Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 14.07.2011, Az.: 12 A 1614/10

Abwägungsgebot; Ausschlusswirkung; Flächennutzungsplan; Konzentrationszone; Rotmilan; vorläufiges positives Gesamturteil; Vorranggebiet; Windenergie

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
14.07.2011
Aktenzeichen
12 A 1614/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 45122
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 14.09.2009 und ihres Widerspruchsbescheides vom 14.04.2010 verpflichtet, der Klägerin einen immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid zur planungsrechtlichen Zulässigkeit der Errichtung einer Windenergieanlage vom Typ ENERCON E-82 mit einer Nabenhöhe von 108,38 m und einer Nennleistung von 2.000 kW auf dem Flurstück 18/7, Flur 7, Gemarkung D. (RW: 3529804, HW: 5775068) unter Ausklammerung der natur- und artenschutzrechtlichen Aspekte zu erteilen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids zur planungsrechtlichen Zulässigkeit der Errichtung einer Windenergieanlage.

Unter dem 25.06.2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids bezüglich der planungsrechtlichen Zulässigkeit der Errichtung einer Windenergieanlage vom Typ ENERCON E-82 mit einer Nennleistung von 2.000 kW auf dem Flurstück 18/7, Flur 7, Gemarkung D. (RW: 3529804, HW: 5775068). Die geplante Anlage soll eine Nabenhöhe von 108,38 m, eine Gesamthöhe von 149,38 m sowie einen Rotordurchmesser von 82 m aufweisen. In die Erläuterung nahm sie den Hinweis auf, dass sich der Antrag auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Anlage beziehe und weitergehende baurechtliche sowie immissionsschutzrechtliche Prüfungen nicht durchgeführt werden sollten. Neben den entsprechenden Formblättern, der Beschreibung der Anlage und der Bezeichnung des Standortes waren dem Antrag keine weiteren Unterlagen beigefügt.

Das Regionale Raumordnungsprogramm 2001 des Landkreises E. (RROP 2001) legt für den geplanten Anlagenstandort ein Vorsorgegebiet für Landwirtschaft sowie an anderer Stelle verschiedene Vorranggebiete für Windenergiegewinnung fest. Der Anlagenstandort liegt außerhalb eines solchen Vorranggebietes.

Im Flächennutzungsplan der Beklagten wird seit dessen 63. Änderung, in Kraft seit dem 31.03.1999, ein Vorranggebiet als Konzentrationsfläche für Windenergieanlagen dargestellt. Die Nabenhöhe der Anlagen innerhalb der Konzentrationsfläche wird seit der 63/1. Änderung des Flächennutzungsplans, in Kraft seit dem 13.09.2004, auf 85 m begrenzt. Die geplante Anlage soll ca. 180 m nördlich der Konzentrationsfläche errichtet werden.

Mit Bescheid vom 14.09.2009, zugestellt am 16.09.2009, stellte die Beklagte fest, dass die Errichtung der Windenergieanlage an dem geplanten Standort planungsrechtlich unzulässig sei. Die Anlage liege außerhalb der Konzentrationsfläche und überschreite die dargestellte Nabenhöhe von 85 m. Überdies habe der Verwaltungsausschuss am 04.03.2009 beschlossen, den Flächennutzungsplan mit dem Ziel der Ausweisung neuer Konzentrationsflächen zur Windenergienutzung zu ändern.

Unter dem 14.10.2009 legte die Klägerin Widerspruch ein. Der Flächennutzungsplan sei unwirksam, weil er eine lediglich 7,3 ha große Fläche als Konzentrationsfläche für Windenergieanlagen darstelle, die keine substanzielle Windenergienutzung zulasse. Es handele sich gerade auch vor dem Hintergrund der Höhenbegrenzung um eine unwirksame Feigenblattplanung. An der planungsrechtlichen Zulässigkeit der Anlage ändere die in Aussicht genommene Änderung des Flächennutzungsplanes nichts.

Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.04.2010 zurück. Zur Begründung verwies sie im Wesentlichen auf die geplante Änderung ihres Flächennutzungsplans.

