Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 06.05.2010, Az.: 11 K 12069/08
Berücksichtigung von Werbungskostenüberschüssen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung; Abziehbarkeit von Aufwendungen für eine leer stehende Wohnung als vorab entstandene Werbungskosten bei endgültiger Vermietung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 06.05.2010
- Aktenzeichen
- 11 K 12069/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 15819
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2010:0506.11K12069.08.0A
Rechtsgrundlagen
- § 9 Abs. 1 S. 1 EStG
- § 9 Abs. 1 S. 2 EStG
- § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG
Fundstellen
- DStRE 2011, 81-82
- EFG 2010, 1199-1200
- I&F 2010, 839
Keine VuV-Einkünfte bei Sanierung über einen langen Zeitraum
Tatbestand
Streitig ist die Berücksichtigung von Werbungskostenüberschüssen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.
Die Kläger werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger war bis Mai 2005 als technischer Sachbearbeiter angestellt und bezieht seitdem eine Altersrente. Die Klägerin ist nicht erwerbstätig.
Die Kläger erzielten in den Streitjahren neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Einkünfte aus Kapitalvermögen. In 1999 haben die Kläger ihr Konto bei der X Bank aufgelöst. Der Kontostand betrug seinerzeit 302.409,65 DM.
Die Kläger erwarben mit notariellem Vertrag vom 6. November 1995 ein bebautes Grundstück in A für 130.000 DM. Die Übergabe erfolgte am 19. November 1996. Der Kauf wurde mit eigenen Mitteln finanziert. Das Grundstück ist 6.651 qm groß und das daraufstehende Gebäude befand sich nach dem notariellen Vertrag in einem baufälligen Zustand. Bereits seit dem 1. August 1994 sind die Kläger bei der Stadt B mit der Adresse des Kaufobjektes mit Nebenwohnsitz gemeldet.
Das Grundstück wurde mit notariellem Übertragungsvertrag vom 14. Dezember 2006 im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge auf den Sohn übertragen. Die Besitzübergabe des Objektes an den Sohn erfolgte zum 1. Januar 2007.
Seit dem 1. Mai 2008 vermietet der Sohn das Objekt. In den Jahren 1996 bis 2006 führten die Kläger Renovierungsarbeiten durch. Die Renovierung erfolgte in Eigenarbeit.
In den Einkommensteuererklärungen der Jahre 1996 bis 2006 machten die Kläger jährlich Werbungskostenüberschüsse aus dem Objekt B geltend. Im Einzelnen handelte es sich um folgende Aufwendungen:
VZ | nachtr. Anschaffungskosten bzw. Sanierungsaufwendungen in EUR | Sonder-AfA (FörderGG) in EUR | sonstige WK einschl. AfA in EUR | Werbungskostenüberschuss in EUR |
---|---|---|---|---|
1996 | 33.257 | 16.629 | 198 | 16.827 |
1997 | 24.660 | 9.864 | 1.446 | 11.310 |
1998 | 14.320 | 5.728 | 1.430 | 7.158 |
1999 | 10.773 | 5.717 | 1.546 | 7.262 |
2000 | 12.638 | 5.717 | 1.841 | 7.558 |
2001 | 10.727 | 5.717 | 2.115 | 7.832 |
2002 | 13.731 | 5.717 | 2.586 | 8.303 |
2003 | 15.737 | 5.717 | 3.136 | 8.853 |
2004 | 6.410 | 5.717 | 3.933 | 9.650 |
2005 | 8.883 | 5.717 | 4.823 | 10.540 |
2006 | 8.663 | - | 5.125 | 5.125 |
Summe: | 159.799 | 72.240 | 28.179 | 100.419 |
Am 12. Dezember 2006 fand eine Ortsbesichtigung durch die Bausachverständige des Finanzamtes C im Beisein der Kläger statt. Das Finanzamt C hat dazu folgendes mitgeteilt:
"Ein Großteil der Hoffläche wurde mit Verbundpflaster befestigt, laut Auskunft der Steuerpflichtigen wurden baufällige Nebengebäude und die alte Klärgrube abgerissen. In den anderen Nebengebäuden wurden teilweise werterhaltende Maßnahmen (neue Tore und Decke in der Durchfahrt neues Dach auf einem kleinen Stall) durchgeführt.
