Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 01.09.2005, Az.: 4 A 10/05

Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch ein Kind ausländischer Eltern mit Geburt im Inland; Beendigung des gewöhnlichen Aufenthaltes des Elternteils durch Widerruf der Asylberechtigung; Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde über den maßgeblichen weiteren Aufenthalt; Zweck der Integration des Kindes in die deutschen Lebensverhältnisse

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
01.09.2005
Aktenzeichen
4 A 10/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 32793
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:2005:0901.4A10.05.0A

Verfahrensgegenstand

Feststellung der Staatsangehörigkeit

Amtlicher Leitsatz

Der Widerruf der Asylberechtigung des Elternteils durch die Asylbehörde beendet noch nicht den gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils i. S. von § 4 III 1 Nr. 1 StAG.

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Nach § 4 Abs. 3 StAG erwirbt ein Kind ausländischer Eltern durch die Geburt im Inland die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und eine Aufenthaltsberechtigung oder seit drei Jahren eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis besitzt.

  2. 2.

    Der Begriff des "gewöhnlichen Aufenthalts" besagt im Wesentlichen dasselbe wie der Begriff "dauernder Aufenthalt". Danach hat ein Ausländer seinen "dauernden Aufenthalt" in Deutschland, wenn er nicht nur vorübergehend, sondern auf unabsehbare Zeit hier lebt, so dass eine Beendigung des Aufenthalts ungewiss ist.

  3. 3.

    Mit der Regelung des § 4 Abs. 3 StAG soll nach den Gesetzesmotiven den hier aufwachsenden Kindern ausländischer Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit frühzeitig zuerkannt werden, um ihre Integration in die deutschen Lebensverhältnisse zu verbessern. Im Vordergrund steht danach nicht die Integration der Eltern, sondern die des Kindes.

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Göttingen - 4. Kammer -
am 1. September 2005
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht I.,
den Richter am Verwaltungsgericht J.,
die Richterin am Verwaltungsgericht K. sowie
die ehrenamtliche Richterin L. und
den ehrenamtlichen Richter M.
ohne mündliche Verhandlung
für Recht erkannt:

Tenor:

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.

Es wird festgestellt, dass die Klägerin mit ihrer am 31. März 2003 in Göttingen erfolgten Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin wurde ausweislich der vorgelegten Geburtsurkunde am 31. März 2003 in Göttingen als Tochter des C. B. und der D. E. geboren. Beide Eltern sind Ausländer. Der Standesbeamte vermerkte auf dem Geburtseintrag, dass das Kind nach § 4 Abs. 3 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat. Die Beklagte stellte der Klägerin am 13. Mai 2004 einen Kinderreisepass aus, in dem ihre Staatsangehörigkeit mit "deutsch" vermerkt ist.

2

Der am ... geborene Vater der Klägerin ist ausweislich des ihm ausgestellten Reisepasses serbisch-montenegrinischer Staatsangehöriger albanischer Volkszugehörigkeit aus dem Kosovo. Er reiste am 1. Februar 1993 in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 28. Juni 1993 seine Anerkennung als Asylberechtigter. Hierauf wurde ihm eine Aufenthaltsgestattung erteilt. Den Asylantrag lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - Bundesamt - mit einem Bescheid vom 15. Juli 1993 ab. Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen vom 21. Juni 1994 wurde die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, den Vater der Klägerin als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass in seinem Fall die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes - AuslG a.F. - vorliegen -. Den hiergegen gerichteten Antrag des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten auf Zulassung der Berufung lehnte das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit einem Beschluss vom 15. August 1994 ab -. Daraufhin erkannte das Bundesamt den Vater der Klägerin mit einem Bescheid vom 13. September 1994 als Asylberechtigten an und stellte das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. fest. Die Beklagte erteilte ihm am 6. Oktober 1994 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, die zunächst im Pass der Mutter (= der Großmutter der Klägerin) und sodann dem Vater der Klägerin am 28. Februar 2000 in einen ihm ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28.7.1951 eingetragen wurde.

3

Mit Verfügung vom 21. Februar 2002 leitete das Bundesamt ein Verfahren auf Widerruf der Asylanerkennung ein, widerrief mit einem Bescheid vom 24. Oktober 2002 die mit Bescheid vom 13. September 1994 erfolgte Asylanerkennung des Vaters der Klägerin sowie die getroffene Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG a.F. und stellte fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG a.F. nicht vorliegen. Die hiergegen vom Vater der Klägerin gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht Göttingen mit einem rechtskräftigen Urteil vom 12. August 2004 ab -. Die Beklagte hatte bereits unter dem 10. Juni 2004 mitgeteilt, dass die dem Vater der Klägerin erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis bei einem unanfechtbaren Widerruf der Asylberechtigung widerrufen werde. Mit einem Bescheid vom 16. August 2005 widerrief die Beklagte sodann die als Niederlassungserlaubnis fortgeltende Aufenthaltserlaubnis des Vaters der Klägerin und drohte ihm die Abschiebung an. Hiergegen hat der Vater der Klägerin am 1. September 2005 Klage erhoben.