Bereits am 26.03.2010 hatte die Klägerin Untätigkeitsklage erhoben. Sie stellt klar, dass sich der beantragte immissionsschutzrechtliche Vorbescheid auf die planungsrechtliche Zulässigkeit der Windenergieanlage unter Ausklammerung naturschutzrechtlicher Aspekte beschränken soll. Zur Begründung trägt sie ergänzend vor, die geringe Größe der Fläche von 7,3 ha, dies seien 0,71 ‰ des Stadtgebietes der Beklagten von 10.230 ha, schaffe für die Windenergienutzung nicht substanziell Raum. Die dem Flächennutzungsplan zugrunde liegende Abwägung sei fehlerhaft, weil inhaltlich nicht begründbar sei, warum gerade die dargestellte Fläche unter drei verschiedenen im Aufstellungsverfahren von Seiten des Gutachterbüros F. vorgeschlagenen Potenzialflächen ausgewählt worden sei. Insbesondere der Ausschluss der Fläche östlich von G. sei vor dem Hintergrund der Darstellungen in dem Erläuterungsbericht nicht nachvollziehbar. Dort werde der Ausschluss mit Belangen des Natur- und Landschaftsschutzes sowie der Landwirtschaft aufgrund der guten Bodenqualität begründet, während zuvor stets von einer hohen landschaftlichen Vorbelastung durch Freileitungen, Bodenabbau und Deponien ausgegangen worden sei. Es sei auch nicht erkennbar, inwieweit die gute Bodenqualität einer Darstellung als Konzentrationsfläche entgegenstehen könne. Auf die artenschutzrechtlichen Bedenken komme es in diesem Verfahren nicht an, weil alle entsprechenden Fragen nicht Gegenstand des Antrags seien. Jedenfalls unter Aufnahme artenschutzrechtlicher Nebenbestimmungen sei das Vorhaben genehmigungsfähig, sodass der Errichtung und dem Betrieb der Anlage keine von vornherein unüberwindlichen Hindernisse entgegenstünden. Von artenschutzrechtlichen Hindernissen aufgrund eines vermeintlichen Rotmilanvorkommens sei ausweislich der Stellungnahmen des Ingenieurbüros für Umweltplanung H. vom 01.03.2011 und vom 26.04.2011 im Übrigen nicht auszugehen. Die Beklagte mache schon nicht deutlich, welcher artenschutzrechtliche Verbotstatbestand einschlägig sein solle. Die Horstnutzung im Jahr 2010 sei unbelegt. Im Jahr 2011 habe keine Horstnutzung stattgefunden, sodass der Anlagenstandort schon nicht innerhalb des 1.000 m-Radius um einen Brutplatz des Rotmilans liege. Im Gegenteil biete sich der in Aussicht genommene Standort aufgrund der Vorbelastung durch eine Bundesstraße, eine Bahntrasse sowie die Mülldeponie für die Windenergienutzung besonders an. Von einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko durch die Windenergieanlage sei für den Rotmilan auch dann nicht auszugehen, wenn die Horste nach wie vor genutzt würden. Die Anzahl der jährlich durch Windenergieanlagen getöteten Rotmilane sei so gering, dass sie für die Populationsrate nicht erheblich ins Gewicht falle. Starre Abstandskriterien entbehrten insofern einer tragfähigen wissenschaftlichen Grundlage. Entscheidend für die Nutzung eines Raums durch den Rotmilan sei vielmehr dessen besondere Eignung als Nahrungs- und Jagdhabitat. Der Rotmilan benötige insoweit offene Flächen oder Brachen. Die Kollisionsgefahr, die sich bei Transferflügen zwischen den Horsten und der Kompostdeponie ergebe, sei nicht größer als das allgemeine Lebensrisiko und erhöhe sich aufgrund der Vorbelastungen des Raumes insgesamt nicht signifikant. Beobachtungen des Büros H. hätten gezeigt, dass der Rotmilan den Bereich um den Anlagenstandort eher unterdurchschnittlich nutze. Irrelevant sei schließlich die geplante Änderung des Flächennutzungsplans der Beklagten; diese habe das Entwurfsstadium noch nicht verlassen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Vorbescheids vom 14.09.2009 sowie des Widerspruchsbescheids vom 14.04.2010 zu verpflichten, der Klägerin einen positiven immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid gemäß § 9 BImSchG hinsichtlich der Errichtung und des Betriebs einer Windenergieanlage (WEA) vom Typ Enercon E-82 mit einer Nabenhöhe von 108,38 m und einer Nennleistung von 2 MW im Bereich der I., Gemarkung J., Flur 7, Flurstück 18/7, zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt ergänzend vor, der geltende Flächennutzungsplan beruhe auf einer Analyse des gesamten Stadtgebietes durch das Gutachterbüro F.. Der Gutachter habe drei Flächen vorgeschlagen, von denen die Beklagte die dargestellte Konzentrationsfläche ausgewählt habe. Eine weitere Fläche im Bereich K. sei aufgrund des möglichen Konflikts mit einer Erdfunkstelle sowie aufgrund des vom Innenministerium des Landes Niedersachsen empfohlenen Mindestabstands von 5 km zu einem Nachbarstandort ausgeschieden worden. Hinsichtlich der Fläche östlich von G. seien die Belange von Natur und Landschaft neu gewichtet worden; zudem sei die Erschließung der Fläche nicht gesichert gewesen. Die geringe Größe der Fläche stehe der Wirksamkeit der Darstellung nicht entgegen. Ein durch bewaldete Höhenzüge einerseits und durch das L. andererseits geprägter Landschaftsraum wie das M. Stadtgebiet sei für die Windenergienutzung grundsätzlich weniger geeignet. Aufgrund nicht ausreichender Windhöffigkeit und des Erfordernisses eines Mindestabstands zu den Siedlungen kämen nur wenige Flächen überhaupt in Betracht. Das zwinge aber nicht dazu, alle Potenzialflächen gleichermaßen als Konzentrationsflächen darzustellen. Schließlich sei die dargestellte Konzentrationsfläche bis heute unbesetzt. Die Beklagte könne weitere Flächen ausweisen, wenn das bestehende Gebiet ausgenutzt sei. Dem begehrten Vorbescheid stünden ausweislich des artenschutzrechtlichen Fachbeitrags des Büros F. aus dem März 2010 sowie der ergänzenden Stellungnahme des Büros vom 24.06.2011 - jedenfalls im Hinblick auf die erforderliche positive Gesamtbewertung - artenschutzrechtliche Belange entgegen. Der Vorhabenstandort liege - ebenso wie nahezu die gesamte Konzentrationsfläche - weniger als 1.000 m von zwei zumindest in den Jahren 2008 und 2010 besetzten Horsten des Rotmilans entfernt. Auch wenn die Horste im Jahr 2011 unbesetzt gewesen seien, rechtfertige dies aufgrund der Standorttreue des Rotmilans nicht den Schluss, dass der Rotmilan den Standort aufgegeben habe. Vielmehr sei das N. aufgrund seiner Landschaftsstruktur und des reichhaltigen Nahrungsangebots als günstiger Lebensraum für den Rotmilan anzusehen. Nach den Abstandsempfehlungen der Landesarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarte und des Niedersächsischen Landkreistages sei in der Regel ein Bereich von etwa 1.000 m um einen Horst als Tabuzone für Windenergieanlagen zu bewerten. Dieses Kriterium sei der Abwägung nicht zugänglich. Überdies befinde sich der geplante Standort zwischen den Horsten und standortstabilen Nahrungshabitaten wie der Bundesstraße O. der Bahntrasse P. sowie einer Deponie des Landkreises E.. Deshalb sei von Flugbeziehungen von Rotmilanen aus dem N. nach Osten in Richtung der Deponie auszugehen. Dabei sei die besondere Verantwortung Niedersachsens für den Gesamtbestand des Rotmilans in Europa zu berücksichtigen. Die Neufassung des Flächennutzungsplanes befinde sich noch im Entwurfsstadium; eine erneute öffentliche Auslegung solle in Kürze erfolgen.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung des begehrten immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids gemäß § 9 Abs. 1 BImSchG zur planungsrechtlichen Zulässigkeit der Errichtung einer Windenergieanlage unter Ausklammerung der natur- und artenschutzrechtlichen Fragen. Planungsrecht steht der Errichtung der Anlage insoweit nicht entgegen.

