Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 01.09.2005, Az.: 4 A 175/03
Alternative; Antwort; Antwortspielraum; Ausgleich; Auslegung; Begründung; Bewertung; Bewertungsfehler; Bewertungsspielraum; Chancengleichheit; Erstkorrektor; Fehler; Hausarbeit; Hochschulausbildung; Hochschule; juristisches Staatsexamen; Korrektor; mündliche Prüfung; Neubewertung; Prüfer; Prüfung; Prüfungsbewertung; Prüfungsrecht; Rechtswissenschaften; Spielraum; Stichentscheid; Universität; Wahlfach; Wiederholung; Zweitkorrektor
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 01.09.2005
- Aktenzeichen
- 4 A 175/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 50776
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 3 Abs 1 GG
- Art 12 Abs 1 GG
- § 13 Abs 1 JAG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Erfolgt die Bewertung einer schriftlichen Prüfungsleistung durch Stichentscheid, so ist nur noch dieser Gegenstand einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung.
2. Erweist sich eine mündliche Prüfung im 1. juristischen Staatsexamen als bewertungsfehlerhaft, so hat der Prüfling die Prüfung nur in demjenigen Prüfungsfach bzw. in denjenigen Prüfungsfächern zu wiederholen, dem bzw. denen Bewertungsfehler anhaften.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich mit der Klage gegen die Bewertung seiner Hausarbeit und seiner Leistungen in der mündlichen Prüfung im Rahmen des ersten juristischen Staatsexamens.
Der Kläger studierte ab dem Wintersemester 1997/98 an der P.-Q. -Universität F. im Studiengang Rechtswissenschaften. Im April 2002 wurde ihm eine Examens-Hausarbeit aus der Wahlfachgruppe „Internationales Privat- und Prozessrecht sowie Rechtsvergleichung - Bürgerliches Recht mit dem Schwergewicht im Wahlfach“ zugeteilt. Diese Hausarbeit wurde durch den Erstkorrektor Prof. Dr. R. aus I. mit 15 Punkten („gut“), durch den Zweitkorrektor Rechtsanwalt S. aus T. jedoch nur mit 6 Punkten („ausreichend“) bewertet. Durch Stichentscheid vom 26.11.2002 bewertete Prof. Dr. U., Universität V., die Arbeit sodann mit 9 Punkten („befriedigend“).
In den Examensklausuren erzielte der Kläger befriedigende und voll befriedigende Ergebnisse. Seine Leistungen in der am 17.12.2002 durchgeführten mündlichen Prüfung wurden wie folgt bewertet:
Bürgerliches Recht (Prüfer: Prof. Dr. W., Universität F.): 6 Punkte,
Strafrecht (Prüfer: Prof. Dr. X., Universität F.): 4 Punkte,
Öffentliches Recht (Prüfer: MR Y., Nds. Z.): 5 Punkte,
Wahlfach (Prüfer: Prof. Dr. W., Universität F.): 6 Punkte.
Die Prüfungsgesamtnote wurde durch den Prüfungsausschuss auf „befriedigend“ (7,90 Punkte) festgesetzt. Unter dem 20.12.2002 wurde dem Kläger ein entsprechendes Zeugnis ausgestellt.
Am 17.01.2003 legte der Kläger gegen die Prüfungsentscheidung Widerspruch ein und rügte die Bewertung der Hausarbeit und seiner Leistungen in der mündlichen Prüfung. Zur Begründung führte er aus, die Auswahl des Zweitkorrektors sei rechtsfehlerhaft gewesen, da dieser nicht über die erforderliche fachliche Qualifikation verfüge, eine Hausarbeit aus dem betreffenden Wahlfach zu korrigieren. Die Bewertung der Hausarbeit durch den Zweitkorrektor wie auch durch den Verfasser des Stichentscheides leide unter Bewertungsfehlern. Die Bewertung der Leistungen in der mündlichen Prüfung sei unter Verstoß gegen das Gebot der Chancengleichheit zustande gekommen. Infolge der zeitlichen Verschiebung, die durch die verzögerte Bewertung der Hausarbeit entstanden sei, sei er gemeinsam mit Prüflingen mündlich geprüft worden, die ein wesentlich schlechteres Leistungsbild als er selbst aufgewiesen hätten. Er sei infolgedessen auf unterem Niveau geprüft worden und habe nicht die Möglichkeit gehabt, sich auszuzeichnen. Im Verlauf der Strafrechts-Prüfung habe der Prüfer Prof. Dr. X. bei der Frage nach Verfolgungshindernissen seine zutreffenden Antworten als „falsch“ bewertet und ihn verunsichert. Bei seiner Antwort auf eine Frage im Zusammenhang mit dem Hehlerei-Tatbestand sei ihm das Wort abgeschnitten worden. Zu den Themen „Anstiftung“ und „Konkurrenzfragen“ habe er nicht mehr Stellung nehmen können. In der Wahlfachprüfung habe er die zur Prüfung gestellten Aufgaben vollständig und umfassend gelöst. Die Einzelnote von 6 Punkten im Wahlfach, die nicht näher begründet worden sei, sei daher nicht gerechtfertigt.
Die Beklagte holte Stellungnahmen der beteiligten Prüfer ein, wegen deren Inhalts auf Bl. 63 (Prof. Dr. U.), Bl. 67 f. (Prof. Dr. X.), Bl. 69 f. (Prof. Dr. W.), Bl. 71 (MR Y.) und Bl. 76 (Rechtsanwalt S.) der Beiakte A Bezug genommen wird.
Durch Widerspruchsbescheid vom 07.08.2003 (zugestellt am 12.08.2003) wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte er aus, das Prüfungsverfahren sei bewertungsfehlerfrei durchgeführt worden. Die Prüfungskompetenz des Zweitkorrektors stehe außer Zweifel. Die Ausführungen des Klägers über sein Abschneiden bei einer anderen Zusammensetzung der Kandidatengruppe beruhe auf reiner Spekulation.
