Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 27.01.2011, Az.: L 8 SO 195/08

Für Klage auf Übernahme ungedeckter Pflegekosten fehlt dem Ehepartner des Pflegebedürftigen die Klagebefugnis; Klagebefugnis des Ehepartners im Streit auf Übernahme ungedeckter Pflegekosten; Anspruch auf Sozialhilfe; Verwertbarkeit von Vermögen in einer gemischten Bedarfsgemeinschaft

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
27.01.2011
Aktenzeichen
L 8 SO 195/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 23659
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2011:0127.L8SO195.08.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Lüneburg - 07.10.2008 - AZ: S 22 SO 248/07

Fundstellen

  • ZfF 2012, 139
  • info also 2012, 142

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Für eine Klage auf Übernahme ungedeckter Pflegekosten fehlt dem Ehepartner des Pflegebedürftigen die Klagebefugnis.

  2. 2.

    Die vom BSG (vgl BSG vom 18.3.2008 - B 8/9b SO 11/06 R = BSGE 100, 139) entwickelten Grundsätze zur Verwertbarkeit von Vermögen in einer gemischten Bedarfsgemeinschaft können nicht auf Fälle übertragen werden, in denen keiner der Partner leistungsberechtigt nach dem SGB II ist. Die theoretische Möglichkeit eines späteren Leistungsanspruchs ist nicht ausreichend; dies würde zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Ausdehnung der als Einzelfallnorm geschaffenen, auf atypische Einzelfälle zielenden Härtevorschrift in § 90 Abs. 3 SGB XII führen. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]

Tenor:

Die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 7. Oktober 2008 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren vom Beklagten die Übernahme ungedeckter Pflegeheimkosten, die seit Unterbringung des Klägers in einem Pflegeheim monatlich anfallen, ohne Berücksichtigung des Vermögens der Klägerin.

2

Der im Dezember 1933 geborene Kläger wurde am 27. August 2007 im Pflegeheim H., I., aufgenommen. Seine im Februar 1945 geborene Ehefrau, die Klägerin, wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Winsen/Luhe vom September 2007 zu seiner Betreuerin bestellt; die Betreuung umfasste auch die Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten. Die Pflegeheimkosten beliefen sich nach der im Klageverfahren vorgelegten Abrechnung für den Monat Juli 2008 auf 2.671,87 EUR monatlich; abzüglich des von der Pflegekasse gewährten Pflegegeldes bei Pflegestufe II von 1.279,00 EUR verblieb ein monatlicher Betrag von 1.393,09 EUR, der von der Klägerin regelmäßig überwiesen wurde.

3

Der Kläger bezog seit der Rentenanpassung zum 1. Juli 2007 eine Altersrente der deutschen Rentenversicherung in Höhe von 724,99 EUR monatlich inklusive eines Zuschusses zur Krankenversicherung von 47,75 EUR. Die Klägerin erzielte aufgrund einer Beschäftigung in der Gastronomie, die sie seit 1. Oktober 1996 ausübte, ein Nettoeinkommen von 1.129,55 EUR monatlich. Seit Vollendung des 65. Lebensjahres bezieht sie eine Altersrente der Deutschen Rentenversicherung; zuletzt in Höhe von 735,56 EUR netto. Die Kläger sind je zur Hälfte Erbbauberechtigte eines mit einem Reihenhaus bebauten Grundstücks in Seevetal/Maschen, Flur 4, Flurstück 446/1, mit einer Größe von 229 qm. Die Wohnfläche des Hauses, in dem die Klägerin weiterhin wohnt, beläuft sich nach Angaben der Klägerin auf ca 100 qm. Das Grundstück ist nach einer letzten Darlehensablösung in Höhe von 14.855,49 EUR im September 2007 lastenfrei.

4

Mit dem Antrag auf Gewährung von Hilfe zur Pflege vom 27. August 2007 legten die Kläger weitere Nachweise über Kontostände auf verschiedenen Konten der J. und der K. vor. Die Konten waren sämtlich auf den Namen der Klägerin angelegt, laut ihrer Angabe hatte der Kläger kein eigenes Konto gehabt. Danach verfügte die Klägerin am 30. August 2007 über Vermögen auf ihren Konten bei der K.:

Girokonto Nr L.:

3.369,90 EUR

Girokonto Nr M.

16.674,00 EUR

Sparkonto Nr N.

7.272,00 EUR

Sparkonto Nr O.

10.000,00 EUR

Termingeld Konto

13.000,00 EUR

5

Von dem Konto M. wurden am 17. September 2007 14.855,49 EUR wegen der Darlehenstilgung umgebucht, sodass noch ein Guthaben in Höhe von 1.819,36 EUR bestand. Bei der P. verfügte die Klägerin über folgende Konten:

Konto Nr Q.:

1.712,79 EUR und

Konto Nr R.

14.662,50 EUR.

6

Bei letzterem handelte es sich um ein Wertpapier-Depot. Schließlich bestand für die Klägerin ein Bausparvertrag bei der S., Versicherungsnummer T., dessen angesparter Betrag 2.998,93 EUR betrug.

7

Mit Bescheid vom 17. Oktober 2007 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte er aus, die Kläger verfügten über Spar- und Bankguthaben in Höhe von insgesamt 51.836,55 EUR zuzüglich der Bausparsumme. Dieses Guthaben stelle Vermögen dar, welches bis auf den Freibetrag von 3.214,00 EUR vorrangig für die Heimunterbringung des Klägers einzusetzen sei. Hiergegen erhoben die Kläger am 23. Oktober 2007 Widerspruch. Einerseits sei von dem Vermögen zwischenzeitlich eine Hypothek in der Größenordnung von rund 14.000,00 EUR zurückgeführt worden, andererseits liege eine gemäß § 90 Abs 3 SGB XII zu beachtende Härte vor, weil für die Klägerin bei der geforderten Vermögensverwertung die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde. Die Klägerin selbst sei lange Zeit bei dem Kläger mit einem relativ geringen Gehalt angestellt gewesen. Nach der letzten Auskunft des Rentenversicherungsträgers habe sie eine Altersrente von ca 800,00 EUR zu erwarten. Sie sei jetzt 62 Jahre alt und habe keine Möglichkeit mehr, bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Rücklagen zu bilden. Auf diesen Fall sei § 12 Abs 2 Nr 1 SGB II zumindest entsprechend anwendbar, weil die Klägerin insoweit einem erwerbsfähigen SGB II - Empfänger gleichgestellt werden müsse. Dann würde sich ein Vermögensschonbetrag von 26.000,00 EUR ergeben.

8

Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. November 2007 zurück. Es verbleibe unter Berücksichtigung des Betrages, der zur Ablösung eines Darlehens verwendet worden sei, sowie nach Abzug des Vermögensfreibetrages noch ein Vermögen in Höhe von 48.621,60 EUR. Die Alterssicherung der Klägerin werde im Wesentlichen nicht aus dem Vermögen, sondern aus der zu erwartenden Rente von ca 800,00 EUR sichergestellt. Es müsse beachtet werden, dass die Klägerin in einem nunmehr lastenfreien Reihenhaus wohne, das ihr und ihrem Ehemann jeweils zur Hälfte gehöre. Sie verfüge deshalb neben den Renteneinkünften über eine weitere Alterssicherung. Das Barvermögen sei nicht als Alterssicherung angelegt worden, sondern jederzeit verfügbar und verwertbar. Eine Zweckbindung bezüglich der Alterssicherung sei weder erkennbar noch nachgewiesen worden. Deshalb komme die Anerkennung einer Härte im Sinne des § 90 Abs 3 SGB XII nicht in Betracht. Eine analoge Anwendung der Vorschriften des SGB II sei nicht möglich. Der Kläger benötige das Vermögen, um seinen eigenen Lebensunterhalt in der Pflegeeinrichtung sicherzustellen, da sein Einkommen nicht ausreiche, die ungedeckten Heimkosten zu begleichen.

9

Die Kläger haben am 28. Dezember 2007 Klage erhoben mit der Begründung, nach ihrer Rechtsansicht sei das vorhandene Vermögen nicht einzusetzen. Einerseits stünden sämtliche Kontoguthaben im Alleineigentum der Klägerin. Die Eheleute lebten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Auch in unterhaltsrechtlicher Hinsicht sei die Klägerin nicht verpflichtet, ihren Vermögensstamm zugunsten des Klägers einzusetzen, weil dadurch ihr eigener angemessener Unterhalt, insbesondere ihre eigene Altersvorsorge, gefährdet und letztlich zunichte gemacht würde. Selbst wenn es sich um einzusetzendes Vermögen handele, wäre zumindest eine atypische Situation gegeben, die eine Härte im Sinne des § 90 Abs 3 SGB XII darstelle. Die Klägerin habe ihr Leben lang gespart, um im Alter einen angemessenen Standard aufrechterhalten zu können. Erfahrungsgemäß sei im Alter mit höheren Kosten der Lebensführung zu rechnen. Die Klägerin sei bereits 62 Jahre alt und werde in absehbarer Zeit aus dem aktiven Berufsleben ausscheiden und dann ihre noch vorhandenen Ersparnisse selbst benötigen. Im Klageverfahren hat die Klägerin die Auskunft der K. vom 14. Juli 2008 über die aktuellen Kontostände vorgelegt. Danach belief sich der Kontostand auf dem Girokonto auf 356,44 EUR, auf dem Sparkonto M. auf 5.100,00 EUR, auf dem Sparkonto O. auf 10.275,00 EUR und auf dem Termingeldkonto U. auf 13.000,00 EUR. Nach der Auskunft der K. war das Geld auf dem Termingeldkonto bis zum 19. März 2009 festgelegt, es könne nicht vorher darüber verfügt werden. Die Verwertung des Bausparvertrages hätte den rückwirkenden Verlust aller bereits gewährten Wohnungsbauprämien zur Folge. Bei einer sofortigen Kündigung des Bausparvertrages betrage der Erlös 3.229,00 EUR.

10

Laut Auskunft der J. belief sich der Kontostand auf dem Sparbuch der Klägerin am 8. Juli 2008 auf 727,72 EUR und der Stand des Wertpapier-Depots auf 14.692,50 EUR. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG Lüneburg vom 7. Oktober 2008 hat die Klägerin erklärt, das Termingeldkonto von 13.000,00 EUR sei noch unangetastet. Ebenfalls sei auf dem Sparkonto bei der Volksbank noch ein Betrag in Höhe von 10.000,00 EUR vorhanden.

11

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 7. Oktober 2008 abgewiesen. Es hat darauf hingewiesen, dass gemäß § 19 Abs 3 SGB XII auch bei ergänzenden Leistungen der Hilfe zur Pflege nach § 61 SGB XII das Einkommen und Vermögen des Leistungsberechtigten und seines nicht getrennt lebenden Ehegatten heranzuziehen sei. Die über den Vermögensfreibetrag von 3.214,00 EUR hinausgehenden Vermögenswerte von insgesamt 51.385,60 EUR am Tag der Antragstellung und mindestens 23.000,00 EUR am 7. Oktober 2008 seien nach den Vorschriften des § 90 Abs 1, Abs 3 SGB XII voll verwertbar und nicht durch das Vorliegen einer Härte geschützt. Es sei nicht nachgewiesen, dass das Vermögen der Klägerin von vornherein zum Zweck der Alterssicherung angelegt worden sei. Die Vermögenspositionen seien sofort auflösbar und verwertbar. Unabhängig davon ergebe eine Gesamtbetrachtung, dass eine hinreichende Alterssicherung bestehe. Der Kläger beziehe eine Altersrente in Höhe von 724,99 EUR, die Klägerin ein Einkommen von 1.060,55 EUR, sodass der Einsatzgemeinschaft ein monatliches Gesamteinkommen von knapp 1.800,00 EUR zur Verfügung stehe. Hierzu trete der Vorteil des kostenfreien Wohnens der Klägerin. Damit sei eine Lebensführung deutlich oberhalb des Sozialhilfeniveaus möglich.

12

Gegen das am 15. Oktober 2008 zugestellte Urteil haben die Kläger am 16. November 2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung haben sie im Wesentlichen auf die Freibetragsregelung des "§ 11 Abs 2 Nr 1 SGB II" hingewiesen. Bei einer Heranziehung des Vermögens der Klägerin würden die Kläger schlechter gestellt werden als ein vergleichbares Ehepaar, welches Leistungen nach dem SGB II beziehe. Zur Klagebefugnis der Klägerin führen sie aus, wenn die Ablehnung der Leistungen nur den Kläger betreffe, liege in diesem Fall gegenüber der Klägerin ein Verwaltungsakt mit Drittwirkung vor, da der Verwaltungsakt zumindest mittelbar in die eigene geschützte Interessensphäre der Klägerin eingreife und ihre rechtlichen Interessen berühre. In Fallkonstellationen dieser Art bestehe die Notwendigkeit einer förmlichen Beteiligung des Betroffenen im Verwaltungsverfahren. Dementsprechend stehe der Klägerin nach Artikel 19 Abs 4 Grundgesetz eine entsprechende Klagebefugnis zu.

13

Am 8. Oktober 2008 haben die Kläger beim Beklagten erneut beantragt, beginnend "mit dem heutigen Tage" (dem 8. Oktober 2008) die ungedeckten Pflegeheimkosten für den Kläger aus Sozialhilfemitteln zu übernehmen. Auf diesen Antrag hat der Beklagte mit Schreiben vom 14. Oktober 2008 geantwortet, eine erneute Entscheidung über den jetzt gestellten Antrag sei nicht geboten, da aus den eingereichten Antragsunterlagen keine Änderung der Sach- bzw Rechtslage erkennbar sei. An der ablehnenden Entscheidung halte er fest und verweise auf den bereits ergangenen Bescheid vom 17. Oktober 2007. Er verweise ebenfalls auf § 46 Abs 1 SGB X, wonach ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden könne, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts neu erlassen werden müsste. Dies treffe im Fall der Kläger zu. Gegen den Bescheid vom 14. Oktober 2008 haben die Kläger Widerspruch eingelegt; das Widerspruchsverfahren ruht.

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Die Kläger beantragen,

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1) das Urteil des SG Lüneburg vom 7.Oktober 2008 sowie den Bescheid des Beklagten vom 17. Oktober 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2007 aufzuheben,

16

2) den Beklagten zu verurteilen, die ungedeckten Pflegeheimkosten des Klägers im Zeitraum vom 27. August 2007 bis 7. Oktober 2008 zu übernehmen.

17

Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

19

Er verweist darauf, dass es sich bei den Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII um unterschiedliche Sachverhalte handele, die auch unterschiedliche Einkommens- und Vermögensanrechnungsvorschriften bedingten. Eine Ungleichbehandlung der Kläger gegenüber erwerbsfähigen SGB II-Leistungs-beziehern sei deshalb nicht gegeben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

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Die Berufungen der Klägerin und des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 7. Oktober 2008 sind statthaft und auch ansonsten zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, aber unbegründet. Sie waren deshalb zurückzuweisen.

22

Die Berufung der Klägerin ist bereits deshalb unbegründet, weil ihre Klage unzulässig war. Die Klägerin ist nicht befugt, den Anspruch des Klägers auf Hilfe zur Pflege im eigenen Namen geltend zu machen: Richtige Klageart für das Begehren ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs 4 SGG. Die Klagebefugnis bei dieser Klageart setzt voraus, dass ein Rechtsanspruch auf die Leistung und eine Beschwer durch den entgegenstehenden (ablehnenden) Verwaltungsakt behauptet wird. An einer Beschwer fehlt es, wenn die geltend gemachte Leistung unter keinem Gesichtspunkt zustehen kann. Die Klägerin kann nicht geltend machen, dass sie selbst einen Rechtsanspruch auf die begehrte Leistung (Übernahme der ungedeckten Heimkosten) hat. Ein solcher Anspruch steht nach den Vorschriften des 7. Kapitels des SGB XII (Hilfe zur Pflege) lediglich denjenigen Personen zu, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen (§ 61 Abs 1 Satz 1 SGB XII). Nur diese Personen sind leistungsberechtigt. Die Klägerin beruft sich zu Unrecht zur Begründung ihrer Klagebefugnis auf ihre - vermeintliche - Drittbetroffenheit. Die Ablehnung der Gewährung von Sozialhilfe (hier Hilfe zur Pflege) unter Verweis auf die zumutbare Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen des Ehegatten nach dem 11. Kapitel SGB XII (§ 19 Abs 3 SGB XII) stellt sich gegenüber dem vermögenden Ehegatten nicht als Verwaltungsakt mit Drittwirkung dar. Unabhängig von dieser Entscheidung ist die Klägerin verpflichtet, ihrem Ehemann Unterhalt zu gewähren, und zwar auch durch Zahlung des erforderlichen Betreuungs- und Pflegeaufwandes (§ 1360a BGB; vol u. a. Weber-Monecke in Münchner Kommentar, 5. Aufl 2010, § 1360a BGB RdNr 5 m.w.N.). Der hier streitige Bescheid wirkt sich damit für die Klägerin weder rechtlich noch tatsächlich aus. Im Übrigen muss eine Rechtsvorschrift, auf die sich eine klagende Person beruft, auch ihre Individualinteressen zu schützen bestimmt sein. Im Sozialhilferecht trifft dies auf den mit seinem Einkommen und Vermögen vorrangig eintretenden Ehegatten nicht zu; die Leistungsberechtigung nach dem SGB XII schützt lediglich die Individualinteressen der aus unterschiedlichen Gründen Leistungsberechtigten (z. B. der Pflegebedürftigen gemäß § 61 Abs 1 Satz 1 SGB XII). Sie schützt jedoch nicht die wirtschaftlichen Interessen der gemäß § 19 Abs 1 bis Abs 3 SGB XII Einsatzpflichtigen. Auch deshalb fehlt der Klägerin für die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage, gerichtet schwerpunktmäßig auf Leistung, nämlich Übernahme ungedeckter Pflegekosten, die Klagebefugnis (vgl hierzu auch BSG-Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 14 AS 51/09 R - Rdnr 11 zur fehlenden Klagebefugnis eines selber nicht leistungsberechtigten Mitglieds einer Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II).

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Die Berufung des Klägers ist ebenfalls nicht begründet.

24

Zu entscheiden ist auf Grund des ausdrücklich gestellten Antrags über die Zeit vom Tag der Unterbringung des Klägers im Pflegeheim I., dem 27. August 2007, bis zum 7. Oktober 2008. Der den am 8. Oktober 2008 gestellten neuen Antrag auf Leistungen der Hilfe zur Pflege ablehnende Bescheid vom 14. Oktober 2008 ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens nach § 96 SGG geworden, weil er den Bescheid vom 17. Oktober 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2007 weder abändert noch ersetzt. Er beendet jedoch den Zeitraum, für den die erste ablehnende Entscheidung Wirkung entfaltet (vgl hierzu BSG-Urteil vom 31. Oktober 2007 B 14/11b AS 59/06 R, NJW 2008, 2458; Urteil vom 9. November 2010 - B 4 AS 7/10 R - Rdnr 12, juris), so dass auch ohne den ausdrücklich gestellten Antrag eine Entscheidung des Senats über die Zeit nach dem 7. Oktober 2008 hier nicht möglich gewesen wäre.