Der vorgesehene Anlagenstandort liegt im Außenbereich der Beklagten, sodass sich die planungsrechtliche Zulässigkeit nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB richtet. Danach ist ein Vorhaben, dass der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wind- oder Wasserenergie dient, nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen und die ausreichende Erschließung gesichert ist. Diese Voraussetzungen liegen vor.

Gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB stehen öffentliche Belange einem Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB in der Regel entgegen, soweit hierfür als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist. Das ist nicht der Fall. Zwar dürfte es sich bei der geplanten Anlage bereits aufgrund ihrer Gesamthöhe von nahezu 150 m um ein raumbedeutsames Vorhaben (vgl. § 3 Nr. 6 ROG) handeln (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 28.05.2008 - 12 LB 64/07, juris). Das Regionale Raumordnungsprogramm 2001 des Landkreises E. (RROP 2001) legt auch an anderer Stelle als dem geplanten Anlagenstandort Vorrangstandorte für die Windenergiegewinnung fest. Diese Vorrangstandorte gemäß § 7 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 ROG 1998 (Raumordnungsgesetz i.d.F. vom 18.08.1997, BGBl. I, S. 2081) entfalten jedoch keine Wirkung dahingehend, dass sie die Zulässigkeit von Windenergieanlagen an anderer Stelle ausschließen. Denn es handelt sich weder um Eignungsgebiete gemäß § 7 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 ROG 1998, denen unmittelbar kraft Gesetzes Ausschlusswirkung zukommt, noch hat der Plangeber gemäß § 7 Abs. 7 Satz 2 ROG 1998 vorgesehen, dass die Vorranggebiete zugleich die Wirkung von Eignungsgebieten haben. Das RROP 2001 zitiert lediglich den Hinweis im Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen von 1994, Teil I, (Gesetz v. 02.03.1994, Nds. GVBl. S. 130), die Festlegung von Vorrangstandorten für Windenergienutzung könne mit dem Ausschluss dieser Nutzung an anderer Stelle im Planungsraum verbunden werden (C 3.5 05, S. 36). Es verzichtet aber darauf, diese Ausschlusswirkung für die festgelegten Vorranggebiete tatsächlich vorzusehen (vgl. VG Hannover, Urt. v. 21.05.2008 - 12 A 1099/07, V.n.b.).

Gemäß § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB dürfen raumbedeutsame Vorhaben ferner den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen. Für den in Aussicht genommenen Standort legt das RROP 2001 ein Vorsorgegebiet für Landwirtschaft fest. Nach dem Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen 1994, Teil I, auf dem das RROP 2001 aufbaut, sind in diesen Gebieten alle raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen so abzustimmen, dass diese Gebiete in ihrer Eignung und besonderen Bedeutung nicht beeinträchtigt werden. Bei der Abwägung konkurrierender Nutzungsansprüche ist der festgelegten besonderen Zweckbestimmung ein hoher Stellenwert beizumessen; im Einzelfall ist jedoch eine abweichende Entscheidung möglich (B 9 02, S. 20). Angesichts dieser offenen Formulierung, die eine weitere Abwägung mit gegenläufigen Belangen ausdrücklich erlaubt, hat die Kammer bereits Zweifel, ob es sich bei der Festlegung von Vorsorgegebieten überhaupt um Ziele der Raumordnung gemäß § 3 Nr. 2 ROG 1998 handelt (vgl. auch OVG Lüneburg, Urt. v. 30.08.1995 - 1 L 894/94, juris). Ziele der Raumordnung sind nämlich nur verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, vom Träger der Landes- oder Regionalplanung abschließend abgewogenen textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums. Selbst wenn aber der Ausweisung eines Vorsorgegebietes für Landwirtschaft Zielcharakter beizumessen wäre, läge in der Errichtung der Windenergieanlage kein Widerspruch zu diesem Ziel. Windenergieanlagen hindern - von der Versiegelung der Grundfläche der Anlage abgesehen - die Landwirtschaft nicht. Die landwirtschaftliche Nutzung der Fläche um den Standort herum ist weiter möglich. Zudem erhält der Landwirt als Grundeigentümer ein - unter marktwirtschaftlichen Gegebenheiten den Flächenertrag typischerweise übersteigendes - Entgelt dafür, dass er seine Fläche für die Errichtung der Anlage zur Verfügung stellt, was seine wirtschaftliche Situation verbessert. Nach alledem besteht deshalb zwischen landwirtschaftlicher Nutzung und Windenergie keine Konfliktlage (vgl. in anderem Zusammenhang auch OVG Lüneburg, Urt. v. 28.01.2010 - 12 LB 243/07, juris).

Der Errichtung der Anlage steht auch nicht der im Erläuterungsteil des RROP 2001 zu findende Wunsch nach einer Begrenzung der Nabenhöhe von Windenergieanlagen auf 85 m entgegen. Bereits nach der Formulierung, dass "die Nabenhöhe der Anlagen auf 85 m begrenzt werden soll" handelt es sich insoweit nicht um eine verbindliche Vorgabe i.S. von § 3 Nr. 2 ROG 1998 (vgl. E 3.5 05, S. 90).

