Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 01.09.2005, Az.: 4 A 12/05
Folgen der Einleitung eines Asylwiderrufsverfahrens gegenüber einem Elternteil für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch ein Kind ausländischer Eltern im Fall der Geburt im Inland; Abhängigkeit des gewöhnlichen Aufenthaltes von dem Willen der Ausländerbehörde; Beendigung des gewöhnlichen Aufenthaltes auf Grund Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde; Fortgeltung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis als Niederlassungserlaubnis; Entfaltung von Rechtswirkungen lediglich für die Zukunft
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 01.09.2005
- Aktenzeichen
- 4 A 12/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 32703
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:2005:0901.4A12.05.0A
Rechtsgrundlagen
- § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 StAG
- § 51 Abs. 1 AuslG a.F.
- § 52 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AufenthG
- § 55 Abs. 3 AsylVfG
- § 73 Abs. 1 S. 3 AsylVfG
- § 73 Abs. 4 S. 2 AsylVfG
- § 73 Abs. 6 AsylVfG
Fundstellen
- AUAS 2005, 258-260
- InfAuslR 2005, 472-474 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Feststellung der Staatsangehörigkeit
Amtlicher Leitsatz
Die Einleitung eines Verfahrens auf Widerruf der Anerkennung des Elternteils als Asylberechtigter beendet noch nicht den gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils i. S. von § 4 III 1 Nr. 1 StAG.
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Göttingen - 4. Kammer -
am 1. September 2005
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht H.,
den Richter am Verwaltungsgericht I.,
die Richterin am Verwaltungsgericht J. und
die ehrenamtlichen Richterin K. und
den ehrenamtlichen Richter L.
ohne mündliche Verhandlung
fürRecht erkannt:
Tenor:
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.
Es wird festgestellt, dass die Klägerin mit ihrer am 12. August 2001 in Göttingen erfolgten Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin wurde ausweislich der vorgelegten Geburtsurkunde am 12. August 2001 in Göttingen als Tochter des C. B. und seiner Ehefrau D. B. geboren. Beide Eltern sind Ausländer. Der Standesbeamte vermerkte auf dem Geburtseintrag:
"Das Kind hat nach § 4 Abs. 3 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit erworben."
Die Beklagte erteilte der Klägerin am 25. Oktober 2001 einen bis zum 11. August 2011 gültigen Kinderausweis Nr. ..., in dem ihre Staatsangehörigkeit mit "deutsch" vermerkt ist.
Der am ... geborene Vater der Klägerin ist serbisch-montenegrinischer Staatsangehöriger albanischer Volkszugehörigkeit aus dem Kosovo. Er reiste am 20./22. Juli 1992 in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 28. Juni 1993 seine Anerkennung als Asylberechtigter. Hierauf wurde ihm eine Aufenthaltsgestattung erteilt. Den Asylantrag lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - Bundesamt - mit einem Bescheid vom 8. Juli 1993 ab. Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen vom 22. Juni 1994 wurde die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, den Vater der Klägerin als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass in seinem Fall die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes - AuslG a.F. - vorliegen -. Den hiergegen gerichteten Antrag des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten auf Zulassung der Berufung lehnte das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit einem Beschluss vom 15. August 1994 ab -. Daraufhin erkannte das Bundesamt den Vater der Klägerin mit einem Bescheid vom 13. September 1994 als Asylberechtigten an und stellte das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. fest. Die Beklagte erteilte ihm am 6. Oktober 1994 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.
Mit Verfügung vom 21. Dezember 1999 leitete das Bundesamt ein Verfahren auf Widerruf der Asylanerkennung ein und widerrief mit einem Bescheid vom 17. Januar 2002 die mit Bescheid vom 13. September 1994 erfolgte Asylanerkennung des Vaters der Klägerin sowie die getroffene Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG a.F. Die hiergegen vom Vater der Klägerin gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht Göttingen mit einem rechtskräftigen Urteil vom 1. September 2004 ab -. Mit einem Bescheid vom 17. Juni 2005 widerrief die Beklagte auch die dem Vater der Klägerin am 6. Oktober 1994 erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis, die seit 1. Januar 2005 als Niederlassungserlaubnis fortgilt, forderte ihn zur Ausreise auf und drohte ihm die Abschiebung nach Serbien und Montenegro an. Über seine hiergegen gerichtete Anfechtungsklage ist noch nicht entschieden.
Mit Schreiben vom 17. November 2004 hörte die Beklagte die Vertreter der Klägerin sinngemäß zu einem von ihr von Amts wegen eingeleiteten Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren mit dem Ziel an, festzustellen, dass die Klägerin nicht - wie von der Beklagten ursprünglich angenommen - durch Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat, sondern vielmehr ausschließlich serbisch-montenegrinische Staatsangehörige sei. Daraufhin beantragte die Klägerin mit Schriftsatz vom 6. Januar 2005, ihr eine Staatsangehörigkeitsurkunde auszustellen. Mit einem Bescheid vom 19. Januar 2005 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin nicht durch Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat.