4

Mit Schreiben vom 8. Dezember 2004 hörte die Beklagte die Eltern der Klägerin sinngemäß zu einem von ihr von Amts wegen eingeleiteten Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren mit dem Ziel an, festzustellen, dass die Klägerin nicht durch Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat. Daraufhin beantragte die Klägerin mit Schriftsätzen vom 6. und 7. Januar 2005, ihr eine Staatsangehörigkeitsurkunde auszustellen. Mit einem Bescheid vom 19. Januar 2005 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin nicht durch Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat.

5

Mit ihrer am 25. Januar 2005 beim Verwaltungsgericht Göttingen erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass sie deutsche Staatsangehörige ist. Mit Schriftsatz vom 31. Januar 2005 bezieht sie den Bescheid der Beklagten vom 19. Januar 2005 in das Klageverfahren ein. Sie ist der Auffassung, dass der Aufenthalt ihres Vaters die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes erfüllt.

6

Während des Klageverfahrens hob die Beklagte ihren Bescheid vom 19. Januar 2005 mit schriftsätzlicher Erklärung vom 15. März 2005 auf, blieb jedoch in der Sache bei ihrer Rechtsauffassung.

7

Die Klägerin erklärt den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache für erledigt, als er sich auf die Anfechtung des Bescheides der Beklagten vom 19. Januar 2005 bezieht und beantragt im Übrigen

festzustellen, dass sie mit ihrer Geburt am 31. März 2003 die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat.

8

Die Beklagte erklärt den Rechtsstreit ebenfalls insoweit in der Hauptsache für erledigt, als er sich auf die Anfechtung ihres Bescheides vom 19. Januar 2005 bezieht und wendet sich im Übrigengegen das Klagebegehren.

9

Sie ist der Auffassung, dass der Vater der Klägerin zum Zeitpunkt der Geburt der Tochter keinen gewöhnlichen Aufenthalt mehr im Inland hatte, weil zu diesem Zeitpunkt seine Asylberechtigung vom Bundesamt bereits widerrufen war. Auf die erst nach der Geburt der Klägerin eingetretene Bestandskraft des Asylwiderrufs komme es nicht an. Andernfalls könnten Asylwiderrufsverfahren durch die Ausländer "unterlaufen" werden, indem sich diese entschließen, noch ein Kind zu bekommen, aus dessen deutscher Staatsangehörigkeit sie sodann ein eigenes Aufenthaltsrecht ableiten. Dies widerspreche dem Willen des Gesetzgebers.

10

Wegen der übrigen Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorbezeichneten Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die dem Gericht zur Einsichtnahme vorgelegen haben, verwiesen.

Entscheidungsgründe

11

Das Gericht entscheidet gemäß § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.

12

I.

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

13

II.

Im Übrigen ist die Feststellungsklage zulässig (Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl., § 4 StAG Rdnr. 95 und § 40 StAG Rdnr. 14 m.w.N.).

14

Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat durch ihre am 31. März 2003 in Göttingen erfolgte Geburt gemäß § 4 Abs. 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes in der für den Zeitpunkt ihrer Geburt maßgeblichen Fassung vom 21.8.2002 (BGBl. I S. 3322) - StAG - die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Mit dieser am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen Bestimmung (Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15.7.1999, BGBl. I S. 1618) wurde der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach dem weiter geltenden Abstammungsprinzip (ius sanguinis) um Elemente des Geburtsortprinzips (ius soli) ergänzt.

15

Nach § 4 Abs. 3 StAG erwirbt ein Kind ausländischer Eltern durch die Geburt im Inland die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil (hier: der Vater) (1.) seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und (2.) eine Aufenthaltsberechtigung oder seit drei Jahren eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis (jetzt: Niederlassungserlaubnis) besitzt. Die am 31. März 2003 in Göttingen geborene Klägerin erfüllt diese Voraussetzungen.

16

a.