Der Errichtung der Anlage stehen öffentliche Belange auch nicht deshalb entgegen, weil die Beklagte in ihrem Flächennutzungsplan an anderer Stelle eine Fläche für Windenergieanlagen als Konzentrationsfläche dargestellt hat (§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB). Die 63. Änderung des Flächennutzungsplans mit der Darstellung der Konzentrationsfläche verstößt gegen das Abwägungsgebot gemäß § 1 Abs. 6 BauGB 1998 (Baugesetzbuch i.d.F. v. 08.12.1986, BGBl. I, S. 2191) und ist deshalb unwirksam.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die Kammer folgt, stellt § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB die Errichtung von Windenergieanlagen im Außenbereich unter einen Planungsvorbehalt, der sich an die Gemeinden als Träger der Flächennutzungsplanung und an die Träger der Raumordnungsplanung, insbesondere der Regionalplanung, richtet. Dieser Planungsvorbehalt setzt gebietsbezogene Festlegungen des Plangebers über die Konzentration von Windenergieanlagen an bestimmten Standorten voraus, wenn zugleich ein Ausschluss der Anlagen an anderer Stelle im Plangebiet angestrebt und festgeschrieben wird. § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB verleiht derartigen Festlegungen rechtliche Ausschlusswirkung gegenüber dem Bauantragsteller mit der Folge, dass Vorhaben außerhalb der Konzentrationsflächen in der Regel unzulässig sind. In diesem Sinne bedingen die negative und die positive Komponente der festgelegten Konzentrationsflächen einander. Der Planungsträger ist zwar auch im Hinblick auf die gebotene Förderung der Windenergienutzung nicht gehalten, der Windenergie "bestmöglich" Rechnung zu tragen. Der Ausschluss der Anlagen auf Teilen des Plangebiets lässt sich jedoch nur rechtfertigen, wenn der Plan sicherstellt, dass sich die betroffenen Vorhaben an anderer Stelle gegenüber konkurrierenden Nutzungen durchsetzen. Dem Plan muss daher ein schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept zugrunde liegen, das den allgemeinen Anforderungen des planungsrechtlichen Abwägungsgebots gerecht wird. Dagegen ist es einer Gemeinde verwehrt, den Flächennutzungsplan als Mittel zu benutzen, das ihr dazu dient, unter dem Deckmantel der Steuerung Windkraftanlagen in Wahrheit zu verhindern. Mit einer bloßen "Feigenblatt"-Planung, die auf eine verkappte Verhinderungsplanung hinausläuft, darf sie es nicht bewenden lassen. Vielmehr muss sie der Privilegierungsentscheidung des Gesetzgebers Rechnung tragen und für die Windenergienutzung in substanzieller Weise Raum schaffen. Wo die Grenze zur Verhinderungsplanung verläuft, lässt sich nicht abstrakt bestimmen. Wann diese Grenze überschritten ist, kann erst nach einer Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Planungsraum beurteilt werden. Wenn der Träger der Flächennutzungsplanung der Auffassung ist, für seinen Zuständigkeitsbereich sei es im Hinblick auf entsprechende örtliche Besonderheiten nicht möglich, eine ausgewogene Planung zu beschließen, hat er sich darauf zu beschränken, die Zulassung von Windenergieanlagen im Rahmen der Anwendung von § 35 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 BauGB durch das Geltendmachen von öffentlichen Belangen im Einzelfall zu steuern (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.2002 - 4 C 15/01, BVerwGE 117, 287; Urt. v. 13.03.2003 - 4 C 4/02, BVerwGE 118, 33; Urt. v. 21.10.2004 - 4 C 2/04, BVerwGE 122, 109; Urt. v. 24.01.2008 - 4 CN 2/07, juris).

Den vorstehenden Anforderungen genügt die 63. Änderung des Flächennutzungsplanes der Beklagten nicht. Ausweislich des Erläuterungsberichts sowie des zugrunde liegenden Städtebaulichen Berichts zur Windenergienutzung des Büros F. aus dem April 1998 hat die Beklagte in einem ersten Planungsschritt ihren gesamten Außenbereich anhand verschiedener Ausschlussgründe in Potenzial- und Ausschlussflächen eingeteilt. Auf der Basis eines Erlasses des Niedersächsischen Innenministeriums vom 11.07.1996 (39.1-32 346/8.4) hat sie alle Naturschutzgebiete, Naturdenkmale, besonders geschützte Biotope sowie Waldflächen gänzlich ausgeschlossen. Ferner hat sie bestimmte Mindestabstände zu Naturschutzgebieten und Waldgebieten, aber auch zu Siedlungs- und Verkehrsflächen, potenziellen Siedlungsflächen, Einzelhäusern, Gewässern, Hochspannungsleitungen und Richtfunkstrecken festgelegt und alle Flächen innerhalb dieser Mindestabstände von der weiteren Betrachtung ausgeschlossen. Darüber hinaus sind ausweislich des Städtebaulichen Konzepts des Büros F. Mindestabstände auch gegenüber Kleingärten, Gewerbegebieten und der Jugendhaftanstalt angesetzt worden (siehe Karte zwischen S. 14 und S. 15), was sich dem Erläuterungsbericht allerdings nicht entnehmen lässt. Von den verbleibenden Flächen hat die Beklagte in einem weiteren Schritt diejenigen Flächen aus der weiteren Betrachtung ausgeschlossen, die aufgrund ihrer Größe die Errichtung von nur einer Windenergieanlage zuließen. Die verbliebenen 23 Potenzialflächen hat die Beklagte in einem dritten Schritt einer vergleichenden Bewertung unterzogen, in die die Windgunst und Eignung, bestehende Planungsvorgaben, die Auswirkungen auf den Naturhaushalt, das Landschaftsbild und die Erholung sowie die Erschließung des Standortes eingegangen sind. Alle 23 Flächen erwiesen sich insofern als geeignet. In einem weiteren Schritt hat die Beklagte daraufhin besondere Planungsrestriktionen eingeführt, um diejenigen Flächen auszuscheiden, die vollständig oder überwiegend im Landschaftsschutzgebiet liegen, die im Entwurf zum Bodenabbauleitplan Weser als Konzentrationsfläche für Rohstoffgewinnung dargestellt wurden, die mit sonstigen schwerwiegenden Planungsrestriktionen wie etwa der Darstellung als Abgrabungskonzentrationszone belegt waren oder die eine hohe bis mittlere Bedeutung für das Landschaftsbild hatten. Drei Leitziele wurden überdies einbezogen, nämlich das Ziel der Reduzierung von Nutzungskonflikten, das Ziel, möglichst anderweitig vorbelastete Standorte zu wählen sowie das Ziel eines Mindestabstands von 5 km zu benachbarten Anlagenstandorten. Auf dieser Basis verblieben drei Flächen, nämlich eine Fläche östlich von G. (Nr. 15, Nummerierung nach Konzept F., S. 16-17), die schließlich ausgewählte Fläche östlich von Q. (Nr. 16) und eine Fläche südlich von R. (Nr. 22). Im Aufstellungsverfahren entschieden sich die politischen Gremien dafür, lediglich die nach den Angaben im Erläuterungsbericht 7,3 ha große Fläche Nr. 16 als Konzentrationsfläche darzustellen. Die Fläche Nr. 15 entfiel aufgrund von Belangen des Natur- und Landschaftsschutzes wegen der Lage im Landschaftsschutzgebiet sowie der Landwirtschaft aufgrund der guten Bodenqualität. Bei der Fläche Nr. 22 führten die Unterschreitung des Mindestabstands von 5 km zu einem geplanten Anlagenstandort des S. sowie mögliche Beeinträchtigungen einer Erdfunkstelle der T. zum Ausschluss. Dieses Vorgehen der Beklagten verstößt in mehrfacher Hinsicht gegen § 1 Abs. 6 BauGB 1998.

Als abwägungsfehlerhaft erweist sich zunächst die pauschale Festlegung von Mindestabständen in dem von der Beklagten vorgenommenen Umfang. Die entsprechenden Festlegungen führen im Stadtgebiet der Beklagten im Zusammenspiel mit den weiteren Kriterien dazu, dass bei einer Gesamtfläche von rund 10.230 ha nur eine einzige Fläche von 7,3 ha (0,71 ‰ des Stadtgebietes) verbleibt, die Raum für maximal zwei bis drei Windenergieanlagen bietet. Eine einzige und zumal derart kleine Fläche ermöglicht eine Nutzung der Windenergie nur in einem außerordentlich beschränkten Umfang. Für sich genommen folgt daraus zwar kein Abwägungsfehler. Größenangaben sind, isoliert betrachtet, als Kriterium ungeeignet, weil die ausgewiesene Fläche nicht nur zur Gemeindegröße, sondern auch zur Größe der Gemeindegebietsteile, die für eine Windenergienutzung, aus welchen Gründen immer, nicht in Betracht kommen, in Relation zu setzen ist. Eignet sich nur ein geringer Teil des Gemeindegebiets für eine Windenergienutzung, so lässt sich eine im Vergleich zur Gesamtgröße kleine Konzentrationsfläche schon aus diesem Grunde nicht als Indikator für eine missbilligenswerte Verhinderungstendenz werten (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.2002 - 4 C 15/01, BVerwGE 117, 287). Dass das Stadtgebiet der Beklagten für eine Windenergienutzung in weiten Teilen ausscheidet, ist insofern unzweifelhaft. Gleichwohl gibt es aber - wie das Städtebauliche Konzept F. aus dem März 1998 sowie das neue Konzept aus dem April 2010 belegen - eine größere Anzahl von grundsätzlich geeigneten Flächen, deren Ausschluss nicht aufgrund von sachlichen Zwängen, sondern aufgrund von politischen Entscheidungen erfolgt ist. Je kleiner indes die ausgewählte Konzentrationsfläche ausfällt, umso höhere Anforderungen sind an die Gründe für die politischen Entscheidungen, die zum Ausschluss weiterer Flächen geführt haben, zu stellen. Dass die dargestellte Konzentrationsfläche bis heute unbelegt ist, rechtfertigt keine andere Einschätzung, weil die Beklagte diesen Zustand selbst herbeigeführt hat. Die Klägerin möchte nämlich innerhalb der Konzentrationsfläche eine weitere Anlage errichten; die Beklagte verweigert ihr aus Gründen des Artenschutzes indes die seit längerem beantragte Genehmigung.

Die Beklagte hätte vor diesem Hintergrund die Mindestabstände einer erneuten kritischen Betrachtung unterziehen müssen. Das gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass sich einzelfallunabhängige Mindestabstände gegenüber Kleingärten, Gewerbegebieten sowie gegenüber Waldgebieten jedenfalls nicht aufdrängen und auch der einzelfallunabhängige Abstand von 750 m gegenüber reinen Wohngebieten einen überobligatorischen Schutz darstellt. Denn es ist zwar im Grundsatz nicht zu beanstanden, wenn ein Planungsträger das gesamte Planungsgebiet zunächst nach allgemeinen Kriterien untersuchen lässt und dabei vorerst von örtlichen Besonderheiten absieht und auch noch nicht in den Blick nimmt, ob im Ergebnis eine ausreichend große Fläche für die Windenergienutzung verbleibt. Daher kann der Planungsträger in diesem ersten Schritt auch zunächst relativ große Pufferzonen um bestimmte Nutzungen legen. Wenn er als Ergebnis dieser Untersuchung jedoch erkennt, dass mit der gewählten Methode der Windenergie nicht ausreichend substanziell Raum geschaffen wird, hat er sein Auswahlkonzept nochmals zu überprüfen und gegebenenfalls abzuändern. Je kleiner die für die Windenergienutzung verbleibenden Flächen ausfallen, umso mehr ist das gewählte methodische Vorgehen zu hinterfragen und zu prüfen, ob mit Blick auf die örtlichen Verhältnisse auch kleinere Pufferzonen als Schutzabstand genügen. Will er dennoch an den bisher vorgesehenen Abständen festhalten, muss er auf eine planerische Steuerung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB verzichten (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.01.2008 - 4 CN 2/07, juris).

Als abwägungsfehlerhaft erweist sich weiter die vergleichende Bewertung der 23 grundsätzlich geeigneten Potenzialflächen. Die Beklagte missachtet in diesem Zusammenhang ihre eigenen vorgeblich abstrakten Vorgaben. Nicht nachvollziehbar ist zunächst, aus welchem Grund die Beklagte die Potenzialfläche Nr. 23 (vgl. Städtebauliches Konzept des Büros F., S. 16-17) ausgeschieden hat. Die Fläche fällt unter keine der von der Beklagten formulierten Planungsrestriktionen. Die Fläche liegt auch deutlich mehr als 5 km von dem nächsten Anlagenstandort - einer Bergkuppe südlich von U. /Gemeinde V. - entfernt; eine besondere Konfliktsituation ist weder dem Konzept F. noch dem Erläuterungsbericht oder den sonstigen Aufstellungsvorgängen zu entnehmen. Zwar weist der Standort keine Vorbelastung auf; dies ist aber bei dem nicht ausgeschiedenen Standort Nr. 22 nicht anders. Nicht nachvollziehbar ist auch, aus welchen Gründen die Beklagte zum pauschalen Ausschluss der Flächen Nr. 10-14 und Nr. 17 gelangt ist. Diese Flächen liegen zwar im Landschaftsschutzgebiet, was für sich genommen grundsätzlich ein taugliches Ausschlusskriterium darstellt (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 28.01.2010 - 12 LB 243/07, juris). Die Beklagte hat das Kriterium Landschaftsschutzgebiet jedoch nicht als striktes Ausschlusskriterium gehandhabt, sondern hat jedenfalls in einem Fall eine Einzelbetrachtung durchgeführt und die - ebenfalls im Landschaftsschutzgebiet liegende - Fläche Nr. 15 in die weitere Auswahl genommen. Verzichtet die Beklagte aber auf einen pauschalen Ausschluss, ist sie gehalten, die Einzelfallbetrachtung für alle ernstlich in Betracht kommenden Potenzialflächen gleichermaßen durchzuführen und sich nicht ohne ersichtlichen Grund auf eine Fläche zu beschränken. Insofern sind zumindest zwischen der Fläche Nr. 15 und den Flächen Nr. 10, 11 und 12 auf der Grundlage des Erläuterungsberichts, des Städtebaulichen Konzepts F. und der sonstigen Planunterlagen keine einzelfallbezogenen Unterschiede erkennbar, die im Abwägungsvorgang des Rates der Beklagten einen Ausschluss der letztgenannten Flächen nachvollziehbar begründen konnten.

Abwägungsfehlerhaft ist schließlich der im politischen Prozess erfolgte Ausschluss der Fläche Nr. 15 östlich von G. (im Erläuterungsbericht als Gebiet Nr. 1 bezeichnet). Hinsichtlich dieser in geringer Entfernung von der tatsächlich dargestellten Konzentrationsfläche liegenden Fläche, die in der Offenlegung gegenüber dem Städtebaulichen Konzept F. ohne Begründung eine deutliche Vergrößerung erfahren hat, betont das Städtebauliche Konzept die hohe landschaftliche Vorbelastung durch Freileitungen, Bodenabbau sowie eine Deponie. Aufgrund der Abstände seien Konflikte mit den Nutzungen Wohnen und Erholung sowie mit Umweltbelangen nicht zu erwarten. Nach Bürgerprotesten entschied sich die Beklagte allerdings aus Gründen des Landschaftsschutzes (Lage im Landschaftsschutzgebiet) sowie der Landwirtschaft (gute Bodenqualität) dagegen, die Fläche als Konzentrationsfläche darzustellen. Auch diese Erwägungen sind abwägungsfehlerhaft. Eine grundsätzliche Konfliktlage zwischen Windenergienutzung und Landwirtschaft besteht nach den obigen Ausführungen nicht, sodass eine gute Bodenqualität den Ausschluss nicht zu rechtfertigen vermag. Hinzu kommt, dass die Bodenqualität der benachbarten ausgewiesenen Konzentrationsfläche nicht schlechter sein dürfte und die Landwirtschaftskammer W. im Rahmen der Vorabbeteiligung der Träger öffentlicher Belange keine Bedenken geäußert hat. Schon das führt zur Fehlerhaftigkeit der Abwägung, weil ein nach dem Erläuterungsbericht tragender Grund entfällt. Der Ausschluss ist angesichts der allein verbleibenden Konzentrationsfläche mit einer Größe von nur 7,3 ha aber auch nicht im Hinblick auf die Lage im Landschaftsschutzgebiet gerechtfertigt. Wie das Büro F. zu Recht festgestellt hat, weist die noch im Landschaftsschutzgebiet N. liegende Fläche gravierende Vorbelastungen auf. Ihre Bedeutung für den Landschaftsschutz ist dementsprechend gering; sie unterscheidet sich im Ergebnis nicht nennenswert von derjenigen der ausgewiesenen Konzentrationsfläche. Ausnahmen vom landschaftsschutzrechtlichen Bauverbot sind gemäß § 3 der maßgeblichen Verordnung zum Schutz von Landschaftsbestandteilen im Kreise E. (v. 14.10.1936, ABl. Han. S. 179) möglich. Tragfähige Gründe, die die Beklagte gleichwohl bewogen haben könnten, die Belange von Natur und Landschaft neu zu gewichten, lassen die Planunterlagen nicht erkennen. Wenn die Beklagte den Ausschluss nunmehr damit begründet, die Erschließung der Fläche sei nicht gesichert gewesen, überzeugt dies die Kammer ebenfalls nicht. Abgesehen davon, dass dieser Aspekt für den entscheidungsbefugten Rat der Beklagten nicht maßgeblich war, steht die fehlende Erschließung keineswegs fest. Die Beklagte bezieht sich mit ihrem Einwand offenbar auf die Stellungnahme der Teilungs- und Verkopplungsinteressentenschaft J. vom 02.06.1998, wonach sich in Gesprächen mit Mitgliedern des Realverbandes die Auffassung abgezeichnet habe, Realverbandswege für den Bau und die Betreuung von Windenergieanlagen nicht zur Verfügung zu stellen. Das allein genügt nicht, um von einer fehlenden Erschließung der Fläche auszugehen, zumal die Kreisstraße 60 in geringem Abstand zu der Fläche verläuft.

Die vorgenannten Mängel im Abwägungsvorgang sind gemäß § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB erheblich, weil sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Offensichtlich sind die Mängel, weil sie sich aus den Aufstellungsvorgängen ergeben. Sie hatten auch Einfluss auf das Abwägungsergebnis, weil die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Beklagte ohne die Mängel der Windenergie mehr Flächen zur Verfügung gestellt hätte. Hätte die Beklagte die Mindestabstände kritisch überprüft und geringer bemessen, die im Landschaftsschutzgebiet liegenden Flächen nicht nur in einem Fall, sondern durchgängig einer Einzelfallbetrachtung unterzogen und die Fläche Nr. 15 östlich von G. fehlerfrei bewertet, hätte sie - was die ersten Ergebnisse des Verfahrens der Beklagten zu einer erneuten Änderung ihres Flächennutzungsplanes andeuten - die Gelegenheit gehabt, der Windenergie mittels ihrer Flächennutzungsplanung substanziell Raum zu schaffen oder aber auf die planerische Steuerung der Windenergienutzung ganz zu verzichten.

Erweist sich die 63. Änderung des Flächennutzungsplans der Beklagten mithin als unwirksam, steht auch § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB dem Vorhaben der Klägerin nicht entgegen. Das Vorhaben widerspricht im Hinblick auf die geplante Nabenhöhe von 108,38 m nicht den Darstellungen des Flächennutzungsplans der Beklagten. Dabei lässt die Kammer offen, ob nicht die 63/1. Änderung, die aufbauend auf der 63. Änderung eine Höhenbegrenzung von 85 m Nabenhöhe vorsieht, gegenstandslos und damit ebenfalls unwirksam ist. Denn jedenfalls liegt die geplante Anlage außerhalb der (unwirksamen) Konzentrationsfläche, auf die sich die 63/1. Änderung in räumlicher Hinsicht allein bezieht.

Schließlich steht die von der Beklagten geplante 10. Änderung ihres Flächennutzungsplans, deren Entwurf Konzentrationsflächen jenseits des geplanten Anlagenstandorts vorsieht, dem Vorhaben nicht als unbenannter öffentlicher Belang gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB entgegen. Dabei kann offen bleiben, ob in Aufstellung befindliche Flächennutzungspläne überhaupt eine derartige Vorwirkung entfalten können (verneinend OVG Lüneburg, Beschl. v. 30.11.2004 - 1 ME 190/04, juris; Beschl. v. 12.09.2003 - 1 ME 212/03, juris; Urt. v. 18.03.1999 - 1 L 6696/96, juris; VGH Kassel, Urt. v. 17.06.2009 - 6 A 630/08, juris; offen gelassen von BVerwG, Urt. v. 20.05.2010 - 4 C 7/09, juris; Urt. v. 13.03.2003 - 4 C 3/02, juris). Eine Vorwirkung setzt nach der jedenfalls sinngemäß heranziehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu einem in Aufstellung befindlichen Ziel der Raumordnung frühestens dann ein, wenn ein inhaltlich konkretisierter Entwurf die hinreichend sichere Erwartung rechtfertigt, dass er über das Entwurfsstadium hinaus zu einer verbindlichen Vorgabe erstarken wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.01.2005 - 4 C 5/04, juris). Dieses Stadium liegt wiederum erst vor, wenn er den Anforderungen genügt, unter denen ein in der Aufstellung befindlicher Bebauungsplan gemäß § 33 BauGB Rechtswirkungen entfaltet (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.03.2003 - 4 C 3/02, juris; BGH, Urt. v. 02.12.2010 - III ZR 251/09, juris). § 33 Abs. 1 Nr. 1 BauGB setzt insofern den Abschluss der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung, mithin die formelle Planreife voraus, die erst nach Prüfung aller Einwendungen durch den Plangeber eintritt (vgl. Stock, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 33, Rn. 34 <Stand der Bearbeitung: März 2007>). Dieses Stadium hat die geplante Änderung des Flächennutzungsplans der Beklagten noch nicht erreicht. Nach den Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung ist eine erneute Auslegung des Planentwurfs vorgesehen, sodass die Frage der Vorwirkung keiner Vertiefung bedarf.

Sonstige öffentliche Belange, die - mit Ausnahme der ausgeklammerten Belange des Natur- und Artenschutzes - dem Vorhaben widersprechen könnten, sind nicht ersichtlich.

