Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 11.02.2011, Az.: L 4 KR 256/10

Keine Einstufbarkeit eines VocaStim-Trainers zur Behandlung einer Stimmbandlähmung als Heilmittel gem. § 33 Abs. 1 SGB V, sondern als Hilfsmittel i.R. einer neuen Behandlungsmethode

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
11.02.2011
Aktenzeichen
L 4 KR 256/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 42377
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2011:0211.L4KR256.10.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Braunschweig - 30.04.2010 - AZ: S 31 KR 53/07

Fundstellen

  • MedR 2011, 428
  • NZS 2011, 386

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Der VocaStim-Trainer zur Behandlung einer Stimmbandlähmung ist kein Heilmittel im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB V, sondern ein Hilfsmittel im Rahmen einer neuen Behandlungsmethode.

  2. 2.

    Eine gesetzliche Krankenkasse ist nicht verpflichtet, einen Versicherten im häuslichen Bereich mit einem VocaStim-Trainer zu versorgen.

In dem Rechtsstreit
A...,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte B...,
gegen
BKK ESSANELLE,
Zugspitzstraße 181, 86165 Augsburg,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
hat der 4. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen
am 11. Februar 2011 in Celle
gemäß § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
durch die Richterin Schimmelpfeng-Schütte - Vorsitzende -,
den Richter Schreck und den Richter Kreschel
beschlossen:

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Kostenübernahme für ein Reizstromgerät zur Stimulation der Stimmbänder, welches zur Eigenanwendung im häuslichen Bereich eingesetzt werden soll.

Der im Jahre 1969 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Er leidet an einer linksseitigen Rekurrensparese (Stimmbandlähmung), wodurch die Modulationsfähigkeit und Belastbarkeit der Stimme beeinträchtigt wird. Zur Behandlung des Leidens wurde zunächst eine klassische Stimmtherapie in einer logopädischen Praxis durchgeführt, die jedoch keinen zufrieden stellenden Verlauf nahm.

Am 4. März 2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Kostenübernahme für ein Reizstromgerät "Physiomed VocaStim-Trainer". Beigefügt war eine Bescheinigung des ärztlichen Direktors der Klinik und Poliklinik für Phoniatrie und Pädaudiologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) Prof. C., wonach bei dem Kläger mehrmals täglich Phonationsübungen bei gleichzeitiger Reizstromapplikation durchgeführt werden sollten. Die Einstellung der Reizstromparameter müsse wöchentlich erfolgen. Um dem Kläger die mehrmalige tägliche Anfahrt zur Therapie in der MHH zu ersparen, solle eine leihweise Versorgung mit dem Gerät im häuslichen Bereich erfolgen. Dem Antrag war ferner ein Kostenvoranschlag des Medizintechnikvertriebes D. beigefügt, nach dem sich die Leihkosten für eine Behandlungszeit von drei Monaten auf 1.078,80 Euro beliefen. Ferner wurden im Laufe des Antragsverfahrens durch den Kläger mehrere Stellungnahmen des Prof. C. beigefügt, die sich im Wesentlichen mit der Art der Therapieform und dem hierzu vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisstand auseinandersetzen.

Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Niedersachsen (MDKN) mit der gutachterlichen Würdigung. Dieser führte mit Gutachten vom 24. März 2006, 1. Juni 2006 und 14. September 2006 aus, dass ausreichend erprobte und bewährte Verfahren zur Therapie einer Rekurrensparese zur Verfügung stünden. Das beantragte Therapiegerät sei im Hilfsmittelverzeichnis zur Abgabe von Stimmtherapie bzw zur Unterstützung der Therapie einer Stimmbandparese nicht enthalten. In die bestehenden Produktarten könne es nicht eingeordnet werden. Die Anwendung des Gerätes erfolge im Rahmen einer neuen Behandlungsmethode, die bisher durch den Gemeinsamen Bundesausschuss nicht positiv bewertet worden sei. Ferner lägen auch keine ausreichenden Nachweise zur Wirksamkeit der Methode vor. Gestützt auf diese Aussagen wies die Beklagte den Antrag durch Bescheide vom 3. April, 16 Juni und 20. September 2006 zurück.

Der Kläger erhob Widerspruch, den er insbesondere durch die Bezugnahme auf die beigebrachten Stellungnahmen des Prof. C. begründete. Die Beklagte gewann hieraus keine abweichenden Erkenntnisse und wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2007 als unbegründet zurück. Nach § 135 Abs 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) dürften neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss eine positive Empfehlung abgegeben habe.

