Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 22.04.2004, Az.: 11 U 251/03
Entschädigungsansprüche wegen einer mangelhaften Ferienreise; Minderung wegen einer in unmittelbarer Nähe des Hotels gelegenen Baustelle; Hinweis des Namens "Beach Club" auf einen direkten oder zumindest nahen Zugang zum Strand; Auf Baustelle beruhende Sperrung des direkten Zuganges zum Strand; Mangelhafte Reiseleistung wegen eines Abweichens von Katalogangaben
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 22.04.2004
- Aktenzeichen
- 11 U 251/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 35391
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2004:0422.11U251.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 12.08.2003 - AZ: 8 O 2/02
Rechtsgrundlagen
- § 520 Abs. 3 ZPO
- § 651 f Abs. 2 BGB
Fundstellen
- NJW 2004, XII Heft 32 (amtl. Leitsatz)
- NJW-RR 2004, 1354-1355 (Volltext mit amtl. LS)
- OLGReport Gerichtsort 2004, 475-476
- RRa 2004, 158-160 (Volltext mit amtl. LS)
- RdW 2004, IV Heft 23-24 (Kurzinformation)
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 12. September 2003 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beschwer der Klägerin übersteigt nicht 20.000 EUR.
Tatbestand
I.
Die Parteien streiten um Entschädigungsansprüche der Klägerin und ihrer Familie wegen einer mangelhaften Ferienreise.
Die Klägerin buchte am 24. Januar 2001 eine Pauschalreise bei der beklagten Reiseveranstalterin nach Portugal mit Unterbringung und Verpflegung (all inclusive) im X.-Beach Club für die Zeit vom 5. bis 19. August 2001. Die Reise, an der neben der Klägerin deren Ehemann, ihre Schwiegermutter und vier Kinder im Alter von fünf, acht, zehn und zwölf Jahren teilnahmen, kostete insgesamt 11.869 DM.
Die Klägerin machte anschließend wegen verschiedener Mängel eine Minderung des Reisepreises von 70 % geltend. Die Beklagte zahlte vorgerichtlich an die Klägerin 2.700 DM.
Zwischen den Parteien war unstreitig, dass eine Minderung wegen einer Baustelle um das Haupthaus herum zu gewähren war.
Mit der Klage macht die Klägerin weitere 5.600 DM an materieller Entschädigung (als Differenz zwischen den gezahlten 2.700 DM und 70 % des Reisepreises) geltend und verlangt darüber hinaus eine ins Ermessen des Gerichts gestellte Entschädigung für entgangene Urlaubsfreuden, deren Größenordnung sie mit 4.620 DM angibt.
Die Klägerin hat behauptet, die Entfernung vom Haupthaus des X.-Beach Clubs zum Strand betrage 700 m. Zwar lägen nur 100 m Luftlinie zwischen Haupthaus und Strand, durch eine um das Clubhaus herum befindliche Baustelle sei der direkte Weg jedoch unpassierbar gewesen, weshalb man eine Strecke von 700 m auf engen, zugeparkten und befahrenen Straßen ohne befestigten Gehweg habe in Kauf nehmen müssen, um zum Strand zu gelangen. Der Name "Beach Club" weise jedoch auf einen direkten oder zumindest nahen Zugang zum Strand hin. Die Klägerin hat gemeint, wegen der langen Wege sei der Familie faktisch ein Strandurlaub verwehrt gewesen; aus diesem Gesichtspunkt hat sie gemeint eine Minderung des Reisepreises von 25 % herleiten zu können.
Weiter hat die Klägerin eine Minderung von 5 % wegen mangelnden Services und um weitere 5 % wegen mangelhafter Reiseleitung geltend gemacht.
Bezüglich der Entschädigung wegen immaterieller Schäden hat sich die Klägerin darauf berufen, sie sei Frühbucherin gewesen; der Beklagten sei die Baustelle, sowie die darauf beruhende Sperrung des direkten Zuganges zum Strand Monate vor dem Reiseantritt der Klägerin und ihrer Familie bekannt gewesen. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, sie hierüber vor Reiseantritt zu informieren. In diesem Fall hätte die Familie die Reise gar nicht erst angetreten. Auf Grund der hohen Personenzahl sei es ihr, der Klägerin, und ihren Angehörigen nicht möglich gewesen, zur Hauptferienzeit das Hotel noch zu wechseln; deshalb habe man den Urlaub vor Ort absitzen müssen.
