Landgericht Aurich
Urt. v. 09.10.2019, Az.: 12 Ns 520 Js 817/18 (60/19)

Volksverhetzung

Bibliographie

Gericht
LG Aurich
Datum
09.10.2019
Aktenzeichen
12 Ns 520 Js 817/18 (60/19)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 70204
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG - 15.02.2019 - AZ: 603 Cs 135/18

Tenor:

Die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Leer vom 15.02.2019 (603 Cs 135/18) wird auf Kosten der Angeklagten verworfen.

Gründe

(abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 StPO)

I.

Das Amtsgericht Leer – Strafrichter – hat die Angeklagte mit Urteil vom 15.02.2019 wegen Volksverhetzung in Tatmehrheit mit Beleidigung zu einer Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 10,00 € verurteilt. Gegen dieses Urteil hat die Angeklagte mit Schriftsatz ihres Verteidigers vom 15.02.2019 frist- und formgerecht Berufung eingelegt und gleichzeitig die Berufung auf die wegen Volksverhetzung ergangene Verurteilung beschränkt. Ziel der Berufung war diesbezüglich die Erlangung eines Freispruches. Die Berufung der Angeklagten hat keinen Erfolg.

II.

Die Hauptverhandlung hat im Umfang der Anfechtung des Urteils zu folgenden ergänzenden Feststellungen geführt:

1. Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten:

Die Angeklagte ist 43 Jahre alt. Sie hat den Beruf der Erzieherin gelernt, arbeitet aber nicht, sondern empfängt Sozialleistungen. Sie ist ledig und hat zwei Kinder im Alter von xx und x Jahren. Das jüngere Kind lebt noch bei der Angeklagten.

Die Angeklagte ist strafrechtlich bereits in Erscheinung getreten:

1. Am 21.11.2011 verurteilte das Amtsgericht A. die Angeklagte wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 15,00 € Geldstrafe.

2. Am 03.01.2012 erging durch das Amtsgericht A. wegen Betruges eine Verurteilung zu 30 Tagessätze je 30,00 € Geldstrafe.

3. Aus den vorgenannten Verurteilungen bildete das Amtsgericht A. mit Beschluss vom 25.05.2012 eine nachträgliche Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 20,00 €.

4. Am 23.06.2016 erkannte das Amtsgericht W. wegen Körperverletzung auf eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 20,00 €.

2. Feststellungen zur Sache

a) Am 28.11.2017 schrieb die Angeklagte im Zusammenhang mit einem gegen U. H. ergangenen Gerichtsurteil auf dem Tagesschau-Auftritt bei Facebook:

„Ihr seid alle. Gehirngewaschen…Ich denke sie hat die Zeit miterlebt.. Ich nicht, ihr nicht, die Richter nicht, aber der Jude hat alles. Unter Kontrolle und keiner darf was sagen, schwupps nazi und ab in den Knast....Armes ehemals stolzes Deutschland, deine Bevölkerung wird so dumm gehalten … Ich glaube, wissens Häftling ist der Holocaust widerlegt…Aber geschichtlich und politisch wird er das nie sein…weil goldmann Sachs es so will!!! Denkt selbst.“

Dem vorgenannten Eintrag zeitlich und örtlich unmittelbar nachfolgend schrieb die Angeklagte weiter:

„wissenschaftlich“.

Weiterhin schrieb sie auf einen gegen Ihre vorstehende Äußerung gerichteten kritischen Beitrag:

„Der Holocaust ist wissenschaftlich widerlegt.“

Bis zum 01.12.2017 ist der Eintrag der Tagesschau zum Gerichtsurteil H. 575 mal kommentiert worden, zu dem vorstehend genannten Eintrag der Angeklagten fanden sich 18 empörte Kommentare. Ihr Kommentar selbst war am 01.12.2017 wieder gelöscht.

Der Angeklagten war bewusst, mit ihrem Text den Holocaust in Abrede zu stellen. Dabei wusste sie um die tatsächliche Existenz des Holocaust als geschichtlich belegte Tatsache. In dem Bewusstsein, dass ihre Eintragungen einer größeren Anzahl von Facebooknutzern und insbesondere Lesern von Tagesschau Einträgen zugänglich waren, nahm die Angeklagte auch billigend in Kauf, dass die von ihr verfassten Facebook Einträge geeignet waren – und hier aufgrund empörter Reaktionen weiterer Nutzer von Facebook auch dazu führten -, den öffentlichen Frieden, namentlich das befriedete Zusammenleben der Bürger als auch deren Vertrauen in die Fortdauer des Rechtsstaates, zu stören.

b) Entsprechend der wirksamen Berufungsbeschränkung sind die Feststellungen zum Sachverhalt in dem insoweit nicht angefochtenen Urteil des Amtsgerichts Leer in Rechtskraft erwachsen, soweit die Angeklagte wegen Beleidigung verurteilt worden ist. Auf den Inhalt der amtsgerichtlichen Feststellungen wird zunächst Bezug genommen.

Der geschädigte Rechtspfleger hat am 23.03.2018 auf der Rechtsantragsstelle der Staatsanwaltschaft Aurich Strafantrag gestellt. Die Dienstvorgesetzte des Rechtspflegers, die Leitende Oberstaatsanwältin der Staatsanwaltschaft Aurich stellte am 19.04.2018 einen Strafantrag.

III.

Die Feststellungen beruhen auf dem Ergebnis der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme.

1. Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten beruhen auf der Verlesung des Protokolls der ersten Instanz, welches nachvollziehbare und glaubhafte Angaben inhaltlich so enthielt, wie es oben festgestellt ist. Weiterhin wurde der Bundeszentralregisterauszug der Angeklagten vom 10.05.2019 in der Hauptverhandlung verlesen.

2.a) Die Feststellungen zu dem Inhalt der von der Angeklagten verfassten Facebook Einträge basieren zunächst auf deren glaubhafter Einlassung, welche durch Verlesung des erstinstanzlichen Protokolls eingeführt worden ist. Hier heißt es: „Wenn man seine Meinung kund tut, kriegt man einen auf den Sack. Es tut mir ja auch total leid, dass ich das geschrieben habe. Es wird ja ein Drama daraus gemacht, die ID wurde rausgefunden und alles. Der Paragraph wird ja nur gegen Deutsche angewandt.“

Die vorgenannte Erklärung kann nur so verstanden werden, dass die Angeklagte ausdrücklich eingeräumt hat, die Verfasserin der vorgenannten Texte gewesen zu sein. Diese Einlassung der Angeklagten ist glaubhaft und insbesondere mit dem in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenem Inhalt vom Facebook-Profil der Angeklagten in Einklang zu bringen. Soweit der Zusammenhang mit einem Gerichtsurteil bezüglich U. H. sowie die Anzahl der Kommentierungen des H.-Beitrages sowie des Beitrages der Angeklagten festgestellt worden sind, basiert dies auf dem Inhalt eines in der Hauptverhandlung verlesenen Ermittlungsvermerks der Polizei Itzehoe. Ausweislich des Ermittlungsvermerks wurde durch die Polizei der Auftritt der Tagesschau bei Facebook am 1.12.2017 in Augenschein genommen und dabei die entsprechende Anzahl an Kommentaren gesehen.

Die Feststellung zur Störung des öffentlichen Friedens ergibt sich aus den Reaktionen, welche der Facebookeintrag durch Internetnutzer erfuhr. In diesem Zusammenhang wurde die Strafanzeige eines weiteren Facebook Nutzers, die bei der Online Wache der Polizei Schleswig-Holstein erstattet worden ist, in der Hauptverhandlung verlesen. Die Strafanzeige nimmt dabei in Zitatform auf den Inhalt der oben festgestellten Facebookeintragungen der Angeklagten Bezug. Es ist auch mit dem Umstand einer solchen Strafanzeige, die ihren Ursprung in E. und damit vollkommen losgelöst vom örtlichen Umfeld der Angeklagten hat, belegt, dass von dem Verhalten der Angeklagten eine Friedensstörung in der Bevölkerung ausgelöst worden ist, was diese jedenfalls billigend in Kauf genommen hat.

