Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.05.2010, Az.: 6 K 434/09
Aufrechnung von Insolvenzforderungen mit Körperschaftsteuerguthaben; Recht eines Insolvenzgläubigers zur Aufrechnung im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens; Zeitpunkt des insolvenzrechtlichen Entstehens einer Forderung bei wirklichem Entstehen der Forderung bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens unter aufschiebendener Bedingung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 20.05.2010
- Aktenzeichen
- 6 K 434/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 17688
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2010:0520.6K434.09.0A
Rechtsgrundlagen
- § 36 Abs. 7 KStG
- § 37 Abs. 5 KStG
- § 226 Abs. 1 AO
- § 387 BGB
Fundstelle
- EFG 2010, 1393-1396
Abrechnungsbescheid
Aufrechnung von Insolvenzforderungen mit dem Körperschaftsteuerguthaben i.S. des § 37 Abs. 5 KStG
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer vom Beklagten durchgeführten Aufrechnung von Insolvenzforderungen mit einem Körperschaftsteuerguthaben.
Der Kläger ist gerichtlich bestellter Insolvenzverwalter über das Vermögen der S. GmbH. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der S. GmbH wurde durch Beschluss des Amtsgerichts St. vom 31. Dezember 2003 (Az. XY) eröffnet. Die vom Beklagten geltend gemachten Insolvenzforderungen wurden in Höhe von 328.241,92 EUR anerkannt und zur Tabelle festgestellt. Zuvor hatte der Beklagte mit Bescheid vom 27. November 2003 Endbestände gemäß § 36 Abs. 7 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zum 31. Dezember 2001 gesondert festgestellt und dabei das Körperschaftsteuerguthaben gemäß § 37 Abs. 1 KStG in Höhe von 72.280,00 DM (dies entspricht 36.956,00 EUR) ermittelt. Mit Bescheid vom 7. Oktober 2008 setzte der Beklagte den Anspruch auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens nach § 37 Abs. 5 KStG auf 36.956,00 EUR fest. Gleichzeitig wurde dem Kläger mitgeteilt, dass die Auszahlung des Guthabens auf zehn Jahre beginnend ab dem Jahre 2008 verteilt werde. Die Höhe dieses Guthabens ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Die erste Rate für das Jahr 2008 in Höhe von 3.695,60 EUR zahlte der Beklagte an den Kläger zur Insolvenzmasse aus.
Mit Schreiben vom 28. September 2009 rechnete der Beklagte zunächst die zur Auszahlung anstehende Jahresrate 2009 des Körperschaftsteuerguthabens von 3.695,60 EUR mit folgenden Insolvenzforderungen in gleicher Höhe auf:
Lohnsteuer 09/2003 | 625,25 EUR |
---|---|
Lohnsteuer 10/2003 | 2.461,16 EUR |
Lohnsteuer 11/2003 | 114,50 EUR |
Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer 09/2003 | 349,46 EUR |
Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer 10/2003 | 98,80 EUR |
Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer 12/2003 | 46,43 EUR |
Der Kläger erklärte sich mit der folgenden Aufrechnung nicht einverstanden und beantragte mit Schreiben vom 30. September 2009 die Erteilung eines Abrechnungsbescheides. Im daraufhin mit Datum vom 8. Oktober 2009 ergangenen Abrechnungsbescheid erweiterte der Beklagte die Aufrechnung des Körperschaftsteuerguthabens in Höhe von 33.260,40 EUR auch auf die Lohnsteuerforderung 09/2003 in Höhe von 9.106,14 EUR und auf die Umsatzsteuerforderung 09/2003 in Höhe von 21.083,91 EUR und lehnte die Auszahlung der Jahresrate 2009 des Körperschaftsteuerguthabens ab.
Gegen den Abrechnungsbescheid legte der Kläger form- und fristgerecht Einspruch ein. Dieser hatte allerdings keinen Erfolg; der Beklagte wies diesen durch Einspruchsbescheid vom 29. Oktober 2009 als unbegründet zurück. Zur Begründung äußerte der Beklagte die Ansicht, die Voraussetzungen für eine Aufrechnung nach §§ 226 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO), 387 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) lägen vor. Insbesondere stünde das eröffnete Insolvenzverfahren über das Vermögen der S. GmbH der Aufrechnung nicht entgegen. Denn der Anspruch auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens sei insolvenzrechtlich bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden.
