Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 19.04.2004, Az.: 8 W 129/04
Anfallen einer Erörterungsgebühr der Rechtspflegers in den Fällen des Abschlusses eines Vergleichs
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 19.04.2004
- Aktenzeichen
- 8 W 129/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 35385
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2004:0419.8W129.04.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 16.03.2004 - AZ: 18 O 137/03
Rechtsgrundlagen
- § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO
- § 278 Abs. 6 ZPO
- § 307 Abs. 2 ZPO
- § 331 Abs. 3 ZPO
- § 495a ZPO
- § 11 Abs. 1 RPflG
- § 31 Abs. 1 Ziff. 4 BRAGO
- § 35 BRAGO
Fundstellen
- MDR 2004, 1206-1207 (Volltext mit amtl. LS)
- OLGReport Gerichtsort 2004, 402-403
In dem Kostenfestsetzungsverfahren
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Richter am Oberlandesgericht ....... als Einzelrichter
auf die als sofortige Beschwerde zu wertende Beschwerde der Klägerin vom 30. März 2004
gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers beim Landgericht Hannover vom 16. März 2004
am 19. April 2004
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten der Klägerin nach einem Beschwerdewert von 520,84 EUR zurückgewiesen.
Gründe
Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 104 Abs. 3 S. 1 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG), in der Sache jedoch unbegründet.
Die Klägerin macht zu Unrecht geltend, der Rechtspfleger habe zusätzlich eine Erörterungsgebühr gem. § 31 Abs. 1 Ziff. 4 BRAGO in Höhe von 449 EUR zuzüglich anteiliger Mehrwertsteuer, mithin insgesamt 520,84 EUR, bei der Kostenfestsetzung berücksichtigen müssen, da diese auch bei dem gem. § 278 Abs. 6 ZPO abgeschlossenen Vergleich durch schriftsätzliche Annahme eines schriftlichen Vergleichsvorschlags des Gerichts entstanden sei.
Tatsächlich fällt in den Fällen des Abschlusses eines Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO indessen keine Erörterungsgebühr an (so auch OLG Koblenz NJW-RR 2004, 66; Schleswig-Holsteinisches OLG JurBüro 2003, 301; Beschluss des OLG Celle vom 18. Februar 2004 - 16 U 78/03 -; Schneider AGS 2003, 196, 197) [OLG München 17.01.2003 - 11 W 605/03]. Einer unmittelbaren Anwendung von § 31 Abs. 1 Ziff. 4 BRAGO steht bereits entgegen, dass die Erörterungsgebühr nur dann anfällt, wenn die Erörterung in einem gerichtlichen Termin stattfindet (OLG Koblenz, a.a.O.; Gerold/Schmidt/v. Eicken/ Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 31 Rdnr. 148). Entsprechend bestimmt § 31 Abs. 2 BRAGO, dass Erörterungsgebühren und Verhandlungsgebühren, die denselben Gegenstand betreffen und in demselben Rechtszug entstehen, aufeinander angerechnet werden. Außerhalb eines Termins geführte Verhandlungen, wie sie hier nach dem Vorbringen der Klägerin durch telefonische Erörterungen zwischen den Prozessbevollmächtigten stattgefunden haben, werden demgegenüber durch die Prozessgebühr nach § 31 Abs. 1 Ziff. 1 BRAGO abgegolten. Führen diese dann zu einem Vergleichsschluss, so fällt für den Rechtsanwalt eine Vergleichsgebühr nach § 23 Abs. 1 S. 3 BRAGO an. Seine Bemühungen um den Vergleichsschluss durch Verhandlungen mit dem gegnerischen Prozessbevollmächtigten werden ausreichend durch diesen Gebührentatbestand erfasst.
Auch für eine entsprechende Anwendung des § 31 Abs. 1 Ziff. 4 BRAGO über § 2 BRAGO ist in derartigen Fällen kein Raum. Die Regelung des § 278 Abs. 6 ZPO ermöglicht einen erleichterten Abschluss des Vergleichs dadurch, dass die Parteien nicht mehr vor Gericht erscheinen müssen, um einen Vergleich protokollieren zu lassen, sondern einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz annehmen können. Wie sich aus § 278 Abs. 6 S. 3 ZPO ergibt, ersetzt der den Vergleich feststellende Beschluss lediglich die gerichtliche Protokollierung, während sich die Rechtsnatur eines derartigen Vergleichs nicht von der Rechtsnatur eines in der mündlichen Verhandlung geschlossenen Vergleichs unterscheidet (OLG München, a.a.O.). Schließen die Parteien aber im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Stellen der Anträge und der Erörterung der Sach- und Rechtslage einen Vergleich, so fällt hier weder eine Verhandlungs- noch eine Erörterungsgebühr an. Es ist deshalb kein Grund ersichtlich, warum bei einem schriftlichen Vergleichsschluss im Verfahren nach § 278 Abs. 6 ZPO etwas anderes gelten soll ohne Vorliegen einer der Erörterung oder der Verhandlung entsprechenden anwaltlichen Tätigkeit (OLG München, Schleswig-Holsteinisches OLG, OLG Celle, je a.a.O.).