Mit ihrer am 25. Januar 2005 beim Verwaltungsgericht Göttingen erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass sie deutsche Staatsangehörige ist. Mit Schriftsatz vom 31. Januar 2005 bezieht sie den Bescheid der Beklagten vom 19. Januar 2005 in das Klageverfahren ein. Sie ist der Auffassung, dass der Aufenthalt ihres Vaters die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes erfüllt, wie vom Standesbeamten vermerkt und ursprünglich auch von der Beklagten angenommen.
Während des Klageverfahrens hob die Beklagte ihren Bescheid vom 19. Januar 2005 mit schriftsätzlicher Erklärung vom 15. März 2005 auf, blieb jedoch in der Sache bei ihrer Rechtsauffassung.
Die Klägerin erklärt
den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache für erledigt, als er sich auf die Anfechtung des Bescheides der Beklagten vom 19. Januar 2005 bezieht und
beantragt im Übrigen
festzustellen, dass sie mit ihrer Geburt am 12. August 2001 die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat.
Die Beklagte erklärt
den Rechtsstreit ebenfalls insoweit in der Hauptsache für erledigt, als er sich auf die Anfechtung ihres Bescheides vom 19. Januar 2005 bezieht,
beantragt im Übrigen
das Verfahren gemäß § 94 VwGO auszusetzen und wendet sich
hilfsweise
gegen das Klagebegehren.
Hinsichtlich des Aussetzungsantrages verweist die Beklagte auf ein schwebendes Asylwiderrufsverfahren der Eltern. In der Sache ist sie der Auffassung, dass der Vater der Klägerin zum Zeitpunkt ihrer Geburt nicht seit acht Jahren seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte, weil zu diesem Zeitpunkt bereits ein Verfahren auf Widerruf seiner Asylberechtigung eingeleitet war. Auf den erst nach der Geburt erfolgten Widerruf seiner Asylberechtigung und den erst noch später erfolgten Widerruf seiner unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, die seit 1. Januar 2005 als Niederlassungserlaubnis fortgilt, komme es nicht an. Andernfalls könnten Asylwiderrufsverfahren durch die Ausländer "unterlaufen" werden, indem sich diese entschließen, noch ein Kind zu bekommen, aus dessen deutscher Staatsangehörigkeit sie sodann ein eigenes Aufenthaltsrecht ableiten. Dies widerspreche dem Willen des Gesetzgebers.
Mit einem Anhörungsschreiben vom 12. Juli 2005 hat die Beklagte ihre Absicht angekündigt, die Klägerin auszuweisen. Dies hat sie mit Schriftsatz vom 21. Juli 2005 dahingehend berichtigt, dass sie die Klägerin zur freiwilligen Ausreise auffordern will.
Wegen der übrigen Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorbezeichneten Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die dem Gericht zur Einsichtnahme vorgelegen haben, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht entscheidet gemäß § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
I.
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
II.
1.
Der Antrag der Beklagten, das Verfahren gemäß § 94 VwGO auszusetzen, ist abzulehnen. Die Ablehnung kann im Rahmen der Entscheidung zur Hauptsache erfolgen (Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 94 Rdnr. 6 m.w.N.). Der Antrag entbehrt der Grundlage, weil das Asylwiderrufsverfahren des hier allein maßgeblichen Vaters der Klägerin bereits rechtskräftig abgeschlossen ist.
2.
Im Übrigen ist die Feststellungsklage zulässig (Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl., § 4 StAG Rdnr. 95 und § 40 StAG Rdnr. 14 m.w.N.). Im Hinblick auf den Schriftsatz der Beklagten vom 21. Juli 2005, in dem angekündigt wird, die Klägerin zur freiwilligen Ausreise aufzufordern, hat diese ein besonderes Interesse an der gerichtlichen Feststellung, zumal sie sich im Besitz eines deutschen Kinderausweises befindet.
Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat durch ihre am 12. August 2001 in Göttingen erfolgte Geburt gemäß § 4 Abs. 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes in der für den Zeitpunkt ihrer Geburt maßgeblichen Fassung vom 16.2.2001 (BGBl. I S. 266) - StAG - die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Der vom Standesbeamten in dem Geburtseintrag angebrachte Vermerk ist zutreffend. Mit dieser am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen Bestimmung (Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15.7.1999, BGBl. I S. 1618) wurde der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach dem weiter geltenden Abstammungsprinzip (ius sanguinis) um Elemente des Geburtsortprinzips (ius soli) ergänzt.