Am 11.09.2003 hat der Kläger Klage erhoben. Er wiederholt seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren und führt vertiefend aus: Infolge der Verzögerung bei der Korrektur der Hausarbeit hätten sämtliche Kommilitonen, die ebenfalls das Wahlfach Internationales Privatrecht gewählt hätten, ihr Examen zum Zeitpunkt seiner mündlichen Prüfung bereits abgeschlossen gehabt. Wäre er gemeinsam mit den Kommilitonen seiner Wahlfachgruppe geprüft worden, hätte er erheblich bessere Leistungen nachweisen können. Es sei auch zu beanstanden, dass der Wahlfachprüfer Prof. Dr. W. bei der Prüfung des Klägers keinerlei Zwischen- oder Nachfragen gestellt habe. Der Prüfer hätte durch geeignete Fragestellungen deutlich machen müssen, dass es ihm darauf ankam, ein bestimmtes Problem herauszuarbeiten.
Der Kläger beantragt,
die Entscheidung des Prüfungsausschusses des Beklagten vom 17.12.2002, das dem Kläger vom Beklagten erteilte Prüfungszeugnis vom 20.12.2002 und den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 07.08.2003 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, ihn nach einer Neubewertung seiner Hausarbeit mit der Kennziffer I ALw/01 sowie einer erneuten mündlichen Prüfung im Pflichtfach „Strafrecht“ und im Wahlfach „Internationales Privatrecht“ über das Ergebnis der 1. juristischen Staatsprüfung neu zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertieft seinen bisherigen Vortrag.
Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung über die Behauptungen des Klägers, der Prüfer Prof. Dr. X. habe am 17.12.2002 (1.) auf die Prüfungsfrage nach „Verfolgungshindernissen“ Antworten des Klägers ausdrücklich als „falsch“ oder „unrichtig“ gewertet und ihm (2.) auf Prüfungsfragen zum materiellen Strafrecht keine zusammenhängenden Antworten ermöglicht, sondern ihm das Wort abgeschnitten, Beweis durch Vernehmung der Zeugen Prof. Dr. X., Prof. Dr. W., Rechtsanwalt Y., AA. und AB. erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Im Übrigen nimmt das Gericht wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt des Verwaltungsvorgangs des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet. Der Kläger macht mit Erfolg einen Bewertungsfehler in seiner mündlichen Prüfung im Pflichtfach Strafrecht geltend, während er mit seinen gegen die Bewertung seiner Examens-Hausarbeit und seiner Leistungen in der mündlichen Wahlfach-Prüfung gerichteten Rügen nicht durchdringt.
I. Hinsichtlich der vom Kläger angefertigten Hausarbeit ist das Prüfungsverfahren frei von Verfahrensfehlern.
1. Der Kläger rügt zunächst, der Zweitkorrektor seiner Hausarbeit habe für eine derartige Korrektur nicht die notwendige Kompetenz gehabt; zudem leide die Bewertung der Hausarbeit durch den Zweitkorrektor an Bewertungsfehlern. Diese Fragen sind vorliegend nicht von Belang, denn für die Prüfung, ob das Ergebnis der Hausarbeit ordnungsgemäß in die Gesamtnote eingeflossen ist, ist ausschließlich auf die Rechtmäßigkeit des durch den Prüfer Prof. Dr. U. gefertigten Stichentscheides abzustellen.
Gemäß § 13 Abs. 1 des Nds. Gesetzes zur Ausbildung der Juristinnen und Juristen in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 16.10.1996 (Nds. GVBl. S. 430; NJAG) wird jede schriftliche Prüfungsleistung von zwei Mitgliedern des Landesjustizprüfungsamtes nacheinander bewertet. Weichen die Bewertungen nicht um mehr als drei Punkte voneinander ab und wird eine Einigung nicht erzielt, so gilt der Mittelwert. Bei größeren Abweichungen setzt ein weiteres Mitglied die Note und Punktzahl fest; dabei kann es sich für eine der bisherigen Bewertungen oder für eine dazwischen liegende Punktzahl entscheiden. Dieses Verfahren kam im vorliegenden Fall zur Anwendung, nachdem der Erstkorrektor die Hausarbeit des Klägers mit 15, der Zweitkorrektor sie dagegen nur mit 6 Punkten bewertet hatte.
Zur Vereinbarkeit eines Stichentscheides mit dem Grundsatz der Chancengleichheit hat das Bundesverwaltungsgericht bereits durch Beschluss vom 15.12.1987 - 7 B 216.87 - (NVwZ 1988, 437) Stellung genommen und dabei u. a. Folgendes ausgeführt:
„Der Verordnunggeber ging offenbar davon aus - und durfte davon ausgehen -, daß bei Bewertungen, die auf einer Bewertungsskala von 0 bis 18 Punkten nicht mehr als 2 Punkte voneinander abweichen, der Mittelwert das Leistungsbild zutreffend widerspiegelt. Zwar läßt sich auch in diesen Fällen nicht ausschließen, daß die Prüfer, wenn auch hier ein Einigungsverfahren vorgeschrieben wäre, sich nicht auf den Mittelwert, sondern auf einen darüber oder darunter liegenden Wert einigen würden, so daß der von beiden Prüfern schließlich als richtig angesehene Wert nicht mit dem Mittelwert identisch sein müßte. Angesichts der Grenzen, die dem menschlichen Erkenntnisvermögen bei der Bewertung von Prüfungsleistungen wie überhaupt bei der Beurteilung der geistigen Leistungen eines anderen Menschen mangels eines genauen Maßstabes ohnehin gesetzt sind, ist es aber nicht zu beanstanden, wenn der Verordnunggeber die innerhalb einer Toleranzbreite von zwei Punkten liegenden Bewertungen als gültig akzeptiert und als Note den Mittelwert für maßgebend erklärt, zumal nicht sicher wäre, ob die Prüfer sich, wenn auch für diesen Fall ein Einigungsverfahren vorgesehen würde, auf einen Wert einigen könnten. Der anderenfalls erforderliche Stichentscheid böte angesichts der geringen Bewertungsdifferenz keine Gewähr für eine merklich gerechtere Beurteilung.
Einen anderen Sachverhalt, der eine andere rechtliche Behandlung erfordert, sieht der Verordnunggeber - ohne Verstoß gegen den Gleichheitssatz -, wenn die Bewertungen um mehr als zwei Punkte voneinander abweichen. Hier wird die nach seiner Einschätzung noch hinnehmbare Toleranzbreite überschritten, so daß Zweifel bestehen, ob die Bewertungen das - trotz aller subjektiver Prägung - erreichbare Maß an Objektivität aufweisen. Die Folge ist, daß zunächst keine der beiden Bewertungen gültig ist...“.
In einer weiteren Entscheidung (Beschluss vom 07.09.1995 - 6 B 45.95 -, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 358) hat das Bundesverwaltungsgericht zur Stichentscheids-Regelung in § 18 Abs. 1 Satz 4 der Nds. Ausbildungsordnung für Juristen vom 21.01.1982 (Nds. GVBl. S. 18), die mit der vorliegend einschlägigen Regelung vergleichbar ist, wie folgt ausgeführt:
„Größere Bewertungsdifferenzen sind geeignet, Zweifel an der Objektivität zumindest einer der Bewertungen zu wecken. Dem soll durch ein besonderes Verfahren begegnet werden, indem ein Dritter (Präsident des Landesjustizprüfungsamtes oder ein von ihm bestimmter Prüfer), der bisher an dem Bewertungsverfahren nicht beteiligt war und dem gegenüber deshalb diese Zweifel nicht oder in geringerem Maße bestehen, die endgültige Notenfestsetzung vornimmt.“
Aus dem Umstand, dass - mit dem Bundesverwaltungsgericht - im Fall des Vorliegens der Voraussetzungen für einen Stichentscheid keine der ursprünglichen Bewertungen gültig ist, ist zu schließen, dass diese Korrekturen nicht mehr Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung sind. Der Prüfling kann daher nicht dahin argumentieren, dass es zu diesem Stichentscheid nicht gekommen wäre, wenn der Erst- oder Zweitprüfer die Prüfungsarbeit rechtmäßig bewertet hätte. Vielmehr kommt es ausschließlich auf das Ergebnis des Stichentscheids an (Zimmerling/Brehm, Prüfungsrecht, 2. Auflage 2001, Rn. 829 f. mit Nachweisen aus der Rechtsprechung; Zimmerling/Brehm, Der Prüfungsprozess, 2004, Rn. 40).
Dem folgend „überholt“ der Stichentscheid nicht nur im Rahmen der Erst- oder Zweitkorrektur möglicherweise vorliegende Bewertungsfehler, sondern auch sonstige Verfahrensfehler. Der gesamte Vortrag des Klägers zur Qualifikation des Zweitprüfers seiner Hausarbeit bzw. zur möglichen Fehlerhaftigkeit der Bewertung durch den Zweitprüfer ist daher im vorliegenden Verfahren infolge der Fertigung eines Stichentscheides nicht mehr relevant. Lediglich letzterer kann noch Gegenstand prüfungsrechtlicher Rügen sein.
2. Der Kläger rügt des Weiteren, der Stichentscheid weise Bewertungsfehler auf. Dem folgt die Kammer nicht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 17.04.1991
- 1 BvR 419/81 und 213/83 -, BVerfGE 84, S. 35, 50 ff.), des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 30.01.1995 - 6 C 1/92 -, NVwZ 1995, 800, 801) und des Nds. Oberverwaltungsgerichts (std. Rspr., vgl. Urteil vom 17.02.1998 - 10 L 4860/95 -, UA S. 11 f.), der sich die Kammer in ständiger Rechtsprechung angeschlossen hat (vgl. nur Urteil vom 30.10.2003 - 4 A 4114/01 -), erfordern Berufszugangsprüfungen schwierige Bewertungen, die mit Rücksicht auf die Chancengleichheit aller Berufsbewerber im Gesamtzusammenhang des Prüfungsverfahrens zu treffen sind (BVerfG, a.a.O., S. 50 - 53). Daraus ergibt sich ein auf prüfungsspezifische Wertungen bezogener Bewertungsspielraum der Prüfungsbehörden, der die gerichtliche Kontrolle einschränkt. Die Gerichte haben hier nur zu prüfen, ob die Prüfungsbehörden Verfahrensfehler begangen oder anzuwendendes Recht verkannt haben, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sind, allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe verletzt haben oder sich von sachfremden Erwägungen haben leiten lassen. Eine weiter gehende gerichtliche Kontrolle findet dagegen hinsichtlich fachspezifischer Wertungen statt. Lässt sich die Richtigkeit oder Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfrage nicht eindeutig bestimmen, haben die Prüfer zwar auch hier einen Bewertungsspielraum, müssen aber auch dem Prüfling einen angemessenen Antwortspielraum einräumen. Eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung darf nicht als falsch bewertet werden. Dies ist ein allgemeiner Bewertungsgrundsatz, der bei berufsspezifischen Prüfungen aus Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) folgt. Weiterhin darf die gerichtliche Willkürkontrolle nicht zu stark eingeschränkt werden. Eine willkürliche Fehleinschätzung ist bereits dann anzunehmen, wenn sie Fachkundigen als unhaltbar erscheinen muss.
Zu den komplexen prüfungsspezifischen Bewertungen gehören z. B. Fragen der Gewichtung verschiedener Aufgaben untereinander, der Einordnung des Schwierigkeitsgrades der Aufgabenstellung oder der Würdigung der Qualität der Darstellung einer Prüfungsaufgabe. Um Fachfragen geht es demgegenüber, wenn bei einer Beurteilung juristischer Prüfungsleistungen Methodik sowie Art und Umfang der Darstellung in Bezug auf Lösungsansatz und zur Prüfung gestellte Normen in Rede stehen. Insbesondere ist der fachwissenschaftlichen Erörterung zugänglich, ob bei der Lösung eines mit der Aufgabe gestellten Rechtsproblems die Prüfung einer Norm geboten, vertretbar oder fernliegend ist. Erst wenn feststeht, dass Vorzüge und Mängel einer Arbeit unter Beachtung des dem Prüfling zukommenden Antwortspielraums fachwissenschaftlich korrekt erfasst worden sind, und sich sodann die Frage nach der Bewertung, insbesondere der richtigen Benotung stellt, ist Raum für die Annahme des prüfungsrechtlichen Bewertungsspielraums (BVerwG, Beschluss vom 17.12.1997 - 6 B 55.97 -, DVBl. 1998, 404).
Gemessen an diesen Grundsätzen leidet die Bewertung der Hausarbeit des Klägers durch den Verfasser des Stichentscheids nicht an Beurteilungsfehlern.
a. Der Kläger trägt zunächst vor, es dürfe nicht als falsch bewertet werden, wenn er bei einem unklaren Sachverhalt die denkbaren Fallgestaltungen alternativ prüfe. Er bezieht sich damit auf die Frage, ob nach der Aufgabenstellung der Hausarbeit eine bestimmte Person (der Samenspender Z) bekannt ist oder nicht. Während der Zweitkorrektor die Auslegung durch den Kläger als unzutreffend bezeichnet hat, führt der Verfasser des Stichentscheides zu dieser Frage aus: „Verf. geht zurecht, jedenfalls vertretbar davon aus, dass der Samenspender (Z) persönlich bekannt sei... Plötzlich soll der Samenspender nun doch nicht ermittelbar sein. Verf. fehlen zwar - das ist ihm nicht anzulasten - insoweit eindeutige Angaben im Sachverhalt (viel spricht allerdings dafür, dass Z bekannt ist!), aber es geht auch nicht an, sich den Sachverhalt jeweils so zurecht zu schneiden, dass ein erörterungsfähiges und sozusagen „passendes“ Rechtsproblem entsteht.“
Die Rüge des Prüfers erweist sich nicht als bewertungsfehlerhaft. Das Merkblatt des Beklagten für die Anfertigung von Hausarbeiten enthält zu Unklarheiten im Sachverhalt folgenden Hinweis:
Stellt der Prüfling im Aufgabentext einen auch durch Auslegung nicht zu beseitigenden Widerspruch fest, sollte er durch Anfrage beim Landesjustizprüfungsamt eine Klärung herbeiführen. Bei bloßen Unklarheiten im Sachverhalt ist von Rückfragen abzusehen. Ob eine Auslegung oder eine alternative Entscheidung angezeigt ist, gehört zu der vom Prüfling zu erbringenden Leistung.
Die Anfertigung einer Alternativlösung ist daher nicht per se fehlerhaft, sondern kann durchaus vertretbar sein, so dass dem Prüfling insoweit ein Antwortspielraum zusteht. Diesen Spielraum hat der Prüfer dem Kläger nicht abgeschnitten. Er kritisiert nicht die Anfertigung einer Alternativlösung „an sich“ und bezeichnet die Vorgehensweise des Klägers nicht als „falsch“, sondern rügt, dass der Kläger den Sachverhalt an verschiedenen Stellen seiner Ausarbeitung jeweils unterschiedlich ausgelegt hat, um jeweils ein erörterungsgeeignetes Rechtsproblem zu erhalten. Mit dieser Rüge bewegt er sich nicht außerhalb seines Bewertungsspielraums. Dies wird auch dadurch erkennbar, dass er das Vorgehen im Folgenden als „Missgeschick“ bezeichnet und gegen Ende seiner Beurteilung ausführt:
„Man merkt, dass ihr/ihm die Arbeit Spaß gemacht hat; vielleicht war aber gerade das der Grund dafür, dass sich Verf. nicht streng und konsequent genug an die Aufgabenstellung gehalten hat und recht häufig mehr Wissen aufscheinen lassen wollte, als von der Aufgabe verlangt bzw. geduldet war. Für eine Examenshausarbeit ist das nun einmal eine ungeschickte Vorgehensweise.“
Insgesamt lässt die Kritik einen Bewertungsfehler nicht erkennen.
b. Im Stichentscheid wird weiter Folgendes ausgeführt: „Wünschenswert, aber nach den Vorgaben des Sachverhalts nicht zwingend erforderlich wäre ein Hinweis auf die Anknüpfungsregelung in Art. 18 EGBGB gewesen“. Der Kläger ist der Auffassung, diese Anmerkung sei nicht nachvollziehbar. Nach dem Sachverhalt sei eine solche Prüfung überflüssig. Die Anmerkung im Stichentscheid lässt Bewertungsfehler nicht erkennen. Der Prüfer hat zum Ausdruck gebracht, dass er einen Hinweis auf die genannte Regelung nach den Vorgaben des Sachverhalts nicht als zwingend erforderlich, sondern lediglich als wünschenswert ansieht, und das Unterlassen eines entsprechenden Hinweises in der Arbeit daher nicht als „falsch“ bezeichnet.