Eine solche Empfehlung läge hier jedoch nicht vor.

Mit seiner hiergegen am 27. Februar 2007 vor dem Sozialgericht (SG) Braunschweig erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, es handele sich nicht um eine neue Behandlungsmethode, sondern lediglich um die Abwandlung einer bereits allgemein anerkannten Behandlungsmethode. Dies ergebe sich aus den Stellungnahmen des Prof. C. und aus dessen Veröffentlichungen aus den Jahren 2005 und 2009 (Ptok/Starck, "Zur klassischen Stimmtherapie versus Elektrostimulationstherapie bei einseitiger Rekurrensparese" in HNO 2005, 1092 ff und HNO 2009, 1157 ff). Die beantragte Therapie sei im Falle des Klägers notwendig, da die bis zum Jahre 2007 in Anspruch genommene Stimmtherapie in einem Umfange von 50 Stunden nicht zum Erfolg geführt hätte.

Das SG hat die Klage durch Urteil vom 30. April 2010 abgewiesen. Ob es sich bei dem VocaStim-Trainer um ein neues Heilmittel oder eine neue ärztliche Behandlungsmethode handele, könne im Ergebnis offen bleiben, da in beiden Fällen die Anerkennung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss gem. § 135 SGB V bzw. § 138 SGB V fehle.

Gegen das am 10. Mai 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 7. Juni 2010 Berufung bei dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen eingelegt. Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem Klageverfahren. Zusammenfassend ist er der Auffassung, dass es sich bei der Gestellung des VocaStim-Trainers nicht um ein neues Heilmittel handele, sondern um eine Unterform der in den Heilmittel-Richtlinien verordnungsfähigen Therapiemaßnahmen. Die Elektrostimulationstherapie bei Stimmlippenlähmung sei in Praxen, Krankenhäusern und Reha-Kliniken verbreitet. Zudem überreicht er weitere Ausführungen des Prof. C. und betont, dass nicht nur eine einzige Studie zu der streitbefangenen Problematik vorliege.

Der Kläger beantragt,

  1. 1.

    das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 30. April 2010 sowie die Bescheide der Beklagten vom 3. April, 16. Juni und 20. September 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2007 aufzuheben,

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, ihn mit einem VocaStim-Trainer zu versorgen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil und die angefochtenen Bescheide für zutreffend.

Die Beteiligten sind mit Verfügung vom 13. Dezember 2010 zu dem beabsichtigten Verfahren nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorganges der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Senat kann über die nach § 143 und § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung durch Beschluss entscheiden, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (vgl. § 153 Abs. 4 SGG).

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Das Urteil des SG Braunschweig vom 30. April 2010 sowie die angefochtenen Bescheide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2007 sind rechtmäßig und halten einer rechtlichen Überprüfung stand. Denn der Kläger hat keinen Anspruch gegenüber der Beklagten auf Kostenübernahme für die Versorgung eines VocaStim-Trainers im häuslichen Bereich. Dies ergibt sich sowohl bei Anwendung der Rechtsprechung des Bundesssozialgerichts (a) als auch bei Anwendung der Grundsätze der Rechtsprechung des erkennenden Senats (b), die sich zwar im dogmatischen Ansatz unterscheiden, hier jedoch zu identischen Ergebnissen führen.

Versicherte haben nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern (1. Alternative), einer drohenden Behinderung vorzubeugen (2. Alternative) oder eine Behinderung auszugleichen (3. Alternative), soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkasse nicht bewilligen (§ 12 Abs 1 SGB V).

Bei dem streitigen "VocaStim-Trainer" handelt es sich - wie das Sozialgericht zutreffend vorangestellt, aber im Ergebnis offen gelassen hat - in seiner Rechtsqualität um ein Hilfsmittel, das einer neuen Behandlungsmethode dienen soll. Das Gerät trägt in seiner Rechtsnatur einen Mischcharakter, da es keiner gesetzlich vorgesehenen Versorgungsform in ihrem typischen Erscheinungsbild zuzuordnen ist.