Nach § 4 Abs. 3 StAG erwirbt ein Kind ausländischer Eltern durch die Geburt im Inland die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil (hier: der Vater) (1.) seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und (2.) eine Aufenthaltsberechtigung oder seit drei Jahren eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis (jetzt: Niederlassungserlaubnis) besitzt. Die am 12. August 2001 in Göttingen geborene Klägerin erfüllt diese Voraussetzungen.
a.
Zum Zeitpunkt der Geburt der Klägerin hielt sich ihr Vater seit acht Jahren und 1 1/2 Monaten rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Er hatte am 28. Juni 1993 erfolgreich seine Anerkennung als Asylberechtigter beantragt. Deshalb begründet nicht erst die von der Beklagten am 6. Oktober 1994 erteilte unbefristete Aufenthalterlaubnis einen rechtmäßigen Aufenthalt, sondern gemäß § 55 Abs. 3 AsylVfG bereits die im Zusammenhang mit der Asylantragstellung zuvor erteilte Aufenthaltsgestattung (Hailbronner/Renner, a.a.O., § 4 StAG Rdnr. 76).
b.
Zum Zeitpunkt der Geburt der Klägerin hatte der Vater auch seit mehr als acht Jahren seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Zur Frage des "gewöhnlichen Aufenthalts" im Sinne von § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StAG hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass es auf der Hand liegt, dass der Gesetzgeber damit an die wortgleiche Voraussetzung der Einbürgerungsvorschrift in § 85 Abs. 1 Satz 1 AuslG a.F. und die hierzu ergangene Rechtsprechung angeknüpft hat. Danach besagt der Begriff des "gewöhnlichen Aufenthalts" im Wesentlichen dasselbe wie der Begriff "dauernder Aufenthalt" (BVerwG, Urteil vom 18.11.2004, NVwZ 2005, S. 707 = AuAS 2005, S. 113 = InfAuslR 2005, S. 215; Beschluss vom 25.11.2004, NVwZ 2005, S. 231 = DÖV 2005, S. 430 = AuAS 2005, S. 43 = InfAuslR 2005, S. 63[BVerwG 25.11.2004 - 1 B 24/04]). Danach hat ein Ausländer seinen "dauernden Aufenthalt" in Deutschland, wenn er nicht nur vorübergehend, sondern auf unabsehbare Zeit hier lebt, sodass eine Beendigung des Aufenthalts ungewiss ist. Nicht erforderlich ist, dass der Aufenthalt mit Willen der Ausländerbehörde auf grundsätzlich unbeschränkte Zeit angelegt ist und sich zu einer voraussichtlich dauernden Niederlassung verfestigt hat (BVerwG, Urteil vom 18.11.2004, a.a.O. m.w.N.).
Danach hatte der Vater der Klägerin am 12. August 2001 auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Zu diesem Zeitpunkt hatte er seinen Lebensmittelpunkt seit mehr als acht Jahren im Inland (vgl. Hailbronner/Renner, a.a.O., § 4 StAG Rdnr. 75). Zum Zeitpunkt der Geburt der Klägerin waren weder seine Asylberechtigung noch seine unbefristete Aufenthaltserlaubnis widerrufen. Lediglich war am 21. Dezember 1999 vom Bundesamt das Verfahren auf Widerruf seiner Asylberechtigung gemäß § 73 Abs. 4 Satz 2 AsylVfG eingeleitet worden. Die Einleitung eines Asylwiderrufsverfahrens beseitigt oder unterbricht jedoch noch nicht den gewöhnlichen Aufenthalt des Ausländers. Vielmehr ist zu diesem Zeitpunkt völlig ungewiss, ob es zu einem Widerruf der Asylberechtigung kommt. Denn gemäß § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG ist von einem Widerruf abzusehen, wenn sich der Ausländer auf zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen kann, um die Rückkehr in den Staat abzulehnen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Zudem wirkt der Asylwiderruf lediglich ex nunc (Renner, AuslR, 7. Aufl., § 73 AsylVfG Rdnr. 26) und wird erst mit Eintritt der Unanfechtbarkeit wirksam, wie aus § 73 Abs. 6 AsylVfG folgt. Dessen ungeachtet ist für die Beendigung des gewöhnlichen Aufenthalts selbst ein bestandskräftiger Asylwiderruf ohne Bedeutung. Denn über den maßgeblichen weiteren Aufenthalt nach dem Widerruf der Asylberechtigung entscheidet nicht das Bundesamt, sondern die Ausländerbehörde. Vorliegend war es am 12. August 2001 - dem Tag der Geburt der Klägerin - völlig ungewiss, ob und gegebenenfalls wann es zu einer Beendigung des Aufenthalts ihres Vaters durch die Beklagte kommen würde. Zudem entscheidet die Beklagte über die Aufenthaltsbeendigung gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG nach pflichtgemäßem Ermessen und ohne "Erlöschensautomatik" in Folge des Asylwiderrufs (BVerwG, Urteil vom 20.2.2003, BVerwGE 117, S. 380 = NVwZ 2002, S. 1275 zu § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG a.F.). Einzustellen sind zahlreiche Ermessenserwägungen aufgrund der unterschiedlichen Bleiberechtsregelungen insbesondere bei Familien mit Kindern. Auch der Widerruf der als Niederlassungserlaubnis fortgeltenden unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG entfaltet lediglich Wirkungen für die Zukunft. Er wird wirksam mit Eintritt der Unanfechtbarkeit oder bei Anordnung der sofortigen Vollziehung (Renner, a.a.O., § 43 AuslG a.F., Rdnr. 4). Letzteres ist selbst bis zur Entscheidung der Kammer im vorliegenden Verfahren nicht der Fall.