Auch im vorliegenden Fall hat zwischen den Parteien und dem Gericht weder schriftlich noch fernmündlich irgendeine Erörterung der Sach- und Rechtslage stattgefunden. Vielmehr haben die Parteien den von ihnen ausgehandelten Vergleich dem Gericht mitgeteilt, welches sodann das Verfahren nach § 278 Abs. 6 ZPO eingeleitet hat. Nach gewissen Modifikationen des Vergleichstextes, die alleine auf dem unmittelbaren Kontakt der Prozessbevollmächtigten untereinander beruhten, ist dann der endgültige Vergleich geschlossen worden.
Schließlich liegt hier auch kein Fall des § 35 BRAGO vor (so zutreffend OLG
Koblenz, OLG München, Schleswig-Holsteinisches OLG, je a.a.O.). Hiernach erhält der Rechtsanwalt in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien oder gem. § 307 Abs. 2, § 331 Abs. 3 oder § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, die gleichen Gebühren wie in einem Verfahren mit mündlicher Verhandlung. Es fehlt hier nämlich bereits an einer gerichtlichen Entscheidung im Sinne dieser Vorschrift. Hierbei muss es sich entweder um eine Endentscheidung oder um eine Entscheidung handeln, die einer Endentscheidung vorausgeht (BGHZ 17, 118; Gerold/ Schmidt/v.Eicken/Madert, § 35 Rdnr. 4). Der Beschluss nach § 278 Abs. 6 S. 2 ZPO stellt indessen weder eine Endentscheidung noch eine diese vorbereitende Entscheidung dar, sondern ersetzt lediglich die in einer mündlichen Verhandlung erforderliche Protokollierung eines Vergleichs (OLG Koblenz, OLG München, a.a.O.). Hinzu kommt, dass es für die Beschlussfassung nach § 278 Abs. 6 ZPO nach dem Willen des Gesetzgebers keiner mündlichen Verhandlung mehr bedarf.
Soweit im Schrifttum zum Teil die Ansicht vertreten wird, auch beim Abschluss eines Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO falle die Erörterungsgebühr an, wenn es zu Erörterungen nicht nur zwischen den Parteien, sondern auch unmittelbar mit dem Gericht gekommen sei (vgl. Siemon MDR 2003, 61, 62; Mock AGS 2003, 397, 398) [OLG Koblenz 10.07.2003 - 14 W 446/03], kann offen bleiben, ob dieser Ansicht gefolgt werden kann. Vorliegend hat es eine schriftliche oder fernmündliche Erörterung der Sach- und Rechtslage der Parteien mit dem Gericht gerade nicht gegeben.
Die Frage, ob durch das zum 1. Juli 2004 in Kraft tretende Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) eine Terminsgebühr gem. Nummer 3104 des Vergütungsverzeichnisses auch dann anfallen kann, wenn ein schriftlicher Vergleich geschlossen wurde (hierzu Enders JurBüro 2003, 1, 3; Zöller, a.a.O., Rdnr. 27), kann hier ebenfalls offen bleiben, da aus einer Neuregelung im RVG keine Rückschlüsse für die Auslegung der für dieses Verfahren geltenden Vorschriften der BRAGO gezogen werden können.
Ebenso offen bleiben kann die weitere Frage, ob beim Vergleichsabschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO eine Verhandlungsgebühr nach § 31 Abs. 1 Ziff. 2, § 35 BRAGO anfällt, was von der überwiegenden Ansicht verneint wird (vgl. OLG Koblenz NJW-RR 2004, 66; OLG München NJW-RR 2003, 788 [OLG München 17.01.2003 - 11 W 605/03]; Schleswig-Holsteinisches OLG JurBüro 2003, 301; Beschluss des OLG Celle vom 18. Februar 2004 - 16 U 78/03 -; LG Aachen AGS 2003, 398 [LG Aachen 27.05.2003 - 5 T 102/03]; Schneider AGS 2003, 196, 197 [OLG München 17.01.2003 - 11 W 605/03]; Zöller, a.a.O.; a.A. LG Heilbronn AGS 2003, 538 [LG Heilbronn 05.09.2002 - 7 O 14/02]; AG Saarburg JurBüro 2003, 301; Enders JurBüro 2003, 1; Mock AGS 2003, 397, 398) [OLG Koblenz 10.07.2003 - 14 W 446/03]. Eine solche Verhandlungsgebühr hat die Klägerin nämlich ausdrücklich nicht mehr geltend gemacht. Nachdem sie zunächst mit Antrag vom 20. Januar 2004 eine Verhandlungsgebühr zur Festsetzung angemeldet hatte, hat sie mit Schriftsatz vom 26. Februar 2004 erklärt, es sei tatsächlich keine Verhandlungsgebühr angefallen und stattdessen einen neuen Kostenfestsetzungsantrag mit einer Erörterungsgebühr eingereicht.
Die sofortige Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Streitwertbeschluss:
Beschwerdewert: 520,84 EUR