Zum Zeitpunkt der Geburt des Klägers hielt sich ihr Vater seit neun Jahren und neun Monaten rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Er hatte am 28. Juni 1993 erfolgreich seine Anerkennung als Asylberechtigter beantragt. Deshalb begründet nicht erst die von der Beklagten am 6. Oktober 1994 erteilte unbefristete Aufenthalterlaubnis einen rechtmäßigen Aufenthalt, sondern gemäß § 55 Abs. 3 AsylVfG bereits die im Zusammenhang mit der Asylantragstellung zuvor erteilte Aufenthaltsgestattung (Hailbronner/Renner, a.a.O., § 4 StAG Rdnr. 76).

17

b.

Zum Zeitpunkt der Geburt der Klägerin hatte der Vater auch seit mehr als acht Jahren seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Zur Frage des "gewöhnlichen Aufenthalts" im Sinne von § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StAG hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass es auf der Hand liegt, dass der Gesetzgeber damit an die wortgleiche Voraussetzung der Einbürgerungsvorschrift in § 85 Abs. 1 Satz 1 AuslG a.F. und die hierzu ergangene Rechtsprechung angeknüpft hat. Danach besagt der Begriff des "gewöhnlichen Aufenthalts" im Wesentlichen dasselbe wie der Begriff "dauernder Aufenthalt" (BVerwG, Urteil vom 18.11.2004, NVwZ 2005, S. 707 = AuAS 2005, S. 113 = InfAuslR 2005, S. 215; Beschluss vom 25.11.2004, NVwZ 2005, S. 231 = DÖV 2005, S. 430 = AuAS 2005, S. 43 = InfAuslR 2005, S. 63[BVerwG 25.11.2004 - 1 B 24/04]). Danach hat ein Ausländer seinen "dauernden Aufenthalt" in Deutschland, wenn er nicht nur vorübergehend, sondern auf unabsehbare Zeit hier lebt, so dass eine Beendigung des Aufenthalts ungewiss ist. Nicht erforderlich ist, dass der Aufenthalt mit Willen der Ausländerbehörde auf grundsätzlich unbeschränkte Zeit angelegt ist und sich zu einer voraussichtlich dauernden Niederlassung verfestigt hat (BVerwG, Urteil vom 18.11.2004, a.a.O. m.w.N.).

18

Danach hatte der Vater der Klägerin am 31. März 2003 auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Zu diesem Zeitpunkt hatte er seinen Lebensmittelpunkt seit mehr als acht Jahren im Inland (vgl. Hailbronner/Renner, a.a.O., § 4 StAG Rdnr. 75). Zum Zeitpunkt der Geburt der Klägerin war zwar seine Asylberechtigung und die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. vom Bundesamt bereits mit Bescheid vom 24. Oktober 2002 gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG widerrufen worden. Der Widerruf einer Asylberechtigung beendet jedoch noch nicht den gewöhnlichen Aufenthalt des Ausländers, selbst wenn er (später) bestandskräftig wird. Denn über den maßgeblichen weiteren Aufenthalt nach dem Widerruf der Asylberechtigung entscheidet nicht das Bundesamt, sondern die Ausländerbehörde. Deshalb ist es auch unerheblich, dass der Asylwiderruf des Vaters am Tag der Geburt noch nicht bestandskräftig war, weil der vom Vater erhobenen Anfechtungsklage zu diesem Zeitpunkt gemäß § 75 AsylVfG aufschiebende Wirkung zukam. Denn vorliegend war es am 31. März 2003 - dem Tag der Geburt der Klägerin - völlig ungewiss, ob und gegebenenfalls wann es zu einer Beendigung des Aufenthalts ihres Vaters durch die Beklagte kommen würde. Zudem entscheidet die Beklagte über die Aufenthaltsbeendigung gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG nach pflichtgemäßem Ermessen und ohne "Erlöschensautomatik" in Folge des Asylwiderrufs (BVerwG, Urteil vom 20.2.2003, BVerwGE 117, S. 380 = NVwZ 2002, S. 1275 zu § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG a.F.). Einzustellen sind zahlreiche Ermessenserwägungen aufgrund der unterschiedlichen Bleiberechtsregelungen insbesondere bei Familien mit Kindern. Der Widerruf der als Niederlassungserlaubnis fortgeltenden unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG entfaltet lediglich Wirkungen für die Zukunft. Er wird wirksam mit Eintritt der Unanfechtbarkeit oder bei Anordnung der sofortigen Vollziehung (Renner, a.a.O., § 43 AuslG a.F., Rdnr. 4). Vorliegend hat die Beklagte erst nach der Geburt der Klägerin unter dem 10. Juni 2004 erklärt, dass sie die dem Vater der Klägerin erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis widerrufen wolle und dies erst mit Bescheid vom 16. August 2005 unternommen.