Eine Qualifikation als Heilmittel kommt nicht in Betracht, denn die leihweise Überlassung eines Übungsgeräts für den häuslichen Bereich trägt nicht den erforderlichen persönlichen Dienstleistungscharakter. Das SGB V enthält keine Definition des Heilmittelbegriffs, umfasst aber nach der Rechtsprechung des BSG persönliche medizinische Dienstleistungen (s. auch Wagner in: Krauskopf, Kommentar zum SGB V, § 32, Rn. 4); dabei stützt sich die Rechtsprechung vor allem auf die Definition des Heilmittelbegriffs im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung (BSG v. 28.06.2001 - B 3 KR 3/00 R - SozR 3-2500 § 33 Nr. 41). Nach § 30 SGB VII sind Heilmittel alle ärztlich verordneten Dienstleistungen, die einem Heilzweck dienen oder einen Heilerfolg sichern und nur von entsprechend ausgebildeten Personen erbracht werden dürfen. Hierzu gehören insbesondere Maßnahmen der physikalischen Therapie sowie der Sprach- und Beschäftigungstherapie. Der noch beim In-Kraft-Treten des SGB V verbreitete Begriff des sächlichen Heilmittels (BR-Drs. 200/88, S. 173) kann inzwischen jedoch weitestgehend als überholt gelten (Beck in: jurisPK-SGB V, § 32 SGB V, Rn. 13; mit anderem Ergebnis: Sozialgericht Hildesheim, Urteil vom 20.06.2008, S 32 KR 173/05 zum Reizstromgerät "Bentrostim S 56").

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die begehrte Versorgung auch nicht als "Unterform" einer klassischen Stimmtherapie anzusehen. Denn eine Maßnahme innerhalb einer logopädischen Behandlung setzt begriffsnotwendig die Anwesenheit eines Logopäden voraus (so auch Sozialgericht Lüneburg, Urteil vom 15. Dezember 2010, S 9 KR 37/08). Sie unterscheidet sich von der häuslichen Eigenanwendung maßgeblich durch das Fehlen der Beaufsichtigung und Anleitung durch einen fachlich ausgebildeten Therapeuten. Die vollständige Übertragung der Eigenverantwortung auf den Patienten im Rahmen der Therapiedurchführung macht einen wesensbildenden Unterschied zwischen der begehrten Versorgung und einer klassischen Therapie aus, da in diesem Falle eben keine Möglichkeit des steuernden Eingreifens von außen besteht und der Patient auf sich gestellt ist. Schlussendlich handelt es sich also um ein aliud und kein minus. Dieses Ergebnis wird auch durch den Umstand gestützt, dass eine Elektrostimulation ausweislich der von dem Kläger überreichten Unterlagen eben kein Teil einer klassischen Stimmtherapie ist, sondern vielmehr eine eigenständige Therapieform, deren Nutzen im Vergleich zu der klassischen Therapieform gerade untersucht wurde. Beide Therapieformen haben unterschiedliche Behandlungsgrundlagen und Behandlungsziele (Ptok/Starck in HNO 11/2009, S. 1157 ff.).

Der Sachmitteleinsatz eines "VocaStim-Trainers" erfolgt hier im Rahmen einer neuen Behandlungsmethode. Der Begriff der (Untersuchung- und) Behandlungsmethode bezeichnet ein medizinisches Vorgehen, dem ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das es von anderen Therapien unterscheidet und seine systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (BSG v. 27. September 2005 - B 1 KR 28/03 R - USK 2005-77). Obgleich - wie der Kläger zutreffend anmerkt - sowohl die Stimmtherapie als auch die Elektrostimulation von gelähmten Muskeln bereits langjährig etabliert ist, gilt die hiesige Kombinationsform als "neu" im Sinne des § 135 SGB V, denn neu ist eine Methode auch dann, wenn sie sich aus einer neuartigen Kombination verschiedener, für sich allein jeweils anerkannter oder zugelassener Maßnahmen zusammensetzt (BSG v. 19. Oktober 2004 - B 1 KR 27/02 R - BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 1).

(a.)

Diese Methode ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst. Denn eine Therapie wird als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nach der Rechtsprechung des BSG (vgl Urteil vom 4. April 2006, B 1 KR 12/05 R in SozR 4-2500 § 27 Nr. 8) nur dann von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V bereits eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 i.V.m. § 135 Abs. 1 SGB V wird nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr legen diese Richtlinien auch den Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich fest.

Bei der vom Kläger begehrten Versorgung mit einem "VocaStim-Trainer" handelt es sich um eine derartige neue Methode, für die es keine positive Empfehlung des Bundesausschusses gibt. Damit hat der Kläger nach der Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 4. April 2006 (a.a.O.) keinen Anspruch auf die Kostenübernahme.

(b.)

Zwar teilt der Senat diese Rechtsprechung des BSG zur Verbindlichkeit der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 26. Juli 2010, Az.: L 4 KR 405/09). Die Rechtsprechung des BSG, wonach eine Behandlungsmethode erst dann zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehört, wenn sie vom Gemeinsamen Bundesausschuss anerkannt ist, hält der Senat nicht für überzeugend. Das bedeutet jedoch nicht, dass jede neue Behandlungsmethode in die Leistungspflicht der Krankenkassen fällt. Erst wenn die Behandlungsmethode hinsichtlich ihrer Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht, kann sie der Versicherte von seiner Krankenkasse beanspruchen (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 8. November 2006, Az.: L 4 KR 45/06).

Die von dem Kläger begehrte Versorgung mit dem "VocaStim-Trainer" entspricht nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse und gehört damit nicht zu den Leistungen, die die Beklagte dem Kläger zur Verfügung zu stellen hat. Aus den sozialmedizinischen Feststellungen des MDKN - insbesondere vom 1. Juni 2006 und vom 19. April 2010 - ergibt sich, dass der Anerkennungs- und Verbreitungsgrad der Methode vergleichsweise gering ist und ein ausreichender Wirksamkeitsnachweis bisher nicht vorliegt. Der therapeutische Nutzen einer Behandlung von Sprach-, Sprech-, Stimm- und Schluckstörungen mit einem Elektrostimulationsgerät, nämlich durch Anwendung im häuslichen Bereich durch den Patienten selbst und ohne Anwesenheit eines Therapeuten muss als nicht hinreichend belegt angesehen werden. Es hat sich nur eine Fallserie zur Effektivität der Stimmübungstherapien mit Reizstrom und der Nasalisierungsmethode gefunden. Der Effizienzgrad dieser Studie ist mit IV entsprechend der Richtlinien des Bundesausschusses anzusiedeln. Auch die vorhandenen Expertenmeinungen, pathophysiologischen Überlegungen und deskriptiven Darstellungen sind dem niedrigen Effizienzgrad IV zuzuordnen. Wirksamkeitsnachweise bzw. Belege konnten nicht gefunden werden im Vergleich um Spontanheilungsverlauf von Stimmstörungen oder im Vergleich von anderen bewährten und erprobten Verfahren. Bei der Veröffentlichung aus HNO aus dem Jahre 2009 handelt es sich um die einzige randomisierte, kontrollierte Studie zur Elektrostimulation bei Stimmbandlähmung, die im Rahmen einer aktuellen Literaturrecherche feststellbar ist. Dies widerspricht auch nicht den Einwendungen des Klägers aus dem Schriftsatz vom 23. Dezember 2010, da Prof. C. in der beigefügten E-Mail durchaus konzediert, dass es sich dabei um die einzige Studie handelt, welche die genannten qualitativen Merkmale aufweist. Bezüglich der Studie ist festzustellen, dass die Fallzahl der eingeschlossenen Patienten keine belastbare Aussage zum Stellenwert der Elektrostimulation bei Stimmbandlähmung statistisch belastbar ermöglicht. Diese Aussage des MDK ist dem Gericht insbesondere aufgrund des Umstandes plausibel, dass teilweise Spontanheilungsraten von 40 Prozent in der Literatur diskutiert werden.

Auch die von dem Kläger genannten Therapieeinrichtungen, die mit der streitbefangenen Methode arbeiten, können keine andere Beurteilung rechtfertigen. Denn allein die Zahl der Behandler trifft noch keine Aussage über die wissenschaftliche Anerkennung einer Methode und den medizinischen Wirksamkeitsnachweis.

Der Senat vermag einen Anspruch des Klägers auf Kostenübernahme für die Behandlung auch nicht auf der Grundlage des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) vom 6. Dezember 2005, AZ: 1 BvR 347/98 für begründet zu erachten. Der Leitsatz der Entscheidung lautet:

"Es ist mit den Grundrechten aus Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz nicht vereinbar, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht."

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, da für die Erkrankung die klassische Stimmtherapie unter Beachtung der Heilmittel-Richtlinien zur Verfügung steht und gegebenenfalls auch operative Maßnahmen zur Stimmbandaugmentation. Zudem handelt es sich bei einer Stimmbandlähmung auch um keine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung.

Die Berufung kann mithin keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision ist nicht gegeben (§ 160 Abs 2 SGG).

Schimmelpfeng-Schütte
Schreck
Kreschel