Wegen weiterer im Einzelnen geltend gemachter Mängel wird auf den landgerichtlichen Tatbestand Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Wegen der unstreitig vorhandenen Großbaustelle um den Club herum hat es der Klägerin eine Minderung von 30 % des Reisepreises zuerkannt; auf Grund von Mängeln der Unterkunft eine Minderung in Höhe weiterer 10 %. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. In der fehlenden Strandnähe hat das Landgericht einen Mangel nicht gesehen. Es hat gemeint, auf die Entfernungen vor Ort sei durch den Hinweis im Prospekt, wonach zwischen Haupthaus und den Unterbringungen sowie dem Strand je nach Lage 100 bis 800 m lägen, hinreichend hingewiesen. Einen Anspruch auf Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreuden hat das Landgericht angesichts der nur in Höhe von 40 % zuzuerkennenden Minderungsquote verneint.
Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingereichten Berufung. Mit ihr macht sie im Wesentlichen zwei Gesichtspunkte geltend:
Die Klägerin rügt, das Landgericht habe bei seiner Argumentation nur auf die Entfernung zwischen Unterkunft und Strand abgestellt. Der klägerische Vortrag in erster Instanz habe sich jedoch auf die Entfernung zwischen Haupthaus und Strand bezogen. Diese habe auf Grund der Baustelle 700 m betragen. Da man Vollverpflegung gebucht gehabt habe, die im Haupthaus einzunehmen gewesen sei, sei man gezwungen gewesen, den Weg mindestens zwei Mal am Tag zurückzulegen. Wegen dieses weiteren Mangels sei ebenfalls eine Minderung zuzuerkennen, was dann zu einer Minderungsquote von mehr als 50 % im Ergebnis führe und schon für sich die Zuerkennung einer immateriellen Entschädigung rechtfertige.
Selbst wenn man diese Bewertung aber nicht teile, habe eine Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreuden aus Rechtsgründen zu erfolgen. Die innerstaatlich verwendete 50 %-Grenze zur Bestimmung eines erheblichen Mangels stelle Voraussetzungen auf, die in der Pauschalreiserichtlinie (EG-Richtlinie 90/314) vom 13. Juni 1990 so nicht enthalten seien. Lege man das Gesetz gemeinschaftsrechtskonform aus, stehe der Klägerin und ihren Angehörigen schon bei der vom Landgericht zuerkannten Minderungsquote eine immaterielle Entschädigung zu.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Hannover aufzuheben, soweit dieses die Klage abgewiesen hat und die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 1.819,18 EUR sowie eine Entschädigung gem. § 651 f Abs. 2 BGB nebst Zinsen hierauf zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie weist darauf hin, dass sich im Prospekt keine Aussage zur Entfernung zwischen Haupthaus und Strand finde. Zudem deckten sich die im Katalog gegebenen Entfernungsangaben mit dem Vorbringen der Klägerin über die Verhältnisse vor Ort. Auch die Bezeichnung der Anlage als "Beach Club" rechtfertige nicht die Erwartung eines direkten Zuganges zum Strand.
Die Beklagte meint weiter, die Klägerin trage widersprüchlich vor. Wenn sie eine dreißigprozentige Minderung wegen der Bautätigkeit um das Haupthaus herum in Anspruch nehme, dann bedeute dies doch, dass sie sich tagsüber mehrheitlich in dessen Bereich am Pool aufgehalten habe. Dies sei mit der Rüge, durch zu große Strandentfernung Nachteile erlitten zu haben, unvereinbar.
Die Zuerkennung einer Entschädigung wegen vertaner Urlaubszeit sieht die Beklagte als nicht gerechtfertigt an. Es sei insofern zulässig, darauf abzustellen, ob die Mängel und Nachteile der erbrachten Reiseleistung deren Vorteile überwögen. Dies sei für die Familie der Klägerin nicht der Fall gewesen.