Im Hinblick auf das mit der Erteilung des begehrten Vorbescheids einhergehende vorläufige positive Gesamturteil steht schließlich das artenschutzrechtliche Tötungsverbot gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V. mit § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG der geplanten Anlage nicht entgegen. Dieser von der Klägerin ausgeklammerte Gesichtspunkt ist einer gerichtlichen Überprüfung (nur) insoweit zugänglich, als ein immissionsschutzrechtlicher Vorbescheid gemäß § 9 Abs. 1 BImSchG voraussetzt, dass die Auswirkungen der geplanten Anlage ausreichend beurteilt werden können. Das ist - nicht anders als bei der Teilgenehmigung gemäß § 8 Satz 1 Nr. 3 BImSchG - der Fall, wenn eine vorläufige Beurteilung ergibt, dass der Errichtung und dem Betrieb der gesamten Anlage keine von vornherein unüberwindlichen Hindernisse im Hinblick auf die Genehmigungsvoraussetzungen entgegenstehen. Von vornherein unüberwindlich sind Hindernisse, wenn sie nicht durch zusätzliche Maßnahmen der Klägerin, die gegebenenfalls Gegenstand von Nebenbestimmungen zu der späteren Genehmigung sein können, beseitigt werden können und sich damit unzulässige Auswirkungen der Anlage auf ihre Umgebung durch geeignete Vorkehrungen bei Bau und Betrieb mit hinreichender Sicherheit ausschließen lassen. Vorläufig ist die Beurteilung, weil sie, soweit nicht der Gegenstand des Vorbescheides betroffen ist, nur auf vorläufigen Unterlagen zu beruhen braucht, nicht aber wegen einer minderen Intensität der Prüfung dieser Unterlagen, etwa im Sinne einer bloßen Evidenzkontrolle (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 12.11.2008 - 12 LC 72/07, juris; Urt. v. 21.04.2010 - 12 LC 9/07, juris; Peschau, in: Feldhaus, BImSchG, § 9, Rn. 16 ff. <Stand der Bearbeitung: November 2003/Januar 2010>; Storost, in: Ule/Laubinger, BImSchG, § 9, Rn. C 18 f. <Stand der Bearbeitung: Mai 2010>). Mit anderen Worten ist der Vorbescheid nur dann zu versagen, wenn aufgrund bereits vorliegender ausreichender Erkenntnisse feststeht, dass eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung auch unter Beifügung von Nebenbestimmungen nicht erteilt werden darf. Das ist hier im Hinblick auf die von der Beklagten ins Feld geführten Brutplätze des Rotmilans in einer Entfernung von weniger als 1.000 m zu der geplanten Anlage nicht der Fall.

Gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ist es verboten, wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. Der Rotmilan stellt ein Tier einer besonders geschützten Art dar (vgl. § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 13 a) BNatSchG i.V. mit Anhang A der Verordnung (EG) Nr. 338/97 über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels). Das hier allein in Rede stehende Tötungsverbot ist dabei individuenbezogen zu verstehen. Dass einzelne Exemplare besonders geschützter Arten durch Kollisionen mit Windenergieanlagen zu Schaden kommen können, dürfte indes bei lebensnaher Betrachtung nie völlig auszuschließen sein. Solche kollisionsbedingten Einzelverluste sind zwar nicht "gewollt" im Sinne eines zielgerichteten "dolus directus", müssen aber - wenn sie trotz aller Vermeidungsmaßnahmen doch vorkommen - als unvermeidlich ebenso hingenommen werden wie Verluste im Rahmen des allgemeinen Naturgeschehens (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.07.2008 - 9 A 14/07, BVerwGE 131, 274). Soll das Tötungsverbot nicht zu einem unverhältnismäßigen Hindernis für die Realisierung von Vorhaben werden, so ist zur Erfüllung des Tatbestandes zu fordern, dass sich das Risiko des Erfolgseintritts durch das Vorhaben in signifikanter Weise erhöht (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.03.2008 - 9 A 3/06, juris; OVG Lüneburg, Beschl. v. 18.04.2011 - 12 ME 274/10, juris). Dass das so verstandene Tötungsverbot dem Vorhaben der Klägerin unüberwindlich entgegensteht, vermag die Kammer nicht festzustellen.

Die Kammer hat bereits in tatsächlicher Hinsicht Zweifel daran, dass es sich bei den beiden von der Beklagten bezeichneten bzw. den beiden weiteren unmittelbar benachbarten Horsten tatsächlich um aktuelle Brutplätze des Rotmilans handelt. Der letzte sichere Brutnachweis stammt aus dem Jahr 2008. Für das Jahr 2010 liegen keine gesicherten Beobachtungen vor; im Jahr 2011 hat eine Brut nach den Feststellungen des Sachverständigen der Klägerin nicht stattgefunden. Drei Horste waren gänzlich ungenutzt, während ein anderer von einem Mäusebussard besetzt war. Gerade vor dem von der Beklagten wiederholt betonten Hintergrund, dass der Rotmilan eine hohe Standorttreue aufweist und das Revier - anders als möglicherweise den konkreten Horst - über Jahre hinweg nicht wechselt, was den Nachweis vereinfacht, fehlt es gegenwärtig an einer verlässlichen Grundlage für die Annahme, dass sich im näheren Umkreis der geplanten Anlage ein aktuell genutzter Brutplatz eines Rotmilans befindet. Angesichts der Tatsache, dass der letzte sichere Nachweis aus dem Jahr 2008 stammt, ist es ebenso möglich, dass die vormals revieransässigen Brutpaare nicht mehr leben oder sich in Abkehr von ihren üblichen Verhaltensweisen anderweitig einen Brutplatz gesucht haben.

Selbst wenn aber mit der Beklagten von zwei aktuell genutzten Rotmilanbrutplätzen im Umkreis der geplanten Anlage auszugehen sein sollte, stünde dies dem hier beantragten Vorbescheid nicht entgegen. Zwar liegt die geplante Anlage zwischen den Horststandorten und der als Nahrungshabitat genutzten Kompostdeponie, was unter Umständen zu einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko führen könnte (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation VG Hannover, Urt. v. 07.10.2010 - 12 A 2639/07, V.n.b.). Einem solchen Tötungsrisiko kann jedoch durch Nebenbestimmungen - namentlich durch Abschaltung der Anlage tagsüber während der Brutzeit - wirksam begegnet werden. Eine derartige Nebenbestimmung schränkt naturgemäß die Wirtschaftlichkeit des Anlagenbetriebs ein. Dass ein Anlagenbetrieb unter diesen Voraussetzungen schlechthin nicht mehr möglich sein könnte, sodass die Nebenbestimmung der Gestattungswirkung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung faktisch zuwiderlaufen würde, ist indes nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V. mit § 709 Satz 2 ZPO.

Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten der Klägerin im Vorverfahren war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären, weil es der Klägerin nicht zuzumuten war, das komplexe Rechtsfragen berührende Verfahren ohne rechtlichen Beistand zu betreiben.