändert wirksam und werde nicht aufgehoben. Dementsprechend nutze der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug weiterhin.

Die ursprünglich in dem Kaufgegenstand verwendete Umschaltlogik habe keine unzulässige Abschalteinrichtung dargestellt. Ein durch die streitgegenständliche Software bedingter Wertverlust sei nicht festzustellen. Die Durchführung der technischen Maßnahme, die bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug im Januar 2017 stattgefunden habe, habe auch keine negativen Auswirkungen auf Kraftstoffverbrauchswerte, CO2-Emissionswerte, Motorleistung, Drehmoment und Geräuschemissionen.

Davon abgesehen könne zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages am 20.5.2016 keine Rede mehr davon sein, dass der Volkswagenkonzern die Ausrüstung des Dieselmotors EA 189 mit einer speziellen Motorsteuerungssoftware verschwiegen oder darüber getäuscht hat. Angesichts der breiten medialen Berichterstattung, die nach der Ad-hoc-Mitteilung vom 22.9.2015 stattgefunden habe, sei es nicht möglich gewesen, von der Thematik keine Kenntnis zu erlangen. Deshalb müsse davon ausgegangen werden, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeuges von der Software gewusst hat und sich dennoch für das streitgegenständliche Fahrzeug entschieden hat.

Einen Schädigungsvorsatz habe der Kläger ebenfalls nicht dargetan. Nach ihrem derzeitigen Ermittlungsstand liegen keine Erkenntnisse dafür vor, dass einzelne Vorstandsmitglieder an der Entwicklung der Software beteiligt gewesen sind. Zudem habe sie am 22.9.2015 eine Ad-hoc-Mitteilung veröffentlicht und hierin über die Dieselthematik informiert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

A.) Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht Aurich gemäß § 32 ZPO örtlich zur Entscheidung des Rechtsstreits berufen. Anknüpfungspunkt ist der Ort, an dem die unerlaubte Handlung begangen ist. Das ist bei Begehungsdelikten sowohl der Ort, an dem der Täter gehandelt hat (Handlungsort), als auch der Ort, an dem in das geschützte Rechtsgut eingegriffen wurde (Erfolgsort). Der Schadensort ist grundsätzlich unbedeutend. Anders verhält es sich aber, wenn der Schadenseintritt selbst zum Tatbestand der Rechtsverletzung gehört: Dann ist der Ort des Schadenseintritts Verletzungs- und damit Begehungsort im Sinne von § 32 ZPO. Dementsprechend ist beim Betrug der Erfolgsort der Ort, wo das Klägervermögen belegen ist, im Falle des § 826 BGB der Ort, an dem die Vermögensbeeinträchtigung stattfindet (Zöller-Schultzky, ZPO, 32.A., § 32 Rdnr. 19 m.w.N.). Hier liegt der Vermögensschaden des Klägers in dem Abschluss eines für ihn nachteiligen Kaufvertrages. Den Vertrag hat er unstreitig bei der Fa. Schwarte OHG Papenburg abgeschlossen; wohnhaft ist er seinerzeit in Aurich gewesen. Aurich ist im Bezirk des angerufenen Gerichts gelegen.

B.) Dem Kläger stehen die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Die Beklagten haften weder gemäß § 826 BGB noch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 263 StGB bzw. §§ 6, 27 Abs. 1 EG-FGV.

I.) Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte gemäß § 826 BGB scheiden aus, weil zum Zeitpunkt des Abschlusses des streitgegenständlichen Kaufvertrages im Juni 2016 weder ein Schädigungsvorsatz der Beklagten gegeben gewesen noch eine etwaige Täuschung für den Schaden des Klägers ursächlich geworden ist.

1.) Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagten ein Verstoß gegen die guten Sitten vorzuwerfen ist, weil sie Fahrzeuge in Verkehr gebracht und dabei zu Unrecht den Eindruck vermittelt hat, dass für die entsprechenden Fahrzeuge die erforderlichen Genehmigungen und Zulassungen zu Recht erteilt worden sind, obwohl sie die Motoren der Fahrzeuge mit einer Motorsteuerungssoftware ausgerüstet hatte, die die Stickoxidemissionen im Prüfstandlauf optimiert hat (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 16.7.2018, Az. 27 U 10/18, zitiert nach juris, Rn. 5). Ebenso kann offen bleiben, ob die Beklagte sittenwidrig gegenüber potentiellen Erwerbern ihrer Dieselfahrzeuge einen Umstand verschwiegen hat, der den Vertragszweck aus Sicht des Käufers vereiteln konnte, weil er bei Aufdeckung des Einbaus und der Wirkungsweise der Motorsteuerungssoftware eine Stilllegung des Fahrzeugs befürchten musste (LG Aurich, Urteil vom 28.8.2018, Az. 5 O …). Schließlich muss nicht entschieden werden, ob die Täuschungshandlung zum Zeitpunkt des Abschlusses des streitgegenständlichen Vertrages noch fortgewirkt hat, obwohl die Beklagte mit der Ad-hoc-Mitteilung vom 22.9.2015 öffentlich kundgetan hatte, dass Diesel-Fahrzeuge des Volkswagenkonzerns mit einer Motorsteuerungssoftware ausgestattet sind, die dafür Sorge tragen, dass die Prüfstandwerte von denen im realen Fahrbetrieb deutlich abweichen. Denn der Kläger hat jedenfalls nicht substantiiert dargetan bzw. bewiesen, dass die Täuschungshandlung der Beklagten für den Abschluss des streitgegenständlichen Kaufvertrages ursächlich geworden ist. Nur dann wäre die Haftung der Beklagten für den vom Kläger geltend gemachten Schaden, der in dem Abschluss eines ihm nachteiligen Vertrages besteht, gerechtfertigt (BGH Urteil vom 3.3.2008, Az. II ZR 310/06, zitiert nach juris, Rdnr. 12 ff.; Oechsler, NJW 2017, S. 2865, 2867; Münchner Kommentar zum BGB-Wagner, 7.A., § 826 Rdnr. 45). Die Darlegungs- und Beweislast für den Ursachenzusammenhang zwischen dem sittenwidrigen Verhalten und dem Vermögensnachteil obliegt dem Geschädigten, hier also dem Kläger (Oechsler, a.a.O.; Münchner Kommentar zum BGB-Wagner, a.a.O., Rdnr. 54). Dieser hat er nicht genügt.

a.) Der Kläger hat zunächst schriftsätzlich behauptet, er hätte den Kaufvertrag nicht abgeschlossen, wenn er um die Manipulation der Motorsteuerungssoftware gewusst hätte. Dieses Vorbringen ist unsubstantiiert und unplausibel. Denn der Kläger hat den streitgegenständlichen Pkw zu einem Zeitpunkt erworben, als der sog. Abgasskandal längst aufgedeckt worden war; seine – zunächst nicht weiter erläuterte - Behauptung, bei Abschluss des Kaufvertrages habe er davon keine Kenntnis gehabt, ist nicht nachvollziehbar. Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass der Volkswagen-Konzern am 22.9.2015 eine Ad-hoc-Mitteilung herausgegeben und darin eingeräumt hat, dass eine Vielzahl der Fahrzeuge des VW-Konzerns, die mit einem Dieselmotor betrieben werden, mit einer Motorsteuerungssoftware ausgerüstet sind, die im Prüfstandlauf den Stickoxidausstoß optimiert. Diese Mitteilung ist nach dem Vortrag der Beklagten anschließend Gegenstand breiter Berichterstattung in den Medien und öffentlicher Diskussion gewesen – was im Übrigen gerichtsbekannt ist. Wie dem Kläger diese Thematik gleichwohl über Monate bis zum Abschluss des streitgegenständlichen Kaufvertrages im Juni 2016 verborgen geblieben sein soll, erschließt sich der Kammer nicht. Eine solche Annahme erscheint schlichtweg lebensfremd; das Vorbringen des Klägers, davon nichts erfahren zu haben, fehlt jede Substanz.

b.) Der Kläger hat seinen Vortrag sodann ergänzt. Er hat darauf hingewiesen, dass die Firma Audi zunächst nicht im Fokus der Berichterstattung gestanden hat. Die Kammer hat sich daraufhin veranlasst gesehen, den Kläger persönlich dazu anzuhören, wie es zu dem Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs der Marke Audi gekommen ist. Auch danach ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass die Manipulation der Motorsteuerungssoftware einen Umstand dargestellt hat, der für den Kläger bei Abschluss des Kaufvertrages im Mai 2016 wesentlich gewesen ist.

aa.) Der Kläger hat auf Vorhalt seines Prozessbevollmächtigten zwar in der mündlichen Verhandlung vom 16.7.2019 seine Behauptung wiederholt, er hätte das Fahrzeug nicht erworben, wenn er gewusst hätte, dass der Pkw Audi Q 5 ebenfalls mit einem Motor ausgerüstet ist, der Gegenstand des sog. Abgasskandals ist. Diesem Vorbringen steht aber entgegen, dass der Kläger nach eigenen Angaben von dem Abgasskandal gehört hatte, ohne sich aber um die Details gekümmert zu haben. Gerade dann, wenn er nicht genau wusste, welche Fahrzeuge betroffen sind, hätte es aber nahe gelegen, sich vor dem Erwerb eines gebrauchten Diesel-Fahrzeugs, das aus dem VW-Konzern stammt, näher zu informieren und jedenfalls gegenüber dem Verkäufer auf eine Klarstellung zu drängen, wie es sich bei dem Kaufgegenstand in Bezug auf den Abgasskandal verhält – was der Kläger versäumt hat. Dabei ist unerheblich, ob die Audi AG seinerzeit ebenfalls in der öffentlichen Berichterstattung bereits konkret der Abgasmanipulation beschuldigt worden war. Denn der Kläger hat nicht etwa vorgetragen, sich gerade darauf verlassen zu haben, sondern deutlich gemacht, sich mit den Einzelheiten des Skandals nicht näher auseinandergesetzt zu haben. Im Übrigen ist allgemein bekannt, dass die Audi AG zum VW-Konzern gehört.

bb.) Hinzu kommt, dass der Kläger weiter erklärt hat, er habe den Wagen unbedingt haben wollen, er sei nur an dem Erwerb eines solchen Fahrzeugs interessiert gewesen. Nur so erscheint es erklärlich, dass der Kläger trotz Kenntnis vom Abgasskandal keinerlei Bemühungen unternommen hat, sicherzustellen, dass die Motorsteuerung des Kaufgegenstandes nicht manipuliert ist.

cc.) Daran ändert es nichts, wenn die Ehefrau des Klägers beim Verkäufer nachgefragt hat, weil „VW in die Kritik geraten war“. Davon abgesehen, dass sich der Kläger selbst nicht zu einer solchen Frage veranlasst gesehen hat, konnte auch die Antwort des Verkäufers den Verdacht, die Motorsteuerung des streitgegenständlichen Pkw könne ebenfalls mit einer „Manipulationssoftware“ ausgerüstet sein, nicht zerstreuen. Der Mitarbeiter der Verkäuferin soll nämlich geantwortet haben: „Wir sind nicht VW“. Welche Rückschlüsse aus einer derartigen Antwort gezogen werden sollen, erschließt sich der Kammer nicht – zumal es sich bei der Fa. S. OHG nach dem Vortrag des Klägers selbst um einen Audi und VW-Vertragshändler handelt.

2.) Davon abgesehen setzt § 826 BGB voraus, dass die Geschäftsführer der Beklagten als verfassungsmäßig berufene Vertreter (§ 31 BGB) mit dem Vorsatz sittenwidrig gehandelt haben, dass durch die Handlung oder Unterlassung einem anderen ein Schaden zugefügt wird. Der Schädiger muss spätestens im Zeitpunkt des Schadenseintritts Art und Richtung des Schadens und die Schadensfolgen vorausgesehen und die Schädigung im Sinne eines direkten Vorsatzes gewollt oder im Sinne eines bedingten Vorsatzes jedenfalls, mag er sie auch nicht wünschen, doch zur Erreichung seines Zieles billigend in Kauf genommen haben (Palandt-Sprau, BGB, 78.A., § 826 Rdnr. 10, 11). Hier ist zwar nicht zweifelhaft, dass die Repräsentanten der Beklagten zum Zeitpunkt des Abschlusses des streitgegenständlichen Kaufvertrages um die Ausrüstung ihrer Fahrzeuge mit der sog. Manipulationssoftware gewusst haben, so dass es eines Rückgriffes auf die Grundsätze der sekundären Darlegungslast nicht bedarf. Doch konnten diese Monate nach der Aufdeckung des sog. Abgasskandals davon ausgehen, dass jeder Kaufinteressent angesichts der breiten öffentlichen Berichterstattung von der Problematik Kenntnis erlangt hat und von dem Erwerb eines gebrauchten Fahrzeugs des VW-Konzerns mit Dieselmotor Abstand nimmt, wenn ihm die Ausrüstung des Fahrzeugs mit einer Motorsteuerungssoftware, die für einen optimierten Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand sorgt, von Bedeutung und nicht sichergestellt ist, dass dieses vom sog. Abgasskandal nicht betroffen ist.

II.) Aus denselben Erwägungen scheiden Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte gemäß den §§ 823 Abs. 2 BGB, § 263 StGB aus.

1.) Der Tatbestand des Betruges (§ 263 StGB) setzt u.a. voraus, dass der Irrende eine Vermögensverfügung vornimmt und diese durch den täuschungsbedingten Irrtum (mit-) verursacht worden ist. Daran fehlt es etwa, wenn der Getäuschte die Verfügung auch bei Kenntnis der wahren Sachlage vorgenommen hätte. Dies ist z.B. bei Personen anzunehmen, die sich über die Wahrheit der vorgespielten Tatsachen keine Gedanken machen (Fischer, StGB, 63.A., § 263 Rdnr. 3). Ein solcher Fall ist hier anzunehmen. Wie schon oben ausgeführt, kann dem Kläger nicht entgangen sein, dass Millionen Dieselfahrzeuge des VW-Konzerns mit einer Manipulationssoftware ausgestattet sind; gleichwohl hat er diesem Umstand ersichtlich keine Bedeutung beigemessen haben, weil er nicht einmal versucht hat, zu klären, ob auch der Kaufgegenstand zu den betroffenen Fahrzeugen gehört.

2.) Zudem setzt § 263 StGB Vorsatz voraus, der darauf gerichtet sein muss, durch Täuschung einen Irrtum hervorzurufen und der auch den Umstand erfassen muss, dass durch die Irrtumserregung eine Vermögensverfügung des Getäuschten veranlasst wird (Fischer, a.a.O., § 263 Rdnr. 180). Ein solcher Vorsatz ist hier zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages im Juni 2016 nicht mehr gegeben gewesen. Wie schon oben ausgeführt, mussten die Repräsentanten der Beklagten Monate nach der Veröffentlichung der Ad-hoc Mitteilung am 22.9.2015 nicht mehr damit rechnen, dass ein mündiger Bürger von dem sog. Abgasskandal keine Kenntnis genommen hat und ein gebrauchtes Fahrzeug des VW-Konzerns mit Dieselmotor erwirbt, ohne abzuklären, ob dies ebenfalls mit einer sog. Manipulationssoftware ausgestattet ist oder nicht, wenn er diesem Umstand Bedeutung beimisst.

III.) Ansprüche des Kläger gegen die Beklagte gemäß § 823 Abs. 2 BGB, § 27 EG-FGV scheiden ebenfalls aus.

1.) Die Beklagte hat mit dem streitgegenständlichen Pkw kein Fahrzeug in den Verkehr gebracht hat, dessen Übereinstimmungsbescheinigung ungültig ist, § 27 Abs. 1 EG-FGV. Die Bescheinigung ist nämlich dann gültig, wenn sie durch den Hersteller unter Verwendung des vorgeschriebenen Formulars ausgestellt wurde und wenn sie fälschungssicher sowie vollständig ist. Auf ihre inhaltliche Richtigkeit kommt es hingegen nicht an (OLG Braunschweig, Urteil vom 19.2.2019, Az. 7 U 134/17, zitiert nach juris, Rdnr. 123 ff.; Armbrüster NJW 2018, S. 3481, 3481 f. m.w.N.). Von daher ist unerheblich, wenn die Beklagte die Bescheinigung nur dadurch erwirken konnte, dass mithilfe der von ihr eingesetzten Motorsteuerungssoftware auf dem Prüfstand die Stickoxidemissionen optimiert worden sind und nur dadurch die gesetzlichen Grenzwerte eingehalten werden konnten.

2.) Zudem greift eine Haftung nicht durch, weil diesen Vorschriften der in § 823 Abs. 2 BGB vorausgesetzte Schutzgesetzcharakter fehlt. Eine Norm ist als Schutzgesetz anzusehen, wenn sie nach Zweck und Inhalt zumindest auch dazu bestimmt ist, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt und Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass desselben gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zugunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mit gewollt hat (Palandt-Sprau, a.a.O., § 823 Rdnr. 58). Bei Vorschriften, die – wie hier die EG-FGV - Richtlinien umsetzen, kommt es nach der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung insoweit maßgeblich auf den Inhalt und den Zweck der Richtlinie an. Maßgeblich ist hier die Richtlinie 2007/46/EG. Diese bezweckt die Vollendung des Binnenmarktes und dessen ordnungsgemäßes Funktionieren. Darüber hinaus sollen die technischen Anforderungen in Rechtsakten harmonisiert und spezifiziert werden, wobei die Rechtsakte vor allem auf eine hohe Verkehrssicherheit, hohen Gesundheits– und Umweltschutz, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Benutzung abzielen. Danach liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass der Richtliniengeber zumindest auch den Schutz des einzelnen Fahrzeugerwerbers bzw. – besitzers gegen Vermögensbeeinträchtigungen in Betracht gezogen hat (vgl. OLG Braunschweig, a.a.O., Rdnr. 137 ff.; LG Braunschweig, Urteil vom 18.10.2017, Az. 3 U 1676/16 zitiert nach juris, Rdnr. 47,48; LG Braunschweig, Urteil vom 16.10.2017, Az. 11 O 4092/16, Rdnr. 58).

3.) Schließlich setzt ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB wegen Schutzgesetzverletzung deren Kausalität für den geltend gemachten Schaden voraus (BGH Urteil vom 26.9.2005, Az. II ZR 380/03, zitiert nach juris, Rdnr. 16). Daran fehlt es hier. Wie schon oben näher dargelegt, hat der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug Monate nach der Aufdeckung des sog. Abgasskandals erworben, ohne auch nur beim Verkäufer nachgefragt zu haben, ob auch der von ihm erworbene PKW zu den betroffenen Fahrzeugen zählt. Dies deutet nachhaltig darauf hin, dass der Kläger diesem Umstand keine Bedeutung beigemessen hat.

IV.) Mangels Haftung der Beklagten für den geltend gemachten Schaden ist die Beklagte nicht verpflichtet, dem Kläger außergerichtlich angefallene Rechtsanwaltskosten zu erstatten.

Die Nebenentscheidungen stützen sich auf die §§ 91, 709 ZPO.