Soweit sich die Beklagte in der Berufungserwiderung auch darauf berufen hatte, dass die Klägerin teilweise nicht aktivlegitimiert sei, weil Ansprüche auf immaterielle Entschädigung höchstpersönlicher Natur seien und deshalb nicht abgetreten werden könnten, hat die Beklagte diese Rüge in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich fallen lassen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die Einlegung des Rechtsmittels der Berufung gegen ein landgerichtliches Urteil führt nicht zu dessen vollständiger Prüfung schlechthin, sondern hat sich auf dasjenige zu beschränken, was der Berufungsführer an konkreten Angriffen gegen das landgerichtliche Urteil erhebt; § 520 Abs. 3 ZPO.
Mit den in der Berufungsbegründung erhobenen Rügen vermag die Klägerin nicht durchzudringen.
1.
Soweit die Klägerin eine weitere Minderung von gut 10 % des Reisepreises über die vom Landgericht zuerkannte Minderung hinaus daraus herleiten will, dass es einen direkten Zugang zwischen dem Haupthaus und dem Meer nicht gegeben habe, sondern man trotz einer Entfernung in Luftlinie von nur 100 m eine 700 m Fußstrecke auf befahrenen Straßen ohne Gehweg habe zurücklegen müssen, so dringt die Klägerin damit nicht durch, weil sie schon nicht darzutun vermag, dass insofern ein Reisemangel vorgelegen hat.
Eine Leistung, auch eine Reiseleistung, ist dann mangelhaft, wenn die Ist-Beschaffenheit, mit der die Leistung erbracht wird, von der Soll-Beschaffenheit, die sich bei Reiseleistungen aus Katalogangaben, Reisebestätigung und der gewöhnlichen Beschaffenheit des Geschuldeten ergibt, abweicht. Für den Streitfall ist nicht dargetan, dass zur Soll-Beschaffenheit eine andere kürzere fußläufige Erreichbarkeit des Strandes als die vor Ort tatsächlich gegebene, gehört hätte.
Aus der Bezeichnung der Ferienanlage als "Beach Club" allein ergibt sich nicht, in welcher fußläufigen Entfernung der Strand erreichbar sein müsste. Ein Fußweg von 700 m zum Strand, von dem im Streitfall beide Parteien ausgehen, bedeutet nicht in jedem Fall, dass hierin eine Abweichung vom Geschuldeten liegen würde. Vielmehr waren die Reisenden hinsichtlich der im Streit stehenden Anlage durch die Angabe im Reisekatalog gewarnt, dass sie sich auf vielerlei innerörtliche Wege einrichten mussten. Dort hieß es nämlich: "Ihr ansprechendes Urlaubsdomizil besteht aus einem Haupthaus mit zentralen Club-Einrichtungen und mehreren Wohngebäuden, die in den kleinen Ort L. eingebettet sind, und je nach Lage 100 - 800 m von Strand und Haupthaus entfernt sind." Hieraus ließ sich genaueres über die Entfernung zwischen Haupthaus und Strand gerade nicht entnehmen. Dies hätte der Klägerin und ihrer Familie jedoch eine Warnung sein müssen, denn über die zu erwartende Entfernung enthalten Kataloge jedenfalls stets dann, was der Senat als Reisesenat aus eigener Sachkunde beurteilen kann, präzisere Angaben, wenn diese dem Veranstalter günstig erscheinen.
Auch die Tatsache, dass vor Beginn der Baumaßnahmen, die zurzeit der Anwesenheit der Klägerin und ihrer Familie durchgeführt wurden, eine kürzere fußläufige Verbindung zwischen Haupthaus und Strand vorhanden gewesen sein mag, führt im Streitfall nicht dazu, eine derartige kürzere Verbindung als geschuldete Soll-Beschaffenheit anzusehen. Im Katalog ist über die Entfernung des Haupthauses zum Strand eine Angabe nicht enthalten. Dementsprechend wird eine Höchstentfernung, die für den Fußweg angenommen werden kann, jedenfalls nicht in der Weise geschuldet, dass sie unter 700 m liegen müsste.
2.
