Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 14.07.2011, Az.: 10 A 4244/07
Alter; Niederlassungserlaubnis; Staatsangehörigkeit; Verlust
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 14.07.2011
- Aktenzeichen
- 10 A 4244/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 45272
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 84 Abs 2 AufenthG
- § 4 Abs 3 RuStAG
- § 17 Abs 3 RuStAG
- § 17 Abs 2 RuStAG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Maßgeblich für die Anwendung der Altersgrenze von fünf Jahren nach § 17 Abs. 3 StAG ist der Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung über die Rücknahme der Niederlassungserlaubnis eines Elternteils.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit.
Die Eltern des neun Jahre alten Klägers sind Frau (A) (B) alias (C) (D) und Herrn (E) (B) alias (F) (D). Sie reisten im Jahr 1986 gemeinsam mit der Schwester des Klägers, (H) (D), und seinem Bruder, (G) (D), in die Bundesrepublik Deutschland ein, um einen Asylantrag zu stellen. Dabei gaben sie an, staatenlose Kurden aus dem Libanon zu sein und den Familiennamen "(D)" zu tragen. Nachdem der Asylantrag der Eltern und Geschwister des Klägers abgelehnt worden war, wurden die Eltern des Klägers zunächst geduldet und erhielten jeweils im Jahr 1990 eine Aufenthaltserlaubnis (ab 1991: Aufenthaltsbefugnis) und im Jahr 1994 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, die seit Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes am 01.01.2005 als Niederlassungserlaubnis fort galt.
Der Kläger wurde am 25.06.2002 in (I) geboren und von den Behörden als deutscher Staatsangehöriger geführt.
Mit Bescheiden vom 22.12.2006 nahm die Beklagte die Aufenthaltstitel der Eltern mit Wirkung für die Vergangenheit zurück, weil diese ihre türkische Staatsangehörigkeit arglistig verschwiegen hätten. Die Eltern des Klägers seien in der Türkei unter dem Namen (A) (B), geborene (J), geboren am 02.01.1969 in (K), und als (E) (B), geboren am 11.04.1971 in (L), registriert. Auch die Geschwister des Klägers, die in der Türkei geborenen (M) (B) und (N) (B) sowie seine in Deutschland geborenen Geschwister (O), (P) und (Q) seien in der Türkei registriert, wobei die Registrierung der letztgenannten drei Geschwister im Juli 1992 erfolgt sei. Die gesamte Familie besitze nach Art. 1 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes Nr. 403 vom 11.02.1964 die türkische Staatsangehörigkeit.
Mit entsprechender Begründung stellte die Beklagte mit Bescheid vom 23.07.2007, zugestellt am 25.07.2007, fest, dass die am 25.06.2002 durch Geburt erworbene Staatsangehörigkeit des Klägers kraft Gesetzes erloschen sei, und wies ihn mit unbefristeter Wirkung aus der Bundesrepublik Deutschland aus. Sie forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland bis zum 30.09.2007 zu verlassen.
Der Kläger hat mit anwaltlichem Schriftsatz vom 26.08.2007, eingegangen beim Gericht bis 27.08.2007, 6.30 Uhr, Klage erhoben. Soweit die Klage gegen die Ausweisung gerichtet war, wird das Verfahren unter dem Aktenzeichen 13 A 189/08 geführt.
Der Kläger macht geltend, es treffe nicht zu, dass seine Eltern und Geschwister türkische Staatsangehörige seien. Seine Eltern seien in Beirut geboren und staatenlos. Er selbst sei nicht Türke und auch nicht im Nüfüs registriert.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 23. Juli 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass er die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
und verweist zur Begründung auf die Rücknahme der Niederlassungserlaubnisse der Eltern des Klägers, nach der die Staatsbürgerschaft des Klägers zu beurteilen sei. Die Rücknahmeentscheidungen hätten nicht erst nach Abschluss der gerichtlichen Verfahren, sondern von Anfang an Rechtswirkungen erzeugt. Dies ergebe sich aus § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, wonach die Klage die Wirksamkeit eines sonstigen Verwaltungsakts, also auch einer Niederlassungserlaubnis, unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung unberührt lasse. Die Sperrwirkung der rechtswirksamen Rücknahmebescheide sei auch nicht durch die spätere Rechtsänderung in § 17 Abs. 3 StAG entfallen. Diese Vorschrift setze den rückwirkenden Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit voraus. Von einem Verlust könne man hier nicht sprechen, weil der Kläger die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt nicht erworben habe.
