Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 14.09.2005, Az.: 1 A 207/04

Arzt; Beitragsmaßstab; Gesundheitsamt; Gleichheitssatz; Kammerbeitrag; praktizierender Arzt; Äquivalenzprinzip; Ärzte; Ärztekammer; Ärztekammerbeitrag

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
14.09.2005
Aktenzeichen
1 A 207/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 51023
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung des Ärztekammerbeitrages für das Jahr 1999.

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Der Kläger ist approbierter Arzt und Mitglied der beklagten Ärztekammer. Er ist Facharzt für öffentliches Gesundheitswesen und bezog 1997 von seinem Arbeitgeber ein einkommenssteuerpflichtiges Gehalt von 89.502,00 DM. Er arbeitet seit dem 01. April 1991 im Gesundheitsamt für die Stadt und den Landkreis I. und dort im Fachdienst Gutachtenwesen und Infektionsschutz. Er beantragte im Dezember 1999 bei der Beklagten, ihn zur Ermittlung seines Ärztekammerbeitrages für das Jahr 1999 in die Sonderbeitragsgruppe nach § 3 Abs. 4 der Beitragsordnung der Ärztekammer Niedersachsen (im Folgenden BO) einzuordnen und nur zu einem reduzierten Beitrag von 80 % des nach § 2 Abs. 1, 2 und 5 BO zu zahlenden vollen Beitrages heranzuziehen. Er begründete dies damit, dass er als Arzt im öffentlichen Gesundheitswesen im Gegensatz zu den niedergelassenen und in Kliniken beschäftigten Ärzten weder diagnostisch noch kurativ, sondern entsprechend § 3 Abs. 5 BO administrativ tätig sei. Daraufhin teilte die Beklagte ihm mit Schreiben vom 11. Januar 2000 mit, dass sie über seinen Antrag zur Zeit nicht entscheide, weil in einem ähnlich gelagerten Fall ein Rechtsstreit anhängig sei, dessen Ausgang abgewartet werden solle.

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Mit Bescheid vom 5. Mai 2004 setzte sie den vom Kläger für 1999 zu entrichtenden Ärztekammerbeitrag auf 239,28 Euro fest. Hierbei handelt es sich um den vollen Beitrag der Beitragsgruppe 8, die vom Kläger gewünschte Reduzierung lehnte die Beklagte mit folgender Begründung ab: Als Arzt im öffentlichen Gesundheitswesen sei auch der Kläger mit der Heilbehandlung und Bekämpfung von Krankheiten praktisch befasst. Dies ergebe sich aus dem Aufgabenbereich der im Gesundheitsamt tätigen Ärzte wie z. B. der eigenständigen Wahrnehmung des Vollzugs vielfältiger gesundheitsrechtlicher Bestimmungen oder der fachlichen Mitwirkung daran, z. B. Infektionsschutzgesetz, Arzneimittelgesetz, Betäubungsmittelgesetz und hygienerechtliche Vorschriften. Ferner seien die im Gesundheitsamt tätigen Ärzte mit der Gesundheitshilfe befasst, wozu u. a. Leistungen für Säuglinge, Kleinkinder, Schüler und Jugendliche, Prävention bei speziellen Problemkreisen (Aids, Drogen), Röntgen und andere Reihenuntersuchungen und sozialpsychiatrische Hilfe gehörten. Neben der Gefahrenabwehr und der Gesundheitshilfe spiele auch die Gesundheitsvorsorge und der gesundheitliche Umweltschutz (Gesundheitserziehung, Gesundheitsverträglichkeitsprüfung, präventive Gesundheitspolitik, Präventions- und Betreuungsaufgaben, Gesundheitsbeobachtung und Gesundheitsberichterstattung) im Rahmen des öffentlichen Gesundheitsdienstes eine große Rolle. Unter Berücksichtigung dieser Aufgabenstellung sei auch der Ausschuss für Finanz- und Beitragsangelegenheiten der Beklagten in einem ähnlich gelagerten Fall wie dem des Klägers zu der Entscheidung gelangt, dass eine Beitragsreduzierung nicht vorzunehmen sei. Das Urteil des Nds. OVG Lüneburg vom 13. Dezember 2001 - 8 L 4694/99 - sei auf den Kläger deshalb nicht übertragbar.

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Die Beklagte forderte den Kläger zur Zahlung von 47,85 Euro auf, da dieser bisher lediglich 191,43 Euro entrichtet habe.

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Der Kläger legte gegen den Bescheid Widerspruch ein. Er vertrat die Auffassung, das Urteil des OVG Lüneburg vom 13. Dezember 2001, in dem das Gericht festgestellt habe, dass die Beitragsordnung der Beklagten gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoße, soweit sie die als Gutachter im öffentlichen Dienst tätigen Kammermitglieder bei gleichem Einkommen mit gleich hohen Kammerbeiträgen belaste, sei auf ihn übertragbar. Seine Tätigkeit beinhalte weder dass Erarbeiten von Diagnosen noch die Durchführung von Therapien. Sie bestehe zum ganz überwiegenden Teil aus der Bearbeitung von Arbeitsaufträgen, in der Regel Gutachtenaufträgen für verschiedene öffentliche Institutionen. Er teile auch nicht die Auffassung der Beklagten in deren Bescheid vom 5. Mai 2004, dass die dort aufgeführten Aufgabenbereiche die praktische Durchführung von Heilbehandlungen und die Bekämpfung von Krankheiten beinhalteten. Nach dem Urteil des OVG Lüneburg setze der Begriff des praktizierenden Arztes das Bestehen eines Behandlungsverhältnisses mit einem Patienten voraus. Dies treffe auf die Tätigkeit im öffentlichen Gesundheitsdienst nicht zu. Demzufolge ziehe er auch überhaupt keinen Nutzen aus dem Bestehen von Schlichtungsstellen, deren Aufgabe die Regelung von Streitigkeiten aus Behandlungsverhältnissen zwischen Kammermitgliedern und Patienten sei.

