Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 26.01.2011, Az.: L 13 AS 14/11 B ER
Anspruch auf Arbeitslosengeld II; einstweiliger Rechtsschutz gegen einen Absenkungsbescheid; Anordnungsgrund bei fehlendem Weiterbewilligungsantrag
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 26.01.2011
- Aktenzeichen
- L 13 AS 14/11 B ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 40527
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2011:0126.L13AS14.11B.ER.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Aurich - 21.12.2010 - AZ: S 19 AS 1336/10 ER
Rechtsgrundlagen
- § 37 SGB II
- § 86b SGG
Fundstellen
- ZfSH/SGB 2011, 345-348
- info also 2011, 237
Redaktioneller Leitsatz
Es darf keine einstweilige Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG zugunsten des Hilfesuchenden für den Folgezeitraum ergehen, wenn der der Zeitraum der Absenkung des Arbeitslosengeldes II über den laufenden Bewilligungszeitraum hinausreicht und es an einem Weiterbewilligungsantrag fehlt. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Aurich vom 21. Dezember 2010 abgeändert.
Soweit mit diesem Beschluss der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet wird, dem Antragsteller für die Zeitspanne vom 01. Dezember 2010 bis zum 31. Januar 2011 laufende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zu gewähren, wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Gründe
I. Der Antragsgegner wendet sich mit der Beschwerde dagegen, dass das Sozialgericht (SG) Aurich dem Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz gegen einen Sanktionsbescheid gewährt hat, der einen Zeitraum von drei Monaten umfaßt, wobei zwei Monate außerhalb des ursprünglichen Bewilligungszeitraums eines Leistungsbescheides liegen.
Der im Juli 1977 geborene Antragsteller hat nach dem Abitur und der Ableistung des Zivildienstes zunächst an einer Fachhochschule Reedereilogistik für die Dauer von zehn Semestern ohne Erlangung eines Abschlusses studiert. Anschließend nahm er ein Studium in den Fächern Geschichte und Philosophie an einer Universität auf, welches er elf Semester betrieb und ohne Abschluss zum 31. August 2009 beendete. Der ledige Antragsteller ist Vater eines im Juni 2007 geborenen Sohnes, mit dem er nach seinem Vorbringen nicht gemeinsam in einem Haushalt lebt.
Auf seinen Antrag vom 19. November 2009 hin, bei dem er angab, durch eine kleinere Nebentätigkeit in einer Gaststätte der Firma M. Einkünfte unter 400,00 EURO monatlich zu erzielen, gewährte ihm die Stadt G., die wohl im Namen und im Auftrage des Antragsgegners handelt (darauf wurde in dem betreffenden Bewilligungsbescheid nicht hingewiesen) mit Bewilligungsbescheid vom 28. Dezember 2009 für den Bewilligungszeitraum vom 19. November 2009 bis zum 30. April 2010 laufende Leistungen, der später mit Änderungsbescheiden vom 15. Februar 2010 und 16. März 2010 sowie - in Ausführung eines Sanktionsbescheides der Stadt G. vom 23. März 2010 - mit Änderungsbescheiden vom 23. März 2010 und 19. April 2010 in der Leistungshöhe abgeändert wurde. Diese Bescheide wurden bestandskräftig; in ihnen war jeweils durch einen Fettdruck hervorgehoben darauf hingewiesen worden, dass nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes Folgeanträge rechtzeitig vorher zu stellen seien.
Am 07. Juni 2010 beantragte der Antragsteller erneut, ihm laufende Leistungen zu gewähren. Unter dem 08. Juni 2010 schloss der Antragsteller - erneut - mit der Stadt G. eine Eingliederungsvereinbarung, welche unter anderem seine Teilnahme an einer Qualifizierungsmaßnahme im Bereich Garten- und Landschaftsbau in der Zeitspanne vom 02. August 2010 bis zum 31. Juli 2011 zum Gegenstand hatte. Diese Maßnahme sollte durch die Firma H. auf einem Ökohof durchgeführt werden. Mit Bewilligungsbescheid vom 15. Juni 2010 bewilligte die Stadt G. dem Antragsteller für den Bewilligungszeitraum vom 02. Juni bis zum 30. November 2010 laufende Leistungen nach dem SGB II. Für den November 2010 wurden Leistungen in Höhe von 477,00 EURO bewilligt.