Hiergegen richtet sich die vom Kläger am 17. November 2009 erhobene Klage, mit der dieser die Aufhebung des Abrechnungsbescheides begehrt. Zur Begründung seiner Klage äußert er die Auffassung, der Anspruch auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens sei nach der Regelung des § 37 Abs. 5 Satz 2 KStG erst mit Ablauf des 31. Dezember 2006 entstanden und zu diesem Zeitpunkt auch insolvenzrechtlich begründet. Da zu diesem Zeitpunkt das Insolvenzverfahren über das Vermögen der S. GmbH bereits eröffnet gewesen sei, stehe dieser Anspruch nach § 96 Abs. 1 Satz 1 der Insolvenzordnung (InsO) nicht zur Aufrechnung mit Insolvenzforderungen zur Verfügung. Diese Auffassung werde auch von Teilen der Finanzverwaltung vertreten.
Der Kläger beantragt,
den Abrechnungsbescheid vom 8. Dezember 2009 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner im Einspruchsbescheid vertretenen Rechtsauffassung fest und verweist insoweit auf die dortigen Ausführungen. Ergänzend äußert er die Ansicht, maßgeblich für das Begründetsein von Erstattungsansprüchen sei nicht die Entstehung der Steuervergütung im Sinne des § 38 AO, sondern der Zeitpunkt, in dem der dem jeweiligen Steuertatbestand zugrundeliegende Lebenssachverhalt verwirklicht sei. Das Körperschaftsteuerguthaben sei somit spätestens mit dem Übergang vom Anrechnungsverfahren in das Halbeinkünfteverfahren zum Ablauf des 31. Dezember 2001 entstanden, da bis dahin der zugrundeliegende Sachverhalt, der zur Entstehung des Körperschaftsteuerguthabens geführt habe - die Schaffung eines Körperschaftsteuerminderungspotenzials durch Gewinnthesaurierungen - verwirklicht worden sei.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt (Schriftsatz des Klägers vom 16. November 2009, Blatt 3 der Gerichtsakte; Schriftsatz des Beklagten vom 9. Dezember 2009, Blatt 22 der Gerichtsakte).
Entscheidungsgründe
I.
Der Senat konnte nach § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten mit Erklärungen vom 16. November 2009 bzw. vom 9. Dezember 2009 einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt haben.
II.
Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Abrechnungsbescheid des Beklagten vom 8. Dezember 2009 in der Gestalt des Einspruchsbescheids vom 29. Oktober 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Der Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass der mit Bescheid vom 7. Oktober 2008 festgesetzte Anspruch auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens in Höhe von 36.956,00 EUR durch Aufrechnung erloschen ist. Die vom Beklagten im Abrechnungsbescheid erklärte Aufrechnung des Steuererstattungsbetrages mit rückständigen Lohn- und Umsatzsteuern und Solidaritätszuschlägen der S. GmbH ist wirksam und führte gemäß § 226 Abs. 1 i.V.m. § 389 BGB und § 47 AO zum Erlöschen des Körperschaftsteuerguthabens.
Die Voraussetzungen für eine wirksame Aufrechnung lagen vor, insbesondere standen dem Beklagten die geltend gemachten fälligen Lohn-, Umsatzsteuerforderungen und die Solidaritätszuschläge zu. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Gegen diese Forderungen konnte der Beklagte mit dem Körperschaftsteuerguthaben aufrechnen.
1.
Gemäß § 226 Abs. 1 AO gelten für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sowie für die Aufrechnung gegen derartige Ansprüche die Vorschriften des bürgerlichen Rechts sinngemäß, soweit nichts anderes bestimmt ist. Die Zulässigkeit der Aufrechnung richtet sich folglich nach §§ 387 ff. BGB und §§ 94 bis 96 InsO.
Nach § 387 BGB setzt die Aufrechnung voraus, dass die Forderung des Aufrechnenden (die Gegenforderung) fällig und die Forderung des Aufrechnungsgegners (die Hauptforderung) erfüllbar ist, die Forderungen gleichartig und Schuldner und Gläubiger sich gegenseitig gegenüberstehen.