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Mit Schreiben vom 9. Juni 2004 gab die Beklagte dem Kläger eine „gebührenfreie Einschätzung seines Widerspruchs“ und führte folgendes aus: Nach Auffassung ihres Ausschusses für Finanz- und Beitragsangelegenheiten finde die Neuregelung in § 3 Abs. 5 BO, die aufgrund des Urteils des OVG Lüneburg geschaffen worden sei, auf den Kläger keine Anwendung. Die Ausschussmitglieder hätten festgestellt, dass der Kläger mit der Heilbehandlung und Bekämpfung von Krankheiten praktisch befasst sei, da er in einem der wichtigsten Bereiche der Krankheitsbekämpfung, nämlich der Prävention, tätig sei. Die Prävention zähle zur Heilbehandlung und Bekämpfung von Krankheiten im Sinne von § 3 Abs. 5 BO. Unter den Begriff Prävention fielen Vorkehrungen zur Verhinderung von Krankheiten, Unfällen usw. einschließlich der individuell veranlassten ärztlichen Maßnahmen, die der Überwachung und Erhaltung der Gesundheit dienen. Die Leistungsangebote der Gesundheitsämter ergänzten den ambulanten und stationären Bereich zu einem in allen Zweigen zusammenwirkenden Gesundheitswesen. Damit seien beim Gesundheitsamt tätige Ärzte gerade mit der Bekämpfung von Krankheiten befasst, insbesondere soweit es den präventiven Bereich betreffe. Der öffentliche Gesundheitsdienst nehme eine wichtige Aufgabe der gesundheitlichen Versorgung wahr. Er übernehme Beratungs- und Betreuungsaufgaben und plane, gestalte und kontrolliere das Gesundheitswesen. Die Tätigkeit des Klägers sei deshalb nicht mit der eines Gutachters im öffentlichen Dienst vergleichbar, über die das OVG Lüneburg in seinem Urteil vom 13. Dezember 2001 entschieden habe. Der Kläger sei beim Gesundheitsamt direkt mit der Krankheitsverhütung beschäftigt; er trage durch sein präventives Tätigwerden unmittelbar zur Krankheitsbekämpfung bei. Zwar erstelle er auch Gutachten, das Gesamtbild seiner Tätigkeit sei jedoch von der Gesundheitsförderung geprägt. Für die Einstufung in die Sonderbeitragsgruppe nach § 3 Abs. 5 BO komme es entgegen der Auffassung des Klägers nicht darauf an, ob ein Behandlungsvertrag mit dem einzelnen Arzt im Gesundheitsamt bestehe. Maßgeblich sei allein, dass die Tätigkeit präventiven und damit patientenorientierten Charakter habe. Dieser Charakter ergebe sich auch aus der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Niedersachsen. So sei die Weiterbildung zum Facharzt für öffentliches Gesundheitswesen durch die kurative Tätigkeit geprägt. Nach § 47 Abs. 1 des Kammergesetzes für die Heilberufe (HKG) sei eine Weiterbildungszeit von 5 Jahren abzuleisten. Davon entfielen allein 3 Jahre auf ärztliche Tätigkeiten in der kurativen Medizin. Dies zeige den Praxisbezug der Tätigkeit am Gesundheitsamt auf. Nach den Bestimmungen der Weiterbildungsordnung sei insbesondere eine 2jährige klinische Tätigkeit abzuleisten. Auch hier werde noch einmal das besondere Aufgabengebiet des öffentlichen Gesundheitsdienstes deutlich. Es gehe darum, unmittelbar den Gesundheitszustand der Bevölkerung und bestimmter Bevölkerungsgruppen zu ermitteln und laufend zu überwachen, drohende Gefahren festzustellen und zu beseitigen oder auf die Beseitigung hinzuwirken. Dasselbe gelte für den Katastrophenschutz. Die Gesundheitsämter und die dort tätigen Ärzte würden somit eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung von Krankheiten spielen.

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Der Kläger hielt auch nach Erhalt dieses Schreibens seinen Widerspruch aufrecht.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 1. September 2004, dem Kläger zugestellt am 4. September 2004, wies die Beklagte seinen Widerspruch zurück. Dabei bezog sie sich auf ihr Schreiben vom 09. Juni 2004 und führte ergänzend aus: Die Sonderbeitragsgruppe nach § 3 Abs. 5 BO sei erst für das Beitragsjahr 2003 eingeführt worden und könne bereits deshalb für das Beitragsjahr 1999 keine Anwendung finden. Der Kläger berufe sich zu Unrecht auf die Verletzung des Gleichheitssatzes und des Äquivalenzprinzips. In diesem Zusammenhang bezieht sich die Beklagte auf einen Beschluss des OVG Nordrhein Westfalen vom 27. Dezember 2002 - 4 A 63/01 -. Entgegen der Auffassung des Klägers hätten die beim Gesundheitsamt tätigen Ärzte keinen wesentlich geringeren Nutzen aus dem Wirken der Ärztekammer.

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Der Kläger hat am 4. Oktober 2004 Klage erhoben.

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Er wiederholt sein Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren und hat bei Gericht eine eigene und eine nach seinen Angaben aus den 70-iger Jahren stammende „offizielle“ Arbeitsplatzbeschreibung seines Arbeitsplatzes im Gesundheitsamt eingereicht. Wegen der Einzelheiten wird auf diese Unterlagen Bezug genommen.

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Er beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 5. Mai 2004 und deren Widerspruchsbescheid vom 1. September 2004 insoweit aufzuheben, als darin für das Beitragsjahr 1999 ein höherer Kammerbeitrag als 191,43 Euro festgesetzt worden ist.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung bezieht sie sich im wesentlichen auf ihren Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren und auf ihren Widerspruchsbescheid vom 01. September 2004.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, den im Verfahren 1 A 208/04 beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten und die vom Kläger in diesem Verfahren und im Parallelverfahren 1 A 208/04 beigezogenen Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat Erfolg.

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Der Bescheid der Beklagten vom 05. Mai 2004 und der Widerspruchsbescheid vom 01. September 2004 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO), weil die Beitragsordnung der Beklagten in der für das Beitragsjahr maßgeblichen Fassung vom 1. Januar 1999 keine wirksame Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zu einem Ärztekammerbeitrag darstellt. Bescheid und Widerspruchsbescheid sind deshalb in dem angefochtenen Umfang aufzuheben (§ 88 VwGO).

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Die gerichtliche Überprüfung einer Beitragsordnung berufsständischer Kammern ist darauf beschränkt, ob der Satzungsgeber die äußersten Grenzen seines Gestaltungsspielraums verlassen hat (OVG Lüneburg, Urteil vom 13.12.2001 - 8 L 4694/99 - unter Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 25.07.1989 - 1 B 109/99 - NJW 1990 S. 786). Das ist der Fall, wenn er bei der Bemessung der Mitgliedsbeiträge, die der Abgeltung eines besonderen Vorteils, nämlich des sich aus der Mitgliedschaft ergebenden Nutzens, dienen, gegen das Äquivalenzprinzip oder den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen hat (OVG Lüneburg a.a.O. unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 25.11.1971 - I C 48.65 - BVerwGE 39, 100, 107 f.; BverwG, Urteil vom 26.01.1993 - 1 C 33/89 - BVerwGE 92, 24 m. w. N. und OVG Lüneburg, Urteil vom 06.09.1996 - 8 L 728/95 -). Die Beitragsbemessung, die die Beitragsordnung der Beklagten hinsichtlich der Berufsgruppe des Klägers vorsieht, wird den Anforderungen des Gleichheitssatzes nicht gerecht.

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Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verbietet, wesentlich Gleiches ohne einen hinreichenden sachlichen Grund ungleich oder wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln. Das bedeutet für eine vorteilsbezogene Beitragsbemessung, dass die Beiträge bei wesentlichen Unterschieden hinsichtlich des Nutzens der Kammertätigkeit nicht gleich, sondern diesen Unterschieden entsprechend zu bemessen sind. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der für die Beitragsbemessung maßgebende Nutzen nicht in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil, der sich bei dem einzelnen Mitglied messbar niederschlägt, bestehen muss. Die Beitragsordnung der Beklagten, die die Kammerversammlung gem. § 8 Abs. 1 des Kammergesetzes für die Heilberufe - HKG - in der Fassung vom 19. Juni 1996 (Nds. GVBl., S. 259) beschlossen hat, entspricht diesen Maßgaben des Art. 3 Abs. 1 GG für die Berufsgruppe der Ärzte in Gesundheitsämtern nicht.

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Nach § 1 Abs. 2 S. 1 BO erfolgt die Veranlagung zu Kammerbeiträgen nach Beitragsgruppen, für die die Beitragsordnung unterschiedlich hohe Messbeträge festsetzt. Die Einordnung in die Beitragsgruppe richtet sich nach § 2 Abs. 1 S. 1 BO vorbehaltlich der hier nicht einschlägigen Absätze 2 und 3 nach den Einkünften aus ärztlicher Tätigkeit, die die Kammerangehörigen im vorletzten Jahr vor dem Beitragsjahr erzielt haben. Damit werden alle Kammerangehörigen, die aufgrund ihres Einkommens aus ärztlicher Tätigkeit derselben Beitragsgruppe angehören, zu gleich hohen Kammerbeiträgen veranlagt. Eine Ausnahme davon sieht die BO in der hier zugrundezulegenden Fassung nur für Kammerangehörige vor, die an wissenschaftlichen Hochschulen nur in theoretischen Fächern lehren und reine Grundlagenforschung betreiben; Kammermitglieder, die die Berufsbezeichnung “Ärztin“ oder “Arzt“ nur mit dem Zusatz “(theoretische Medizin“) führen dürfe sowie allein administrativ und organisatorisch tätige Kammermitglieder; diese Personen haben nach § 3 Abs. 4 BO nur 80 % des normalen Beitrages zu zahlen. Zu dieser Gruppe gehört der Kläger nicht. Er ist insbesondere nicht allein administrativ und organisatorisch tätig, da er unter anderem Begutachtungen im Einzelfall durchführt und auf dem Gebiet der Krankheitsprävention tätig ist. Eine weitere Beitragsgruppe, die eine Reduzierung des vollen Beitrages ermöglicht, gibt es in der BO für das Jahr 1999 nicht.

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Die Beklagte durfte den Kläger trotzdem nicht zum vollen Beitrag heranziehen. Zwar begegnet der Beitragsmaßstab keinen rechtlichen Bedenken, soweit er auf das Einkommen der Kammermitglieder abstellt, weil bei der gebotenen typisierenden Betrachtung die Annahme gerechtfertigt ist, dass mit der Höhe der ärztlichen Einkünfte regelmäßig auch der materielle und immaterielle Nutzen aus der Existenz und dem Wirken der Beklagten zunimmt (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 13.12.2001, a.a.O. m. w. Hinweisen). Allerdings hat das OVG Lüneburg in seinem Urteil vom 13.12.2001 entschieden, dass es mit einer vorteilsbezogenen Beitragsbemessung nicht zu vereinbaren sei, alle von § 3 Abs. 4 BO nicht erfassten Kammermitglieder, die aufgrund ihrer Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit derselben Beitragsgruppe angehören, zu gleich hohen Kammerbeiträgen zu veranlagen. Den Ärzten, die mit der Heilbehandlung und der Behandlung und Bekämpfung von Krankheiten praktisch befasst seien, erwachse nämlich ein wesentlich größerer Nutzen aus dem Wirken der Beklagten als den nicht praktizierenden Kammermitgliedern, zu denen auch die als Gutachter in öffentlich rechtlichen Körperschaften tätigen Mediziner gehörten. Das OVG Lüneburg geht in Übereinstimmung mit dem BVerwG (siehe insbesondere dessen Urteil vom 26.01.1993, a.a.O.) davon aus, dass der Aufgabenbereich der Beklagten sich vorrangig auf die Belange der mit der Heilbehandlung und der Bekämpfung von Krankheiten praktisch befassten Ärzte - seien sie freiberuflich tätig oder abhängig beschäftigt - konzentriert. Die Aufgabe der Beklagten bestehe im wesentlichen darin, die gemeinsamen beruflichen Belange der Gesamtheit der Kammermitglieder zu wahren (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 1 HKG). Diese Aufgabe sei vorwiegend auf praktizierende Ärzte ausgerichtet. Dementsprechend sei die Arbeit der Beklagten im besonderen Maße auf deren Belange zugeschnitten, zumal die Mitglieder der Beklagten ganz überwiegend mit der Heilbehandlung und der Bekämpfung von Krankheiten praktisch befasste Ärzte seien. Auch das BVerwG habe in seinem Urteil vom 26.01.1993 (a.a.O.) ausdrücklich festgestellt, dass den Kammermitgliedern, die nicht mit der Heilbehandlung und Bekämpfung von Krankheiten praktisch befasst seien, schon mit Rücksicht auf die Aufgaben der Ärztekammer keine auf ihre Tätigkeit ausgerichtete Wahrnehmung und Förderung beruflicher Belange zuteil werde, die mit der Interessenwahrnehmung für die praktizierenden Ärzte vergleichbar wäre.

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Die Kammer folgt dieser Rechtsprechung des OVG Lüneburg und des BVerwG und ist ebenfalls der Auffassung, dass der den nicht praktizierenden Kammermitgliedern zu Teil werdende Nutzen aus der Tätigkeit der Beklagten wesentlich geringer ist als derjenige der mit der Heilbehandlung und der Bekämpfung von Krankheiten praktisch befassten Ärzte. Für die Gruppe der nicht mit der Heilbehandlung und Bekämpfung von Krankheiten praktisch befassten Ärzte ist deshalb eine eigene Beitragsgruppe zu bilden, die in der im Jahr 1999 geltenden BO fehlt. Dies wirkt sich im vorliegenden Fall auch aus, weil der Kläger als Arzt im Gesundheitsamt nicht mit der Bekämpfung, Behandlung und Heilbehandlung von Krankheiten praktisch befasst ist. Zwar sind die Ärzte/innen im Gesundheitsamt auf dem Gebiet der Krankheitsbekämpfung und Prävention tätig, indem sie über Krankheiten aufklären, informieren, beraten und auch Impfungen durchführen. Dies allein reicht aber nicht aus, um sie beitragsmäßig mit den praktizierenden Ärzten gleichzustellen. Nach der Rechtsprechung des OVG Lüneburg und des BVerwG ist vielmehr nötig, dass der Arzt sowohl mit der Bekämpfung als auch (“und“) mit der Heilbehandlung praktisch befasst ist. Letztgenannte Voraussetzung erfüllt der Kläger nicht.

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Unter Heilbehandlung versteht die Kammer das Behandeln einer bereits aufgetretenen Krankheit im Einzelfall mit dem Ziel, diese Krankheit zu heilen. Dem entspricht die Definition des Begriffs “Behandlung“ in dem medizinischen Lexikon “Roche Lexikon Medizin, 4. Auflage“, wenn es dort heißt: Das auf Heilung oder Besserung (einschließlich Rehabilitation), im weiteren Sinne auch auf die Prophylaxe, gerichtete Handeln des Arztes oder einer Heilhilfsperson am Kranken. Der Arzt muss also behandelnd tätig werden, weil jemand krank ist. Dies trifft auf Ärzte/innen im Gesundheitsamt nicht zu. Diese Berufsgruppe ist vielmehr ausschließlich mit der Krankheitsprävention und der Gesundheitsförderung befasst. Hierzu zählen die vom Kläger im einzelnen genannten und in der “offiziellen Arbeitsplatzbeschreibung“ aufgeführten Tätigkeiten wie Durchführung von Impfungen, die Überprüfung von Drogenschränken, die Mitwirkung bei der Ausbildung von Medizinstudenten, Ermittlungen bei Auftreten von Infektionskrankheiten, Mitwirkung bei der Besichtigung von Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen, Ortsbesichtigungen mit Überprüfung von Gemeinschaftseinrichtungen, Schulen, Lebensmittelbetrieben, Großküchen, Frisörläden und gewerblichen Betrieben, Überwachung der Trinkwasserversorgungsanlagen, Badeanstalten, Campingplätzen, Kläranlagen, Müll- und Mülldeponien, Unterbringung von Geisteskranken, Alkoholikern und Betäubungsmittelsüchtigen in Anstalten, Durchführung von Schuluntersuchungen, Mütterberatungen, Untersuchungen im Rahmen der Erholungsfürsorge für Kinder, Jugendliche und Mütter, Abgabe von amtsärztlichen Gutachten, Zeugnissen und Befundscheinen und damit verbundene Hausbesuche und gerichtsärztliche Tätigkeit und damit verbundene Hausbesuche sowie Teilnahme an Gerichtsterminen. Bei all diesen Aufgaben beschränkt sich die Tätigkeit der Ärzte/innen im Gesundheitsamt darauf, aufzuklären, Befunde festzustellen und auf weiterführende Maßnahmen durch Dritte hinzuwirken (z.B. im Rahmen von Einschulungsuntersuchungen die Vermittlung von „kranken“ Kindern an niedergelassene Ärzte). Ärzte/innen im Gesundheitsamt sind bei der Erfüllung ihrer Aufgaben beratend tätig ohne medizinisch zu behandeln (z.B. im Rahmen der sozialpsychiatrischen Dienste, Aidsberatung) oder sie erteilen Auskünfte an Dritte, indem sie Gutachten erstellen. Eine auf die Heilung eines Kranken ausgerichtete Tätigkeit erfolgt bei all diesen Aufgaben nicht.

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Auch der Niederschrift des Ausschusses Finanz- und Beitragsangelegenheiten der Beklagten über dessen Sitzung vom 29. Oktober 2002 ist nicht zu entnehmen, weshalb die Ausschussmitglieder dort zu der Einschätzung gelangten, dass Ärzte/innen im Gesundheitsamt mit der Heilbehandlung praktisch befasst seien und deshalb nicht unter die ab dem Beitragsjahr 2003 eingeführte Beitragsgruppe “der nicht mit der Bekämpfung und Heilbehandlung befassten Ärzte“ einzuordnen seien. Hierzu heißt es in der Niederschrift unter der Überschrift “Beratungsverlauf“, das Aufgabenfeld der im Gesundheitsamt tätigen Ärzte sei unter diesem Gesichtspunkt (ob die Ärzte mit der Heilbehandlung und der Bekämpfung von Krankheiten praktisch befasst sind, Anmerkung des Gerichts) geprüft und eingehend diskutiert worden. Dabei habe J. darauf hingewiesen, dass Ärzte im Gesundheitsamt durchaus auch direkt mit Patienten zusammenkämen, indem sie Impfleistungen durchführten. Sollten die Ausschussmitglieder allein unter Berücksichtigung der Impftätigkeit von Ärzten/innen im Gesundheitsamt zu dem Ergebnis gelangt sein, dass diese deshalb Heilbehandlungen durchführen, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Impfungen haben allein vorbeugenden Charakter und erfolgen nicht am Kranken. Ob und welche weiteren Überlegungen den Ausschuss Beitrags- und Finanzangelegenheiten dazu veranlasst haben, die Ärzte/innen in Gesundheitsämtern als mit der Heilbehandlung befasst anzusehen, geht aus der Niederschrift nicht hervor. Solche weiteren Überlegungen hat die Beklagte auch nicht vorgetragen. Soweit sie meint, Ärzte/innen im Gesundheitsamt seien deshalb mit der Heilbehandlung befasst, weil sie für die Anerkennung der Facharztbezeichnung “öffentliches Gesundheitswesen“ drei Jahre ärztlich in der kurativen Medizin tätig sein müssen, vermag die Kammer dem ebenfalls nicht zu folgen. Bei der Frage, ob Ärzte/innen im Gesundheitsamt mit der Heilbehandlung praktisch befasst sind, ist allein auf ihre Tätigkeit im Gesundheitsamt abzustellen und nicht darauf, welche Tätigkeiten nötig waren, um die Facharztbezeichnung “öffentliches Gesundheitswesen“ zu erhalten.

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Unerheblich ist auch, dass nach Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung die Stadt K. plane, zukünftig kranke Asylbewerber durch Ärzte/innen im Gesundheitsamt behandeln zu lassen. Sollte sich dadurch das Aufgabengebiet im Sinne einer Heilbehandlung verändern, so ist dies für das hier zu beurteilende in der Vergangenheit liegende Beitragsjahr 1999 ohne Belang. Ebenso ist es ohne Belang, wenn einzelne Ärzte/innen im Gesundheitsamt aufgrund einer Nebentätigkeitsgenehmigung außerhalb ihrer Tätigkeit im Gesundheitsamt Patienten behandeln. Solche im Rahmen der Nebentätigkeit durchgeführten Heilbehandlungen prägen nicht das Aufgabengebiet eines Arztes/einer Ärztin im Gesundheitsamt, da diese gerade außerhalb dieser Stellung erfolgen.

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Ärzte/innen im Gesundheitsamt sind vielmehr ausschließlich übergreifend für die Erhaltung und für die Förderung der Gesundheit der Menschen zuständig. Dies bestätigt auch die unter Abschnitt 4 Nr. 28 der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Niedersachsen aufgeführte Definition des “öffentlichen Gesundheitswesens“. Dort heißt es:

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„Das öffentliche Gesundheitswesen umfasst die ärztliche Tätigkeit in Einrichtungen des öffentlichen Dienstes, die dazu bestimmt sind, unmittelbar den Gesundheitszustand der Bevölkerung und bestimmter Bevölkerungsgruppen zu ermitteln und laufend zu überwachen, ihnen drohende Gefahren festzustellen und zu beseitigen oder auf die Beseitigung hinzuwirken sowie die Gesundheit der Bevölkerung insgesamt und besonderer Gruppen sowie das gesundheitsbewusste Verhalten des Einzelnen zu fördern. Die wesentlichen Aufgaben liegen im Bereich der Beobachtung, Begutachtung, Beratung und Wahrung der gesundheitlichen Belange der Bevölkerung einschließlich der Beratung der Träger öffentlicher Aufgaben in gesundheitlichen Fragen. Dazu gehören insbesondere Planung und Gestaltungsaufgaben in der Gesundheitsförderung und der gesundheitlichen Versorgung, allgemeine und spezielle öffentliche Hygiene einschließlich des gesundheitlichen Umwelt und Verbraucherschutzes, Gesundheitsaufsicht, Beratung und Aufklärung der Bevölkerung in gesundheitlichen Fragen, die Verhütung und Bekämpfung von Krankheiten sowie die Einleitung präventiver und rehabilitativer Maßnahmen und die Erstellung ärztlicher Gutachten für Behörden und Körperschaften.“

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Auch danach behandeln die Ärzte/innen im Gesundheitsamt nicht Kranke mit dem Ziel der Heilung. Sie dürfen deshalb bei der Beitragserhebung nicht den mit der Heilbehandlung und Bekämpfung von Krankheiten befassten Ärzten gleichgestellt werden. Die Beitragsordnung für das Jahr 1999 i.d.F. vom 01. Januar 1999 stellt keine wirksame Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zum Kammerbeitrag da. Der Beitragsbescheid vom 5. Mai 2004 und der Widerspruchsbescheid vom 01. September 2004 sind deshalb rechtswidrig und in dem angefochtenen Umfang aufzuheben. Die Beitragsfestsetzung kann nicht bis zu einer eventuell rechtlich zulässigen Grenze aufrechterhalten bleiben, weil es der Beklagten überlassen bleiben muss innerhalb des ihr zustehenden Gestaltungsspielraums die Beiträge der Gruppe von Ärzten, zu denen der Kläger gehört, unter Beachtung des Gleichheitssatzes satzungsgemäß festzulegen.

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Unzutreffend ist die Ansicht der Beklagten, es sei unschädlich, dass ihre Beitragsordnung für das Jahr 1999 keine eigene Beitragsgruppe für die nicht mit der Bekämpfung und Heilbehandlung befassten Ärzte aufweise, weil die Beitragsordnung 1999 ohnehin keinen vorteilsbezogenen Beitragsmaßstab enthalte und nach der Rechtsprechung des OVG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 4 A 63/01 - (MedR 2004, 275-277 [AG Meldorf 06.11.2002 - 83 C 1404/02])) in diesem Fall eine Beitragsdifferenzierung nicht nötig sei. Es kann dahinstehen, ob diese Rechtsprechung des OVG Nordrhein-Westfalen im Einklang mit der Rechtsprechung des BVerwG zur Erhebung von Kammerbeiträgen steht. Denn falsch ist bereits die Annahme der Beklagten, die BO 1999 enthalte keinen vorteilsbezogenen Beitragsmaßstab wie die in § 3 Abs. 4 BO getroffene Regelung zeigt.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.