Die weiteren Feststellungen zum subjektiven Tatbestand folgen aus dem objektiven Tatgeschehen (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 1.10.2015 – 1 RVs 66/15, BeckRS 2015, 119749, Rn. 23). Dabei ist der Massenmord an Juden in den Gaskammern von Konzentrationslagern während des Zweiten Weltkrieges als geschichtliche Tatsache offenkundig (vgl. BGH, Urt. v. 15.12.1994, NJW 1995, 340 [BGH 15.12.1994 - 1 StR 656/94]). Dem Wissen darum konnte sich auch die am sozialen Leben teilnehmende und als Erzieherin ausgebildete Angeklagte nicht verschließen. Dabei kann die Kammer aufgrund der durch Verlesung des erstinstanzlichen Protokolls in die Hauptverhandlung eingeführten Angaben zum persönlichen Werdegang der Angeklagten auch ausschließen, dass sie aus Dummheit oder mangelnder Information ohne Vorsatz handelte (vgl. Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben, StGB, 29. Aufl., § 130, Rn. 20). Dies ergibt sich schon aus dem Umstand, dass die Angeklagte sich offensichtlich über das Internet auf Seiten der Tagesschau über das Zeitgeschehen und hier die Verurteilung der U. H. informierte.

b) Die zu der Verurteilung ergänzend getroffene Feststellung zur Strafantragsstellung durch den Rechtspfleger und die Dienstvorgesetzte sind durch Verlesung der Niederschrift der Strafanträge in die zweitinstanzliche Hauptverhandlung eingeführt worden.

IV.

Mit dem festgestellten Sachverhalt hat sich die Angeklagte der Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 3 StGB schuldig gemacht, so dass dieser Vorschrift der ungemilderte und für diese Tat geltende Strafrahmen zu entnehmen ist. In Tatmehrheit gemäß § 53 StGB dazu steht der gemäß dem durch die wirksame Beschränkung der Berufung in Rechtskraft erwachsene Schuldspruch des angefochtenen Urteils zur Beleidigung gemäß § 185 StGB.

V.

Im Rahmen der konkreten Strafzumessung war zugunsten der Angeklagten zu berücksichtigen, dass sie das Abfassen der Facebook-Eintragungen nicht in Abrede gestellt hat. Die verfahrensgegenständlichen Sachverhalte liegen auch schon eine erhebliche Zeit zurück. Zu ihren Lasten geht aber, dass sie strafrechtlich bereits in Erscheinung getreten ist.

Einer weiteren Darstellung der Strafzumessungserwägungen in Bezug auf die Verurteilung wegen Beleidigung zum Nachteil des Rechtspflegers war die Kammer vorliegend enthoben, weil die Angeklagte ihre Berufung wirksam und ausdrücklich auf den Vorwurf der Volksverhetzung gestützt hat.

Das Amtsgericht hat für die Volksverhetzung eine Einzelstrafe von 50 Tagessätzen für tat- und schuldangemessen erachtet. Diese Strafe erachtet die Kammer als zu milde, weitere Erörterungen sind aber wegen § 331 Abs. 1 StPO entbehrlich.

Die Einzelstrafen von 50 Tagessätzen für die Volksverhetzung und von 60 Tagessätzen für die Beleidigung hat die Kammer gem. §§ 53, 54 StGB unter nochmaliger Berücksichtigung der oben im Einzelnen geschilderten Strafzumessungserwägungen und unter angemessener Erhöhung der höchsten Einzelgeldstrafe von 60 Tagessätzen auf eine

Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen

zurückgeführt.

Die Bemessung der Tagessatzhöhe orientiert sich an den wirtschaftlichen Verhältnissen der Angeklagten.

VI.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StGB.