Über die Klagen der Eltern des Klägers gegen die jeweils erfolgte Rücknahme der Niederlassungserlaubnis hat das Verwaltungsgericht Hannover am 24.08.2010 durch klageabweisende Urteile (- 13 A 195/08 und 13 A 196/08 - ) entschieden. Die Urteile sind rechtskräftig geworden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Sämtliche Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die ursprünglich als Feststellungsklage erhobene Klage ist als Verpflichtungsklage statthaft. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung war es mangels ausdrücklicher behördlicher Ermächtigung den Gerichten vorbehalten, die Staatsangehörigkeit verbindlich festzustellen. Am Tag nach Klageerhebung trat der mit Gesetz vom 19. August 2009 (BGBl I S. 1970) eingeführte § 30 StAG in Kraft, der die Staatsangehörigkeitsbehörden zur Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit ermächtigt. Diese Feststellung ist damit nur noch im Wege der Verpflichtung der Behörde zu erlangen. Die Klage ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere hat der Kläger innerhalb der Frist der § 74 Abs. 2, § 58 VwGO gegen den am 25.07.2007 seinen gesetzlichen Vertretern zugestellten Bescheid Klage erhoben. Da das nach § 173 VwGO i.V.m. § 222 ZPO i.V.m. § 188 Abs. 2 ZPO zu berechnende Fristende - der 25.08.2007 - auf einen Samstag fiel, lief die Frist zur Klageerhebung nach § 173 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO mit Ablauf des 27.08.2007 ab.
Die Klage ist indes unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung seiner deutschen Staatsangehörigkeit; der Bescheid vom 23.07.2007 verletzt ihn nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Der Kläger hat die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG in der damals geltenden Fassung erworben. Danach erwarb ein Kind ausländischer Eltern durch die Geburt im Inland die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte und eine Aufenthaltsberechtigung oder seit drei Jahren eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis besaß. Mit der Rücknahme der Niederlassungserlaubnisse seiner Eltern mit Wirkung für die Vergangenheit bestanden die Erwerbsvoraussetzungen des rechtmäßigen Voraufenthalts seiner Eltern und des unbefristeten Aufenthaltsrechts im Zeitpunkt der Geburt des Klägers nicht.
Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf § 17 Abs. 3 StAG berufen. Danach berühren Entscheidungen nach anderen Gesetzen als dem Staatsangehörigkeitsgesetz, die den rückwirkenden Verlust der Staatsangehörigkeit Dritter zur Folge hätten - insbesondere bei der Rücknahme der Niederlassungserlaubnis nach § 51 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG -, nicht die kraft Gesetzes erworbene deutsche Staatsangehörigkeit Dritter, sofern diese das fünfte Lebensjahr vollendet haben.
Die Vorschrift, die durch Gesetz vom 05.02.2009 (BGBl. I S. 158) und damit etwa eineinhalb Jahre nach Klageerhebung in das Staatsangehörigkeitsgesetz eingefügt worden ist, ist hier aus temporaler Sicht anwendbar. Maßgeblich für die Entscheidung eines Gerichts sind nämlich die Rechtsvorschriften, die sich im Zeitpunkt der Entscheidung für die Beurteilung des Klagebegehrens Geltung beimessen, und zwar gleichgültig, ob es sich um eine Feststellungsklage, eine Leistungsklage, eine Anfechtungsklage oder eine Verpflichtungsklage handelt (vgl. BVerwGE 97, 79, 81 f.).
Die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 StAG liegen indes nicht vor.
Entgegen der schriftsätzlich geäußerten Auffassung der Beklagten ist die Regelung dem Grunde nach zwar anwendbar, weil sie ausdrücklich Fälle wie den vorliegenden erfasst, der wie ein Verlust der Staatsangehörigkeit - dessen Regelung Gegenstand des § 17 StAG ist - wirkt. Diese Betrachtungsweise geht zurück auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der gesetzliche Vorschriften oder sonstige Rechtsakte, die eine einmal wirksam erworbene deutsche Staatsangehörigkeit in Wegfall zu bringen beanspruchen, der Prüfung am Maßstab des Art. 16 Abs. 1 GG nicht dadurch entgehen, dass der Wegfall rückwirkend zum Erwerbszeitpunkt vorgesehen ist und die Staatsangehörigkeit danach von einem Ex-Post-Standpunkt als nie erworben erscheint (BVerfG, Urt. v. 24.05.2006 - 2 BvR 669/04 -, BVerfGE 116, 24, 46; Beschl. v. 24.10.2006 - 2 BvR 696/04 -, NJW 2007, 425, 426). Jedenfalls aus verfassungsrechtlicher Perspektive handelt es sich in dieser Konstellation um einen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit, der dem Schutzbereich des Art. 16 Abs. 1 GG unterfällt (ebd.).
