Landgericht Aurich
Beschl. v. 10.10.2019, Az.: 7 T 135/19
Bibliographie
- Gericht
- LG Aurich
- Datum
- 10.10.2019
- Aktenzeichen
- 7 T 135/19
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2019, 69575
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG - 14.05.2019 - AZ: 16a XIV 14/19
Tenor:
Der Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wird zurückgewiesen.
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Aurich vom 14.05.2019 wird auf seine Kosten als unbegründet zurückgewiesen.
Der Beschwerdestreitwert wird auf 5000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Aurich hat am 14.05.2019 auf Antrag der Bundespolizeiinspektion B. B. im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Freiheitsentziehung des Beschwerdeführers bis zum 11.06.2019 angeordnet und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Auf den entsprechenden Beschluss wird verwiesen. Gegen die Entscheidung hat der Beschwerdeführer am 23.05.2019 Beschwerde eingelegt und zugleich die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe beantragt. Am 03.06.2019 wurde die Beschwerde begründet. Auf den entsprechenden Schriftsatz wird verwiesen. Das Amtsgericht Aurich hat das Verfahren am 07.06.2019 an das Amtsgericht Hannover abgegeben. Noch am selben Tage wurde der Beschwerdeführer aus der Haft entlassen, da die Bundespolizeiinspektion B. B. die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung des Beschwerdeführers nicht mehr aufrechterhalten hat, nachdem sich herausgestellt hat, dass eine Zurückschiebung/Abschiebung sich innerhalb der vom Amtsgericht gesetzten Frist nicht realisieren ließ. Der Beschwerdeführer hat daraufhin am 14.06.2019 seine Beschwerde umgestellt und begehrt nunmehr, festzustellen, dass der angefochtene Beschluss ihn in seinen Rechten verletzt hat. Durch Schreiben vom 02.07.2019 begründete er dies ergänzend. Auf den entsprechenden Schriftsatz wird verwiesen.
II.
Die nach §§ 58, 62 Abs. 1 FamFG statthafte Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Die Voraussetzungen für eine vorläufige Freiheitsentziehung im Wege der einstweiligen Anordnung lagen vor.
Der zur Einleitung des Eilverfahrens wegen § 417 FamFG nach § 51 Abs. 1 S. 1 FamFG erforderliche förmliche und auch zulässige Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde war gegeben. Zudem war das Amtsgericht nach § 50 FamFG für den Erlass der Anordnung zuständig. Ferner bestanden im Sinne von§ 427 Abs. 1 S. 1 FamFG auch „dringende Gründe“ für die Annahme, dass die Voraussetzungen für die Anordnung einer Freiheitsentziehungsmaßnahme gegeben sind. Insbesondere ist die Annahme von Fluchtgefahr als Haftgrund für die Sicherung der Zurückführung des Beschwerdeführers nicht zu beanstanden.
Nach Art. 28 Abs. 2 Dublin III-VO können Personen zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren in Haft genommen werden, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, die Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Fluchtgefahr i.d.S. ist nach Art. 2 lit. n Dublin III-VO das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte. Dementsprechend kann gemäß § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 AufenthG (jeweils vom 29.07.2017 bis 20.08.2019 geltende Fassung) eine Inhaftierung zur Sicherung der Abschiebung erfolgen, wenn Gründe vorliegen, die auf den in § 2 Abs. 14 AufenthG festgelegten Anhaltspunkten beruhen und deshalb der begründete Verdacht besteht, dass der Betroffene sich der Abschiebung durch Flucht entziehen will. Die in § 2 Abs. 14 AufenthG genannten Kriterien gelten nach § 2 Abs. 15 S. 1 AufenthG zugleich als objektive Kriterien für die Annahme einer Fluchtgefahr im Sinne von Art. 2 lit. n Dublin III-VO. Nach § 2 Abs. 15 S. 2 AufenthG gilt als weiterer Anhaltspunkt für eine Fluchtgefahr, wenn der Ausländer einen Mitgliedstaat vor Abschluss eines dort laufenden Verfahrens zur Zuständigkeitsbestimmung oder zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz verlassen hat und die Umstände der Feststellung im Bundesgebiet konkret darauf hindeuten, dass er den zuständigen Mitgliedstaat in absehbarer Zeit nicht aufsuchen will.
Jedenfalls Letzteres war hier nach den zutreffenden amtsgerichtlichen Ausführungen gegeben, sodass an dieser Stelle zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe des amtsgerichtlichen Beschlusses verwiesen wird. Die dortigen Ausführungen werden auch durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet.
Es war auch ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden des Gerichts gegeben und an der Verhältnismäßigkeit der Freiheitsentziehung bestehen ebenfalls kein Zweifel. Dass zum Entscheidungszeitpunkt mildere, ebenso geeignete Mittel zur Sicherung der Zurückführung bestanden hätten, ist nicht erkennbar.
Dass das Amtsgericht überhaupt im Wege der einstweiligen Anordnung entschieden hat, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Verfahren über einstweilige Anordnungen (§§ 49 ff. FamFG) sind nach § 51 Abs. 3 S. 1 FamFG selbständige, von der Hauptsache unabhängige Verfahren. Die verfahrensrechtlichen Anforderungen für einstweilige Anordnungen nach § 427 FamFG unterscheiden sich deshalb von denen für freiheitsentziehende Beschlüsse in der Hauptsache nach § 422 FamFG. Deshalb kann eine Freiheitsentziehung als vorläufige Anordnung nach § 427 FamFG rechtmäßig, als Beschluss in der Hauptsache nach § 422 FamFG jedoch rechtswidrig sein (vgl. BGH, NJW 2012, 2448 [BGH 31.05.2012 - V ZB 167/11]; BGH, FGPrax 2015, 91 [BGH 18.12.2014 - V ZB 114/13]). Umgekehrt kann eine Freiheitsentziehung als Beschluss in der Hauptsache rechtmäßig sein, mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 427 FamFG jedoch als vorläufige Anordnung rechtswidrig sein. Entscheidend ist mithin allein, ob die Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung vorlagen oder nicht. Abgesehen davon, dass dem Amtsgericht aufgrund des auf eine Entscheidung im Wege der einstweiligen Anordnung gerichteten Antrags der Verwaltungsbehörde ohnehin verwehrt war, in der Hauptsache zu entscheiden, besteht daher kein grundsätzlicher Vorrang des Hauptsacheverfahrens; vielmehr wäre es dem Beschwerdeführer unbenommen gewesen, gemäß § 52 Abs. 2 FamFG die Einleitung des Hauptverfahrens zu beantragen.
III.
In Ermangelung einer hinreichenden Erfolgsaussicht konnte dem Beschwerdeführer daher auch keine Verfahrenskostenhilfe bewilligt werden.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.