Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.05.2010, Az.: 14 K 318/07

Zuordnung des Entlastungsbetrags nach § 24b Einkommensteuergesetz (EStG) bei annähernd gleichwertiger Aufnahme eines Kindes in die beiden Haushalte seiner allein stehenden Eltern

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
17.05.2010
Aktenzeichen
14 K 318/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 23202
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2010:0517.14K318.07.0A

Amtlicher Leitsatz

Einkommensteuer 2004

Zuordnung des Entlastungsbetrags nach § 24 b EStG bei annähernd gleichwertiger Aufnahme des Kindes in die beiden Haushalte seiner allein stehenden Eltern

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, wem der Entlastungsbetrag für Alleinziehende gemäß § 24 b Einkommensteuergesetz i.d.F des Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze vom 21. Juli 2004, Bundesgesetzblatt I 2004, Seite 1753 (EStG) zusteht.

2

Der Kläger war mit der Beigeladenen verheiratet. Sie haben eine gemeinsame Tochter, T, geboren am xxxxx. Im xxxxx ist die Ehe des Klägers und der Beigeladenen vom Amtsgericht xxxxx geschieden worden.

3

Im Streitjahr 2004 wohnte der Kläger in der xxxxxx in xxxxx. Die Beigeladene wohnte ebenfalls in xxxxxx, und zwar xxxxxxx. T war im Streitjahr ausweislich der Melderegisterauskunft der Gemeinde xxxx vom xxxxx mit Hauptwohnsitz bei der Beigeladenen und mit Nebenwohnsitz beim Kläger gemeldet (vgl. Bl. xxxx der Gerichtsakte). Die Beigeladene arbeitete im Streitjahr als xxxxx auch im Nachtdienst. Der Kläger war als xxxxx im Außendienst tätig. Sowohl der Kläger als auch die Beigeladene waren alleinstehend i.S.d. § 24 b Abs. 2 EStG.

4

Im xxxx reichte die Beigeladene ihre Einkommensteuererklärung 2004 beim beklagten Finanzamt (FA) ein und erklärte in der Anlage "Kind", dass sie für T im Streitjahr Anspruch auf Kindergeld i.H.v. 1.848 EUR gehabt habe. Einen Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gemäß § 24 b EStG beantragte die Beigeladene allerdings nicht. Mit Einkommensteuerbescheid vom 8. Februar 2007 setzte das FA daraufhin gegenüber der Beigeladenen die Einkommensteuer 2004 auf xxxxx EUR fest. In diesem Bescheid berücksichtigte das FA zugunsten der Beigeladenen, entsprechend der eingereichten Einkommensteuererklärung, keinen Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gemäß § 24 b EStG. Gegen diesen Bescheid legte die Beigeladene Einspruch ein. T sei in ihrem Haushalt gemeldet. Während des Einspruchsverfahrens setzte das FA mit Bescheid vom xxxxx gegenüber der Beigeladenen die Einkommensteuer 2004 erneut auf xxxxxx EUR fest. Auch gegen diesen Bescheid legte die Beigeladene Einspruch ein und machte zur Begründung erneut geltend, dass T in ihrem Haushalt mit erstem Wohnsitz gemeldet sei. Bei der Festsetzung der Einkommensteuer 2004 müsse daher zu ihren Gunsten der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gemäß § 24 b EStG berücksichtigt werden. Das FA zog daraufhin den Kläger zum Einspruchsverfahren der Beigeladenen hinzu und setzte sodann mit Einspruchsbescheid vom xxxxxx gegenüber der Beigeladenen die Einkommensteuer 2004 auf xxxxx EUR herab, indem es nunmehr zugunsten der Beigeladenen den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gemäß § 24 b EStG i.H.v. 1.308 EUR steuermindernd berücksichtigte. Zur Begründung führte das FA aus, dass der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, wenn, wie im Streitfall, das Kind bei mehreren Steuerpflichtigen gemeldet sei, insgesamt nur einmal gewährt werden könne, und dass er dem Alleinerziehenden zustehe, der auch die Voraussetzungen für die Auszahlung des Kindergeldes erfülle. Im Streitfall habe die Beigeladene das Kindergeld für T erhalten. Wegen der weiteren Einzelheiten des Einspruchsbescheids wird auf Bl. xxxxx ff. des Halbhefters "xxxxxx" verwiesen, den das FA für die Beigeladene unter der Steuer-Nr. xxxxxxx führt.

5

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben, mit der er geltend macht, dass der Beigeladenen zu Unrecht der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gemäß § 24 b EStG gewährt worden sei. Der Entlastungsbetrag nach § 24 b EStG sei, wie in den Jahren zuvor der Haushaltsfreibetrag, weiterhin bei ihm steuermindernd zu berücksichtigen. Seit xxxxx stehe ihm im Rahmen der Unterhaltsberechnung das hälftige Kindergeld i.H.v. 77 EUR zu. Der Entlastungsbetrag nach § 24 b EStG müsse daher zumindest zur Hälfte ihm zugesprochen werden. T habe nach den Übernachtungsplänen, die er im Streitjahr geführt habe, an 188 Tagen bei ihm übernachtet, während sie bei der Beigeladenen lediglich an 166 Tagen übernachtet habe. Im Streitjahr habe er zudem den deutlich höheren Barunterhalt für T gezahlt. Zudem habe T ihren Lebensmittelpunkt bei ihm und nicht bei der Beigeladenen. Dies ergebe sich aus ihrer persönlichen Anhörung vor dem Familiengericht xxxxxx am xxxxx, in der T erklärt habe, dass sie sich lieber beim Kläger als bei der Beigeladenen aufhalte, weil sie dort ihre Familie und ihre Freunde habe. Ergänzend hierzu legte der Kläger dem Gericht das Protokoll über die Anhörung Ts beim Amtsgericht xxxxxx vor (vgl. Bl. xxx der Gerichtsakte). Darüber hinaus hat der Kläger darauf hingewiesen, dass er mit der Beigeladenen vor dem Oberlandesgericht xxxxx am xxxxx in dem Verfahren xxxxx einen Vergleich geschlossen habe, nach dem sich T im gleichen zeitlichem Umfang bei ihm und bei der Beigeladenen aufhalten solle. Wegen der Einzelheiten dieses Vergleichs wird auf Bl. xxx ff. der Gerichtsakte verwiesen. Darüber hinaus habe das Amtsgericht xxxxx als Vormundschaftsgericht mit Beschluss vom xxxxxx ihn für seine Tochter T zum Berechtigten über das Kindergeld bestimmt (vgl. Bl. xxxx der Gerichtsakte).

6

Der Kläger beantragt,

den Einspruchsbescheid vom xxxxx dahingehend abzuändern, dass zugunsten der Beigeladenen kein Entlastungsbetrag für Alleinerziehende i.H.v. 1.308 EUR steuermindernd berücksichtigt wird und die Einkommensteuer dementsprechend heraufzusetzen.

7

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Es hält auch im vorliegenden finanzgerichtlichen Verfahren an seiner bisherigen Auffassung fest und weist ergänzend darauf hin, dass das Vorbringen des Klägers im Klageverfahren nicht entscheidungserheblich sei, da sich weder aus der Anhörung T beim Familiengericht xxxxx noch aus dem Vergleich, den der Kläger mit der Beigeladenen vor dem Oberlandesgericht xxxxxx am xxxxxx abgeschlossen habe, ergäbe, dass die Beigeladene im Streitjahr das Kindergeld für T zu Unrecht erhalten habe. Entsprechendes gelte für den Beschluss des Vormundschaftsgerichts xxxxx vom xxxxxx. Nach Auskunft der Familienkasse xxxxx sei dem Kläger aufgrund der geänderten Berechtigtenbestimmung lediglich rückwirkend ab xxxxxx das Kindergeld für T ausgezahlt worden.

9

Nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung hat der Kläger dem Gericht mit Schreiben vom xxxxx mitgeteilt, dass T nun doch vor dem Senat zu ihrer Haushaltszugehörigkeit aussagen wolle. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Schreibens wird auf Bl. xxxxx der Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet.

11

I.

Der Kläger ist befugt, den Einkommensteuerbescheid 2004 in der Gestalt der Einspruchsbescheids vom xxxxx anzufechten, den das FA gegenüber der Beigeladenen erlassen hat. Wer zu einem Einspruchsverfahren hinzugezogen worden ist, kann gemäß § 360 Abs. 4 Abgabenordnung (AO) dieselben Rechte geltend machen, wie derjenige, der den Einspruch eingelegt hat. Gegen eine Einspruchsentscheidung kann auch ein Hinzugezogener allerdings nur dann Klage erheben, wenn er die dafür in der Finanzgerichtsordnung aufgestellten Voraussetzungen erfüllt, insbesondere die Verletzung eigener Rechte gemäß § 40 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend machen kann (BFH-Beschluss vom 1. Februar 2000 VII B 202/99, BFH/NV 2000, 960).

12

Im Streitfall macht der Kläger, den das FA zum Einspruchsverfahren der Beigeladenen wegen Einkommensteuer 2004 hinzugezogen hat, geltend, durch die mit der vorliegenden Klage angefochtene Steuerfestsetzung gegenüber der Beigeladenen i.S.d. § 40 Abs. 2 FGO in seinen Rechten verletzt zu sein. Der Kläger rügt in der Sache, das FA habe zu Unrecht bei der Festsetzung der Einkommensteuer 2004 gegenüber der Beigeladenen den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende i.S.d. § 24 b Abs. 1 Satz 1 EStG, der für jedes Kind nur einmal gewährt werde, zugunsten der Beigeladenen steuermindernd berücksichtigt, obwohl T bei ihm im Streitjahr ihren Lebensmittelpunkt gehabt habe und er zudem den deutlich höheren Barunterhalt für T gezahlt habe. Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende müsse daher im Streitfall, so der Kläger, von der Beigeladenen auf ihn in voller Höhe oder zumindest zur Hälfte übertragen werden. Der Kläger ist daher durch die angefochtene Steuerfestsetzung gegenüber der Beigeladenen i.S.d. § 40 Abs. 2 FGO beschwert.

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II.

Im Streitfall hat das FA jedoch zu Recht bei der Festsetzung der Einkommensteuer 2004 gegenüber der Beigeladenen den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gemäß § 24 b Abs. 1 Satz 1 EStG für T steuermindernd berücksichtigt. Alleinstehende Steuerpflichtige können nach § 24 b EStG einen Entlastungsbetrag i.H.v. 1.308 EUR im Kalenderjahr von der Summe der Einkünfte abziehen, wenn zu ihrem Haushalt mindestens ein Kind gehört, für das ihnen ein Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder Kindergeld zusteht. Nach § 24 b Abs. 1 Satz 2 EStG ist die Zugehörigkeit zum Haushalt anzunehmen, wenn das Kind in der Wohnung des alleinstehenden Steuerpflichtigen gemeldet ist. Ist das Kind bei mehreren Steuerpflichtigen gemeldet, steht nach § 24 b Abs. 1 Satz 3 EStG der Entlastungsbetrag nach § 24 b Abs. 1 Satz 1 EStG demjenigen Alleinstehenden zu, der die Voraussetzungen auf Auszahlung des Kindergeldes nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG erfüllt oder erfüllen würde in Fällen, in denen nur ein Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG besteht. Diese Regelung gilt im Streitfall, obwohl sie erst während des Streitjahres durch Art. 3 Nr. 3 des Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze vom 21. Juli 2004, Bundesgesetzblatt I 2004, Seite 1753 in dasEinkommensteuergesetz eingefügt worden ist, da Art. 3 des Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze vom 21. Juli 2004, Bundesgesetzblatt I 2004, Seite 1753 nach Art. 6 Abs. 2 des Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze vom 21. Juli 2004, Bundesgesetzblatt I 2004, Seite 1753 rückwirkend ab dem 1. Januar 2004 in Kraft getreten ist.

14

Nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG wird bei mehreren Kindergeldberechtigten das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinem Haushalt aufgenommen hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs liegt eine Haushaltsaufnahme i.S.d. § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG dann vor, wenn das Kind in die Familiengemeinschaft mit einem dort begründeten Betreuungs- und Erziehungsverhältnis aufgenommen worden ist. Neben dem örtlich gebundenen Zusammenleben müssen Voraussetzungen materieller Art, wie Versorgung und Unterhaltsgewährung, und immaterieller Art, wie Fürsorge und Betreuung, erfüllt sein, sog. Obhutsprinzip. Dabei muss die Betreuung des Kindes im Haushalt eines Berechtigten einen zeitlich bedeutsamen Umfang haben und die Aufenthalte des Kindes dürfen nicht nur Besuchs- oder Feriencharakter haben (BFH-Beschluss vom 19. Oktober 2000 VI B 68/99, BFH/NV 2001, 441; BFH-Urteil vom 20. Juni 2001 VI R 224/98, BStBl II 2001, 713; BFH-Urteil vom 26. August 2003 VIII R 91/98, BFH/NV 2004, 324; BFH-Urteil vom 14. Dezember 2004 VIII R 106/03, BStBl II 2008, 762).

15

1.

Im Streitfall lässt sich jedoch aufgrund dieser gesetzlichen Regelungen nicht entscheiden, ob der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gemäß § 24 b Abs. 1 Satz 1 EStG der Beigeladenen oder dem Kläger zusteht. Im Streitjahr waren sowohl der Kläger als auch die Beigeladene alleinstehend i.S.d. § 24 b Abs. 2 EStG. Zudem war ihre gemeinsame Tochter T sowohl bei der Beigeladenen als auch beim Kläger gemeldet. Schließlich hatten im Streitjahr sowohl der Kläger als auch die Beigeladene ihre Tochter T gleichwertig jeweils in ihre Haushalte aufgenommen. Sowohl der Kläger als auch die Beigeladene haben im Rahmen ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend angegeben, dass T sowohl in der Wohnung des Klägers als auch in der Wohnung der Beigeladenen jeweils ein eigenes Kinderzimmer gehabt habe, in dem sich auch ihre Spielsachen befunden hätten. Ferner haben der Kläger und die Beigeladene übereinstimmend bestätigt, dass T in beiden "Elternhäusern" ein eigenes Fahrrad gehabt habe. Ferner haben im Streitjahr sowohl die Beigeladene als auch der Kläger T betreut. Die Beigeladene hat im Rahmen ihrer Anhörung im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt, dass sie hinsichtlich der Betreuung mit dem Kläger einen bestimmten Rhythmus vereinbart habe. In diesem Zusammenhang haben sowohl die Beigeladene als auch der Kläger erklärt, dass sich T nach der Schule abwechselnd bei ihnen aufgehalten habe, und zwar so, wie ihre berufliche Situation dies erlaubt habe, wobei der Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass er als xxxxxx seine Arbeitszeit habe frei einteilen können. Die gemeinsame Betreuung ihrer Tochter sei auch möglich gewesen, da sie beide im Streitjahr in xxxxx gewohnt hätten und ihre Wohnungen nur fünf Kilometer auseinander gelegen hätten. Überdies wohnten Ts Freunde und Freundinnen im Streitjahr ebenfalls in der näheren Umgebung von xxxxx. Ferner hat T nach den übereinstimmenden Angaben des Klägers und der Beigeladenen im Streitjahr ihre Hobbys, wie Reiten und Kunstturnen, ebenfalls in der näheren Umgebung von xxxxx ausgeübt.

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Allein daraus, dass T nach den vom Kläger geführten Übernachtungsplänen im Streitjahr an 188 Tagen bei ihm übernachtet hat, während sie bei der Beigeladenen lediglich an 166 Tagen übernachtet hat, ergibt sich nicht, wie wohl der Kläger meint, dass T ausschließlich oder überwiegend in seinem Haushalt gelebt habe. Zum einen hat die Beigeladene im Rahmen ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich nicht bestätigen können, dass die Aufzeichnungen des Klägers inhaltlich zutreffend sind. Zum anderen ergibt sich aus diesen Aufzeichnungen des Klägers nicht, dass den Aufhalten Ts beim Kläger ein eindeutiges Übergewicht zukommt. T hat im Streitjahr lediglich an 22 Tagen mehr beim Kläger übernachtet, obwohl die Beigeladene im Streitjahr als xxxxxx, anders als der Kläger, auch im Nachtdienst tätig war. Vielmehr ist aufgrund der Anhörung des Klägers und der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung, wie oben dargelegt, davon auszugehen, dass T im Streitjahr keinen eindeutigen Lebensmittelpunkt bei einem der Elternteile gehabt hat, sondern gleichwertig bei dem Kläger und der Beigeladenen gelebt hat, wie der Kläger und die Beigeladene dies dann auch später vor dem Oberlandesgericht xxxxx am xxxxx in dem Verfahren xxxxxx vereinbart haben.

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Auch aus der persönlichen Anhörung Ts vor dem Familiengericht xxxxx am xxxxxx, in der T erklärt hat, dass sie sich lieber beim Kläger als bei der Beigeladenen aufhalte, weil sie dort ihre Familie und ihre Freunde habe, ergibt sich für den Streitfall nichts anderes. Im Streitjahr haben sowohl der Kläger als auch die Beigeladene in xxxxx gewohnt, wobei ihre Wohnungen lediglich fünf Kilometer auseinander gelegen haben. T hat sich somit ohnehin im Streitjahr durchgehend in ihrem gewohnten sozialen Umfeld in xxxxx aufgehalten, und zwar unabhängig davon, ob sie sich gerade im Haushalt des Klägers oder im Haushalt der Beigeladenen aufgehalten hat.

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2.

Für den Fall der gleichwertigen Aufnahme eines Kindes in mehreren Haushalten, wie dies bei getrennt Lebenden oder geschiedenen Eltern, die gewillt sind, die gemeinsame Verantwortung für ihr Kind auch nach der Trennung weiter zu tragen, vorkommt, bietet das Gesetz keine ausdrückliche Lösung. In diesen Fällen wendet der Bundesfinanzhof § 64 Abs. 2 Satz 2 bis 4 EStG analog an, um bestimmen zu können, an wen das Kindergeld, das nach § 64 Abs. 1 EStG nur einem Berechtigten zu zahlen ist und nicht aufgeteilt werden darf, vorrangig auszuzahlen ist (BFH-Urteil vom 23. März 2005 III R 91/03, BStBl II 2008, 752). Ist ein Kind in den gemeinsamen Haushalt von Eltern, einem Elternteil oder dessen Ehegatten, Pflegeeltern oder Großeltern aufgenommen worden, so bestimmen diese gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG untereinander den Berechtigten. Wird eine Bestimmung nicht getroffen, so bestimmt nach § 64 Abs. 2 Satz 3 EStG das Vormundschaftsgericht auf Antrag den Berechtigten. Nach § 64 Abs. 2 Satz 4 EStG kann diesen Antrag stellen, wer ein berechtigtes Interesse an der Zahlung des Kindergeldes hat. Der Bundesfinanzhof begründet seine Analogie damit, dass das Kriterium der Haushaltsaufnahme nach dem Obhutsprinzip berücksichtigt, dass diejenigen Berechtigten, die sich tatsächlich um das Kind kümmern, materiell und immateriell belastet sind. Der Zweck des § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG, den Berechtigten in dieser Situation die Bestimmung des vorrangig Berechtigten zu überlassen, treffe ebenso in Fällen gleichwertiger Haushaltsaufnahme bei zwei Berechtigten zu. Denn auch hier seien die Berechtigten typischerweise in gleicher Höhe mit den Leistungen für das Kind belastet, unabhängig davon, ob dies im konkreten Fall tatsächlich so gegeben sei (BFH-Urteil vom 23. März 2005 III R 91/03, BStBl II 2008, 752).

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Die analoge Anwendung des § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG überträgt der erkennende Senat auf die Gewährung des Entlastungsbetrags nach § 24 b Abs. 1 Satz 1 EStG, soweit, wie im vorliegenden Fall, kein Übergewicht der Haushaltsaufnahme erkennbar ist (so auch bereits Urteil des Finanzgerichts Köln vom 14. August 2008 15 K 1468/07, EFG 2008, 1796). Zwar verweist § 24 b Abs. 1 Satz 3 EStG lediglich auf § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG. Die vom Gesetzgeber jedoch nicht gewollte und damit planwidrige Regelungslücke für Fälle des gleichwertigen Aufenthalts eines Kindes bei mehreren Berechtigten ist im Wege der Auslegung dahingehend zu schließen, dass der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende i.S.d. § 24 b Abs. 1 Satz 1 EStG demjenigen gewährt wird, der von den Berechtigten i.S.d. § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG zum alleinigen Kindergeldberechtigten bestimmt worden ist. Dies entspricht dem Sinn und Zweck des § 24 b EStG, der die höheren Kosten für die eigene Lebens- bzw. Haushaltsführung für sog. "echte" Alleinerziehende abgelten will, die einen gemeinsamen Haushalt nur mit ihren Kindern und keiner anderen erwachsenen Person führen, die tatsächlich oder finanziell zum Haushalt beitragen (vgl. Bundestagsdrucksache 15/3339, Seite 11). Der Entlastungsbetrag soll jedoch insgesamt für jedes Kind nur einmal gewährt werden. Dies folgt sowohl aus dem Wortlaut des Gesetzes, der den Entlastungsbetrag nur demjenigen Alleinstehenden zuweist, der die Voraussetzungen des § 24 b Abs. 1 Satz 3 EStG erfüllt, als auch aus der Gesetzesbegründung, die den Willen des Gesetzgebers dokumentiert und ebenfalls davon ausgeht, dass der Entlastungsbetrag nach § 24 b Abs. 1 Satz 1 EStG nur dem Alleinerziehenden zu gewähren ist, der mit einem minderjährigen Kind eine Haushaltsgemeinschaft in einer gemeinsamen Wohnung bildet (vgl. Bundestagsdrucksache 15/3339, Seite 11). Hätte der Gesetzgeber eine Aufteilung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende i.S.d. § 24b Abs. 1 Satz 1 EStG auf mehrere Steuerpflichtige oder eine doppelte Gewährung des Entlastungsbetrags gewollt, hätte er den Entlastungsbetrag denjenigen Alleinstehenden zuweisen müssen, die das Kind in ihren Haushalt aufgenommen haben. Der eindeutige, bei der Auslegung des Gesetzes zu berücksichtigende Wortlaut des § 24b Abs. 1 Satz 1 EStG und der Wille des Gesetzgebers steht jedoch einer Aufteilung auf mehrere Steuerpflichtige bzw. einer doppelten Gewährung des Entlastungsbetrags entgegen (Urteil des Finanzgerichts Köln vom 14. August 2008 15 K 1468/07, EFG 2008, 1796; Loschelder in Schmidt, EStG, 29. Auflage 2010, § 24b Rdz. 13).

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Der Regelung des § 24 b Abs. 1 Satz 3 EStG i.V.m. § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG lässt sich zudem nach Auffassung des erkennenden Senats auch kein freies, von der Bestimmung des Kindergeldberechtigten unabhängiges Wahlrecht auf Gewährung des Entlastungsbetrags, etwa bei dem alleinstehenden Steuerpflichtigen, der die größte steuerliche Ersparnis erzielt oder der den höheren Barunterhalt für das Kind zahlt, entnehmen. Dagegen sprechen gesetzessystemtische Erwägungen. Zwar hängt die Gewährung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende nach § 24 b Abs. 1 Satz 1 EStG nicht von der Kindergeldbeantragung, wohl aber von der zumindest theoretischen Kindergeld- bzw. Kinderfreibetragsberechtigung ab. Ist das Kind, wie im Streitfall, bei mehreren Steuerpflichtigen gemeldet, kommt es jedoch wegen des Verweises auf das o.g. Obhutsprinzip nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG ausnahmsweise für die Gewährung des Entlastungsbetrags auf die einvernehmliche Bestimmung des Kindergeldberechtigten an. Die Anknüpfung an die kindergeldrechtliche Regelung des § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG stellt somit unter systematischen Gesichtspunkten die konsequente Fortführung des gesetzgeberischen Willens dar (Urteil desFinanzgerichts Köln vom 14. August 2008 15 K 1468/07, EFG 2008, 1796).

21

Im Streitfall hatten der Kläger und die Beigeladene ursprünglich gemeinsam die Beigeladene als Kindergeldberechtigte bestimmt. Der Kläger und die Beigeladene haben im Rahmen der mündlichen Verhandlung übereinstimmend erklärt, dass die Beigeladene nach der Geburt Ts im xxxxx Kindergeld bei ihrem Arbeitgeber mit Zustimmung des Klägers beantragt habe, da sie, im Gegensatz zum Kläger, im öffentlichen Dienst beschäftigt gewesen sei. Ferner haben der Kläger und die Beigeladene darauf hingewiesen, dass dies damals unproblematisch gewesen sei, da ihr Familienleben noch in Ordnung gewesen sei. Diese Berechtigtenbestimmung wirkt im Streitjahr fort. Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 23. März 2005 III R 91/03, BStBl II 2008, 752 bereits ausdrücklich entschieden, dass das Kindergeld bei getrennt lebenden Eltern, die ihr Kind in annähernd gleichem zeitlichen Umfang in ihrem Haushalt aufgenommen haben, demjenigen zu zahlen ist, den die Eltern untereinander bestimmt haben und dass eine vor der Trennung getroffene Bestimmung des Kindergeldberechtigten wirksam bleibt, bis sie von einem Berechtigten widerrufen wird. Im Streitfall hat der Kläger die bisherige Bestimmung der Beigeladenen zur Kindergeldberechtigten erst im Jahre 2006 oder 2007 widerrufen, da er erst 2006 oder 2007, wie er im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt hat, erstmals einen eigenen Kindergeldantrag für T bei der zuständigen Familienkasse gestellt hat. Zudem ist im Streitjahr das Kindergeld entsprechend der gemeinsamen Bestimmung der Beigeladenen zur Kindergeldberechtigten auch tatsächlich an die Beigeladene ausgezahlt worden. Der Kläger hat erst ab xxxxx das Kindergeld für seine Tochter T erhalten.

22

Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, entgegen der Auffassung des Klägers, dass ihm im Rahmen der Unterhaltsberechnung für T ab xxxx das hälftige Kindergeld i.H.v. 77 EUR zustehe. Die Berechnung des Unterhalts hat keinen Einfluss darauf, an wen das Kindergeld auszuzahlen ist, wenn die Eltern untereinander eine Bestimmung des Berechtigten getroffen haben.

23

III.