Im Streitfall waren zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung i.S.d. § 388 Satz 1 BGB am 7. Oktober 2008 die Gegenforderungen entstanden und fällig. Die Hauptforderung - d.h. der Anspruch auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens in voller Höhe - war erfüllbar. Denn eine Steuerforderung ist erfüllbar, wenn sie entstanden ist (Rüsken in Klein, AO, 10. Auflage, § 226 Rdn. 9). Nach § 38 AO i.V.m. § 37 Abs. 5 Satz 2, 1. Alt. KStG entsteht der gesamte Auszahlungsanspruch des Körperschaftsteuerguthabens - wie im Streitfall der der S. GmbH - mit Ablauf des 31. Dezember 2006. Lediglich die - für die Aufrechnungslage unrelevante - Fälligkeit des Auszahlungsanspruchs wird nach der Regelung des § 37 Abs. 5 Satz 4 KStG auf zehn Jahresraten im Auszahlungszeitraum 2008 bis 2017 gestreckt.
Die Forderungen standen sich als Geldforderungen gleichartig gegenüber; Beklagter und die S. GmbH waren jeweils wechselseitig Schuldner bzw. Gläubiger der Gegen- und Hauptforderung. Denn auf Seiten des Beklagten gilt nach § 226 Abs. 4 AO in Abweichung von der Regelung der Steuergläubigerschaft des Art. 106 des Grundgesetzes auch das Land Niedersachsen als verwaltende Körperschaft als Gläubiger bzw. Schuldner der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis zur S. GmbH.
2.
Insolvenzrechtliche Vorschriften standen der Aufrechnung nicht entgegen.
a)
Nach § 94 InsO wird das Recht eines Insolvenzgläubigers zur Aufrechnung durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht berührt, wenn dieser zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes oder aufgrund einer Vereinbarung zur Aufrechnung berechtigt war. Die mit Eröffnung eines Insolvenzverfahrens verbundene Beschränkung in der Durchsetzung der Ansprüche der Insolvenzgläubiger hindert also mit anderen Worten denjenigen Insolvenzgläubiger nicht an der Aufrechnung und damit einer bevorzugten Befriedigung seiner Forderung noch während des Insolvenzverfahrens, der im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Aufrechnung berechtigt gewesen wäre.
Diese Vorschrift greift jedoch zugunsten des Beklagten im Streitfall offenkundig nicht ein. Denn dieses war im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht zur Aufrechnung berechtigt, weil der Erstattungsanspruch der Klägerin nach § 37 Abs. 5 KStG, d.h. die Hauptforderung, gegen die der Beklagte später die Aufrechnung erklärt hat, nicht erfüllbar war. Denn es fehlte in diesem Zeitpunkt nicht nur an der steuerverfahrensrechtlichen Entstehung dieses Anspruchs, von der nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) für die Anwendung der InsO abzusehen wäre (BFH-Urteile vom 5. Oktober 2004 VII R 69/03, BFHE 208, 10, BStBl II 2005, 195 ; vom 16. November 2004 VII R 75/03, BFHE 208, 296, BStBl II 2006, 193, und vom 31. Mai 2005 VII R 74/04, BFH/NV 2005, 1745), sondern auch an den materiell-rechtlichen Voraussetzungen, von denen das Entstehen eines solchen Erstattungsanspruchs abhängt. Denn der Gesetzgeber hat erst durch das Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 7. Dezember 2006 (SEStEG; BGBl. I 2006, 2782) eine entscheidende Änderung für die Behandlung von Körperschaftsteuerguthaben geregelt. Durch die Gesetzesänderung ist der bisher notwendige Ausschüttungsbeschluss für die Realisierung des Körperschaftsteuerguthabens durch die Regelung des § 37 Abs. 5 KStG ersetzt worden.
b)
Bestanden die zur Aufrechnung sich gegenüberstehenden Forderungen des Schuldners und eines Insolvenzgläubigers bereits im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, ist der Insolvenzgläubiger - über § 94 InsO hinaus - nach § 95 Abs. 1 InsO auch zur Aufrechnung befugt, wenn die Aufrechnungslage erst während des Insolvenzverfahrens eintritt, weil die aufzurechnende Hauptforderung im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch aufschiebend bedingt oder nicht fällig oder die Forderungen noch nicht auf gleichartige Leistungen gerichtet waren, es sei denn (Satz 3 der Vorschrift), dass die Hauptforderung im Insolvenzverfahren unbedingt und fällig wird, bevor der Insolvenzgläubiger seinen Anspruch einfordern und somit die Aufrechnung mit diesem Anspruch erklären kann (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 22. September 2005 VII ZR 117/03, BGHZ 164, 159). Diese letztgenannte Einschränkung der Aufrechnungsbefugnis hat im Streitfall offenkundig keine Bedeutung, nachdem die vom Beklagten zur Aufrechnung herangezogenen Insolvenzforderungen lange vor dem Auszahlungsanspruch aus § 37 Abs. 5 KStG vollwirksam entstanden und fällig waren.
Demgegenüber ist die Aufrechnung nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ausgeschlossen, wenn die Hauptforderung zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch nicht bestand und mithin der Insolvenzgläubiger nach Insolvenzeröffnung etwas schuldig geworden ist.
aa)
Für die Frage, ob ein Anspruch i.S. des § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO aufschiebend bedingt (vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens) entstanden ist oder § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO der Aufrechnung durch den Insolvenzgläubiger entgegensteht, ist entscheidend, ob die Hauptforderung ihrem Kern nach bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist. Damit wird die Aufrechnung gegen steuerrechtliche Forderungen ermöglicht, die im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwar noch nicht i.S. des § 38 AO entstanden, wohl aber insolvenzrechtlich "begründet" sind. Im Insolvenzverfahren des Steuerpflichtigen kommt es nämlich hinsichtlich der Frage, ob ein Anspruch zur Insolvenzmasse gehört (vgl. § 35 InsO) oder ob die Forderung eines Gläubigers eine Insolvenzforderung ist (§ 38 InsO), nicht darauf an, ob der Anspruch zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im steuerrechtlichen Sinne entstanden war, sondern darauf, ob in diesem Zeitpunkt nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Anspruch bereits gelegt war. Hierfür können auch zivilrechtliche Umstände maßgeblich sein. Für die Behandlung von Steueransprüchen ergibt sich daraus, dass eine Steuerforderung immer dann Insolvenzforderung i.S. des § 38 InsO ist, wenn sie vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens in der Weise "begründet" worden ist, dass der zugrunde liegende zivilrechtliche Sachverhalt, der zu der Entstehung der Steueransprüche führt, bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden ist. Nach denselben Grundsätzen muss auch der Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Entstehung, d.h. die Zugehörigkeit zur Insolvenzmasse (§ 35 InsO) eines steuerrechtlichen Vergütungs- oder Erstattungsanspruchs des Schuldners beurteilt werden. Diese auf der Grundlage der Vorschriften der KO entwickelte Rechtsauffassung gilt gleichermaßen auch für die Vorschriften der InsO (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 17. April 2007 VII R 27/06, BStBl II 2009, 589 m.w.N.; vom 5. Oktober 2004 VII R 69/03, BStBl II 2005, 195 m.w.N.).
Ist der Steuererstattungsanspruch vor Insolvenzeröffnung im insolvenzrechtlichen Sinne bereits entstanden, greift § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht ein, weil ihm § 95 Abs. 1 InsO vorgeht (Brandes in MüKo-InsO, 2. Auflage, § 95 Rn. 25).
bb)
Vorliegend ist daher zu entscheiden, ob das nach § 37 Abs. 5 KStG auszuzahlende Körperschaftsteuerguthaben nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen bereits vor der Insolvenzeröffnung am 31. Dezember 2003 entstanden war.