19

Für ihre gegenteilige Rechtsauffassung, nach der ein Asylwiderruf den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindesvaters beendet, sobald er vom Bundesamt ausgesprochen ist, kann sich die Beklagte nicht auf die von ihr zitierte Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 14.10.2003 - 5 C 03.2024 - berufen. Dieser liegt ein anderer Sachverhalt zugrunde. In dem vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Sachverhalt betrieb der Ausländer im Wege der Untätigkeitsklage ein Einbürgerungsverfahren, während das Bundesamt seine Asylanerkennung bereits widerrufen hatte. Der Ausländer, der sich in einem weiteren Verfahren auch gegen den Widerruf der Asylanerkennung wandte, machte geltend, dass die aufschiebende Wirkung seiner Anfechtungsklage gegen den bereits erfolgten Asylwiderruf zu seinen Gunsten im Rahmen seiner Untätigkeitsklage mit dem Ziel der Einbürgerung zu berücksichtigen sei. Hier entschied der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, dass die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Asylwiderruf den Ausländer bis zu dem durch § 80 b Abs. 1 VwGO festgelegten Endzeitpunkt z.B. vor einer Abschiebung unter Missachtung des als fortbestehend fingierten Status eines politisch Verfolgten schützt, aber aus sich heraus nicht rechtsbegründend zu wirken vermag (Entscheidungsabdruck S. 5 f.). Vorliegend verhält es sich jedoch grundlegend anders. Die Klägerin verfolgt nicht im Wege der Verpflichtungsklage ihre Einbürgerung, sondern im Wege der Feststellungsklage die Feststellung, dass sie mit der Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes erworben hat. Fragen der rechtgestaltenden Wirkung des Suspensiveffekts einer Anfechtungsklage gegen den Asylwiderruf stellen sich nicht. Vielmehr hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zutreffend darauf hingewiesen, dass der Asylwiderruf überhaupt erst mit Eintritt der Unanfechtbarkeit wirksam wird, wie bereits aus § 73 Abs. 6 AsylVfG folgt. Deshalb ist auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit nach § 87 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AuslG a.F. endgültig erst mit Unanfechtbarkeit des Widerrufsbescheides entfallen (Entscheidungsabdruck S. 5). Selbst auf diesen Zeitpunkt stellt die Kammer jedoch nicht ab, sondern auf den Zeitpunkt der wirksamen Beendigung des Aufenthaltsrechts durch die Beklagte. Zudem geht es vorliegend um Rechte der Klägerin und nicht um Rechte ihres Vaters.

20

Auch der Hinweis der Beklagten auf die Gefahr, dass Asylberechtigte die möglichen Folgen eines Widerrufsverfahrens durch die Geburt eines deutschen Abkömmlings "unterlaufen" können, und dass dieser Gefahr der Wille des Gesetzgebers entgegenstehe, verfängt nicht. Mit der Regelung des § 4 Abs. 3 StAG soll nach den Gesetzesmotiven den hier aufwachsenden Kindern ausländischer Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit frühzeitig zuerkannt werden, um ihre Integration in die deutschen Lebensverhältnisse zu verbessern (BT-Drs. 14/533, S. 14). Im Vordergrund steht danach nicht die Integration der Eltern, sondern die des Kindes. Ist - wie hier - zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes völlig ungewiss, ob der Aufenthalt der Eltern später beendet werden kann, steht auch nach dem Willen des Gesetzgebers das Integrationsbemühen im Vordergrund und nicht dessen Beendigung.

21

c.

Zum Zeitpunkt der Geburt der Klägerin befand sich ihr Vater auch seit mehr als drei Jahren im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, die ihm von der Beklagten am 6. Oktober 1994 erteilt worden ist. Nur vorsorglich ist deshalb auszuführen, dass die Aufenthaltserlaubnis auch in dem Reiseausweis des Vaters der Klägerin seit 28. Februar 2000 und damit ebenfalls mehr als drei Jahre vor der am 31. März 2003 erfolgten Geburt der Klägerin eingetragen war.

22

Nach alledem war der Feststellungsklage stattzugeben.

23

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, den Teil der Kosten, die auf den erledigten Teil des Klageverfahrens entfallen, der Beklagten aufzuerlegen, weil sie den angefochtenen Bescheid vom 19. Januar 2005 aufgehoben hat. Ob damit eine Streitwerterhöhung verbunden ist, wird im Beschlussverfahren entschieden.

24

Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit wegen der Kosten findet ihre Rechtsgrundlage in § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708, 711 ZPO.

25

Gründe, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor.