Landgericht Aurich
Beschl. v. 21.03.2019, Az.: 5 O 781/17

Bibliographie

Gericht
LG Aurich
Datum
21.03.2019
Aktenzeichen
5 O 781/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 69558
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG - 21.11.2019 - AZ: 5 W 50/19

Tenor:

Die Vergütung des gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. med. K. wird auf 0,00 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Landeskasse auf Festsetzung der Vergütung auf 0,00 € vom 31.01.2019 ist nach §§ 4 Abs. 1, 8a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 JVEG zulässig und begründet.

Gemäß § 8a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 JVEG erhält ein Sachverständiger eine Vergütung nur insoweit, als seine Leistung bestimmungsgemäß verwertbar ist, wenn er im Rahmen der Leistungserbringung grob fahrlässig oder vorsätzlich Gründe geschaffen hat, die zu seiner Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit berechtigen.

Vorliegend wurde mit Kammerbeschluss vom 10.10.2018 die Ablehnung des Sachverständigen Prof. Dr. med. K. für begründet erklärt, da die Klägerin einen vernünftigen Grund hatte, an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen zu zweifeln. Dieser hatte in seinem schriftlichen Sachverständigengutachten vom 09.08.2018 nämlich schwerwiegende Vorwürfe gegen die Eltern der Klägerin dahingehend erhoben, dass diese in der Zeit von September 2014 bis Februar 2015 eine erhebliche Gefährdung nicht nur der Gesundheit, sondern auch des Lebens der Klägerin hervorgerufen hätten und überdies zum Ausdruck gebracht, dass ein behördliches Einschreiten in Form einer Entziehung des Sorgerechts wünschenswert gewesen wäre. Diese Einschätzung wurde dabei allein auf den Akteninhalt gestützt. Aufgrund der Ablehnung ist die durch den Sachverständigen erbrachte Leistung unabhängig von der Frage ihrer sachlichen Qualität nicht verwertbar.

Der Sachverständige hat diese zu seiner Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit führenden Gründe grob fahrlässig verursacht. Grundsätzlich liegt grobe Fahrlässigkeit vor, wenn die verkehrsübliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird, schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt wurden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (Grüneberg, in Palandt, BGB, 76. Aufl., § 277, Rdnr. 5 m.w.N.). Sie ist insbesondere anzunehmen, wenn der Sachverständige bei der Gutachtenerstellung die erforderliche Sorgfalt zur Neutralität in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem ordentlichen Sachverständigen einleuchten musste (vgl. BeckOK KostR/Bleutge, 24. Ed. 1.12.2018, JVEG, § 8a, Rn. 14). Die absolut erforderliche Unparteilichkeit des Sachverständigen gebietet es, dass sich der Sachverständige während der Zeit der Gutachtenerstattung absolut neutral verhalten muss und dass er an die Beantwortung der Beweisfragen unvoreingenommen und objektiv herangeht. Bereits der durch seine Formulierungen verursachte Anschein von Parteilichkeit macht das Gutachten unbrauchbar, auch wenn es sachlich ohne Mängel ist (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 08.09.2011, 8 U 2204/08, zitiert nach juris, Rn. 54). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Die Kammer verkennt nicht, dass der Sachverständige die zu seiner Ablehnung führenden Äußerungen laut seiner schriftlichen Stellungnahme vom 24.09.2018 aus kinderärztlicher Sorge betreffend die Gesundheit der Klägerin getätigt hat. Gleichwohl muss jedem vom Gericht hinzugezogenem Sachverständigen bewusst sein, dass er in besonderem Maße zur Neutralität verpflichtet ist. Zwar begründet nicht jede überspitzte oder in einem gewissen Umfang unsachliche Äußerung eines Sachverständigen die Besorgnis der Befangenheit. Im vorliegenden Fall hat es der Sachverständige jedoch nicht dabei bewenden lassen, ein Fehlverhalten der Kindeseltern aufzuzeigen. Vielmehr hat er deutlich zum Ausdruck gebracht, zu bedauern, dass es die mit der Behandlung der Klägerin betrauten Einrichtungen im September 2014 versäumt haben, mit Hilfe des Jugendamtes einen Entzug der elterlichen Sorge herbeizuführen. Damit hat er nicht nur den ihm erteilten Auftrag weit überschritten, nämlich zu prüfen, ob den Mitarbeitern der Beklagten ein Fehler bei der Behandlung der Klägerin unterlaufen ist. Darüber hinaus hat er das kritisierte Verhalten der Kindeseltern rechtlich bewertet, ohne dass dazu ein Anlass bestanden hat – wobei anzumerken bleibt, dass er dabei eine rechtliche Einschätzung getroffen hat, ohne dass die Kindeseltern auch nur Gelegenheit gehabt hätten, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Ein solches Vorgehen lässt sich auch nicht mit einer Gesundheitsgefahr des Kindes rechtfertigen, zumal die Klägerin kurz vor Erreichen der Volljährigkeit gestanden hat und die streitgegenständliche Behandlung zeitlich weit zurückliegt.

Dass dem Sachverständigen, welcher über eine langjährige Erfahrung als Gutachter verfügt, die grundsätzliche Problematik der durch ihn erhobenen Anschuldigungen bewusst gewesen ist, wird in den Ausführungen im schriftlichen Gutachten und der Stellungnahme vom 24.09.2018 deutlich. Explizit hat er in dem schriftlichen Gutachten ausgeführt, sich dem ihm erteilten Auftrag bewusst gewesen zu sein, nämlich allein eine gutachterliche Bewertung der Behandlung durch die Beklagte vorzunehmen. In der Stellungnahme vom 24.09.2018 führt der Sachverständige überdies aus, „bewusst mit einem Kommentar eine Grenze überschritten“ zu haben. Ein auf diese Grenzüberschreitung gestütztes Ablehnungsgesuch war naheliegend, was für den Sachverständigen ohne weiteres erkennbar war.