(1)
Für den Bereich der Umsatzsteuer und zuletzt auch für die Grunderwerbsteuer geht der VII. Senat des BFH in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine Erstattungsforderung ihrem Kern nach bereits vor Insolvenzeröffnung entstanden ist, wenn eine Steuer, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist, zu erstatten oder zu vergüten oder in anderer Weise dem Steuerpflichtigen wieder gut zu bringen ist. Ein diesbezüglicher Anspruch des Steuerpflichtigen werde auch dann nicht erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet, sondern stelle eine vor Eröffnung des Verfahrens aufschiebend bedingt begründete Forderung dar, gegen die die Finanzbehörde gemäß § 95 Abs. 1 InsO im Verfahren aufrechnen könne, wenn das als aufschiebende Bedingung zu behandelnde, die Erstattung bzw. Vergütung auslösende Ereignis selbst - z.B. das Uneinbringlichwerden des Entgeltes für eine umsatzbesteuerte Leistung - erst nach Eröffnung des Verfahrens eintrete. Das gelte unabhängig davon, ob dieses Ereignis steuertechnisch als rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu einer Änderung der ursprünglichen Steuerfestsetzung und einem Erstattungsanspruch führe oder - wie z.B. in den Fällen des § 17 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) - zu einem steuerverfahrensrechtlich selbständigen Anspruch, der jedoch gleichsam kompensatorischen Charakter hat, indem er die ursprünglich vorgenommene Besteuerung ausgleiche und die damals für ein bestimmtes Ereignis erhobene Steuer aufgrund eines späteren, entgegen gesetzten Ereignisses zurückführe. Gerade wenn ein solches Ereignis wie in den Fällen des § 17 UStG nicht zu einer Korrektur der ursprünglichen Steuerfestsetzung, sondern zu einem dieser entgegen gesetzten selbständigen Anspruch bzw. zur Berücksichtigung zugunsten des Steuerpflichtigen in einem späteren Besteuerungszeitraum führe, sei es geboten, eine Aufrechnung der Finanzbehörde im Insolvenzverfahren zuzulassen, wie ohne weiteres in dem Fall deutlich werde, dass die ursprünglich festgesetzte Steuer nicht bezahlt worden sei; es sei dann schwerlich gerechtfertigt, anzunehmen, die Finanzbehörde müsse eine (Umsatz-) Steuererstattung an die Insolvenzmasse leisten, könne aber ihre korrespondierende, unbefriedigte Steuerforderung lediglich als Insolvenzforderung geltend machen und müsse hinnehmen, mit ihr möglicherweise ganz oder teilweise auszufallen. Der Anwendung des§ 95 Abs. 1 Satz 1 InsO stehe es auch nicht entgegen, dass der Anspruch, gegen den aufgerechnet wird, von Bedingungen abhänge, deren Eintritt bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens ungewiss seien und die herbeizuführen oder zu vereiteln in der Macht des Anspruchsberechtigten oder zumindest eines Dritten stünden (BFH-Urteil vom 17. April 2007 VII R 27/06, a.a.O.).
Zweifel an dieser Rechtsprechung in ihrer Absolutheit äußern jedoch der V. Senat des BFH in seinem Beschluss vom 13. Juli 2006 (V B 70/06, BStBl 2007, 415) und das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 25. Juni 2009 (6 K 1969/06, EFG 2009, 1667 unter Berufung auf BGH-Urteil vom 29. Juni 2004 IX ZR 147/03, nicht rechtskräftig, Rev. eingelegt, Az. des BFH: V R 34/09) wonach eine Aufrechnung nicht in Betracht komme (bzw. ernstlich zweifelhaft sei), wenn ein Erstattungsanspruch dadurch entstehe, dass die Umsatzsteuerschuld nach § 17 UStG berichtigt werde. Letztere stellen unter Bezugnahme auf die Argumentation des BGH darauf ab, dass der Eintritt einer Bedingung i.S.d. § 95 Abs. 1 InsO nicht mit der Abgabe einer rechtsgeschäftlichen Erklärung (im Urteilsfall die Wahl der Nichterfüllung eines Vertrages gemäß § 103 Abs. 2 InsO), die zu einer Steuererstattung führe, vergleichbar sei. Der V. Senat des BFH stellt dagegen darauf ab, dass bei einer Umsatzsteuerberichtigung nach § 17 UStG keine rückwirkende Änderung der ursprünglichen Steuerfestsetzung erfolge, sondern der Sachverhalt sei als unselbständige Besteuerungsgrundlage in der Steuerfestsetzung für den maßgeblichen Besteuerungszeitraum (nach Insolvenzeröffnung) zu berücksichtigen (BFH-Beschluss vom 13. Juli 2006 V B 70/06, a.a.O.).