Für ihre gegenteilige Rechtsauffassung, nach der bereits die Einleitung eines Asylwiderrufsverfahrens den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindesvaters beendet bzw. unterbricht und diesen vorliegend auf sechs Jahre und knapp sechs Monate verkürzen würde, kann sich die Beklagte nicht auf die von ihr zitierte Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 14.10.2003 - 5 C 03.2024 - berufen. Dieser liegt ein anderer Sachverhalt zu Grunde. In dem vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Sachverhalt betrieb der Ausländer im Wege der Untätigkeitsklage ein Einbürgerungsverfahren, während das Bundesamt seine Asylanerkennung bereits durch Verwaltungsakt widerrufen hatte. Der Ausländer, der sich in einem weiteren Verfahren auch gegen den Widerruf der Asylanerkennung wandte, machte geltend, dass die aufschiebende Wirkung seiner Anfechtungsklage gegen den bereits erfolgten Asylwiderruf zu seinen Gunsten im Rahmen seiner Untätigkeitsklage mit dem Ziel der Einbürgerung zu berücksichtigen sei. Hier entschied der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, dass die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Asylwiderruf den Ausländer bis zu dem durch § 80 b Abs. 1 VwGO festgelegten Endzeitpunkt z.B. vor einer Abschiebung unter Missachtung des als fortbestehend fingierten Status eines politisch Verfolgten schützt, aber aus sich heraus nicht rechtsbegründend zu wirken vermag (Entscheidungsabdruck S. 5 f.). Vorliegend verhält es sich jedoch grundlegend anders. Zum Zeitpunkt der Geburt der Klägerin war die Asylberechtigung ihres Vaters vom Bundesamt noch nicht widerrufen, sondern das Verwaltungsverfahren lediglich eingeleitet. Zum anderen macht die Klägerin keinen Anspruch auf Einbürgerung geltend, sondern will lediglich den kraft Gesetzes erfolgten Erwerb ihrer deutschen Staatsangehörigkeit festgestellt wissen. Schließlich geht es vorliegend auch um ihre Rechte und nicht um Rechte ihres Vaters.
Auch der Hinweis der Beklagten auf die Gefahr, dass Asylberechtigte die möglichen Folgen eines Widerrufsverfahrens durch die Geburt eines deutschen Abkömmlings "unterlaufen" können, und dass dieser Gefahr der Wille des Gesetzgebers entgegenstehe, verfängt nicht. Mit der Regelung des § 4 Abs. 3 StAG soll nach den Gesetzesmotiven den hier aufwachsenden Kindern ausländischer Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit frühzeitig zuerkannt werden, um ihre Integration in die deutschen Lebensverhältnisse zu verbessern (BT-Drs. 14/533, S. 14). Im Vordergrund steht danach nicht die Integration der Eltern, sondern die des Kindes. Ist - wie hier - zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes völlig ungewiss, ob die Asylberechtigung des Vaters widerrufen und bejahendenfalls der Aufenthalt der Eltern später beendet werden kann, steht auch nach dem Willen des Gesetzgebers das Integrationsbemühen im Vordergrund und nicht dessen Beendigung.
c.
Zum Zeitpunkt der Geburt der Klägerin befand sich der Vater der Klägerin auch seit mehr als drei Jahren im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, die ihm von der Beklagten am 6. Oktober 1994 erteilt worden ist.
Nach alledem war der Feststellungsklage stattzugeben.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, den Teil der Kosten, die auf den erledigten Teil des Klageverfahrens entfallen, der Beklagten aufzuerlegen, weil sie den angefochtenen Bescheid vom 19. Januar 2005 aufgehoben hat. Ob damit eine Streitwerterhöhung verbunden ist, wird im Beschlussverfahren entschieden.
Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit wegen der Kosten findet ihre Rechtsgrundlage in § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708, 711 ZPO.
Gründe, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor.