Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 31.01.2011, Az.: L 8 SO 366/10 B ER
Anspruch eines mehrfach behinderterten Schülers auf Eingliederungshilfeleistungen nach dem SGB XII kann im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes geltend gemacht werden; Anspruch eines mehrfach behinderterten Schülers auf Eingliederungshilfeleistungen nach dem SGB XII im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes; Entscheidung nach Folgenabwägung bei fehlenden Ermittlungen des Sozialhilfeträgers
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 31.01.2011
- Aktenzeichen
- L 8 SO 366/10 B ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 23661
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2011:0131.L8SO366.10B.ER.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Bremen - 18.10.2010 - AZ: S 24 SO 182/10 ER
Rechtsgrundlagen
- EinglH - VO § 12 Nr. 1
- EinglH - VO § 24
- Art. 19 Abs. 4 GG
- § 20 SGB X
- § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII
- § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII
- § 35a SGB VIII
- § 86b Abs. 2 S. 2 SGG
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Bei sog. Mehrfachbehinderung (hier neben einer Sprachentwicklungsstörung eine Störung des Sozialverhaltens) beurteilt sich der Hilfebedarf eines behinderten Schülers grundsätzlich nach den Vorschriften des SGB XII und nicht nach § 35a SGB VIII.
- 2.
Es ist Aufgabe des Sozialhilfeträgers, den tatsächlichen Bedarf eines behinderten Menschen festzustellen. Wird dies versäumt (hier: kein kinder- und jugendpsychiatrisches Gutachten oder zumindest eine aktuelle sozialpädiatrische Stellungnahme über den Antragsteller), ist es in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren zur Vermeidung einer Verletzung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG regelmäßig geboten, aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Tenor:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bremen vom 18. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bremen (SG) vom 18. Oktober 2010, mit dem das SG sie vorläufig verpflichtet hat, dem Antragsteller Leistungen der Eingliederungshilfe für eine persönliche Assistenz im Umfang von "zwei Schultagen pro Woche" bis zum Ende des laufenden Schulhalbjahres zu bewilligen.
Der am 26. Januar 2001 geborene Antragsteller leidet nach den Feststellungen der Antragsgegnerin - vom 1.10.2010, "Gesamtplan" nach § 58 SGB XII, der sich jedoch nur auf die Kostenübernahme für eine Autismus-Therapie bezieht - an einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung in Sinne eines frühkindlichen Autismus, einer einfachen Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung, einer hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens und einer Sprachentwicklungsstörung. Er besucht derzeit die 3. Klasse der E. -Schule in Bremen F., bei der es sich um eine private Sonderschule nach der Pädagogik von Rudolf Steiner handelt. Die Schülerschaft der E. -Schule besteht nach deren eigener Definition aus Kindern und Jugendlichen, deren Fortkommen in den regulären Schulen auf erhebliche Schwierigkeiten stößt.
Anträge des Antragstellers auf Übernahme der Kosten für eine persönliche Assistenz während des Schulbesuchs der E. -Schule sind von der Antragsgegnerin mit Bescheiden vom 26. März 2010 und 7. Juni 2010 abgelehnt worden, nachdem ein früherer Antrag vom 12. März 2009 nach Abgabe an die Senatorin für Bildung und Wissenschaft von dieser ebenfalls mit Bescheid vom 29. Juni 2009 abgelehnt worden war. Der Antragsteller könne eine öffentliche Sonderschule in Bremen besuchen. An dieser seien die Rahmenbedingungen derart gestaltet, dass der Einsatz der persönlichen Assistenz entbehrlich wäre. Das Assistenzprogramm des Landes richte sich ausschließlich an körperbehinderte Kinder und Jugendliche. Gegen den Bescheid vom 7. Juni 2010 (betreffend die persönliche Assistenz für das Schuljahr 2010/2011) hat der Antragsteller in dem Erörterungstermin des SG im Verfahren S 24 SO 127/10 ER am 16. Juni 2010 Widerspruch eingelegt; den Widerspruch hat die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2010 zurückgewiesen. Der Antragsteller hat am 6. Juli 2010 Klage erhoben (Klageverfahren S 24 SO 167/10). Am 22. Juli 2010 hat der Antragsteller beim SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, gerichtet auf vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihm "vom Tag der Entscheidung bis zum Ablauf von drei darauffolgenden Monaten" Eingliederungshilfe in Gestalt der persönlichen Assistenz zum Schulbesuch der E. -Schule im Umfang von 10 Stunden (wöchentlich) zu gewähren. Zur Begründung hat er ausgeführt, er benötige aufgrund der bei ihm festgestellten Mehrfachbehinderung Eingliederungshilfe (Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung) in Form der persönlichen Assistenz an zwei Schultagen pro Woche. In der Klasse, die aus bis zu acht Kindern bestehe, sei eine Lehrerin und daneben an drei Schultagen pro Woche - nicht mittwochs und freitags - zusätzlich eine Praktikantin eingesetzt, die ehrenamtlich tätig sei und die Lehrkraft allgemein unterstütze. Sie übernehme situationsabhängig verschiedene Aufgaben, springe also immer dort ein, wo ein Kind aktuell Hilfe benötige.
