Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 22.07.2008, Az.: 3 A 2628/05
Zustimmung zur Kündigung nach § 15 SchwbG; Sozialauswahl
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 22.07.2008
- Aktenzeichen
- 3 A 2628/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 45506
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2008:0722.3A2628.05.0A
Rechtsgrundlagen
- § 15 SchwbG
- § 85 SGB IX
- § 88 SGB IX
Amtlicher Leitsatz
Bei einer Kündigung aus betriebsbedingten Gründen hat eine Evidenzkontrolle darüber zu erfolgen, ob eine Sozialauswahl stattgefunden hat und ob die behinderungsspezifischen Gesichtspunkte eingeflossen sind. Hingegen obliegt die Überprüfung, ob die Gewichtung der berücksichtigten Aspekte vertretbar ist, den Arbeitsgerichten.
Tenor:
Der Bescheid vom 13.11.2000 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 01.04.2005 wird aufgehoben.
Das beklagte Amt trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Amt kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Aufhebung der durch das beklagte Amt erteilten Zustimmung zur Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen.
Der 1946 geborene Kläger ist Tischler und war seit dem 25.04.1994 als Auslieferungsschreiner bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen, der F. GmbH, in deren Lager in G. beschäftigt.
Im Februar 1996 kündigte die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger. Diese Kündigung wurde vom Kläger erfolgreich angegriffen (s. Urt.d. LAG Niedersachsen v. 14.11.1997, Az. 3 Sa 1986/96 ). Während des arbeitsgerichtlichen Verfahrens wurde der Kläger von der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zum 01.10.1996 in deren Lager in H. versetzt. Ab dem 10.10.1996 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt und kehrte nicht mehr in den Betrieb der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zurück.
Mit Bescheid des Versorgungsamtes Münster wurde dem Kläger ein Grad der Behinderung von 30 zuerkannt wegen psychovegetativer Fehlsteuerung, Depressionen, Ohrgeräusch und Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule. Mit Bescheid vom 02.04.1998 stellte die Bundesanstalt für Arbeit den Kläger gem. § 2 des Schwerbehindertengesetze (SchwbG) einem Schwerbehinderten gleich. Nachdem dieser Bescheid im Jahr 2001 bestandskräftig geworden war, wurde auch eine im Juli 1998 ausgesprochene weitere Kündigung der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen wegen der fehlenden Zustimmung der Hauptfürsorgestelle für unwirksam erklärt.
Mit Schreiben vom 02.08.2000 beantragte die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen bei der Hauptfürsorgestelle des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, die Zustimmung zur ausgesprochenen Kündigung zu erteilen. Nachdem der Antrag zuständigkeitshalber an die Hauptfürsorgestelle des beklagten Amtes weitergeleitet worden war, wies diese die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen darauf hin, dass eine nachträgliche Zustimmung zu einer bereits ausgesprochenen Kündigung ausgeschlossen sei. Daraufhin beantragte die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen am 15.08.2000 die Zustimmung zu einer beabsichtigten Kündigung. Sie teilte mit, dass sie dem Kläger am 14.07.1998 wegen dessen fortdauernder Erkrankung gekündigt habe. Da über die Gleichstellung des Klägers mit einem Schwerbehinderten noch nicht rechtskräftig entschieden sei, stelle sie vorsorglich den Antrag auf Zustimmung zu einer noch auszusprechenden Kündigung. Weiterhin trug sie vor, dass sie aufgrund zurückgegangener Umsätze keine Arbeit mehr für den Kläger habe. Wegen der langen Arbeitsunfähigkeit des Klägers habe sein Platz nicht freigehalten werden können. Der Kläger könne aufgrund seiner Erkrankung die Arbeit als Auslieferungsschreiner nicht mehr verrichten. Zudem sei er mit den Kunden nicht zurechtgekommen. In G. sei für den Kläger kein anderer Arbeitsplatz vorhanden. Der Arbeitsplatz in H. hingegen sei vom Kläger wegen der Ortsverschiedenheit nicht angenommen worden.
Mit Schreiben vom 30.08.2000 nahm der Kläger zu dem Antrag Stellung und führte aus, dass die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen seit 1996 mit allen Mitteln versuche, ihn aus dem Beschäftigungsverhältnis herauszudrängen. Seine Versetzung nach H. sei eine Schikanemaßnahme gewesen. Seine Erkrankung sei im Wesentlichen auf die schikanöse Behandlung durch die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zurückzuführen. Ausweislich des Gutachtens seines behandelnden Psychiaters könne er seine Arbeit in G. wieder aufnehmen. Auch falls in G. eine Stelle weggefallen sein sollte, so handele es sich dabei nicht zwangsläufig um seinen Arbeitsplatz, sondern die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen habe eine falsche Sozialauswahl getroffen.
