Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 27.01.2011, Az.: L 8 SO 171/08
Übernahme der Kosten einer erforderlichen Vorlesehilfe für das Studium i.R.d. Eingliederungshilfe nach dem SGB XII
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 27.01.2011
- Aktenzeichen
- L 8 SO 171/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 23658
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2011:0127.L8SO171.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 07.08.2008 - AZ: S 51 SO 250/07
Rechtsgrundlagen
- § 53 Abs. 3 SGB XII
- § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB XII
- § 72 Abs. 1 S. 1 SGB XII
- § 82 Abs. 1 S. 1 SGB XII
- § 83 Abs. 1 SGB XII
- § 88 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII
Redaktioneller Leitsatz
1. Bei der Blindenhilfe nach § 72 SGB XII handelt es ich um eine Leistung nach dem SGB XII und damit nicht um (bei der Gewährung anderer Leistungen nach dem SGB XII berücksichtigungsfähiges) Einkommen gem § 82 Abs. 1 S. 1 SGB XII.
2. Das pauschal den Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen bezweckende und stark versorgungsrechtliche Züge aufweisende (niedersächsische) Landesblindengeld dient nicht demselben Zweck wie Leistungen der Eingliederungshilfe, mit denen die Kosten für eine zur Absolvierung eines Hochschulstudiums erforderliche Vorlesehilfe übernommen werden. Es darf damit nicht als Einkommen bei der Gewährung der Eingliederungshilfe berücksichtigt werden (§ 83 Abs. 1 SGB XII). [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird der erste Absatz des Tenors des Urteils des Sozialgerichts Hannover vom 7. August 2008 wie folgt neu gefasst:
Der Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 2007 wird geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ab 1. Januar 2007 die bewilligte Eingliederungshilfe ohne "Eigenanteil" des Klägers zu gewähren.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger ab 1. Januar 2007 die von der Beklagten im Rahmen der Eingliederungshilfe in bestimmtem Umfang übernommenen Kosten einer für sein Studium erforderlichen Vorlesehilfe zu einem Drittel, höchstens jedoch in Höhe von 20 % des ihm gewährten Landesblindengeldes und der ihm gewährten Blindenhilfe nach dem SGB XII, selbst zu tragen hat.
Der am 4. November 1979 geborene Kläger ist blind und schwerbehindert mit einem GdB von 100 sowie den Merkzeichen G, H, RF, B und BL. Er studiert seit dem Wintersemester 2005/2006 Rechtswissenschaften an der Universität F ... Die Beklagte gewährte ihm mit bestandskräftigen Bescheid vom 27. Oktober 2005 Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der Kosten für eine studienbedingt erforderliche Vorlesehilfe sowie Fahrtkostenentschädigung für den Besuch der Hochschule. Weiterhin regelte sie in diesem Bescheid, dass der Kläger von dem ihm gewährten Landesblindengeld in Höhe von 300,00 EUR monatlich gemäß § 88 Abs 1 Nr 1 SGB XII zu den Kosten der Vorlesehilfe einen Eigenanteil in Höhe eines Drittels der Kosten, höchstens jedoch 20 % des Landesblindengeldes, also 60,00 EUR monatlich, beizutragen habe.
Der Kläger erhielt bis zur Vollendung seines 27. Lebensjahres im November 2006 monatlich 300,00 EUR Landesblindengeld und monatlich 285,00 EUR Blindenhilfe gemäß § 72 SGB XII. Nachdem sein Anspruch auf Landesblindengeld nach der damaligen Rechtslage wegen der Vollendung seines 27. Lebensjahres weggefallen war, gewährte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 15. November 2006 ab Dezember 2006 Blindenhilfe in voller Höhe von 585,00 EUR monatlich. Aufgrund einer Änderung des Gesetzes über das Landesblindengeld für Zivilblinde in der Fassung vom 8. Januar 1993 (Nds. GVBl 1993, 25, zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. März 2009, Nds. GVBL S. 115, - Landesblindengeldgesetz -) hatte der Kläger ab 1. Januar 2007 wieder Anspruch auf Landesblindengeld, und zwar in Höhe von 220,00 EUR monatlich. Dementsprechend bewilligte die Beklagte dem Kläger unter Aufhebung ihres Bewilligungsbescheides vom 15. November 2006 mit Bescheid vom 12. Dezember 2006 unter Anrechnung (Abzug) des Landesblindengeldes in Höhe von 220,00 EUR monatlich Blindenhilfe gemäß § 72 SGB XII in Höhe von monatlich 365,00 EUR.
Mit Bescheid vom 15. Januar 2007 hob die Beklagte ihren Bescheid vom 27. Oktober 2005 gestützt auf § 48 SGB X ab dem 1. Januar 2007 auf und gewährte dem Kläger ab 1. Januar 2007 für die Dauer des Studiums Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der Kosten für eine studienbedingt erforderliche Vorlesehilfe für bis zu 70 Stunden pro Monat bei einem Kostensatz von 5,11 EUR pro Stunde sowie darüber hinausgehend für bis zu 120 Stunden pro zu erbringende Hausarbeit (und in Form einer - hier nicht streitigen - Fahrtkostenentschädigung). Weiterhin hat die Beklagte in dem Bescheid geregelt: Da der Kläger ab 1. Januar 2007 ein Landesblindengeld in Höhe von 220,00 EUR sowie Blindenhilfe in Höhe von 365,00 EUR beziehe, habe er zu den Kosten der Vorlesehilfe einen Eigenanteil zu erbringen. Dieser Eigenanteil werde nach Ausübung des ihr durch § 88 Abs 1 Nr 1 SGB XII eingeräumten Ermessens in Höhe eines Drittels der entsprechenden Kosten, jedoch höchstens auf 20 % der bezogenen Leistungen, also derzeit auf 117,00 EUR monatlich, festgesetzt. Gegen diese Heranziehung zur Leistung eines Eigenanteils erhob der Kläger Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2007 zurückwies. Dass vom Kläger verlangt werden könne, 20 % des Landesblindengeldes zur Deckung der Kosten der Vorlesehilfe einzusetzen, ergebe sich aus § 88 Abs 1 Nr 1 SGB XII. Das Landesblindengeld werde zum Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen gewährt. Zu diesen Mehraufwendungen gehörten auch die Kosten einer Vorlesekraft. Daher entspreche es billigem Ermessen, den Kläger zur Erbringung einer Eigenleistung zu den Kosten der Vorlesehilfe in Höhe eines Drittels der entsprechenden Kosten, höchstens 20 % des Landesblindengeldes (44,00 EUR monatlich) heranzuziehen. Die Blindenhilfe diene gemäß § 72 Abs 1 Satz 1 SGB XII ebenfalls dem Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen. Auch hier entspreche es daher billigem Ermessen, die im Rahmen der Hochschulhilfe gemäß § 54 Abs 1 Satz Nr 2 SGB XII zu gewährende Beihilfe zu den Kosten der Vorlesehilfe in Höhe eines Drittels der entsprechenden Kosten, höchstens 20 % der Blindenhilfe (73,00 EUR monatlich) herabzusetzen. Im Ergebnis habe der Kläger aus dem Landesblindengeld und der Blindenhilfe von zusammen 585,00 EUR monatlich höchstens 117,00 EUR selbst aufzubringen.
Mit seiner daraufhin am 7. Juni 2007 bei dem Sozialgericht Hannover (SG) erhobenen Klage hat der Kläger im Wesentlichen geltend gemacht, ein Kostenbeitrag aus der ihm gemäß § 72 SGB XII geleisteten Blindenhilfe dürfe nicht gefordert werden, weil es sich bei der Blindenhilfe nicht um Einkommen im Sinne des § 82 SGB XII handele. Auch eine Heranziehung des Landesblindengeldes sei rechtswidrig, weil zwischen dieser Leistung, die wie die Blindenhilfe dem Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen diene, und der gewährten Eingliederungshilfe für den Besuch der Hochschule keine Zweckidentität bestehe. Die Beklagte hat an ihre angegriffene Entscheidung verteidigt.
Mit Urteil vom 7. August 2008 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 2007 aufgehoben, soweit der Kläger darin zur Leistung eines Eigenanteils zu den Kosten der Eingliederungshilfe aus Landesblindengeld und Blindenhilfe herangezogen wurde. Insoweit sei der angefochtene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides rechtswidrig. Die Voraussetzungen für einen Einsatz des gewährten Blindengeldes gemäß § 88 Abs 1 Nr 1 SGB XII lägen nicht vor. Denn das Landesblindengeld stelle keine zweckbestimmte Leistung im Sinne dieser Vorschrift im Verhältnis zur Eingliederungshilfe dar. Während das Landesblindengeld ebenso wie die Blindenhilfe nach § 72 SGB XII dem Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen diene, bezwecke die dem Kläger gemäß § 54 Abs 1 Nr 2 SGB XII gewährte Eingliederungshilfe den Erwerb der Ausbildung an einer Hochschule. Die Eingliederungshilfe verfolge damit allein den Zweck, die im Zusammenhang mit dem Studium behinderungsbedingt auftretenden Erschwernisse auszugleichen, während das Landesblindengeld dem Ausgleich der übrigen, unabhängig vom Studium anfallenden behinderungsbedingten Mehraufwendungen diene. Eine Anrechnung des Landesblindengeldes auf die Leistungen der Eingliederungshilfe würde somit zu einer Benachteiligung des Klägers gegenüber nicht studierenden Empfängern von Landesblindengeld führen. Auch die Erhebung eines Kostenbeitrages aus der gemäß § 72 SGB XII gewährten Blindenhilfe komme nicht in Betracht. Die Blindenhilfe stelle nach dem Wortlaut des § 82 Abs 1 Satz 1 SGB XII bereits kein Einkommen im Sinne des SGB XII dar. Da § 88 Abs 1 SGB XII jedoch den Einsatz von Einkommen im Sinne des SGB XII regele, fehle es an einer Rechtsgrundlage für die Heranziehung zu einem Kostenbeitrag aus der Blindenhilfe.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 5. September 2008 zugestellte Urteil am 6. Oktober 2008 (Montag) Berufung eingelegt. Eine anteilige Kürzung der Hochschulhilfe (Leistung für Vorlesehilfe) sei nach den vom Niedersächsischen Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben mit Rundschreiben Nr 07/2001 herausgegebenen Richtlinien gerechtfertigt. Danach seien dann, wenn Studierende Blindengeld erhielten, die ermittelten Kosten für die Vorlesehilfe um ein Drittel zu kürzen, soweit dieser Betrag 20 % des Blindengeldes nicht übersteige. Das Landesblindengeld und auch die Blindenhilfe nach dem SGB XII dienten dem Ausgleich der Mehraufwendungen in Folge der Blindheit. Als Pauschalaufwendung bleibe Art und Zweck ihrer Verwendung dem Leistungsberechtigten grundsätzlich überlassen. Das Landesblindengeld könne dabei auch für eine Vorlesehilfe in Frage kommen. Soweit eine im Rahmen der Hochschule zu stellende Vorlesehilfe benötigt werde, handele es sich bei der Pauschalabgeltung durch das Landesblindengeld um eine andere Leistung für einen besonderen Zweck, für den sonst Sozialhilfe zu leisten wäre. Die Zweckbestimmung des Blindengeldes als Leistung, die dem Ausgleich blindheitsbedingter Mehraufwendungen und Nachteile diene, ziele darauf ab, die Folgen der Behinderung zu mindern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen. Insofern bestehe eine Deckungsgleichheit mit den Zielen der Eingliederungshilfe, auch in Form der Hilfe zum Besuch einer Hochschule. Auch das Landesblindengeld diene vorrangig der Eingliederung und Rehabilitation und nicht der Versorgung. Der geforderte Einkommenseinsatz sei durch § 88 Abs 1 Nr 1 SGB XII gerechtfertigt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 7. August 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angegriffene Urteil für zutreffend und bezieht sich auf sein erstinstanzliches Vorbringen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat nur insoweit Erfolg, als sie zur teilweisen Neufassung des Tenors des angegriffenen Urteils führt.
Das SG hat den Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 2007 zu Unrecht "aufgehoben, soweit der Kläger darin zur Leistung eines Eigenanteils zu den Kosten der Eingliederungshilfe aus Landesblindengeld und Blindenhilfe herangezogen wurde". Denn der Kläger wird nicht durch eine - isoliert anfechtbare und aufhebbare - neben der Leistungsgewährung selbstständig bestehende Regelung zur Leistung eines Kostenbeitrages herangezogen. Vielmehr werden unter teilweiser Anrechnung seines Einkommens aus "Landesblindengeld" und "Blindenhilfe" die Kosten der Vorlesehilfe nicht in vollem Umfang, sondern gekürzt um ein Drittel - höchstens um 20 % des Landesblindengeldes und der Blindenhilfe - übernommen. Damit ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage die zutreffende Klageart. Als solche ist das Begehren des Klägers, der die volle Übernahme der Kosten der Vorlesehilfe - ohne Berücksichtigung des Landesblindengeldes und der Blindenhilfe - erstrebt, aufzufassen. Die so verstandene Klage ist zulässig und begründet. Dementsprechend war der erste Absatz des erstinstanzlichen Tenors neu zu fassen, ohne dass die Berufung der Beklagten damit in der Sache Erfolg hat.
Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß §§ 53, 54 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB XII iVm § 13 Abs 1 Nr 5 EinglHVO einen Anspruch auf Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten für eine studienbedingt erforderliche Vorlesehilfe in voller Höhe ohne die streitige teilweise Anrechnung des Landesblindengeldes und der Blindenhilfe.
Der Klägers ist nicht verpflichtet, von den von ihm bezogenen Leistungen "Landesblindengeld" und "Blindenhilfe" zu den Kosten der für sein Studium erforderliche Vorlesehilfe einen Eigenanteil in Höhe eines Drittels dieser Kosten, höchstens monatlich 20 % der vorgenannten Leistungen, zu erbringen. Für die von der Beklagten vorgenommene Einkommensanrechnung gibt es keine gesetzliche Grundlage.
Gemäß § 19 Abs 3 SGB XII wird Eingliederungshilfe für behinderte Menschen - hier gemäß §§ 53, 54 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB XII iVm § 13 Abs 1 Nr 5 EinglVO durch Übernahme der Kosten für eine studienbedingt erforderliche Vorlesehilfe - geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des 11. Kapitels des SGB XII (§§ 82 bis 96) nicht zumutbar ist.
Danach darf von dem Kläger schon deshalb nicht verlangt werden, aus den Mitteln der ihm gewährten Blindenhilfe zu den Kosten der Eingliederungshilfe - Vorlesehilfe - beizutragen, weil es sich bei der Blindenhilfe als einer Leistung nach dem SGB XII gemäß § 82 Abs 1 Satz 1 SGB XII nicht um (berücksichtigungsfähiges) Einkommen handelt.
Bei dem vom Kläger bezogenen Landesblindengeld handelt es sich zwar um Einkommen im Sinne von § 82 Abs 1 Satz 1 SGB XII. Den (teilweisen) Einsatz dieses Einkommens zur Deckung der Kosten der Vorlesehilfe darf die Beklagte aber gemäß § 83 Abs 1 SGB XII nicht verlangen. Nach dieser Vorschrift sind Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur soweit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Sozialhilfe im Einzelfall demselben Zweck dient. Das Landesblindengeld wird dem Kläger aufgrund der öffentlich-rechtlichen Vorschriften des (niedersächsischen) Landesblindengeldgesetzes gewährt. Der Zweck, zu dem diese Leistung erbracht wird, ist in § 1 Abs 1 Satz 1 dieses Gesetzes ausdrücklich genannt. Danach erhalten Zivilblinde (blinde Menschen) Landesblindengeld zum Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen. Das Landesblindengeld ist also als sog. Zweckleistung nur soweit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Sozialhilfe im Einzelfall - hier die Eingliederungshilfe in Gestalt der Übernahme der Kosten der Vorlesehilfe - demselben Zweck dient. Der Zweck der sozialhilferechtlichen Einzelleistung ist anhand des konkret zu deckenden Bedarfs zu ermitteln. Zweckidentität besteht sodann in dem Umfang, in dem beide Leistungen der Deckung desselben Bedarfs dienen (Brühl in LPK-SGB XII, 8. Aufl 2008, § 83 Rdnr 5 mwN). Der Zweck der hier den entsprechenden Bedarfs des Klägers deckenden Eingliederungshilfe in Gestalt der Übernahme der Kosten einer für sein Studium erforderlichen Vorlesehilfe ergibt sich zunächst bereits aus § 53 Abs 3 SGB XII. Danach ist es unter anderem besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe, eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie soweit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen. Der Zweck, behinderten Menschen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen, findet sich in § 54 Abs 1 Nr 2 SGB XII wieder, wonach eine Leistung der Eingliederungshilfe insbesondere die hier dem Kläger gewährte Hilfe zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf einschließlich des Berufs einer Hochschule ist. Diese Hilfe umfasst gemäß § 13 Abs 1 Nr 5 EinglHVO vor allem Hilfe zur Ausbildung an einer Hochschule oder einer Akademie. Besonderer Zweck der Eingliederungshilfe in Gestalt der hier vorliegenden sogenannten Hochschulhilfe ist es, alle behinderungsbedingten Hindernisse und Erschwernisse auszuräumen, die dem Hochschulbesuch entgegenstehen. Damit dient die dem Kläger gewährte Eingliederungshilfe in Gestalt der Übernahme der Kosten der für sein Hochschulstudium erforderlichen Vorlesehilfe nicht (auch nicht teilweise) demselben Zweck wie das pauschal den Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen bezweckenden und stark versorgungsrechtliche Züge aufweisende Landesblindengeld (vgl. ebenfalls eine Zweckidentität von Eingliederungshilfe und Landesblindengeld verneinend: OVG Lüneburg, Urteil vom 13. März 1968 - IV OVG A 150/67 - FEVS, 16, 426; BVerwG, Urteil vom 5. November 1969 - V C 43.69 -, juris Rn. 14; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20. April 1988 - 6 S 2217/86 -, FEVS 38, 247). Seine von der Beklagten bei der Gewährung der Eingliederungshilfe vorgenommene Berücksichtigung als Einkommen verstößt daher gegen § 83 Abs 1 SGB XII. Die streitige teilweise "Anrechnung" des Landesblindengeldes auf die Eingliederungshilfeleistung ist auch unbillig, weil das Landesblindengeld (als vorrangige gleichartige Leistung gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 SGB XII) in der gewährten Höhe (220,00 EUR) an die Stelle der Blindenhilfe getreten ist und diese gemäß § 82 Abs 1 Satz 1 SGB XII nicht als Einkommen anzurechnen ist (vgl. auch OVG Lüneburg, aaO., 428).
Auf die von der Beklagten herangezogene Vorschrift des § 88 Abs 1 Nr 1 SGB XII kommt es nach alledem nicht mehr an. Unabhängig davon sind die Voraussetzzungen dieser Vorschrift, nach deren Rechtsfolge die Aufbringung der Mittel auch verlangt werden kann, soweit das Einkommen unter der Einkommensgrenze liegt, wegen der - wie oben ausgeführt - fehlenden Zweckidentität zwischen dem Landesblindengeld und der dem Kläger gewährten Eingliederungshilfe nicht erfüllt.
Die Beklagte beruft sich zur Begründung ihrer Auffassung, zwischen dem Landesblindengeld und der Eingliederungshilfe bestehe die von § 88 Abs 1 Nr 1 SGB XII geforderte Zweckidentität, zu Unrecht auf die Kommentierung von Lippert in Mergler/Zink, SGB XII, 7. Lieferung, Stand Januar 2007, § 88 Rdnr 11 a. E.). Denn darin ist lediglich angegeben - woran kein Zweifel besteht -, dass das Zivilblindengeld nach den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften eine "andere Leistung für einen besonderen Zweck" im Sinne von § 88 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII ist. Weiterhin ergibt sich aus der Nennung der Vorschrift des § 72 Abs 1 SGB XII als lex spezialis lediglich, dass eine Zweckidentität zwischen Zivilblindengeld und Blindenhilfe nach dem SGB XII angenommen wird, woran ebenfalls kein Zweifel besteht.
Eine Berücksichtigung des Landesblindengeldes als Einkommen gemäß §§ 83 Abs 1, 88 Abs 1 Nr 1 SGB XII könnte selbst dann nicht in einer diesen Vorschriften entsprechenden Weise erfolgen, wenn man es - wie die Beklagte - für die erforderliche Zweckidentität genügen lassen würde, dass zu den durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen, deren Ausgleich das Landesblindengeld bezweckt, auch die Kosten einer studienbedingt erforderlichen Vorlesekraft gehören. Denn in welchem Umfang eine Zweckidentität mit der Eingliederungshilfe in Gestalt der Übernahme der Vorlesekraftkosten bestünde - in welcher Höhe also das Landesblindengeld als Einkommen zu berücksichtigen wäre - ließe sich nicht entsprechend diesen Vorschriften ("soweit") bestimmen (sondern lediglich - wie hier mit 1/3 der Kosten, höchstens 20 % des Landesblindengeldes - willkürlich festlegen), weil das Landesblindengeld pauschal für den Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen gewährt wird und es keinen zweckbestimmten (anteiligen) Landesblindengeldbetrag zur Deckung der Kosten einer Vorlesekraft gibt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gerichtskosten werden in Sozialhilfeverfahren der vorliegenden Art nicht erhoben.
Ein Revisionszulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 SGG besteht nicht.