Der Zugang zum Wohnhaus erfolgt wegen der fehlenden Außentreppe zurzeit noch durch den Keller. Wie bereits in 1999 von Frau D beschrieben, handelt es sich um einen Hochkeller der aus bautechnischer Sicht ein Vollgeschoss darstellt. Eine Nutzung dieses Geschosses zu Wohnzwecken ist nicht geplant, vielmehr ist eine Nutzung als Abstellfläche vorgesehen, zurzeit dient er als Lagerfläche für Baumaterial und Hausrat. Im Kellergeschoss des Anbaus ist ein Bad eingerichtet, welches augenscheinlich genutzt wird. Über eine massive Treppe gelangt man ins Erdgeschoss am Treppenausgang ist eine Tür angebracht, welche zu einer großen Diele führt. Von dieser Diele geht die Treppe ins Obergeschoss sowie weitere 5 Türen ab. Eine führt zu einer Veranda. An dieser soll dann die Haupttreppe enden. Drei Türen ermöglichen den Zugang zu einzelnen Wohnräumen und durch die fünfte Tür gelangt man in einen als Küche vorgesehenen Raum. Von dieser Küche aus sind ein Wohnraum und ein Bad zugängig. Diese drei Räume zusammengefasst bilden eine in sich abgeschlossene Wohnung.
Folgende Arbeiten stehen im Erdgeschoss noch aus:
- Anbringen einer Eingangstreppe
- Bodenbelag in der Veranda
- Installation von WC, Waschbecken, Tür der Dusche und Armaturen
- Wasserschaden hat vermutlich die Tragfähigkeit des Deckenbalkens der Baddecke beeinträchtigt. Er muss verstärkt ggf. noch ausgewechselt werden.
- Tapezieren und Malerarbeiten
- Schleifen und Aufarbeiten der Holztreppe ins ObergeschossDie Wohnung im Obergeschoss ist durch eine Tür am Treppenende in sich abgeschlossen. Anzumerken sei hier aber, dass der Zugang zum nichtausgebauten Dachgeschoss nur durch diese Wohnung möglich ist. Die Wohnung hat nach überschlägigem Ausmaß eine Wohnfläche von ca. 140 qm (ohne Terrasse).
Im Obergeschoss sind noch folgende Arbeiten zu erledigen:
- Aufarbeitung (Beseitigung von Höhendifferenzen, Schleifen und Versiegeln der Dielung der gesamten Wohnung)
- Einbau von Innentüren
- Restarbeiten beim Fliesen des Bades
- Siehe Arbeiten Decke Erdgeschoss Bad
- Installation der sanitären Anlagen (Waschbecken, WC, Dusche und/oder Badewanne, Armaturen)
- Tapezieren/Malerarbeiten
- Instandsetzung des Treppenaufganges zum Dachgeschoss
- Anbringen eines Geländers an der Terrasse"
Die geltend gemachten Einkünfte aus dem Objekt B wurden bei den Einkommensteuerveranlagungen 1996 bis 1999 erklärungsgemäß berücksichtigt. Diese Einkommensteuerfestsetzungen sind bestandskräftig.
Der Beklagte veranlagte die Einkommensteuer 2000 bis 2004 gemäß § 165 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) vorläufig weil die Einkünfteerzielungsabsicht aus dem Objekt B nicht abschließend geprüft werden könne. Bei der Einkommensteuerveranlagung 2005 berücksichtigte das Finanzamt die erklärten Einkünfte i. H. von ./.10.293 EUR nicht mehr, weil es nun davon ausging, dass eine Einkünfteerzielungsabsicht nicht vorgelegen habe. Es änderte auch die Einkommensteuerbescheide 2000 bis 2004 gemäß § 165 Abs. 2 Satz 1 AO und berücksichtigte die Werbungskostenüberschüsse nicht mehr.
Die (geänderten) Einkommensteuerbescheide 2000 bis 2005 wurden sodann am 15. Februar 2007 erlassen. Dagegen legten die Kläger Einspruch ein, der mit Einspruchsbescheid vom 18. Januar 2008 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Dagegen erhoben die Kläger Klage.
Sie tragen vor, dass sie im gesamten Streitzeitraum eine Einkünfteerzielungsabsicht gehabt hätten. Im Jahre 2007 sei ein Nachweis der Einkünfteerzielungsabsicht dadurch zu erbringen gewesen, dass man eine Reihe von Vermietungsanzeigen aufgegeben habe. Auch sei das Objekt ab Mai 2008 vermietet worden, sodass auch eine Totalprognose über 30 Jahre zu einem Einnahmenüberschuss von ca. 27.400,00 EUR führen würde. Die Baumaßnahmen seien im vollen Umfang in Eigenleistung erbracht worden, so dass Mehraufwendungen an Investitionen von ca. 240.000,00 EUR vermieden worden seien. Deshalb sei es aus wirtschaftlicher Sicht absolut nicht nachvollziehbar gewesen, durch Fremdleistungen eine schnellere Vermietbarkeit herzustellen.
Die Kläger beantragen,
die Einkommensteuerbescheide 2000 bis 2005 vom 15. Februar 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Januar 2008 zu ändern und die erklärten negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, dass im Streitzeitraum eine Einkünfteerzielungsabsicht nicht vorgelegen habe. Unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung ergebe eine Totalüberschussprognose für den Zeitraum 1996 bis 2006 einen Totalüberschuss an Werbungskosten i. H. v. 89.815 EUR. Zwar sei das Objekt an den Sohn übertragen und anschließend auch vermietet worden; jedoch habe noch Ende 2006 vor Übergabe des Objektes ein nicht bewohnbares Objekt vorgelegen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist unbegründet.
Die Einkommensteuerbescheide 2000 bis 2005 v. 15. Februar 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Januar 2008 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten.
1.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. Sie sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie bei ihr erwachsen und das heißt, durch sie veranlasst sind (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urt. v. 15. Januar 2008 IX R 45/07, 264, BStBl II 2008, 572). Fallen solche Aufwendungen schon an, bevor mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen erzielt werden, können sie als vorab entstandene Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird (Beschluss des Großen Senats des BFH v. 4. Juli 1990 GrS 1/89, BStBl II 1990, 830; BFH-Urt. v. 11. Januar 2005 IX R 15/03, BStBl II 2005, 477).
Aufwendungen für eine leer stehende Wohnung können als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar sein, wenn der Steuerpflichtige sich endgültig entschlossen hat, daraus durch Vermieten Einkünfte nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erzielen und diese Entscheidung später nicht wieder aufgegeben hat. Dieser endgültige Entschluss zu vermieten - die Einkünfteerzielungsabsicht - muss sich anhand ernsthafter und nachhaltiger Vermietungsbemühungen des Steuerpflichtigen belegen lassen, wobei es sich dabei um Beweisanzeichen handelt, deren Feststellung und Würdigung im Wesentlichen dem Finanzgericht als Tatsacheninstanz obliegt (grundlegend zum Vorstehenden BFH-Urt. v. 28. Oktober 2008 IX R 1/07, BFHE 223, 186). Zeigt sich, dass das Objekt, so wie es baulich gestaltet ist, nicht vermietbar ist, muss der Steuerpflichtige zielgerichtet darauf hinwirken, durch bauliche Umgestaltungen einen vermietbaren Zustand des Objekts zu erreichen (BFH-Urt. v. 25. Juni 2009 IX R 54/08, BStBl. II 2010, 124; FG Köln Urt. v. 28. April 2009 8 K 1214/07, STE 2010, 197, Rev. zugelassen, Az. IX R 3/10).
Im Rahmen dieser Baumaßnahmen reicht eine lediglich subjektive, innere Absicht, später einmal vermieten zu wollen, nicht aus, solange sie sich nicht anhand objektiver Umstände dokumentiert (vgl. z.B. FG Hamburg Urt. v. 16. April 1998 V 132/95, StE 1998, 563; FG Baden-Württemberg, Urt. v. 17. Juli 1996 6 V 8/96, EFG 1996, 1211; FG Münster, Urt. v. 24. September 1996 V K 5212/94 E, EFG 1997, 213; ebenso BFH-Urt. v. 18. April 1996 - VI R 5/95, BFH/NV 1996, 280).
2.
Nach diesen Maßstäben können die Werbungskostenüberschüsse in den Streitjahren nicht berücksichtigt werden, denn einen ausreichend engen und klaren Zusammenhang der Aufwendungen in den Streitjahren mit der späteren Einkünfteerzielung hat der Senat im Streitfall nicht feststellen können. Es mag zwar sein, dass der Kläger, wie er angibt, von Anfang an beabsichtigt hat, später einmal das Grundstück durch Vermietung zu nutzen. Es ist aber weder vor noch in den Streitjahren aus objektiven Umständen erkennbar, dass die Entscheidung zu vermieten endgültig gefasst und einigermaßen zielstrebig in die Tat umgesetzt worden wäre (vgl. FG Hamburg Urt. v. 16. April 1998 V 132/95, StE 1998, 563). Die Kläger haben nämlich nicht zielgerichtet eine Vermietbarkeit des Objektes angestrebt.
Vergleichbar den Grundsätzen der Liebhaberei bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb ist auch bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nach längeren Zeiten eines Verlust- bzw. Werbungskostenüberschusses erforderlich, dass der Steuerpflichtige darauf reagiert (ebenso Kanzler, FR 2010, 173). Dies gilt auch für die Fälle, in denen der Steuerpflichtige die Renovierungsarbeiten selber durchführt. Nur eine zielgerichtete Durchführung der Renovierungsarbeiten, so dass in absehbarer Zeit das Haus vermietet werden kann (vgl. BFH-Urt. v. 25. Juni 2009 IX R 54/08, BStBl. II 2010, 124; FG Köln Urt. v. 28. April 2009 8 K 1214/07, STE 2010, 197), kann zur Berücksichtigung von Werbungskostenüberschüssen führen. Andernfalls ist es für den Senat nicht zweifelsfrei zu erkennen, dass der Steuerpflichtige mit Einkünfteerzielungsabsicht handelt. So ist im Streitfall auch denkbar, dass die Kläger das Objekt nach Fertigstellung veräußern oder (zumindest teilweise) selbst nutzen wollten. Insoweit trifft die Kläger die Feststellungslast für das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht.
Soweit die Kläger einen Mietinteressenten aus dem Jahr 2003 benennen, handelt es sich um einen Interessenten zu einem Zeitpunkt, in dem das streitige Objekt noch nicht vermietbar war und auch nicht absehbar war, dass das Haus in Zukunft vermietbar sein würde. Gleiches gilt für die in der mündlichen Verhandlung genannten Interessenten aus dem Jahr 2003. Das Mietobjekt war erst ca. vier Jahre später - im Jahr 2007 - so hergerichtet, dass es zu vermieten war.
Auch die vorgelegte Bescheinigung eines Immobilienmaklers aus W ändert nichts an dieser Beurteilung. Nach dieser Bescheinigung beabsichtigten die Kläger ab Juli 2007 die Wohnung im Streitobjekt zu vermieten. Aus dieser Erklärung lassen sich keine Schlussfolgerungen für die Veranlagungszeiträume vor 2006, die hier allein streitig sind, herleiten.
Ebenso gilt dies für die Bescheinigungen der Nachbarn vom 30. April 2010, wonach die Kläger wiederholt die Absicht gegenüber den Nachbarn bekundet haben sollen, das streitige Mietobjekt nach Abschluss der Umbaumaßnahmen zu vermieten. Es ist nicht zu erkennen, dass eine solche Absicht bereits in den Streitjahren vor 2006 gegenüber den Nachbarn geäußert wurde. Auch würde es an der fehlenden Zielstrebigkeit der Durchführung der Renovierungsmaßnahmen nichts ändern.
Mit Ablauf des Veranlagungszeitraums 1999 hat der Beklagte daher zutreffend weitere Aufwendungen nicht mehr berücksichtigt. Der Senat sieht im Streitfall jedenfalls nach Ablauf von vier Jahren den Zeitpunkt gekommen, von dem ab eine Einkunftserzielungsabsicht nicht mehr ausgenommen werden kann.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).