(2)
Bezogen auf das nach § 37 Abs. 5 KStG auszuzahlende Körperschaftsteuerguthaben wird in Teilen der Finanzverwaltung die Auffassung vertreten, eine Aufrechnung mit dem Körperschaftsteuerguthaben sei nur dann möglich, wenn das Insolvenzverfahren nach dem 31. Dezember 2006 eröffnet worden sei (so die Oberfinanzdirektion - OFD - Koblenz vom 7. Dezember 2007 S 0453 A - St 34 1 und OFD Münster vom 20. April 2007, Kurzinfo VerfahrensR 10/2007, DB 2007, 1001). Nach der dort vertretenen Auffassung werde das Körperschaftsteuerguthaben kraft Gesetzes erst mit Ablauf des 31. Dezember 2006 begründet und stehe daher der Insolvenzmasse zu. § 37 Abs. 5 KStG fingiere zu diesem Stichtag den bis zur Gesetzesänderung notwendigen Ausschüttungsbeschluss. Insolvenzrechtlich begründet sei das Guthaben erst mit dem (nunmehr fingierten) Ausschüttungsbeschluss.
(3)
In der Literatur wird überwiegend die Auffassung vertreten, die Finanzverwaltung könne auch in den Fällen, in denen ein Insolvenzverfahren vor dem 31. Dezember 2006 eröffnet worden ist, mit vor der Insolvenzeröffnung fällig gewordenen Steuerforderung gegen das Körperschaftsteuerguthaben nach § 37 Abs. 5 KStG aufrechnen (so Sterzinger, BB 2008, 1480; Fett in DStZ 2008, 768; Manuel Ladiges in DStR 2008, 2041). Die insolvenzrechtliche Begründung des Körperschaftsteuerguthabens sei nicht erst mit der Einführung des § 37 Abs. 5 KStG erfolgt. Vielmehr sei das Guthaben im Rahmen des Wechsels vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren entstanden (Sterzinger, a.a.O.), da auf dieser Grundlage das Körperschaftsteuerguthaben bereits auf den 31. Dezember 2001 ermittelt und festgestellt worden sei (Ladiges, a.a.O.). Bei dem vor Geltung des SEStEG erforderlichen Ausschüttungsbeschlusses habe es sich um die aufschiebende Bedingung für die Nutzung des Körperschaftsteuerguthabens gehandelt. Dieser Ausschüttungsbeschluss sei nunmehr durch die Regelung des § 37 Abs. 5 KStG ersetzt worden.
(4)
Der in der Literatur vertretenen Auffassung, insbesondere von Sterzinger und Ladiges, ist nach Auffassung des erkennenden Senats zuzustimmen.
Maßgeblich für das insolvenzrechtliche Entstehen einer Forderung ist die Frage, ob eine Forderung "ihrem Kern nach" bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist und nur noch von dem Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt. Das zu erstattende Körperschaftsteuerguthaben ist bereits zum 31. Dezember 2001 entstanden. Denn das Körperschaftsteuerguthaben entstand allein durch die Verwirklichung der körperschaftsteuerlichen Tatbestände bis zum Ablauf des grundsätzlich bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Anrechnungsverfahrens als systembedingtes Köperschaftsteuerminderungspotenzial durch Gewinnthesaurierungen (so auch Urteil des Thüringer FG vom 18. Februar 2010 2 K 215/09, EFG 2010, 750, nicht rechtskräftig, Rev. eingelegt, Az. des BFH: I R 20/10). Dieser dem Körperschaftsteuerguthaben zugrunde liegende Sachverhalt ist bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 31. Dezember 2003 verwirklicht worden.