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Der Kläger hat (unabhängig von der hier streitigen Bedürftigkeit) dem Grunde nach Anspruch auf ergänzende Hilfe zur Pflege gemäß § 61 Abs 1 Satz 1 SGB XII in Gestalt der Übernahme der ungedeckten Heimkosten, die für seine stationäre Pflege (§ 61 Abs 2 Satz 1 SGB XII) anfallen. Hilfe zur Pflege wird geleistet, soweit den Leistungsberechtigten und ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des 11. Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist (§ 19 Abs 3 SGB XII). § 90 SGB XII bestimmt den Vermögenseinsatz. Danach ist einzusetzen das gesamte verwertbare Vermögen (§ 90 Abs 1 SGB XII). Die Ehefrau des Klägers verfügte im Zeitpunkt der Antragstellung über Vermögen in Höhe von gesamt 16.375,29 EUR auf dem Sparkonto und dem Wertpapier-Depot bei der P. sowie auf den verschiedenen Konten bei der V. in Höhe von 35.461,26 EUR (bereits abzüglich der zur Darlehenstilgung im September 2007 verwendeten Summe) und über einen Betrag in Höhe von 2.998,93 EUR auf dem Bausparkonto, gesamt also 54.835,48 EUR. Abzüglich des Vermögensschonbetrages gemäß § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII iVm § 1 Abs 1 Nr 1b, Nr 2 VO zu § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII (in der Fassung des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl I, 3022) in Höhe von 3.214,00 EUR verblieb ein Betrag in Höhe von 51.621,48 EUR. Bei dieser Summe kann dahinstehen, ob es sich bei dem Betrag von knapp 3.000,00 EUR auf dem Bausparkonto bei der S. um verwertbares Vermögen handelte. Ebenfalls kann dahinstehen, ob der Betrag auf dem Termingeldkonto von 13.000,00 EUR für den Lebensunterhalt aktuell einsetzbar war. Die Klägerin hat eine entgegenstehende Mitteilung der V. vorgelegt, nach der sie über diesen Betrag erst im März 2009 verfügen konnte. Auch abzüglich dieser beiden Posten verblieb es bei einem einzusetzenden und verwertbaren Vermögen in Höhe von insgesamt 35.622,55 EUR. Am 7. Oktober 2008 war jedenfalls noch das Konto bei der V. mit einem Guthabenbetrag von 10.000,00 EUR unangetastet, ebenso das Termingeldkonto mit dem am 1. März 2009 verfügbaren Betrag von 13.000,00 EUR, wie die Ehefrau des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem SG Lüneburg bestätigt hat.

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Auf die Schutzvorschrift des § 90 Abs 3 SGB XII kann sich der Kläger, wie das SG bereits zutreffend festgestellt hat, nicht mit Erfolg berufen. Danach darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Dies ist bei Leistungen nach dem 5. bis 9. Kapitel insbesondere der Fall, wenn eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde. Die Härtevorschrift des Abs 3 hat atypische Fallgestaltungen im Blick, die mit den Regelbeispielen des Abs 2 vergleichbar sind und zu einem den Leitvorstellungen des Abs 2 entsprechenden Ergebnis führen. Demzufolge liegt eine Härte vor, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles eine an sich typische Vermögenslage deshalb zu einer atypischen wird, weil die soziale Stellung des Hilfesuchenden vor allem wegen seiner Behinderung, Krankheit oder Pflegebedürftigkeit nachhaltig beeinträchtigt ist (Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, 18. Aufl, SGB XII, § 90 Rdnr 91). Die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wird insbesondere dann wesentlich erschwert, wenn aus den Vermögensgegenständen die spätere Altersversorgung des Leistungsberechtigten oder anderer Personen der Einsatzgemeinschaft sichergestellt werden soll und wenn im Fall der Verwertung des Vermögens die angemessene Lebensführung im Alter gefährdet würde. Eine solche Gefährdung der angemessenen Lebensführung im Alter kann im Fall der Ehefrau des Klägers nicht festgestellt werden, worauf schon das SG und auch der Beklagte im Widerspruchsbescheid hingewiesen haben. Denn die angemessene Alterssicherung der Ehefrau des Klägers wird im Wesentlichen durch deren eigene Rente und durch ihre Erbbauberechtigung an dem inzwischen lastenfreien Reihenhaus sichergestellt. Mit diesem ihr verbleibenden Einkommen und Vermögen kann die Ehefrau des Klägers eine Altersversorgung oberhalb des sozialhilferechtlichen Bedarfs sicherstellen. Unabhängig davon ist eine Zweckbindung des Vermögens der Ehefrau des Klägers für die Alterssicherung nicht nachgewiesen worden.

27

Der Einsatz des Vermögens der Klägerin kann auch nicht aus anderen Gründen als Härte im Sinne des § 90 Abs 3 SGB XII angesehen werden. Insbesondere kann sich der Kläger nicht mit Erfolg auf die Vermögensschonvorschrift des § 12 Abs 2 Nr 1 iVm § 65 Abs 5 SGB II beziehen (Schonung von 520 EUR pro vollendetem Lebensjahr des volljährigen Hilfebedürftigen und seines Partners, wenn sie vor dem 1.1.1948 geboren sind, maximal 33.800 EUR pro Person). Das SGB II findet im hier zu entscheidenden Fall weder direkt noch indirekt Anwendung. Der 1933 geborene Kläger ist wegen Überschreiten der Altersgrenze gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II ohnehin nicht anspruchsberechtigt nach dem SGB II, die in der streitigen Zeit erwerbstätige Klägerin war bei einem Nettoeinkommen von über 1.100,00 EUR nicht hilfebedürftig im Sinne der §§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3, 9 SGB II. Sie bildeten damit keine sog "gemischte Bedarfsgemeinschaft", so dass die Entscheidung des BSG im Urteil vom 18. März 2008 (B 8/9b SO 11/06 R, BSGE 100, 139ff) zur Frage der Verwertbarkeit eines PKW als Vermögen in einer gemischten Bedarfsgemeinschaft hier nicht herangezogen werden kann. Das BSG hatte sich dort wie folgt geäußert: "Müsste der SGB II - Leistungsberechtigte, der in einer gemischten Bedarfsgemeinschaft lebt, sein KFZ nach § 90 Abs 1 SGB XII zur Deckung des Bedarfs des Partners, der Leistungen nach dem SGB XII bezieht, einsetzen, ohne sich auf eine Härte stützen zu können, ginge die Regelung des § 12 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB II ins Leere und würde in einer solchen Fallgestaltung gänzlich entwertet". Insoweit ist zudem fraglich, ob diese Erwägung auch für den Einsatz des Grundfreivermögens nach § 12 Abs 2 Nr 1 SGB II gilt. Das BSG hat sich zu dieser Frage bisher nicht geäußert; anhängig sind derzeit nur Revisionsverfahren, die die Frage des Einsatzes des den notwendigen Lebensunterhalt überschreitenden Erwerbseinkommens des Leistungen nach dem SGB II beziehenden Ehegatten betreffen (B 8 SO 20/09 R; B 8 SO 17/10 R; s. hierzu auch Senatsbeschluss vom 16. September 2010, L 8 SO 172/10 B.)

28

Eine Übertragung der o. g. Erwägungen auf Fälle, in denen wie hier keiner der Partner leistungsberechtigt nach dem SGB II ist, kommt nach Auffassung des Senats nicht in Betracht. Der mit den höheren Vermögensschonbeträgen des § 12 Abs 2 Nr 1 SGB II beabsichtigte Zweck, nämlich Vorsorge ggf. auch für den Partner treffen zu können und Anreize für die Wiederaufnahme einer Arbeit zu schaffen, kann gerade nicht erreicht werden. Außerdem würde eine Einbeziehung von Fällen, in denen gar keine gemischte Bedarfsgemeinschaft besteht, sondern nur bei Erwerbslosigkeit des Partners des Sozialhilfeberechtigten bestehen könnte, in den Anwendungsbereich des § 90 Abs 3 S 1 SGB XII zu einer Überdehnung dieser Vorschrift als Härtefallnorm führen (so auch SG Berlin, Beschluss vom 23. Februar 2007, S 51 SO 249/07 ER, ZfF 2008, 89ff). Würde man Erwerbstätige, die mit einem Leistungsempfänger nach dem SGB XII zusammenleben, grundsätzlich "wie" Leistungsempfänger nach dem SGB II behandeln und zugleich in Fällen gemischter Bedarfsgemeinschaften regelhaft über die Härtevorschrift des § 90 Abs 3 SGB XII die Vermögensschonbeträge des § 12 Abs 2 Nr 1 SGB II - hier iVm § 65 Abs V SGB II - zur Geltung kommen lassen, führte dies zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Ausdehnung der als Einzelfallnorm geschaffenen, auf atypische Einzelfälle zielenden Härtevorschrift in § 90 Abs 3 SGB XII.

29

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

30

Gerichtskosten werden in Verfahren dieser Art nicht erhoben.

31

Ein Grund, die Revision zuzulassen, liegt nicht vor (§ 160 Abs 2 SGG).