Am 13.10.2000 führte das beklagte Amt eine Einigungsverhandlung durch. Dort schilderte der Leiter des Auslieferungslagers G., dass aufgrund von Umsatzrückgängen seit 1996 die Arbeitsplätze von zwei Schreinern abgebaut worden seien. Während damals mit drei LKWs mit jeweils zwei Schreinern ausgeliefert worden sei, arbeite man jetzt nur noch mit zwei LKWs mit jeweils zwei Schreinern. Für den Kläger sei keine Arbeit und kein Arbeitsplatz vorhanden. In letzter Zeit sei wieder ein starker Umsatzrückgang zu verzeichnen gewesen, so sei in der 40. Kalenderwoche gar nicht gearbeitet worden. Deshalb gebe es die Überlegung, einen weiteren LKW stillzulegen und nur noch zwei Schreiner zu beschäftigen. Ob und wie eine Sozialauswahl getroffen worden sei, wisse er nicht, da dies eine Angelegenheit der Zentrale sei. Der Kläger wiederholte im Wesentlichen seine schriftliche Stellungnahme. Eine gütliche Einigung konnte nicht erzielt werden. Mit Fax vom 16.10.2000 bestritt der Kläger die Aussagen des Leiters des Auslieferungslagers zur fehlenden Auslastung. In der betreffenden Woche hätten zwei Schreiner mit dem LKW ausgeliefert, einer sei krank gewesen und einer habe sich auf Norderney befunden.
Auf Nachfrage der Hauptfürsorgestelle teilten die Verfahrensbevollmächtigten der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen mit Schreiben vom 02.11.2000 zur Frage der sozialen Auswahl Folgendes mit:
"Im Zentrallager G. waren zum Zeitpunkt des Ausspruch der Kündigung beschäftigt die Herrn I.J., geb. am 21.05.1959, verheiratet und 1 Kind. Herr J. hat am 01.03.1994 das Arbeitsverhältnis begonnen. Beschäftigt war Herr K.L., geb. am 13.09.1947, ebenfalls verheiratet mit 1 Kind. Herr L. hat das Arbeitsverhältnis am 01.08.1988 begonnen. Beschäftigt war dann weiterhin Herr M.N., am 21.03.1942 geboren, kinderlos verheiratet und am 01.08.1986 bei meiner Mandantin das Arbeitsverhältnis beginnend. Schließlich war beschäftigt Herr K.O., geb. am 31.07.1966, ledig. Her O. begann am 15.08.1994 das Arbeitsverhältnis.
Herr O. ist zwischenzeitlich ausgeschieden. Die Herren J., L. und N. arbeiten noch im Auslieferungslager. Herr P. begann das Arbeitsverhältnis am 24.05.1994. Nach Kenntnis meiner Mandantin war Herr P. geschieden. Mit ausschlaggebend für die Kündigung war die kurze Beschäftigungsdauer, aber auch der Umstand, dass sich die übrigen Mitarbeiter weigerten mit Herrn P. weiter Auslieferungsfahrten zu unternehmen. Aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten konnte meine Mandantin Herrn P. alleine nicht zu Auslieferungsfahrten schicken. Meine Mandantin musste sich auch sehr oft mit Beschwerden von Kunden auseinandersetzen, denen die Art des Herrn P. nicht gefiel.
Wir möchten aber an dieser Stelle noch einmal ganz klar zum Ausdruck bringen, dass durch die seit über einem Jahr anhaltende Auftragsflaute auch die jetzt verbliebenen 3 Mitarbeiter über kurz oder lang vollschichtig nicht mehr weiterbeschäftigt werden können und, dass mit Sicherheit für Herrn P. in G. kein Platz vorhanden ist.".
Mit Bescheid vom 13.11.2000 erteilte das beklagte Amt der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung. Es stützte seine Entscheidung darauf, dass aufgrund des von der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen geltend gemachten Auftragsmangels davon auszugehen sei, dass für den Kläger in G. keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bestehe. Eine Beschäftigung in H. scheide aus gesundheitlichen Gründen aus. Es sei nicht erkennbar, dass dem Kläger aus Gründen gekündigt werde, die allein in seiner Behinderung lägen und die Versagung der Zustimmung rechtfertigen könnten. Ob die Kündigung sozial gerechtfertigt im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes sei, sei von der Arbeitsgerichtsbarkeit zu überprüfen. Anhaltspunkte für eine evident fehlerhafte Sozialauswahl seien nicht ersichtlich. Trotz der Vermittlungsschwierigkeiten des Klägers auf dem Arbeitsmarkt könne keine andere Entscheidung getroffen werden.
Daraufhin sprach die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen dem Kläger mit Schreiben vom 16.11.2000 die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 28.02.2001 aus. Zur Begründung nahm sie auf ihren bisherigen Vortrag Bezug.
Am 11.12.2000 legte der Kläger Widerspruch gegen den Zustimmungsbescheid ein. Er kritisierte, dass das beklagte Amt bei der Interessenabwägung nicht berücksichtigt habe, dass seine Schwerbehinderteneigenschaft auf das Verhalten der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zurückzuführen sei. Aus den Urteilen im Kündigungsschutzverfahren gegen die Kündigung vom Februar 1996 gehe hervor, dass die Sozialauswahl fehlerhaft gewesen sei.
Auf die Bitte um Mitteilung der Zahl der Arbeitsplätze und der mit Schwerbehinderten oder Gleichgestellten besetzten Arbeitsplätze übersandte die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen dem beklagten Amt mit Schreiben vom 20.12.2000 eine Aufstellung, in der sie die Anzahl der zum Zeitpunkt der Kündigung beschäftigten Mitarbeiter in der Auslieferung mit drei angab.