Mit einem weiteren Bescheid vom 15. Juni 2010 wurden die dem Antragsteller zustehenden Regelleistungen für den Zeitraum vom 01. Juli bis zum 30. September 2010 um 60 v. H. monatlich 215,40 EURO abgesenkt, da der Antragsteller zuvor nicht seinen Verpflichtungen nachgekommen sei, sich regelmäßig bei verschiedenen Firmen zu bewerben und über diese Bewerbungen bis etwa zur Mitte des Folgemonats zu berichten.
Mit einem ersten Änderungsbescheid vom 20. Juli 2010 änderte die Stadt G. den Bewilligungsbescheid vom 15. Juni 2010 (ohne allerdings diesen ausdrücklich zu benennen) für den Zeitraum vom Juli bis zum November 2010 und führte als Grund der Änderung eine Veränderung in den Nebeneinkünften des Antragstellers an; in der Berechnung der Leistungshöhe wurde für den Zeitraum Juli bis September 2010 auf die Kürzung aufgrund des Sanktionsbescheides vom 15. Juni 2010 hingewiesen.
Am 30. Juli 2010 kam es zu einem Gespräch des Antragstellers mit einer Mitarbeiterin der Stadt G., die darüber - unter dem 23. November 2011 - einen Vermerk fertigte, nach welchem sie ihn ausdrücklich mündlich über die Folgen belehrt habe, wenn er gegen die Pflichten aus der Eingliederungsvereinbarung verstoße. Zum vorgesehenen Beginn der Qualifizierungsmaßnahme am 02. August 2010 erschien der Antragsteller zunächst nicht; er entschuldigte sein Fernbleiben durch ein ärztliches Attest. Danach nahm der Antragsteller seine Tätigkeit bei der Firma I. auf, welche nach seinem späteren Vorbringen lediglich in untergeordneten gärtnerischen Hilfstätigkeiten ohne Anleitung bestanden habe. Am 12. August 2010 ging bei einer Mitarbeiterin der Stadt G. eine E-Mail des Antragstellers ein, in der es unter anderem hieß, dass er mit sofortiger Wirkung "das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und der Firma I. kündige", weil ihm "aus ethischen, moralischen und hygienischen Gründen nicht mehr das Arbeiten auf dem Projekthof möglich sei". Weiter heißt es in dieser E-Mail: "Die Konsequenzen habe ich zu tragen, aber ich sehe ebenfalls keine Zukunft im Gartenbaubereich für meine Person". Anfang September legte der Antragsteller durch die Vorlage entsprechender Unterlagen dar, dass er am 13. und 14. August 2010 sowie ab dem 16. August 2010 für die Dauer von vier Wochen in dem Gaststättenbetrieb der Firma H. in G. eine Tätigkeit aufgenommen habe, die zunächst nur sehr gering (50,00 EURO monatlich) und später ab dem 10. Oktober 2010 im Umfang eines Minijobs vergütet werde. Eine schriftliche Anhörung des Antragstellers zu einer beabsichtigten Leistungsabsenkung erfolgte nicht.
Mit Bescheid vom 22. Oktober 2010 lehnte die Stadt G. die Gewährung von Leistungen an den Antragsteller für die Zeit vom 01. November 2010 bis zum 31. Januar 2011 vollständig ab und führte zur Begründung aus, dass im Wege der Sanktion das Arbeitslosengeld II in Höhe von 100 v. H. abgesenkt werde, weil er - der Antragsteller - ohne wichtigen Grund die Eingliederungsmaßnahme bei dem "J." per E-Mail am 12. August 2010 abgebrochen habe. Da es sich um die zweite wiederholte Pflichtverletzung handele, werde die Gewährung der gesamten Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie der Kosten der Unterkunft für die Dauer von drei Monaten eingestellt. Insoweit erfolge eine Änderung des Bewilligungsbescheides vom 15. Juni 2010 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 20. Juli 2010; außerdem wurde auf die Möglichkeit der Gewährung von Leistungen in Form von Gutscheinen hingewiesen, sofern er die Höhe seines Nebenverdienstes nachweise.
Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller mit Schreiben vom 10. November 2010 am 11. November 2010 Widerspruch eingelegt, über den - soweit ersichtlich - bislang noch nicht entschieden wurde. Zur Begründung hat der Antragsteller ausgeführt, dass ein wichtiger Grund für die Aufgabe seiner Tätigkeit bei der Qualifizierungsmaßnahme bestanden habe, weil er dort unter anderem von einem anderen Leistungsempfänger bedroht worden sei, auf der Toilette unzumutbare hygienische Zustände geherrscht hätten, eine Weiterbildung oder Qualifizierung durch Lehrende oder Anleitende nicht stattgefunden habe und er nur Tomaten abgeizen und Unkraut hätte jäten müssen. Hinzu komme, dass er sich selbst eine Tätigkeit ab dem 13. August 2010 gesucht habe, welche allerdings seinen Lebensbedarf nicht ausreichend abdecke.
Am 19. November 2010 hat sich der Antragsteller an das SG Aurich mit der Bitte vorläufigen Rechtsschutzes gewandt. Er wiederholte und vertiefte die Begründung seines Widerspruchs und wies zugleich darauf hin, dass ihm auch Leistungen für den September und Oktober 2010 nicht zugeflossen seien. Er habe bei Abschluss der Eingliederungsvereinbarung gehofft, auch gestalterische Tätigkeiten im Bereich des Garten- und Landschaftsbaus erlernen zu können. Deshalb habe er sich veranlasst gesehen, neben den anderen dargelegten Gründen, während der Probezeit diese Tätigkeit aufzugeben. Der Antragsgegner ist dem Begehren des Antragstellers entgegen getreten und hat ausgeführt, dass der Antragsteller nicht rechtzeitig die Gründe für sein Missbehagen an der Qualifizierungsmaßnahme mitgeteilt habe. Auch sei er von seiner Fallmanagerin ausführlich mündlich über die Rechtsfolgen seiner Pflichtverletzungen belehrt worden, so dass eine weitere schriftliche Rechtsfolgenbelehrung oder Anhörung vor der Sanktion nicht notwendig gewesen sei. Mit Änderungsbescheid vom 07. Dezember 2010 hat der Antragsgegner für den Bewilligungszeitraum September 2010 dem Antragsteller 300,00 EURO und für den Bewilligungszeitraum Oktober 2010 eine Leistung in Höhe von 557,00 EURO gewährt; für den Bewilligungszeitraum November 2010 wurde kein Betrag gewährt und im Berechnungsbogen auf den Sanktionsbescheid vom 22. Oktober 2010 hingewiesen.
Mit Beschluss vom 21. Dezember 2010 hat das SG Aurich dem Antrag des Antragstellers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes stattgegeben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers "vom 10. November 2010" gegen den Sanktionsbescheid der Stadt G. vom 22. Oktober 2010 angeordnet sowie den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig für die Zeit vom 01. Dezember 2010 bis zum 31. Januar 2011 laufende Leistungen nach dem SGB II ohne die Berücksichtigung einer vollständigen Absenkung der Leistungen zu gewähren. Zur Begründung hat das SG Aurich ausgeführt, dass es an einer ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung des Antragstellers über die in Streit stehende Pflichtverletzung fehle. Diese nach dem Gesetz gebotene Belehrung müsse konkret, verständlich und richtig sowie hinsichtlich der Rechtsfolgen vollständig sein. Dabei müsse in einer verständlichen Form erläutert werden, welche unmittelbaren Rechtsfolgen und Auswirkungen das Fehlverhalten eines Leistungsempfängers auf seinen Leistungsanspruch habe. In der Eingliederungsvereinbarung vom 08. Juni 2010 sei nur unzureichend über die Rechtsfolgen belehrt worden, da nicht hinreichend klar geworden sei, welche Folgen im Falle einer wiederholten Pflichtverletzung in der sog. zweiten Stufe den Antragsteller bei einer Aufgabe der Qualifizierungsmaßnahme treffen würde. Auch seien der Leistungsakte keine hinreichenden Anhaltspunkte über den Inhalt einer mündlichen Rechtsfolgenbelehrung - insbesondere im Hinblick auf eine vollständige Versagung - zu entnehmen. Bestünden danach aber ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Absenkungsbescheides vom 22. Oktober 2010, so sei die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen diesen Bescheid anzuordnen und zugleich für die folgenden beiden Monate (Dezember 2010 und Januar 2011) die Verpflichtung zur vollständigen Leistungsgewährung auszusprechen, da aus den vorangehenden Überlegungen die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes und eines Anordnungsanspruches folge.
In Ausführung dieses Beschlusses hat der Antragsgegner mit Ausführungsbescheid vom 10. Januar 2011 dem Antragsteller für den Monat November 2011 Leistungen in Höhe von 557,00 EURO gewährt. Zugleich hat der Antragsgegner gegen den ihm am 21. Dezember 2010 zugestellten Beschluss Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausführt, dass der zusprechende Beschluss des SG Aurich für die Monate Dezember 2010 und Januar 2011 deswegen nicht zutreffend sei, weil es an einem Folgeantrag des Antragstellers für die Gewährung von Leistungen ab dem 01. Dezember 2010 fehle, obwohl zuvor in allen leistungsbewilligenden Bescheiden ausdrücklich auf die Notwendigkeit der rechtzeitigen Stellung eines Folgeantrages hingewiesen worden sei.
Der Antragsteller ist der Beschwerde des Antragsgegners entgegen getreten und macht geltend, dass ohne Weiteres in seinem Antrag zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vom 19. November 2010 die Stellung eines Folgeantrages zu ersehen sei, weil dadurch gegenüber dem Leistungsträger hinreichend deutlich geworden sei, dass er bedürftig wäre. Zudem sei gerade im Hinblick darauf, dass er die 3-monatige Sanktionierung für die Zeit von November 2010 bis einschließlich Januar 2011 angegriffen habe, nicht erkennbar, warum für diesen Zeitraum überhaupt noch ein Folgeantrag gestellt werden müsse. Schließlich habe er auch tatsächlich einen Folgeantrag bei einer persönlichen Vorsprache am 11. Januar 2011 anbringen wollen, was aber trotz seiner Vorsprache und verschiedener Telefonate erst am 13. Januar 2011 durch die Empfangnahme eines entsprechend ausgefüllten Formulars möglich gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
II. Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners, welche insbesondere den Schwellenwert überschreitet (vgl. § 172 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. § 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), ist begründet. Soweit das SG Aurich im angefochtenen Beschluss den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet hat, dem Antragsteller laufende Leistungen für die Zeit ab dem 01. Dezember 2010 bis zum 31. Januar 2011 zu gewähren, - hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegner nun -, begegnet dieser Beschluss durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Allerdings ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das SG Aurich mit zutreffenden Erwägungen, denen der Senat beitritt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 11. November 2010 gegen den Sanktionsbescheid der Stadt G. insoweit angeordnet hat, als mit diesem (lediglich sinngemäß) die Gewährung von Leistungen entgegen dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 15. Juni 2010 auch für den November 2010 abgelehnt worden ist. Indessen müssen die rechtlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Sanktionsentscheidung, die vom SG Aurich zutreffend auf der Grundlage von § 86 b Abs. 1 SGG beurteilt worden ist, hier nicht weiter erörtert werden, da dieser Monat zum Ende des ursprünglichen Bewilligungszeitraums nicht Gegenstand der Beschwerde des Antragsgegners ist.
Soweit es um den Folgezeitraum, also die Gewährung von Leistungen ab dem 01. Dezember 2010 geht, hat der Antragsgegner zutreffend darauf hingewiesen, dass es für diesen Zeitraum an einem Leistungsantrag des Antragstellers fehlt, so dass kein Rechtsverhältnis gegeben ist, das auf der Grundlage von § 86 b Abs. 2 SGG zu regeln wäre. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Die gesetzliche Konstruktion des Erlasses von Sanktionsbescheiden auf der Grundlage von § 31 SGB II ist so ausgestaltet, dass sie nach ihrem Sinn und Wortlaut dem Grunde nach einen Anspruch auf laufende Leistungen nach dem SGB II voraussetzt, in den durch den Sanktionsbescheid für einen bestimmten Zeitraum mittels eines belastenden Verwaltungsaktes eingegriffen wird. Dies ergibt sich schon aus den Worten "Das Arbeitslosengeld II wird abgesenkt, wenn" (§ 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II) bis hin zu der hier in Rede stehenden Vorschrift "Bei wiederholter Pflichtverletzung wird das Arbeitslosengeld II um 100 vom Hundert gemindert" (§ 31 Abs. 3 Satz 2 SGB II). Liegt also dem Grunde nach ein denkbarer Anspruch auf Arbeitslosengeld II nicht vor, so geht der Sanktionsbescheid, der dem betreffenden Zeitraum erfasst, sozusagen ins Leere. Wie sich aus § 37 Abs. 1 SGB II deutlich ergibt, ist der Antrag für die Gewährung von Leistungen konstitutiv (vgl. BSG, Urteil vom 30. September 2008 - B 4 AS 29/07 R - Rdn 30, zitiert nach juris; Urteile vom 18. Januar 2011 - B 4 AS 99/10 R und B 4 AS 29/10 R -). Dabei kann - entgegen der Ansicht des Antragstellers - ein einmal gestellter Leistungsantrag nicht als über den einmal geregelten Bewilligungszeitraum hinaus wirkend angesehen werden (vgl. Coseriu/Holzhey in: Linhart/Adolph, SGB II Stand Dezember 2010, § 37 Rdn 12). Auch im vorliegenden Fall wurde in den verschiedenen Bewilligungsbescheiden der Stadt G., die (allerdings ohne ausdrückliche Erwähnung) namens und im Auftrag des Antragsgegners ergingen, stets auf die Notwendigkeit hingewiesen, rechtzeitig Folgeanträge zu stellen, um keine Unterbrechung in der Leistungsgewährung aufkommen zu lassen. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass es durchaus denkbar erscheint, dass der Antragsteller ab dem 01. Dezember 2010 nicht mehr bedürftig war. In diese Richtung deuten zum einen seine früheren Ausführungen über die Einnahme von Trinkgeldern über die ihm gewährten Arbeitsvergütungen seiner Arbeitgeber hinaus und der Umstand, dass er die Qualifizierungsmaßnahme ohne mündliche oder schriftliche Gegenvorstellungen ohne Weiteres abgebrochen hat, obwohl gerade von einem Leistungsempfänger seines Bildungsstandes ohne Weiteres erwartet werden könnte, dass er vorher über unhygienische Umstände oder Bedrohungen (mündlich oder schriftlich) Beschwerde beim Leistungsträger führt. Auch sonst zeigt das Verhalten des Antragstellers in der Vergangenheit, das schon zweimal zu Sanktionsbescheiden geführt hat, dass er auch mit eingeschränkten Leistungen seitens des Antragsgegners durchaus in der Lage ist, sein Auskommen zu finden.
Entgegen der Ansicht des Antragstellers können auch nicht sein Widerspruch gegen den Sanktionsbescheid oder sein Antrag zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beim SG Aurich als Antragstellung im Sinne eines Folgeantrages nach § 37 SGB II angesehen werden. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Gewährung von laufenden Leistungen mit Hilfe eines stattgebenden Beschlusses eines Gerichts besteht nur dann, wenn die betreffende Behörde als Leistungsträger zuvor mit dem Begehren des Antragstellers befasst war. Denn nur dann ist es notwendig, gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen (vgl. Wündrich in: SGb 2009, 267, 268). Prozessuale Erklärungen in einem Gerichtsverfahren mit dem Ziel, gerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen, dürfen nicht verwechselt werden mit einem Leistungsantrag an einen Leistungsträger, mit welchem ein Hilfesuchender die Gewährung von Grundsicherungsleistungen begehrt. Eine andere Betrachtung würde darauf hinaus laufen, dass schon - ohne jede Vorbefassung des Leistungsträgers - der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei einem Sozialgericht zu einem "streitigen Rechtsverhältnis" im Sinne von § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG führen würde, welches aber gerade erst Voraussetzung dafür ist, dass überhaupt ein Gericht regelnd in ein bestehendes Rechtsverhältnis zwischen dem Hilfesuchenden und dem Leistungsträger eingreift und dieses Rechtsverhältnis gestaltet.
Allerdings ist es dem Antragsteller zuzugeben, dass gerade bei Sanktions- oder Absenkungsbescheiden nach § 31 SGB II, bei denen Widerspruch und Klage gemäß § 39 SGB II keine aufschiebende Wirkung entfalten, häufig erst gerichtlicher Rechtsschutz erreicht werden kann, wenn der betreffende Sanktionszeitraum - einen laufenden Bewilligungszeitraum noch unterstellt - sich seinem Ende nähert oder gar bereits abgelaufen ist. Effektiver Rechtsschutz wird dabei aber gemäß § 86 b Abs. 1 Satz 2 SGG dann dadurch gewährt, dass das angerufene Gericht die bereits vollzogene Aufhebung belastender Maßnahmen anordnen kann und so die bereits eingetretenen Belastungen wieder beseitigt (vgl. Wündrich, aaO., S. 208). Ähnliches gilt auch bei einem sog. Höhenstreit, in welchem ein Antragsteller höhere Leistungen begehrt, als sie vom Leistungsträger in einem genau definierten Bewilligungszeitraum ihm zuerkannt worden sind. Auch dort ist es geboten, dass sich das Gericht hinsichtlich des zeitlichen Umfangs des Zuspruchs für die Zukunft an dem Ende des ausdrücklichen oder voraussichtlichen Bewilligungszeitraums orientiert, um so dem Leistungsträger Gelegenheit zu geben, dass das Gericht nur über Bewilligungszeiträume entscheidet, die zuvor vom Leistungsträger im Bescheid in die Betrachtung einbezogen worden sind (vgl. Wündrich in: SGb 2009, 267, 271).
Schließlich führt der Umstand, dass der Antragsteller nach seinem Vorbringen am 11. Januar 2011 erneut einen Leistungsantrag gestellt hat, nicht zu einer anderen Beurteilung. Diesem Leistungsantrag - hinsichtlich dessen dem Senat keinerlei Unterlagen vorliegen - kann keine Rückwirkung gemäß § 28 SGB X beigemessen werden (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 14 AS 16/09 R - zitiert nach juris). Denn die besonderen Voraussetzungen, wie sie in der Vorschrift zur Rückwirkung eines nachgeholten Antrages aufgestellt worden sind, beziehen sich nur auf einen Anspruch auf eine andere Sozialleistung, nicht aber auf ein gerichtliches Verfahren.
Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass der Antragsgegner hinsichtlich des am 11. Januar 2011 gestellten Antrages die Leistungsvoraussetzungen zu prüfen haben wird und (nach diesem ersten Schritt in einem zweiten Schritt) zu erwägen haben wird, ob auch für den (restlichen) Januar 2011 der angegriffene Sanktionsbescheid vom 22. Oktober 2010 Rechtswirkungen entfalten muss. Dabei wird der Antragsgegner die Erwägungen zu würdigen haben, die das SG Aurich im angegriffenen Beschluss dazu veranlasst haben, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Sanktionsbescheid anzuordnen.
Die kostenrechtliche Nebenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG, denn es ist unbillig, den Antragsgegner mit Kosten zu belasten, wenn er im Ergebnis mit seinem Beschwerdeantrag durchgedrungen ist.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht anfechtbar.