Der Senat hat zudem ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen xxxxx und xxxxx beschlossen, die mündliche Verhandlung gemäß § 93 Abs. 3 Satz 2 FGO nicht wieder zu eröffnen, obwohl der Kläger nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung mit Schreiben vom xxxxx dem Gericht mitgeteilt hat, dass es Ts Wunsch sei, vor dem Senat zu ihrer Haushaltszugehörigkeit auszusagen. Nach§ 93 Abs. 3 Satz 2 FGO kann das Gericht die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung beschließen. Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist regelmäßig geboten, wenn durch die Ablehnung einer Wiedereröffnung wesentliche Prozessgrundsätze verletzt würden, so z.B. wenn das Gericht den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör verletzen würde oder wenn die Sachaufklärung noch nicht ausreicht (BFH-Urteil vom 4. April 2001 XI R 60/00, BStBl II 2001, 726).

24

Im Streitfall ergeben sich aus dem Schreiben des Klägers xxxxxx jedoch keine Anhaltspunkte, die es rechtfertigen könnten, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Die Beteiligten haben im Rahmen ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen übereinstimmend umfangreich zum Sachverhalt Stellung genommen und sich dabei auch zu der Frage geäußert, in welchem Haushalt T im Streitjahr gelebt hat und wo sich ihr Lebensmittelpunkt befunden hat. Ferner hat der Vorsitzende des Senats die Beteiligten bereits in der mündlichen Verhandlung nach einer Zwischenberatung des Senats darauf hingewiesen, nach der Befragung des Klägers und der Beigeladenen dürfte davon auszugehen sein, dass es einen Lebensmittelpunkt ihrer Tochter T im Streitjahr bei einem der Elternteile nicht gegeben habe. Daraufhin haben übereinstimmend sowohl die Beigeladene als auch der Kläger ausdrücklich erklärt, dass sie auf eine Vernehmung ihrer Tochter als Zeugin verzichten. Bei dieser Sachlage durfte der erkennende Senat in der mündlichen Verhandlung davon ausgehen, dass die Frage der Haushaltszugehörigkeit zwischen den Beteiligten im Wesentlichen nicht mehr streitig ist, so dass eine Vernehmung Ts als Zeugin nicht mehr erforderlich war.

25

Allein der Wunsch Ts, nun doch vor dem Senat zu ihrer Haushaltszugehörigkeit aussagen zu wollen, genügt nicht, um die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zu rechtfertigen, wenn, wie im Streitfall, die Beteiligten auf eine Vernehmung ihrer Tochter als Zeugin verzichtet haben, weil das Gericht den Sachverhalt in der mündlichen Verhandlung durch ihre Anhörung bereits hinreichend aufklären konnte.

26

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO sowie auf § 139 Abs. 4 FGO. Nach § 139 Abs. 4 FGO sind die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn das Gericht sie aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Im Streitfall entspricht es der Billigkeit, dass der Kläger die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen hat. Zwar hat die Beigeladene im vorliegenden Klageverfahren keinen förmlichen Sachantrag gestellt, der sie einem Kostenrisiko gemäß § 135 Abs. 3 FGO ausgesetzt hätte. Die Beigeladene hat das vorliegende Klageverfahren jedoch gefördert, indem sie im Rahmen ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung sich zum Sachverhalt umfassend geäußert hat. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass sie sich, nachdem das Gericht sie gemäß § 60 Abs. 3 FGO zum vorliegenden Rechtsstreit notwendig beigeladen hat, der Teilnahme am Verfahren nicht entziehen konnte, da es in der Sache um den Einkommensteuerbescheid 2004 ging, den das FA ihr gegenüber erlassen hatte (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Februar 2000 X B 3/99, BFH/NV 2000, 1473).

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V.

Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, da es klärungsbedürftig ist, ob die Gewährung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende gemäß § 24 b EStG nach § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG dem Steuerpflichtigen zu gewähren ist, der von den Eltern übereinstimmend zum Kindergeldberechtigten bestimmt worden ist, soweit das Kind in mehreren Haushalten gleichermaßen aufgenommen worden ist. Zu dieser Streitfrage ist beim Bundesfinanzhof bereits ein Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen III R 79/08 anhängig, das einen nahezu identischen Sachverhalt betrifft und über das der Bundesfinanzhof, soweit ersichtlich, noch nicht entschieden hat.