Mit dem Übergang vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren hat der Gesetzgeber mit Einführung des§ 37 KStG durch das Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung vom 23. Oktober 2000 (Steuersenkungsgesetz - StSenkG -, BGBl. I 2000, 1433) eine Möglichkeit geschaffen, auch künftig noch - also nach dem 31. Dezember 2001 - das vorhandene Körperschaftsteuerminderungspotenzial zu nutzen (vgl. Gosch, Körperschaftsteuergesetz, 1. Auflage, § 37 Rn. 10), das in hochbelasteten Eigenkapitalanteilen enthalten war. Dazu bedurfte es zunächst nach der bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Regelung eines Ausschüttungsbeschlusses. Erst im Zusammenhang mit einer Ausschüttung, die von einer Handlung des von der Ausschüttung Begünstigten abhängig war, konnte das Körperschaftsteuerguthaben genutzt werden. Die Durchführung der Ausschüttung stellte damit den Eintritt einer Bedingung i.S.d. § 95 Abs. 1 InsO dar, der dem Finanzamt die Möglichkeit zur Aufrechnung mit bereits bestehenden und fälligen Steuerforderungen bot (so auch Urteil des Thüringer FG vom 18. Februar 2010 2 K 215/09, a.a.O.).
Nach dem Zweck des § 95 InsO, den Gläubiger, dessen Forderung in ihrem rechtlichen Bestand bereits gesichert ist, ohne dass es einer weiteren Rechtshandlung des Anspruchsinhabers bedarf, zu schützen, fallen unter den Begriff der Bedingung nicht nur solche i.S. des§ 158 BGB, sondern der insolvenzrechtliche Begriff der Bedingung ist weit auszulegen (Brandes in MüKo-InsO, 2. Auflage, § 95 Rn. 10). Schon für den Bereich des § 158 BGB ist die Möglichkeit der Potestivbedingung anerkannt, bei der der Eintritt einer Rechtswirkung an ein Verhalten geknüpft wird, das vom Belieben einer (Vertrags-)Partei abhängt (C. Armbrüster in Erman, BGB, vor § 158, Rn. 12). Dagegen wird die sogenannte Wollensbedingung, bei der die Geltung eines Rechtsgeschäfts in den Willen einer Vertragspartei gestellt wird, im Schrifttum überwiegend abgelehnt (Bork in Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Vorbem. zu §§ 158-163, Rn. 17).
Der nach der bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Rechtslage erforderliche Ausschüttungsbeschluss ist jedoch einer zivilrechtlichen Wollensbedingung nicht vergleichbar. Zwar war die Ausschüttung von einem Ausschüttungsbeschluss und damit von einer Willenserklärung abhängig. Allerdings beruhte die steuerrechtliche Entstehung des entsprechenden Körperschaftsteuerguthabens nicht auf einer vertraglichen Rechtsbeziehung, bei der fraglich ist, ob der Eintritt einer Bedingung oder der Vertragsschluss selbst von dem Wollen einer Vertragspartei abhängt, sondern auf dem Gesetz. Insoweit sieht der erkennende Senat im vorliegenden Verfahren keine Abweichung zur Rechtsprechung des FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 25. Juni 2009 6 K 1969/06, a.a.O.). Die in dem dortigen Verfahren zu entscheidende Frage nach dem Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Begründung des Umsatzsteuererstattungsanspruchs stellt sich im vorliegenden Verfahren so nicht. Denn das Körperschaftsteuerguthaben ist bereits mit Ablauf des 31. Dezember 2001 entstanden und wurde auf diesen Zeitpunkt verbindlich festgestellt. Lediglich die Nutzung des festgestellten Guthabens war noch von dem Eintritt einer aufschiebenden Bedingung, der Durchführung einer Ausschüttung, abhängig.
Durch die Einführung des § 37 Abs. 5 KStG zum 31. Dezember 2006 hat sich an der zuvor dargestellten Rechtslage in Bezug auf die Möglichkeit zur Aufrechnung im Insolvenzverfahren nichts Wesentliches geändert. Das Körperschaftsteuerguthaben ist nicht erst zum 31. Dezember 2006 entstanden. Die Einführung dieser Vorschrift durch das SEStEG hat vielmehr nur die Auszahlungsmodalität des bereits zuvor festgestellten Körperschaft-steuerguthabens geändert. § 37 Abs. 5 KStG lässt das Erfordernis der Ausschüttung zur Nutzung des festgestellten Körperschaftsteuerguthabens entfallen und ersetzt dieses durch eine ratierliche, auf zehn Jahre gestreckte Auszahlung. Damit ist die Bedingung der Ausschüttung durch eine Fälligkeitsbestimmung ausgewechselt worden, die aber gleichermaßen an das bereits zum 31. Dezember 2001 festgestellte Körperschaftsteuerguthaben anknüpft und ebenso gemäߧ 95 Abs. 1 InsO eine Aufrechnung im Insolvenzverfahren zulässt. Dem stehen die Ausführungen des BGH in seinem Urteil vom 29. Juni 2004 (IX ZR 147/03, BGHZ 160, 1) nicht entgegen. In dem dort zu entscheidenden Rechtsstreit hat der BGH für ein laufendes Insolvenzverfahren die Aufrechnung mit einer Dividende abgelehnt, deren Ausschüttung erst während des laufenden Insolvenzverfahrens beschlossen worden war. Hierzu hat der BGH ausgeführt, dass die Dividende noch nicht rechtlich bedingt gewesen sei, da sich ein entsprechender Anspruch weder aus der Satzung der ausschüttenden Gesellschaft noch aus dem Genossenschaftsgesetz ergebe. Sie sei vielmehr erst durch den Ausschüttungsbeschluss selbst entstanden. Insoweit ist der Fall mit dem vorliegend zu entscheidenden nicht vergleichbar. Gegenstand der Aufrechnung ist nicht die durch den Ausschüttungsbeschluss erst begründete Dividende, sondern das durch Gesetz begründete und erstmals zum 31. Dezember 2001 verbindlich festgestellte Körperschaftsteuerguthaben.
Da somit auch insolvenzrechtliche Vorschriften nicht entgegen stehen, durfte der Beklagte seine Insolvenzforderungen gegen das Körperschaftsteuerguthaben aufrechnen. Entgegen der Ansicht von Sterzinger (a.a.O.) konnte der Beklagte auch gegen das gesamte Körperschaftsteuerguthaben aufrechnen, obwohl die Jahresraten der Jahre 2010 bis 2017 nach § 37 Abs. 5 Satz 4 KStG noch nicht fällig waren. Denn der Regelung des § 95 InsO ist nicht zu entnehmen, dass die Aufrechnung erst im Zeitpunkt der Fälligkeit der Hauptforderung erklärt werden kann. Vielmehr kann der Insolvenzgläubiger aufrechnen, sobald seine Gegenforderung fällig und die massezugehörige Hauptforderung erfüllbar ist (Sinz in Uhlenbrock, InsO, 13. Auflage 2010, § 95 Rdn. 7).
(5)
Die von den Verfügungen der OFD Münster und OFD Koblenz abweichende Rechtsauffassung des Beklagten stellt auch keine Verletzung desArt. 3 GG wegen eines Verstoßes gegen die Rechtsanwendungsgleichheit dar. Der erkennende Senat teilt nicht die in Teilen der Finanzverwaltung vertretene Rechtsauffassung, dass eine Aufrechnung mit Körperschaftsteuerguthaben in Fällen der vor dem 31. Dezember 2006 eröffneten Insolvenzverfahren nicht möglich sei. Dass seitens der Finanzverwaltung teilweise die Aufrechnungsmöglichkeit abgelehnt wurde, kann der Kläger nicht für sich in Anspruch nehmen, da er sich nicht auf eine Gleichbehandlung im Unrecht berufen kann. Einen Anspruch auf "Gleichbehandlung im Unrecht" gibt es nicht (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Januar 2005 I B 79/04, BFH/NV 2005, 1232 m.w.N.). Der Kläger kann sich insoweit weder auf eine zu seinen Gunsten lautende gefestigte Rechtsprechung noch auf eine einheitliche Verwaltungsauffassung, die zu einer Selbstbindung der Verwaltung führen könnte, berufen. Lediglich zwei OFD'en haben sich zu der Fragestellung der Aufrechnungsmöglichkeit mit Körperschaftsteuerguthaben im Insolvenzverfahren befasst, während insbesondere das Bundesministerium der Finanzen hierzu noch keine Stellungnahme abgegeben hat. Von einer einheitlichen Verwaltungsauffassung kann daher nicht gesprochen werden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
IV.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gem.§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zugelassen.