Das beklagte Amt wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.09.2001 zurück. Dieser Widerspruchsbescheid wurde vom Kläger vor dem Verwaltungsgericht Hannover angegriffen und mit Urteil vom 22.04.2004 wegen fehlerhafter Ermessensausübung aufgehoben (Az. 7 A 4503/01 ).
Nachdem das beklagte Amt die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen um Stellungnahme hinsichtlich der Gewichtung der personen- und betriebsbedingten Gründe für die Kündigung gebeten hatte, teilte diese mit Schreiben vom 21.09.2004 mit, sie habe dem Kläger am 16.11.2000 sowohl aus betriebs- als auch aus personenbedingten Gründen gekündigt. Der Umsatzrückgang habe im Lager G. eine Personalreduktion notwendig gemacht. Zum Zeitpunkt der Einigungsverhandlung am 13.10.2000 seien dort nur noch drei Schreiner beschäftigt gewesen. Zwar seien noch zwei LKW vorhanden gewesen, man habe aber nur noch mit einem LKW ausgefahren und den dritten Schreiner mit Arbeiten im Lager oder in den Ausstellungsräumen beschäftigt. Zwischenzeitlich sei auch ein weiterer LKW stillgelegt worden. Der dritte Schreiner sei seit Anfang des Jahres erkrankt und werde voraussichtlich nicht an seinen Arbeitsplatz zurückkehren. Angesichts der schlechten Auftragslage sei die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen dankbar gewesen, dass der Mitarbeiter O. seinerzeit zum 30.11.1999 gekündigt habe, und habe dessen Stelle auch nicht wiederbesetzt. Auch in der Leitung des Lagers sei Personal reduziert worden. Wegen der Umsatzrückgänge werde momentan die Auslieferung auf Fremdfirmen verlagert. Voraussichtlich werde das Lager G. in den kommenden Monaten geschlossen. Für die Kündigung entscheidend seien daher die betriebsbedingten Gründe gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.04.2005 - den Verfahrensbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 06.04.2005 - wies das beklagte Amt den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 13.11.2000 erneut zurück. Zur Begründung führte es aus, dass es seine Ermessensentscheidung anhand von Erwägungen zur treffen habe, die sich speziell aus der Fürsorge gegenüber schwerbehinderten Menschen herleiten. Zwischen dem von der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen geltend gemachten betriebsbedingten Kündigungsgrund und der festgestellten Behinderung des Klägers sei kein Zusammenhang erkennbar. Der Widerspruchsausschuss des beklagten Amtes halte die vorgebrachten betriebsbedingten Gründe auch nicht für vorgeschoben. Dafür spreche zum einen, dass die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen neben dem betriebsbedingten Kündigungsgrund auch noch einen personenbezogenen Grund angegeben habe. Zum anderen habe sich die Hauptfürsorgestelle mit der Durchführung des Einigungsgespräches am 13.10.2000 eine hinreichende eigene Überzeugung davon verschafft, dass der arbeitgeberseits vorgetragene Sachverhalt jedenfalls nicht offensichtlich unrichtig gewesen sei. Die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen habe unwidersprochen dargelegt, dass infolge der rückläufigen Umsätze bereits eine Reduzierung der Arbeitskräfte vorgenommen werden musste. Die unternehmerische Entscheidung zum Stellenabbau, die der Kündigung zugrunde lag, sei vom beklagten Amt nicht auf Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen. Die Hauptfürsorgestelle habe daher im Entscheidungszeitpunkt davon ausgehen dürfen, dass eine Weiterbeschäftigung des Klägers im Lager G. aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich war. Hinsichtlich des personenbedingten Grundes wäre die Zustimmung zur Kündigung bei isolierter Betrachtung hingegen zu versagen gewesen, weil dieser im Zusammenhang mit der Behinderung des Klägers stehe und man nach den zum Entscheidungszeitpunkt zur Verfügung stehenden ärztlichen Unterlagen nicht davon hätte ausgegehen können, dass der Kläger bei einem Einsatz im Lager G. auf Dauer nicht mehr in der Lage sein würde, seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Da die personenbedingten Gründe für die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen jedoch nicht im Vordergrund gestanden hätten, sei in der Gesamtbetrachtung die Zustimmung zur Kündigung zu erteilen gewesen. Die regelmäßig zugunsten eines schwerbehinderten Menschen anzustellenden Erwägungen wie das Alter, die Unterhaltspflichten, eine lange Betriebszugehörigkeit und prognostizierte negative Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt könnten in dieser Konstellation nicht zu einer Verweigerung der Zustimmung führen.
Am 06.05.2005 hat der Kläger Klage erhoben. Er beanstandet, dass die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zweigleisig argumentiere. Während sie sich im verwaltungsrechtlichen Verfahren vorrangig auf die betriebsbedingten Gründe stütze, stelle sie im arbeitsgerichtlichen Verfahren auf die personenbedingten Gründe ab. Dies werde dokumentiert durch ihren Schriftsatz an das Arbeitsgericht vom 16.03.2004, in dem sie erklärt habe, bei der Kündigung vom 16.11.2000 ausschließlich auf die Krankheitsdauer des Klägers Bezug genommen zu haben. Die betriebsbedingten Gründe seien von der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen lediglich vorgeschoben worden. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Kündigung habe die Klägerin einen Arbeitsplatz für den Kläger gehabt, den dieser gesundheitlich auch hätte wahrnehmen können. Das beklagte Amt habe die Rehabilitationspflichten der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen nicht hinreichend berücksichtigt. Im Schreiben der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen vom 02.11.2000 habe diese nicht alle Auslieferungsschreiner, die seinerzeit dort arbeiteten, angegeben. Ein Herr Q. und ein weiterer Mitarbeiter seien nicht erwähnt worden. Der Kläger habe dem beklagten Amt bereits mit seinem Schreiben vom 16.10.2000 mitgeteilt, dass zum Zeitpunkt der Anhörungsverhandlung mindestens vier Mitarbeiter als Auslieferungsschreiner beschäftigt gewesen seien. Auch die Mitteilung im Schreiben vom 20.12.2000, dass in der Auslieferung und in der Abwicklung jeweils drei Mitarbeiter beschäftigt seien, treffe nicht zu, weil in der Abwicklung immer nur ein Mitarbeiter gearbeitet habe. Die Einstellung von Herrn Q. belege, dass die betrieblichen Gründe für die Kündigung nur vorgeschoben seien. Die arbeitsrechtliche Unwirksamkeit der Kündigung sei hier offensichtlich.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 13.11.2000 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 01.04.2005 aufzuheben.
Das beklagte Amt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es bezieht sich auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Ergänzend stellt es klar, dass für seine Entscheidung auf den historischen Sachverhalt zum Zeitpunkt der Kündigung abzustellen sei. Damals sei der Schriftsatz der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen an das Arbeitsgericht vom 16.03.2004 naturgemäß noch nicht bekannt gewesen. Die Absichten der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen hätten nach den damaligen Erkenntnissen beurteilt werden müssen. Es sei grundsätzlich nicht Aufgabe des beklagten Amtes, eine Prüfung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 3 KSchG vorzunehmen. Das grundsätzliche Vorliegen eines betriebsbedingten Kündigungsgrundes sei mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 22.04.2004 rechtskräftig festgestellt worden. Eine Überprüfung der Sozialauswahl komme nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die Sozialauswahl offensichtlich fehlerhaft sei und sich der Fehler aus einer behinderungsspezifischen Benachteiligung ergebe. Es sei nicht Ziel des behindertenspezifischen Sonderkündigungsschutzes, den von den Arbeitsgerichten nach erfolgter Kündigung zu gewährenden Kündigungsschutz zu ersetzen oder überflüssig zu machen oder den schwerbehinderten Menschen Unannehmlichkeiten und Belastungen eines Kündigungsrechtsstreites mit dem Arbeitgeber abzunehmen. Der Gefahr einer fehlerhaften Sozialauswahl oder vorgetäuschter Kündigungsgründe seien grundsätzlich alle Arbeitnehmer gleichermaßen ausgesetzt. Die Beurteilung von Fragen rein arbeitsrechtlicher Natur obliege allein der Arbeitsgerichtsbarkeit. Damit sei auch die Überprüfung der Sozialauswahl den Arbeitsgerichten vorbehalten. Grundsätzlich könne die Richtigkeit einer sozialen Auswahl unter Beachtung der vielfältigen in § 1 Abs. 3 KSchG genannten Kriterien auch nicht im Rahmen einer Offensichtlichkeitsprüfung beurteilt werden. Wenn eine Evidenzkontrolle dennoch für erforderlich gehalten werde, müsste die Fehlerhaftigkeit ohne jeden Zweifel in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht offensichtlich zutage treten. Das sei hier zum maßgeblichen Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nicht der Fall gewesen. Das Schreiben vom 02.11.2000 verstehe sie so, dass dort zunächst die Situation bei Ausspruch der Kündigung am 14.07.1998 skizziert worden sei. Der Folgeabsatz beziehe sich mit der Mitteilung, dass der Mitarbeiter O. zwischenzeitlich ausgeschieden sei, erkennbar auf einen späteren Zeitpunkt, nämlich die Situation während des Zustimmungsverfahrens nach dem Zustimmungsantrag. Ob die dort benannten Gründe für die Auswahl zulasten des Klägers die Kündigung sozial rechtfertigen könnten, sei durch die Arbeitsgerichtsbarkeit zu überprüfen. Dass diese im Imperfekt mitgeteilt wurden, lasse nicht den Schluss zu, dass sie sich zwingend auf den Kündigungssachverhalt aus dem Jahr 1998 bezögen. Denn sie seien im Kontext mit dem Einleitungssatz des Absatzes zu sehen und üblicherweise sei die soziale Auswahl bereits vor Stellung des Zustimmungsantrages abgeschlossen. Eine weitere Sachaufklärung sei nicht erforderlich gewesen, da sie dem Prinzip der Evidenzkontrolle nicht entsprochen hätte. Ein Widerspruch zu den Angaben der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen in der Einigungsverhandlung sei nicht zu erkennen, da bei den dort erwähnten vier beschäftigten Auslieferungsschreinern der Kläger mitgezählt worden sei.
Die Beiladung der F. GmbH hat das Gericht mit Beschluss vom 19.12.2007 aufgehoben und die R. GmbH beigeladen, da die F. GmbH ihren Geschäftsbetrieb mit Wirkung zum 01.10.2005 an die R. GmbH übertragen und dem Kläger den Betriebsübergang angezeigt hatte.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Sie vertritt die Auffassung, dass die Sozialauswahl ausschließlich im arbeitsgerichtlichen Verfahren überprüft werden dürfe. Ausschlaggebend sei, dass das beklagte Amt zum maßgeblichen Bescheidungszeitpunkt davon ausgegangen sei, dass es keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Kläger gegeben habe. Auch das Verwaltungsgericht Hannover habe in seinem Urteil vom 22.04.2004 keine genaueren Darlegungen zur Sozialauswahl vom beklagten Amt verlangt. Es sei ebenfalls davon ausgegangen, dass es für den Kläger keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit mehr gegeben habe und dass es weiterer Ermittlungen des beklagten Amtes nicht bedurfte. Insoweit sei das Urteil als Bescheidungsurteil zu verstehen. Mit dem Schreiben vom 02.11.2000 sei dem beklagten Amt in Fortschreibung der Situation zur früheren Kündigung die jetzige Situation bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen erklärt worden. Mit dem Hinweis auf das zwischenzeitliche Ausscheiden des Arbeitnehmers O. sei die Beschreibung des alten Zustandes aktualisiert worden. Die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen habe sehr wohl eine Sozialauswahl durchgeführt, deren Richtigkeit jedoch nicht vom Verwaltungsgericht, sondern vom Arbeitsgericht zu überprüfen sei. Im Schreiben vom 02.11.2000 sei Herr Q. nicht erwähnt, weil er erstmalig ab dem 01.10.1997 bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen beschäftigt gewesen sei. Sie habe ihn somit nicht als Mitarbeiter benennen können, da er zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung noch nicht für sie gearbeitet habe.
Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 03.03.2008, vom 18.03.2008 und vom 03.04.2008 mit einer Entscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 19.02.2008 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig und hat in der Sache Erfolg.
Der Bescheid vom 13.11.2000 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 01.04.2005 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
Der angefochtene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtswidrig, weil das beklagte Amt das ihm eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat.
Rechtsgrundlage für die Entscheidung des beklagten Amtes ist der zum Zeitpunkt der Zustimmungsentscheidung geltende § 15 SchwbG. Demnach bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung der Hauptfürsorgestelle. Gem. § 2 Abs. 2 SchwbG ist diese Norm auch auf den Kläger als Gleichgestellten anzuwenden. Die danach vom beklagten Amt getroffene Ermessensentscheidung ist vom Gericht gem. § 114 S. 1 VwGO nur daraufhin zu überprüfen, ob das beklagte Amt die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.
Die nach § 15 SchwbG zu treffende Ermessensentscheidung ist durch Sinn und Zweck des Schwerbehindertengesetzes gebunden. Dieses ist in erster Linie ein "Fürsorgegesetz", das mit seinen Vorschriften über den Sonderkündigungsschutz vor allem die Nachteile des Schwerbehinderten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgleichen soll. Der Zweck des § 15 SchwbG geht deshalb dahin, den Schwerbehinderten vor den besonderen Gefahren, denen er wegen seiner Behinderung auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt ist, zu bewahren und sicherzustellen, dass er gegenüber den gesunden Arbeitnehmern nicht ins Hintertreffen gerät. Das hat auch Leitlinie bei der Ermessensentscheidung zu sein, ob der Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten zuzustimmen ist. Diese Entscheidung erfordert deshalb eine Abwägung des Interesses des Arbeitgebers an der Erhaltung seiner Gestaltungsmöglichkeiten gegen das Interesse des schwerbehinderten Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes. Sie bestimmt die Grenzen dessen, was zur Verwirklichung der dem Schwerbehinderten gebührenden weitgehenden Fürsorge dem Arbeitgeber zugemutet werden darf. Bei dieser Abwägung muss die Hauptfürsorgestelle berücksichtigen, ob und inwieweit die Kündigung die besondere, durch sein körperliches Leiden bedingte Stellung des einzelnen Schwerbehinderten im Wirtschaftsleben berührt. Dagegen ist es grundsätzlich nicht Aufgabe der Hauptfürsorgestelle, bei ihrer Entschließung die allgemeinen sozialen Interessen des einzelnen Schwerbehinderten als Arbeitnehmer zu wahren. Der besondere Schutz des § 15 SchwbG ist dem Schwerbehinderten nämlich zusätzlich zum allgemeinen arbeitsrechtlichen Schutz gegeben. Deshalb hat die Hauptfürsorgestelle nicht - gleichsam parallel zum Arbeitsgericht - über die Frage der Sozialwidrigkeit der Kündigung zu befinden. Bei der Entscheidung, ob die Zustimmung erteilt oder versagt werden soll, können vielmehr nur Erwägungen eine Rolle spielen, die sich speziell aus der Schwerbehindertenfürsorge herleiten. Rechtfertigen solche Erwägungen eine Versagung der Zustimmung nicht, so hat die behördliche Zustimmung dem Kündigenden diejenige Rechtsstellung zurückzugeben, die er hätte, wenn es keinen besonderen Kündigungsschutz für Schwerbehinderte gäbe ( BVerwG, Urt.v. 02.07.1992, Az. 5 C 51/90, BVerwGE 90, 287 ff. ). Der Hauptfürsorgestelle ist demnach nicht die umfassende Abwägung aller den Kündigungsstreit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestimmenden widerstreitenden Interessen aufgetragen, sondern nur die Einbringung bestimmter, vom Schutzzweck des Schwerbehindertengesetzes erfasster Interessen. Den Schwerbehinderten vor vorgetäuschten Kündigungsgründen zu schützen, ist grundsätzlich nicht Aufgabe der Hauptfürsorgestelle, sondern der Arbeitsgerichte. Denn der Gefahr, mit vorgetäuschten Kündigungsgründen überzogen zu werden, ist der nichtbehinderte Arbeitnehmer gleichermaßen ausgesetzt (BVerwG, Urt.v. 02.07.1992, Az. 5 C 390, BVerwGE 90, 275 ff.[BVerwG 02.07.1992 - 5 C 39.90] ). Dies bedeutet indes nicht, dass die im arbeitsgerichtlichen Verfahren zu überprüfenden Gesichtspunkte für die Überprüfung der Fürsorgestelle keine Bedeutung hätten. Sofern sie der speziellen Schwerbehindertenfürsorge Geltung verschaffen, sind sie bereits im sonderkündigungsschutzrechtlichen Verfahren zu ermitteln und zu berücksichtigen ( BVerwG, Urt.v. 19.10.1995, Az. 5 C 24/93, BVerwGE 99, 336 ff. ). Wenn der vom Arbeitgeber geltend gemachte Kündigungsgrund keinen Zusammenhang mit der Behinderung des Arbeitnehmers aufweist - wie es bei betriebsbedingten Gründen regelmäßig der Fall ist - hat die Fürsorgestelle somit lediglich zu prüfen, ob der angeführte Kündigungsgrund nicht offensichtlich nicht tragfähig oder nur vorgeschoben ist (vgl. Beschl.d. Sächs. OVG v. 25.08.2003, Az. 5 BS 107/03, Behindertenrecht 2004, 81 ff.; Urt.d. OVG Münster v. 25.04.1989, Az. 13 A 2399/87, NVwZ-RR 1990, 573 ff.; ausdrücklich offen gelassen vom BVerwG in seinen beiden Urteilen vom 02.07.1992, a.a.O.; im Ergebnis ebenfalls offen gelassen in dem Sinne, dass allenfalls ein offenkundiges Vorschieben von Kündigungsgründen zu berücksichtigen wäre: Nds. OVG, Beschl.v. 29.11.2004, Az. 4 LA 59/03; Beschl.v. 06.12.2004, Az. 4 PA 307/04; der vom beklagten Amt angeführte Beschluss vom 15.10.1997, Az. 2400/97, trifft diesbezüglich keine Aussage). Hinsichtlich der bei einer Kündigung aus betriebsbedingten Gründen regelmäßig zu treffenden Sozialauswahl folgt aus diesen Grundsätzen, dass eine Evidenzkontrolle darüber zu erfolgen hat, ob eine Sozialauswahl stattgefunden hat und ob die behinderungsspezifischen Gesichtspunkte eingeflossen sind (vgl. VG Stuttgart, Urt.v. 18.04.2005, Az. 4 K 4477/04, veröffentlicht in juris; VG Augsburg, Urt.v. 24.10.2006, Az. Au 3 K 06.88, veröffentlicht in juris; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen , Urt.v. 12.12.1989, Az. 13 A 181/89, Behindertenrecht 1991, 66 ff.; Trenk-Hinterberger in Lachwitz/Schellhorn/Welti, HK-SGB IX, 2. Aufl. 2006, § 88 Rn. 12; Dörner, Schwerbehindertengesetz, Loseblatt Stand 15.05.2001, § 18 Rn. 21; für eine umfassende Prüfung der Sozialauswahl Steinbrück in Großmann/Schimanski u.a., GK-SchwbG, 2. Aufl. 1999, § 19 Rn. 128 ff.; letztlich offen gelassen im Sinne von "allenfalls" wäre eine offenkundig fehlerhafte Sozialauswahl zu berücksichtigen: BVerwG, Urt.v. 11.11.1999, Az. 5 C 23/99, BVerwGE 110, 67 ff.; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl.v. 14.04.2005, Az. 3 L 40/05, veröffentlicht in juris; VG Halle, Urt.v. 15.12.2006, Az. 4 A 652/04, veröffentlicht in juris). Hingegen obliegt die Überprüfung, ob die Gewichtung der berücksichtigten Aspekte vertretbar ist, den Arbeitsgerichten (vgl. auch OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urt.v. 12.12.1989, a.a.O.; so auch das VG Halle, Urt.v. 15.12.2006, a.a.O.). Für diesen Ansatz spricht, dass bei der nach sozialen Gesichtspunkten zu treffenden Sozialauswahl gerade auch der Umstand der Schwerbehinderung oder Gleichstellung zu berücksichtigen ist. Demgegenüber überzeugen die Argumente der Gegenansicht nicht (gegen eine Überprüfung der Sozialauswahl: Hamburgisches OVG, Urt.v. 27.11.1987, Az. OVG Bf I 36/85, BB 1989, 220 ff.; Nds. OVG, Beschl.v. 20.03.2000, Az. 4 L 4886/99; VG Düsseldorf, Urt.v. 11.01.2006, Az. 19 L 2289/05, Behindertenrecht 2007, 114 ff.; VG Mainz, Urt. v. 09.11.2006, Az. 1 K 199/05.MZ, veröffentlicht in juris; VG Hannover, Urt.v. 15.07.2005, Az. 3 A 226/05; Düwell in Dau, Düwell, Haines, LPK-SGB VIII, 1. Aufl. 2002, § 89 Rn. 16; Müller-Wenner in Müller-Wenner/Schorn, SGB IX, Teil 2, 1. Aufl. 2003, § 89 Rn. 28). Zwar betrifft die Sozialauswahl nicht den vom Schwerbehindertengesetz/SGB IX intendierten Interessenausgleich zwischen dem Schwerbehinderten beziehungsweise Gleichgestellten und seinem Arbeitgeber, sondern die Bewertung der Schutzwürdigkeit im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern (so das Hamburgische OVG, Urt.v. 27.11.1987, a.a.O.). Dieser Ausgleich der Interessen der Arbeitnehmer untereinander ist indes vom Integrationsamt auch nicht vorzunehmen. Dieses wägt nur das Interesse des Arbeitgebers, die von ihm getroffene Auswahlentscheidung durchzusetzen, mit den Interessen des schwerbehinderten beziehungsweise gleichgestellten Arbeitnehmers ab und bewertet dabei die Auswahl im Hinblick auf die Berücksichtigung der behinderungsspezifischen Gesichtspunkte. Diese Bewertung ist überdies auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Arbeitgeber die Sozialauswahl erst nach erteilter Zustimmung verlässlich treffen könnte (so Düwell in Dau, Düwell, Haines, LPK-SGB VIII und Müller-Wenner in Müller-Wenner/Schorn, jeweils a.a.O.). Tatsächlich wird die Zustimmung zur Kündigung regelmäßig für Arbeitnehmer beantragt, die im Rahmen einer - vorbehaltlich der Zustimmung - bereits getroffenen Auswahl für eine Kündigung vorgesehen wurden.
Hier hätte das beklagte Amt bei seiner Ermessensentscheidung berücksichtigen müssen, dass die Sozialauswahl offensichtlich fehlerhaft war, weil sie gar nicht stattgefunden hatte. Insofern ist es von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Aus den vorliegenden Unterlagen ergibt sich, dass die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen für die beabsichtigte Kündigung keine Sozialauswahl getroffen hatte. Nachdem der Leiter des Auslieferungslagers G. in der Einigungsverhandlung keine Auskunft darüber erteilen konnte, ob und wie eine Sozialauswahl durchgeführt worden sei, teilte die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen in ihrem Schreiben vom 02.11.2000 lediglich mit, welche Sozialauswahl sie für die im Jahr 1998 ausgesprochene Kündigung vorgenommen hatte. Sie führt in dem Schreiben auf, wer "zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung" als Auslieferungsschreiner im Lager G. beschäftigt war. Durch den nachfolgenden Hinweis auf das zwischenzeitliche Ausscheiden des Mitarbeiters O. s wird deutlich, dass es sich dabei um die 1998 ausgesprochene Kündigung handelte. Daraufhin teilt sie mit, welche Gründe für die Kündigung ausschlaggebend waren und schildert diese im Imperfekt. Damit bezieht sie sich auf die 1998 ausgesprochene Kündigung. Die Interpretation des beklagten Amtes, durch die Einleitung des Absatzes mit der Mitteilung, dass der Mitarbeiter O. zwischenzeitlich ausgeschieden sei, bezögen sich auch die geschilderten Gründe für die getroffene Auswahl auf den späteren Zeitraum des Zustimmungsverfahrens, überzeugt nicht. Die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen hat die genannten Umstände als Gründe für "die Kündigung" aufgeführt. Die Beigeladene hat auch nicht behauptet, dass in diesem Schreiben eine Sozialauswahl für die beabsichtigte Kündigung mitgeteilt worden sei. Sie meint lediglich, dass dem beklagten Amt mit dem Schreiben vom 02.11.2000 die aktuelle Situation in Fortschreibung der Situation der früheren Kündigung durch den Hinweis auf das zwischenzeitliche Ausscheiden des Mitarbeiters O. erklärt worden sei. Diese Sichtweise wird zudem durch die Mitteilung der Beigeladenen bestätigt, dass der Mitarbeiter Q. - der nach der Angabe des Klägers zum Zeitpunkt der Einigungsverhandlung ebenfalls als Auslieferungsschreiner im Lager G. gearbeitet haben soll - in dem Schreiben vom 02.11.2000 noch nicht als Mitarbeiter hätte benannt werden können, da er erst ab 1997 (?) und damit nach Ausspruch der Kündigung bei der Rechtsvorgängerin beschäftigt worden sei. Denn mit diesem Argument wird verdeutlicht, dass sich die Ausführungen zur Sozialauswahl im Schreiben vom 02.11.2000 auf die Situation der Kündigung 1998 beziehen sollten.
Selbst wenn der Auffassung des beigeladenen Amtes gefolgt würde, dass die im Schreiben vom 02.11.2000 genannten Gründe für die Sozialauswahl auch für die beabsichtigte Kündigung gelten sollten, wäre die Ermessensentscheidung fehlerhaft.
Zum einen wäre dann weitere Sachaufklärung erforderlich gewesen, die Ermessensentscheidung also aufgrund eines nicht hinreichend ermittelten Sachverhaltes getroffen worden. Denn nach dieser Lesart und der Erwähnung der "jetzt verbliebenen 3 Mitarbeiter" im Schreiben vom 02.11.2000 wäre unklar gewesen, ob im November 2000 neben dem Kläger noch drei oder vier Auslieferungsschreiner beschäftigt waren. Auch im Rahmen einer Evidenzprüfung der Sozialauswahl muss aufgeklärt werden, zwischen wie vielen und welchen Mitarbeitern die Sozialauswahl stattgefunden hat. Der Leiter des Auslieferungslagers hatte in der Einigungsverhandlung am 13.10.2000 berichtet, dass zur Zeit zwei LKWs mit jeweils zwei Schreinern im Einsatz seien und dass für den Kläger kein Arbeitsplatz vorhanden sei. Bei dieser Angabe von vier beschäftigen Auslieferungsschreinern war der Kläger also ersichtlich nicht mit eingeschlossen. Zudem ging auch der Kläger in seinem Fax vom 16.10.2000 von vier anderen beschäftigten Auslieferungsschreinern aus. Dass die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen später im Schreiben vom 20.12.2000 mitteilte, es seien drei Mitarbeiter in der Auslieferung beschäftigt, und im Schreiben vom 21.09.2004 unter Bezugnahme auf das Protokoll der Einigungsverhandlung darlegte, zu jenem Zeitpunkt seien nur drei Schreiner beschäftigt gewesen, vermag die aufklärungsbedürftigen Unstimmigkeiten nicht auszuräumen.
Zum anderen hätte das beklagte Amt berücksichtigen müssen, dass die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen bei der Sozialauswahl den Umstand, dass der Kläger einem Schwerbehinderten gleichgestellt war, nicht einbezogen hatte.
Die fehlerhafte Ermessensausübung verletzt den Kläger in seinen Rechten, da das der Hauptfürsorgestelle in § 15 SchwbG eingeräumte Ermessen gerade auch die Interessen der Schwerbehinderten und der Gleichgestellten schützen soll. Deshalb ist der angegriffene Bescheid vom 13.11.2000 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 01.04.2005 gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO aufzuheben.
Dem steht die Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Hannover vom 22.04.2004 nicht entgegen. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen handelt es sich dabei nicht um ein Bescheidungsurteil, sondern um ein Urteil auf eine Anfechtungsklage, dessen Gründe nicht in Rechtskraft erwachsen.
Die Aufhebung ist auch nicht auf den Widerspruchsbescheid zu beschränken. Bei dem gegebenen Sachverhalt war das Ermessen dahingehend auf Null reduziert, dass das beklagte Amt die Zustimmung hätte versagen müssen. Das beklagte Amt ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine Zustimmung ausgeschlossen war, soweit die Kündigung auf personenbedingte Gründe gestützt werden sollte. Hinsichtlich der Kündigung aus betriebsbedingten Gründen war die Zustimmung zu verweigern, weil die Sozialauswahl offensichtlich fehlerhaft war. Ohnehin ist zweifelhaft, ob bei einer Rechtswidrigkeit der Zustimmung aufgrund von Ermessensfehlern nur eine isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheides in Betracht kommt (so Nds. OVG, Urt.v. 22.06.1994, Az. 4 L 4474/93, Behindertenrecht 1995, 74 ff.; Beschl.v. 11.01.2000, Az. 4 L 4073/99; Urt.v. 17.05.2000, Az. 4 L 127/00 ). Die Verwaltungsgerichtsordnung sieht diese Konstruktion nicht vor. Für Bescheide, die nach dem 01.01.2005 bekannt gegeben worden sind, ist sie überdies ausgeschlossen, weil diese gemäß § 8a Abs. 1 Nds. AG VwGO ohne Durchführung eines Vorverfahrens mit der Klage angegriffen werden können.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 S. 2 VwGO. Der Beigeladenen können gem. § 154 Abs. 3 VwGO keine Kosten auferlegt werden, weil sie keinen Antrag gestellt hat.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind weder den anderen Beteiligten noch der Staatskasse aus Billigkeitsgründen gem. § 162 Abs. 3 VwGO aufzuerlegen, da sie sich keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.
Die Berufung war nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 VwGO zuzulassen, da das Urteil hinsichtlich der Frage, ob bei einem Antrag auf Zustimmung zu einer Kündigung aus betriebsbedingten Gründen eine Evidenzkontrolle der Sozialauswahl zu erfolgen hat, von dem Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20.03.2000 (Az. 4 L 4886/99 ) abweicht und auf dieser Abweichung beruht.