c. Schließlich wird im Stichentscheid ausgeführt: „Im Rahmen der Vertragshaftung des Arztes übersieht Verf. die Fragestellung, ob ein gesundes Kind überhaupt einen Schaden daraus herleiten kann, dass es geboren wurde“. Der Kläger hält diese Beanstandung für unzutreffend. Schadensersatzansprüche seien geprüft worden, wobei insbesondere ausgeführt worden sei, dass ein Körperschaden oder eine Körperbehinderung gerade nicht vorliege und somit nur Schadensersatzansprüche eines gesunden Kindes zu prüfen seien. Das Problem sei daher gesehen und auch erörtert worden. Der Verfasser des Stichentscheides hat hierzu in seiner Stellungnahme vom 03.04.2003 ausgeführt, Schadensersatzansprüche des Kindes seien in der Tat geprüft worden, jedoch nicht unter dem Aspekt, den er in seinem Stichentscheid genannt habe.
Ein Bewertungsfehler liegt auch insoweit nicht vor. Der Kläger hat in seiner Arbeit (S. 36) im Rahmen der Prüfung von Schadensersatzansprüchen gegen einen Arzt Folgendes ausgeführt:
„Dabei ist zunächst festzuhalten, dass sich allein auf der Vornahme der heterologen Insemination keine Ansprüche gegen den Arzt begründen lassen, da festgestellt werden konnte, dass diese an sich weder sittenwidrig noch gesetzlich verboten ist. Es ist daher nach hinzukommenden Aspekten zu suchen.
Dabei sind drei mögliche Fallkonstellationen denkbar, in denen sich eine Schadensersatzpflicht des Arztes gegenüber dem Kind begründen ließe:
- Zunächst wäre denkbar, dass ein körpergeschädigtes Kind geboren wird, weil der Arzt die zur Insemination verwendeten Spermien beschädigt hat.
- Außerdem wäre möglich, dass der Arzt kranke und somit ungeeignete Spermien verwendet hat und daher ein körperbehindertes Kind geboren wird.
- Zuletzt wäre der Fall zu bedenken, dass der Samenspender und damit der nach dem oben Erörterten mögliche Unterhaltsschuldner aus Umständen nicht feststellbar ist, die sich dem Bereich des behandelnden Arztes zurechnen lassen.“
Im Folgenden konzentriert sich der Kläger in seiner Prüfung auf die dritte Alternative. Er geht dabei zwar davon aus, dass ein gesundes Kind geboren worden ist, prüft einen Schadensersatzanspruch gegen den Arzt jedoch nicht unter diesem sondern unter dem Aspekt, dass ein möglicher Unterhaltschuldner aus Gründen nicht feststellbar ist, deren Ursachen in Bereich des behandelnden Arztes liegen. Auch im Folgenden verbleibt es bei diesem Aspekt der Prüfung. Der Kläger führt auf S. 40 f. seiner Arbeit aus:
„Es ist jedoch anerkannt, dass ein Kind durchaus durch einen Akt geschädigt werden kann, dem es seine Entstehung verdankt. Eine Schädigungshandlung könne nämlich nicht nur in der Verschlechterung eines bereits bestehenden Zustandes sondern auch in der Vereitelung der Entstehung eines normalen Zustandes gesehen werden. Genau diese Entstehung eines normalen Zustandes wird aber in der vorliegenden Fallkonstellation vereitelt, wenn es dem A durch das Verhalten des B unmöglich gemacht wird, seinen genetischen Vater in Erfahrung zu bringen.
Ein kausaler Schaden ist somit im vorliegenden Fall darin zu sehen, dass dem A durch das Verhalten des B ein gesetzlicher Unterhaltsschuldner entgeht“.
Aus diesen Formulierungen wird ersichtlich, dass der Kläger einen Schadensersatzanspruch nicht unter dem Aspekt prüft, ob ein gesundes Kind aus dem Umstand seiner Geburt einen Schaden herleiten kann. Dieses Problem ist jedoch wiederholt Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen gewesen (vgl. BVerfG, Urteil vom 28.05.1993 - 2 BvF 2/90 u.a. -, BVerfGE 88, 203, 296; LG Schwerin, Urteil vom 09.03.1995 - 7 O 264/94 -, juris; LG Düsseldorf, Urteil vom 02.12.1993 - 17 O 92/86 -, juris; BGH, Urteil vom 18.03.1980 - VI ZR 105/78 -, BGHZ 76, 249), so dass die Anmerkung des Verfassers des Stichentscheides, der Kläger habe diese Fragestellung übersehen, nicht bewertungsfehlerhaft ist.
II. Die gegen die Durchführung der mündlichen Prüfung gerichteten Rügen verhelfen der Klage nur teilweise zum Erfolg.
1. Der Kläger rügt eine Verletzung des prüfungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes, weil er infolge der Verzögerung bei der Korrektur seiner Hausarbeit nicht zum ursprünglich für September 2002 angekündigten Prüfungstermin, sondern etwa drei Monate später mündlich geprüft worden sei. Er trägt vor, zu dieser Zeit seien alle Kommilitonen, die dieselbe Wahlfachgruppe wie er selbst gewählt hätten, bereits mündlich geprüft worden. Er selbst sei gemeinsam mit Kandidaten geprüft worden, die wesentlich schlechtere Vorleistungen als er selbst hätten vorweisen können. Die Prüfung habe sich daher auf unterem Niveau abgespielt und er habe nicht die Möglichkeit gehabt, sich auszuzeichnen. Mit diesem Vortrag dringt der Kläger nicht durch.
Der das Prüfungsverfahren beherrschende Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet, dass für vergleichbare Prüflinge soweit wie möglich vergleichbare Prüfungsbedingungen und Bewertungskriterien gelten (Zimmerling/Brehm, Prüfungsrecht, a.a.O., Rn. 56). Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 10.10.2002 - 6 C 7.02 -, NJW 2003, 1063) hat zur Wahrung des prüfungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes im Fall des Vorliegens von Prüfungsmängeln Folgendes ausgeführt:
„Haftet einer Prüfung ein rechtserheblicher Mangel an, lässt sich das Gebot der Chancengleichheit zumeist nicht mehr in derselben Weise wie bei fehlerfreiem Prüfungsverlauf gewährleisten (vgl. Urteil vom 6. September 1995 - BVerwG 6 C 16.93 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 355 S. 102). Infolge dessen kommen in solchen Fällen nicht selten mehrere Möglichkeiten der Fehlerkorrektur in Betracht. Sonderregelungen des Prüfungsablaufs können sich zudem in ihren Auswirkungen als ambivalent erweisen. So mag beispielsweise die obligatorische Wiederholung von Prüfungsteilen von einigen Prüflingen als Vorteil und dementsprechend von den Mitprüflingen als bedenkliche Gewährung einer zusätzlichen Prüfungschance empfunden werden, während andere in ihr lediglich eine Belastung sehen, die den Nachteil, den sie durch den Prüfungsmangel erlitten haben, eher verstärkt als ausgleicht. Da somit in den Fällen eines Prüfungsmangels die Chancengleichheit regelmäßig nur annähernd wiederhergestellt werden kann, muss unter dem Blickwinkel der Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG bei der Gestaltung der Prüfungsbedingungen, die dem Ausgleich des Mangels dienen, nicht auf jeden denkbaren Umstand Bedacht genommen werden, aus dem sich ein Vorteil oder Nachteil für den Prüfling ergeben kann. Es ist vielmehr ausreichend, aber auch erforderlich, dass die Prüfung für ihn insgesamt unter Bedingungen stattfindet, die mit denjenigen bei normalem Prüfungsverlauf vergleichbar sind.“
Was nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Fall einer mangelbehafteten Prüfung gilt, muss gleichermaßen gelten, wenn - wie vorliegend - eine zeitliche Verzögerung durch eine gesetzlich vorgeschriebene Variante des Prüfungsverfahrens - hier: die Fertigung eines Stichentscheides - eingetreten ist. Der Beklagte hat den Kläger nach abschließender Bewertung seiner Hausarbeit nicht anders behandelt, als andere Prüflinge in einem vergleichbaren Stadium ihres Prüfungsverfahrens, sondern ihn einer der nächsten Gruppe von Prüflingen zur mündlichen Prüfung zugewiesen. Diese fand daher unter Bedingungen statt, die einem normalen Prüfungsverlauf entsprechen. Abgesehen davon kann ein Prüfling aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ohnehin nicht den Anspruch herleiten, einer in bestimmter Weise zusammengesetzten Gruppe von Prüflingen zugewiesen zu werden. Unabhängig von seinem Kenntnisstand oder anderen persönlichen Merkmalen muss jeder Prüfling gleichermaßen damit rechnen, seine Kenntnisse in einer wie auch immer zusammengesetzten Gruppe von Prüflingen unter Beweis stellen zu müssen. Die vom Bundesverwaltungsgericht in der zitierten Entscheidung angeführte mögliche Ambivalenz der Auswirkungen eines durch Sonderregelungen beeinflussten Prüfungsverlauf ist auch insoweit zu beobachten: Während die Prüfung in einer leistungsschwächeren Gruppe von Kommilitonen für den einen Prüfling belastend erscheinen mag, kann sie sich für einen anderen Prüfling, der aus dieser Gruppe deutlich heraussticht, durchaus als vorteilhaft erweisen. Die Vermutungen des Klägers, er hätte besser abgeschnitten, wenn er mit Kommilitonen der gleichen Wahlfachgruppe bzw. in einer leistungsstärkeren Gruppe von Prüflingen geprüft worden wäre, beruht letztlich auch auf bloßer Spekulation.
2. Gegen die Prüfung im Wahlfach „Internationales Privatrecht“ wendet der Kläger ein, er habe den zur Prüfung gestellten Fall, der ein sog. Klassiker und unter dem Stichwort „Italienische Autohypothek“ bekannt sei, ausführlich und unter Berücksichtigung aller relevanten Gesichtspunkte dargestellt. Für diese Prüfung habe er lediglich 6 Punkte erhalten, ohne dass diese Bewertung näher begründet worden sei. Seine Leistung sei jedoch insoweit mindestens mit „gut“ zu bewerten.
Der Zeuge Prof. Dr. W. hat sich hierzu in einer Stellungnahme vom 09.05.2003 ausführlich geäußert. Er führt zusammenfassend aus, der Kläger habe zwar unter Beweis gestellt, dass ihm das Problem als solches geläufig sei, habe sich jedoch nur eingeschränkt in der Lage gezeigt, auf die konkrete Fragestellung des Falles einzugehen. Wesentliche Probleme des Falles seien nur ansatzweise bzw. nicht angesprochen worden. Die Bewertung als „ausreichend“ sei daher nach Überzeugung des Prüfungsausschusses zutreffend und angemessen gewesen. Diese Äußerung lässt Bewertungsfehler nicht erkennen. Soweit der Kläger der Ansicht ist, seine Leistung sei mindestens mit der Note „gut“ zu bewerten, ist dies lediglich seine eigene subjektive und der Bewertung durch den Prüfungsausschuss zuwiderlaufende Einschätzung.
Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, der Zeuge Prof. Dr. W. hätte das Prüfungsgespräch durch entsprechende Zwischenfragen steuern müssen. Innerhalb des zulässigen Prüfungsstoffes liegt es im gerichtlich nur beschränkt nachprüfbaren Beurteilungsspielraum des Prüfers, die Prüfungsthemen zu bestimmen (Zimmerling/Brehm, Prüfungsrecht, a.a.O., Rn. 248). Eine Verpflichtung des Prüfers, einen Prüfling darauf hinzuweisen, dass seine Ausführungen ergänzungsbedürftig sind, ergibt sich weder aus dem Gebot der Chancengleichheit noch aus dem Fairnessgebot. Unterschiede zum Beispiel in der auf den einzelnen Prüfling entfallenden Prüfungszeit, in der Zahl und im Schwierigkeitsgrad der Fragen und in der Reaktion der Prüfer auf die Antworten der Prüflinge sind unvermeidbar prüfungsimmanent und stellen deshalb noch keine Verletzung des Grundsatzes der Chancengleichheit dar. Eine solche Verletzung setzt vielmehr eine deutliche „Schieflage“ des Prüfungsgesprächs und damit eine Situation voraus, in der insgesamt von einer Vergleichbarkeit der Prüfungsbedingungen nicht mehr die Rede sein kann (Zimmerling/Brehm, Prüfungsrecht, a.a.O., Rn. 249). Auf eine solche Schieflage deutet hier nichts hin.
Schließlich kann der Kläger auch nicht mit Erfolg rügen, das Ergebnis der Wahlfachprüfung sei nicht näher begründet worden. Laut Protokoll der mündlichen Prüfung vom 17.12.2002, das vom Zeugen Prof. Dr. X. als dem Vorsitzenden der Prüfungskommission unterschrieben worden ist, wurde die Bewertung der mündlichen Prüfungsleistungen erläutert. Abgesehen davon wäre eine fehlende Begründung im Rechtsbehelfsverfahren in Form der Stellungnahme des Zeugen Prof. Dr. W. nachgeholt worden. Zumindest dadurch wurde der Zweck der aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG hergeleiteten Begründungspflicht erreicht, den Prüfling in die Lage zu versetzen, zu überprüfen, ob die Prüfer die Richtigkeitsentscheidung zutreffend und bei den sog. prüfungsspezifischen Bewertungen keine aus Sicht eines Fachkundigen willkürliche Entscheidungen getroffen haben (Zimmerling/Brehm, Prüfungsrecht, a.a.O., Rn. 396).
3. Zur Durchführung der mündlichen Prüfung im Pflichtfach Strafrecht trägt der Kläger u. a. vor, der Zeuge Prof. Dr. X. habe bei der Frage nach Verfolgungshindernissen die zutreffende Antwort „Strafunmündigkeit“ als „falsch“ bewertet. Dies habe zu einer erheblichen Verunsicherung des Klägers geführt, die auch den weiteren Verlauf der Prüfung negativ beeinflusst habe.
Die Kammer hält nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die Behauptung des Klägers, der Zeuge Prof. Dr. X. habe seine Antwort als „falsch“ bezeichnet, für erwiesen. Sie stützt dies im Wesentlichen auf die Aussage der Zeugin AA.. Die Zeugin, deren Glaubwürdigkeit für das Gericht außer Zweifel steht, nahm als Zuhörerin an der mündlichen Prüfung des Klägers teil. Sie hat ausgesagt, sie könne sich genau daran erinnern, dass der Zeuge Prof. Dr. X., der im Rahmen der Strafrechts-Prüfung nach Verfolgungshindernissen gefragt habe, auf die Antwort „Strafunmündigkeit“ des Klägers entgegnet habe: „Nein, das ist falsch. Wenn jemand strafunmündig ist, ist er schuldunfähig. Dies ist kein Prozesshindernis“. Die Zeugin hat gegenüber dem Gericht plausibel begründet, warum sie sich an diesen Teil der Prüfung besonders gut erinnert. Sie hat hierzu ausgesagt, die Frage nach den Verfolgungshindernissen habe sie auch in ihren eigenen Prüfungen sowohl im ersten als auch im zweiten juristischen Staatsexamen beschäftigt. Sie habe sich hierzu eine Karteikarte angelegt, auf der sie die Prozesshindernisse verzeichnet gehabt habe. Neben anderen möglichen Antworten habe sie auf der Rückseite dieser Karte auch die Antwort „Strafunmündigkeit“ notiert gehabt. Immer, wenn sie das Wort „Strafunmündigkeit“ lese, erinnere sie sich an die mündliche Prüfung des Klägers, in der der Zeuge Prof. Dr. X. diese Antwort als „falsch“ bewertet habe. Sie sei seinerzeit richtiggehend erschrocken, da sie an der Stelle des Klägers dieselbe Antwort gegeben hätte. Der Inhalt der Aussage erklärt hinreichend, warum sich die Zeugin gerade an diesen Teil einer mehrere Jahre zurückliegenden Prüfungssituation genau erinnern konnte, während sie keine Erinnerung daran hatte, ob der Zeuge Prof. Dr. X. weitere Antworten des Klägers gleichfalls als „falsch“ bezeichnet hat.
Die Zeugin hat keine persönlichen Beziehungen zum Kläger oder seiner Ehefrau, die den Beweiswert ihrer Aussage in Frage stellen könnten. Ihre Aussage ist klar, sicher und glaubhaft. Die Aussagen der Zeugen Prof. Dr. X., Prof. Dr. W. und Rechtsanwalt Y. sind nicht geeignet, die aufgrund der Aussage der Zeugin AA. gewonnene Erkenntnis in Frage zu stellen. Der Zeuge Prof. Dr. X. hat ausgesagt, er könne sich nicht mehr erinnern, ob er die vom Kläger gegebene Antwort als „falsch“ oder „unrichtig“ bewertet habe. Er halte dies jedoch für unwahrscheinlich, weil er als langjährig erfahrener Prüfer solche Äußerungen vermeide. Der Zeuge Prof. Dr. W. konnte sich daran erinnern, dass der Zeuge Prof. Dr. X. auf die Antwort „Strafunmündigkeit“ des Klägers nachgefragt habe und dass es aufgrund der Nachfrage zu Unklarheiten gekommen sei. Er habe sich bei dieser Antwort in seinen Aufzeichnungen ein „(+/-)“ notiert. Nach seiner durch Einsichtnahme in diese Aufzeichnungen rekonstruierten Erinnerung schließe er aus, dass Prof. Dr. X. die Antwort des Klägers als „falsch“ oder „unrichtig“ bezeichnet habe, da er in diesem Fall ein (-)-Zeichen notiert hätte. Der Zeuge Rechtsanwalt Y. hat ausgesagt, er könne sich nicht an Einzelheiten der Prüfung und insbesondere nicht daran erinnern, dass der Zeuge Prof. Dr. X. auf Antworten des Klägers die Formulierung „falsch“ oder „unrichtig“ gewählt habe. Die Aussagen der Prüfer sind insgesamt wenig ergiebig. Dies gilt auch für die Aussage des Zeugen Prof. Dr. W., der ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass er auf seine Aufzeichnungen zurückgreifen musste, um sich den Ablauf der Prüfung wieder in Erinnerung zu rufen. Der Umstand, dass der Zeuge Prof. Dr. W. bei der Antwort „Strafunmündigkeit“ des Klägers das Zeichen „(+/-)“ notiert hat, steht der Möglichkeit, dass der Zeuge Prof. Dr. X. die Antwort des Klägers als falsch bezeichnet hat, nicht zwingend entgegen. Die Aussage lässt dies letztlich offen und ist daher nicht geeignet, die klare, eindeutige und auf konkreter Erinnerung beruhende Aussage der Zeugin AA. in Frage zu stellen.
Indem der Zeuge Prof. Dr. X. die Antwort „Strafunmündigkeit“ des Klägers als falsch bewertet hat, hat er dessen Antwortspielraum missachtet. Der Begriff der Strafunmündigkeit wird in der Literatur als Beispiel für ein Prozesshindernis bezeichnet (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Auflage 2001, Einl. Rn. 145; Tröndle/Fischer, StGB, 52. Auflage 2004, § 19 Rn. 2 wie bereits 50. Auflage 2001). Danach war die Antwort des Klägers vertretbar und hätte vom Prüfer nicht als „falsch“ bezeichnet werden dürfen. Die Bewertung der Leistungen des Klägers in der mündlichen Strafrechts-Prüfung leidet daher unter einem Bewertungsfehler.
Es ist auch nicht auszuschließen, dass sich dieser Bewertungsfehler auf das Ergebnis der Prüfung des Klägers ausgewirkt hat. Es besteht die Möglichkeit, dass die Bewertung der Leistungen in der Strafrechts-Prüfung bereits aufgrund des bloßen Umstands, dass die Antwort als „richtig“ oder „vertretbar“ bewertet worden wäre, besser ausgefallen wäre. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass der Kläger durch die Bewertung seiner (zumindest) vertretbaren Antwort als „falsch“ verunsichert und infolgedessen in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigt worden ist.
Der Kläger ist infolgedessen berechtigt, die mündliche Prüfung im Pflichtfach Strafrecht zu wiederholen. Dagegen scheidet eine bloße Neubewertung dieses Prüfungsteils aus. Eine verlässliche Entscheidungsgrundlage für eine solche Neubewertung existiert nach Ablauf mehrerer Jahre nicht mehr, zumal sich die Prüfer an den Ablauf der Prüfung nur noch unklar erinnern (vgl. zu der Frage, unter welchen Umständen eine Prüfung neu bewertet werden kann bzw. wiederholt werden muss: BVerfG, Beschluss vom 16.01.1995 - 1 BvR 1505/94 -, NVwZ 1995, 469; BVerwG, Urteil vom 19.12.2001 - 6 C 14.01 -, DVBl. 2002, 973; Zimmerling/Brehm, Der Prüfungsprozess, a.a.O., Rn. 291 m. w. N.). Der Kläger ist auch nicht dazu gezwungen, die gesamte mündliche Prüfung zu wiederholen. Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 19.12.2001, a.a.O.), dem die Kammer folgt, hat in einem vergleichbaren Fall ausgeführt, die erneute Prüfung sei so zu gestalten, dass durch den Zeitablauf hervorgerufene Erschwernisse der Prüfung im Interesse des Prüflings im gebotenen Umfang aufgefangen würden und der Prüfling bei der erneuten Prüfung den geringst möglichen Nachteil erleide. Diesem Gesichtspunkt werde in der Regel dadurch entsprochen, dass der Prüfling lediglich denjenigen selbständig zu bewertenden Prüfungsteil erneut abzulegen habe, dem der rechtserhebliche Mangel anhafte.
Auf die Fragen, ob im Verlauf der Strafrechts-Prüfung weitere Antworten des Klägers gleichfalls als „falsch“ bezeichnet worden sind und ob ihm durch den Zeugen Prof. Dr. X. in verfahrensfehlerhafter Weise das Wort abgeschnitten worden ist, kommt es danach nicht mehr an.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 S. 1 VwGO. Die Kostenquote ergibt sich daraus, dass der Kläger Mängel in zwei Fächern der mündlichen Prüfung, deren Gewicht im Examen mit jeweils 10% anzusetzen ist, sowie in der Hausarbeit gerügt hat, deren Gewicht 20 % der Prüfungsgesamtnote beträgt. Da die Klage nur hinsichtlich der mündlichen Prüfung in einem Fach Erfolg hat, werden dem Kläger die Kosten zu 3/4 auferlegt.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.