Da die Klägerin weitere Mängel, die das Landgericht nicht oder nicht ausreichend in den ermittelten Minderungsbetrag von 40 % des Reisepreises einbezogen hat, mit der Berufung nicht rügt, hatte es bei der vom Landgericht ermittelten Minderungsquote von 40 % des Reisepreises zu bleiben. Der von der Klägerin mit der Berufung begehrte bezifferte Zahlungsbetrag unterlag mithin der Abweisung.
3.
Der Klägerin steht auch Ersatz für vertane Urlaubszeit nicht zu.
Dabei teilt der Senat im Ansatz allerdings die Darstellung der Klägerin, wonach die Zuerkennung immateriellen Schadensersatzes gem. § 651 f Abs. 2 BGB nicht von einer Minderungsquote von 50 % und mehr hinsichtlich des Reisepreises abhängt. Es ist lediglich im Regelfall so, dass bei einer Minderungsquote von 50 % und mehr eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise vorliegen wird. Das schließt aber nicht aus, dass im Einzelfall eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise auch schon bei einer niedrigeren Minderungsquote als 50 % gegeben sein kann (vgl. dazu auch Wiegand-Schneider, DRiZ 2003, 90 [95]). Hierzu bedarf es jedoch einer Abwägung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles.
Nimmt man diese Abwägung hier vor, fällt zum einen schwer wiegend die Tatsache ins Gewicht, dass die Beklagte die Klägerin und ihre Familie trotz Kenntnis der massiven Baustelle ohne Vorwarnung die Reise hat antreten lassen. Dies spricht im Streitfall eher für die Zuerkennung eines Anspruchs. Dagegen ist jedoch abzuwägen, dass aus dem Vortrag der Klägerin nicht erkennbar wird, wie schwer sie von den Mängeln, auf deren Berücksichtigung der Senat beschränkt ist, weil weitere Berufungsangriffe nicht vorliegen, beeinträchtigt worden ist. Die Klägerin und ihre Familie haben nicht vorgetragen, an wie vielen Tagen sie wegen der Baustelle am Haupthaus davon abgesehen haben, dieses überhaupt aufzusuchen und an der Verpflegungsmöglichkeit, die ihnen vertraglich geschuldet war, nicht teilgenommen haben. Die Klägerin hat ferner nicht dazu vorgetragen, inwieweit die durch die mangelhaften Gegebenheiten vor Ort von ihr und ihrer Familie ursprünglich geplante Feriengestaltung nicht durchgeführt werden konnte. Dies spricht dagegen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise, die einer teilweisen Vereitelung gleich kommt, zweifelsfrei festgestellt werden könnte. Dieser Mangel an Vortrag wiegt im Streitfall besonders schwer, weil er nicht auf Verständigungsproblemen zwischen der Klägerin und ihrer Familie und dem Prozessbevollmächtigten beruhen kann, nachdem der Prozessbevollmächtigte sich selbst nach Portugal vor Ort begeben hat, und so bessere Anschauungs- und Verständnismöglichkeiten für das vom Mandanten Vorgebrachte hatte, als dies üblicherweise bei Schilderungen über unbekannte Örtlichkeiten der Fall ist.
Bei Abwägung der Schwere der unterschiedlichen Gesichtspunkte erschien dem Senat von größerem und deshalb durchschlagendem Gewicht, dass die Entbehrungen und Abweichungen des tatsächlich gehabten Urlaubs von dem Geschuldeten so unklar blieben, dass er letztlich eine Entschädigung für entgangene Urlaubsfreuden nicht hat zuerkennen können. Der Senat hat vielmehr gemeint, es bei dem landgerichtlichen Urteil auch insoweit belassen zu sollen.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen gründen sich auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit sowie auf § 97 Abs. 1 ZPO hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens.
Zur Zulassung der Revision hat der Senat weder aus Gründen der Fortbildung des Rechts noch wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache einen Anlass gesehen.
Die Parteien haben insoweit auch nichts aufgezeigt, was zu anderer Beurteilung hätte führen können.
Streitwertbeschluss:
Die Beschwer der Klägerin übersteigt nicht 20.000 EUR.