Er selbst benötige Hilfe in Form der Unterrichtsbegleitung, da er auf sich allein gestellt nicht in der Lage sei, den Schulalltag zu bewältigen. Er sei sehr leicht ablenkbar, mit eigenen Arbeitsergebnissen oft unzufrieden und verweigere deshalb sehr schnell die Weiterarbeit. Er vergesse sehr schnell gestellte Aufgaben. Der Kontakt zu anderen Kindern sei sehr gestört, dies führe häufig zu Aggressionen und Gefährdung anderer. Er sei auf Erklärungen und eine durchgehende externe Strukturierung der Arbeitsabläufe angewiesen. Aufgrund dieser Beeinträchtigungen, die u.a. im Untersuchungsbericht des Klinikums Bremen-Mitte vom 14. Februar 2008 und im Bericht des Autismus- Therapie- Zentrums Oldenburg vom 24. September 2007 näher beschrieben seien, sei eine persönliche Assistenz notwendig, um seinen Schulbesuch zu gewährleisten.
In einem im Verfahren S 24 SO 127/10 ER vor dem SG durchgeführten Erörterungstermin am 16. Juni 2010 hat die Vertreterin der Antragsgegnerin laut Protokoll erklärt, für den Antragsteller gebe es "einen öffentlichen Schulplatz, das müsse durch die sonderpädagogische Begutachtung gehen nach Sonderpädagogik-VO und dann würde er einer Regelschule zugewiesen mit 15 Stunden persönlicher Assistenz und verschiedenen Nachteilsausgleichen, die es ihm ermöglichen, auch in größeren Klassen nach seinen Möglichkeiten zu lernen".
Das SG hat die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 18. Oktober 2010 vorläufig verpflichtet, dem Antragsteller Leistungen der Eingliederungshilfe für eine persönliche Assistenz im Umfang von zwei Schultagen pro Woche bis zum Ende des laufenden Schulhalbjahres zu bewilligen. Die Antragsgegnerin selbst habe mit ihrem Angebot persönlicher Assistenz für 15 Wochenstunden im Rahmen des öffentlichen Schulsystems den Bedarf des Antragstellers anerkannt. Der Bedarf bestehe grundsätzlich an allen Schultagen, sei aber durch die ehrenamtlich tätige Schulhelferin an drei Schultagen gedeckt. Zur Begründung hat es weiter ausgeführt, weder sei der Anspruch auf Eingliederungshilfe - Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung - nachrangig gegenüber den im öffentlichen Schulsystem angebotenen Leistungen noch könne dem Anspruch entgegengehalten werden, dass eine Beschulung im staatlichen System möglich wäre. Die Beschulung des Antragstellers setze in jeder Schulform eine persönliche Assistenz voraus, die im Falle des Besuchs einer Regelschule sogar - wie von der Antragsgegnerin anerkannt - in größerem Umfang erforderlich wäre.
Gegen den am 21. Oktober 2010 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 19. November 2010 Beschwerde eingelegt. Diese begründet sie im Wesentlichen damit, das SG habe übersehen, dass es vorrangig Aufgabe der Schulbehörde sei, die Eingliederung in die Gesellschaft vorzunehmen und die angemessene Beschulung eines autistischen Kindes sicherzustellen. Der Antragsteller besuche auf eigenen Wunsch bzw den seiner Eltern die private Sonderschule. Damit komme er seiner Schulpflicht nach. Ein Wechsel zu einer Schule im staatlichen System sei möglich und dem Antragsteller auch zuzumuten. Solange im staatlichen Schulsystem eine angemessene und ausreichende Beschulung des Antragstellers möglich sei, kämen keine weiteren Eingliederungshilfen in Betracht. Über den Assistenzbedarf - der nicht mit 15 Stunden wöchentlich anerkannt worden sei - könne allein aufgrund eines sonderpädagogischen Gutachtens der Schulbehörde entschieden werden, das allerdings deshalb nicht vorliege, weil die Eltern des Antragstellers die Privatschule gewählt hätten. Mit der Wahlfreiheit der Eltern könne nicht der Grundsatz unterlaufen werden, dass die Privatschulen wegen schon hoher finanzieller Ausstattung nicht noch weitere Leistungen aus Sozialhilfemitteln erhalten sollten. Kosten für eine Privatschule könnten neben den Zuschüssen aus Mitteln des Bildungsressorts nur dann zusätzlich übernommen werden, wenn die Schulbehörde feststelle, dass im Rahmen des öffentlichen Schulsystems eine Beschulung nicht möglich sei.
II. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist statthaft und auch ansonsten zulässig, aber nicht begründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen vor.
Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Sowohl die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs als auch die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 ZivilprozessordnungZPO). Ein Anordnungsanspruch ist dann gegeben, wenn der zu sichernde Hauptsachanspruch dem Antragsteller mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zusteht, wenn also eine Vorausbeurteilung der Hauptsacheklage nach summarischer Prüfung ergibt, dass das Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 1 BvR 569/05, NVwZ 2005, 927 [BVerfG 12.05.2005 - 1 BvR 569/05]) dürfen Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren für Anfechtungs- und (wie hier) Vornahmesachen grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung wie auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Artikel 19 Abs 4 Grundgesetz (GG) stellt jedoch besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens, wenn wie hier ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. In einem solchen Fall müssen die Gerichte nach der vorgenannten Entscheidung des BVerfG, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen. Entschließen sich die Gerichte zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller des Eilverfahrens nicht überspannen; Fragen des Grundrechtsschutzes sind einzubeziehen. Ist dem Gericht hingegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundrechtlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern (BVerfG, ebenda, vgl auch die Senatsentscheidung vom 2. April 2008, L 8 SO 11/08 ER und vom 13. Mai 2008, L 8 SO 36/08 ER).
Nach diesen Maßgaben entscheidet der Senat auf Grund einer Folgenabwägung, weil nach dem derzeitigen, dem Senat bekannten Sachverhalt offen ist, ob das Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache wahrscheinlich ist.
Der Antragsteller hat Anspruch auf Eingliederungshilfeleistungen nach dem 6. Kapitel des SGB XII, hier auf Leistungen der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht gemäß §§ 53, 54 Abs 1 Nr 1 SGB XII. Sein Hilfebedarf beurteilt sich nach den Vorschriften des SGB XII - und nicht nach § 35a SGB VIII -, weil bei ihm unstreitig eine sogenannte Mehrfachbehinderung vorliegt, d.h. nicht nur eine seelische Behinderung, sondern auch eine geistige Behinderung, eine Störung des Sozialverhaltens und eine Sprachentwicklungsstörung. Gemäß § 12 Nr 1 EinglH - VO umfasst die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung auch heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen, wenn diese erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern.
Dem streitigen Anspruch des Antragstellers kann nicht von vornherein entgegen gehalten werden, dass er sich vorrangig um sonderpädagogische Förderleistungen durch die Schulverwaltung bemühen müsse. Zwar werden vom Nachranggrundsatz des SGB XII auch vorrangige Leistungen nach dem Schulrecht erfasst. Aber es kann neben dem schulischen Förder- und Bildungsbedarf auch ein ergänzender Anspruch auf Eingliederungshilfe bestehen (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 9.3.2007, L 13 SO 187/06 ER; Senatsbeschluss vom 1.12.2009, L 8 SO 54/09 B ER), u.a. wenn die notwendigen und angemessenen Maßnahmen der Eingliederungshilfe von den Schulträgern tatsächlich nicht erbracht werden (Scheider in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl. § 54 Rdnr 45).
Ob die Schulassistenz in Gestalt einer Schulbegleitung die für den Antragsteller angemessene Hilfe darstellt, kann der Senat im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht entscheiden. Insbesondere sieht er sich nicht in der Lage, den tatsächlichen Bedarf des Antragstellers zu beurteilen, weil es die Antragsgegnerin nach dem vorliegenden Akteninhalt bisher versäumt hat, ein kinder- und jugendpsychiatrisches Gutachten oder zumindest eine aktuelle sozialpädiatrische Stellungnahme über den Antragsteller einzuholen (§ 24 EinglH- VO). Ebenso fehlt im Übrigen eine Bedarfsfeststellung nach § 35 Abs 3 Bremisches Schulgesetz (förderdiagnostisches Gutachten zur Ermittlung der individuellen Förderbedürfnisse). Das Verfahren zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs wird gemäß § 35 Abs 3 S 2 BremSchulG auf Antrag der jeweiligen Schule, der Erziehungsberechtigten, des zuständigen Gesundheitsamtes oder auf eigene Entscheidung in Verantwortung der Fachaufsicht durchgeführt. Das Verfahren ist laut telefonischer Auskunft der Senatorin für Bildung und Wissenschaft, die die Berichterstatterin eingeholt hat, bisher nicht von Amts wegen durchgeführt worden, weil der Antragsteller eine Privatschule besucht. Diese Argumentation kann schon deshalb nicht überzeugen, weil es sich bei der Tobias- Schule um eine staatlich anerkannte private Sonderschule handelt; der Antragsteller erfüllt mit dem Besuch dieser Schule, dem die zuständige Schulbehörde zugestimmt hat, seine Schulpflicht. Die schulische Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Bedarf an unterstützender Pädagogik und sonderpädagogischer Förderung ist Auftrag des gesamten Schulsystems (§ 35 Abs 4 S 2 BremSchulG).
Der Senat kann die Frage des tatsächlichen Bedarfs des Antragstellers im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht klären. Er lässt diese Frage daher offen und stützt seine Entscheidung auf eine Folgenabwägung (BVerfG, aaO.). Diese ergibt, dass die Sicherstellung der bisherigen Begleitung des Antragstellers im Schulalltag an der E. -Schule Vorrang hat vor den fiskalischen Interessen der Antragsgegnerin an der Vermeidung unrechtmäßiger Zahlungen öffentlicher Mittel. Dem Senat erscheint es im Rahmen der gebotenen Folgenabwägung wesentlich für die Entscheidung, dass der Antragsteller an der E. -Schule jedenfalls vorerst für den weiteren Verbleib an der Schule den ihm vertrauten Rahmen und die ihm vertraute Begleitperson an seiner Seite hat. Auf die Notwendigkeit eines verlässlichen und strukturierten Schulalltags haben die Eltern des Antragstellers überzeugend und nachvollziehbar hingewiesen. Zudem ist der Hinweis der Antragsgegnerin, der Antragsteller könne jederzeit nach Feststellung seines sonderpädagogischen Bedarfs an einer Regelschule, ggf mit Begleitperson, beschult werden, ein solcher Wechsel sei ihm zumutbar, völlig aus der Luft gegriffen. Auch für diese Annahme fehlt es an der Grundlage, nämlich der Feststellung des individuellen Bedarfs aufgrund eines kinder- und jugendpsychiatrischen Gutachtens.
Der Antragsteller hat - wie beantragt - für die Zeit ab dem 18. Oktober 2010, dem Tag der Entscheidung des SG Bremen, einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Durch den Ausfall der ehrenamtlich tätigen Begleitperson Frau E. mittwochs und freitags wäre er an diesen Tagen im Unterricht ohne weitere Hilfe und würde in seinem schulischen Fortkommen erhebliche und unabweisbare Nachteile erleiden. Eine weitere Verlängerung der vorläufigen Kostenübernahme für die begehrte Schulassistenz dürfte auch über den hier von der Beschwerde umfassten Zeitraum - bis zum Ende des Schulhalbjahres - hinaus angebracht sein, bis aussagekräftige Stellungnahmen zum Bedarf des Antragstellers vorliegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177SGG).