Jedoch fehlt es an der weiteren Voraussetzung der Vollendung des fünften Lebensjahres im hier maßgeblichen Zeitpunkt der behördlichen Rücknahmeentscheidung. Denn zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung über die Rücknahme der Niederlassungserlaubnis der Mutter und der des Vaters des Klägers war der Kläger erst viereinhalb Jahre alt.
Dass vorliegend der Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung und nicht der des Eintritts der Bestandskraft dieser Entscheidung nach rechtskräftigem Abschluss der Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht Hannover - zu dem der Kläger bereits acht Jahre alt war - maßgeblich ist (so im Ergebnis und ohne weitere Begründung VG Bremen, Urt. v. 23.03.2009 - 4 K 3157/06 -, Juris; Renner/Maaßen, in: Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, StAG § 17, Rz. 14), ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Dem materiellen Recht sind nicht nur die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes zu entnehmen, sondern auch die Antwort auf die Frage, zu welchem Zeitpunkt diese Voraussetzungen erfüllt sein müssen (vgl. BVerwGE 78, 243, 244). Dass sich das Lebensalter des Dritten, auf das § 17 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 StAG abstellt, auf den Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung der Behörde bezieht, folgt hier bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. Nach diesem ist auf Entscheidungen nach anderen Gesetzen als dem Staatsangehörigkeitsgesetz abzustellen, zu denen die ausdrücklich genannte Rücknahme der Niederlassungserlaubnis nach § 51 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG zählt. Die Bestandskraft dieser Entscheidungen ist nicht als weiteres Tatbestandsmerkmal genannt.
Auch die Gesetzgebungsgeschichte spricht für den Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung als maßgeblichen Anknüpfungspunkt für die Berechnung des Lebensalters des Dritten. Die Vorschrift des § 17 Abs. 3 StAG geht auf eine Forderung des Bundesverfassungsgerichts zur gesetzlichen Regelung derjenigen Fälle zurück, in denen Kinder die deutsche Staatsangehörigkeit verloren, weil die Einbürgerung der Eltern oder eines Elternteils oder die Niederlassungserlaubnis wegen arglistiger Täuschung zurückgenommen wurden (BVerfGE 116, 24, 60 [BVerfG 24.05.2006 - 2 BvR 669/04]; vgl. auch BT-Drs. 16/10528, S. 7). In seinem Beschluss zum rückwirkenden Wegfall der deutschen Staatsangehörigkeit eines Kindes infolge der erfolgreichen Anfechtung der Vaterschaft durch den deutschen Vater stellte das Bundesverfassungsgericht auf eine funktionale Betrachtung der Staatsangehörigkeit ab. Es stellte fest. dass im konkreten Fall, der ein anderthalb Jahre altes Kind betraf, eine unzulässige Entziehung der Staatsangehörigkeit nicht vorliege. In seinen Gründen führt der Senat aus (BVerfG, NJW 2007, 425, 427 [BVerfG 24.10.2006 - 2 BvR 696/04]):
"Eine Beeinträchtigung der deutschen Staatsangehörigkeit in ihrer Bedeutung als verlässliche Grundlage gleichberechtigter Zugehörigkeit kommt nicht in Betracht, wenn Staatsangehörige in einem Alter, in dem sie normalerweise noch kein eigenes Bewusstsein ihrer Staatsangehörigkeit und kein eigenes Vertrauen auf deren Bestand entwickelt haben, nach Maßgabe der geltenden einfachgesetzlichen Vorschriften von einem […] Wegfall der Staatsangehörigkeit betroffen werden oder betroffen werden können."
In der Gesetzesbegründung zu § 17 Abs. 2 und 3 heißt es diesbezüglich (BT-Drs. 16/10528, S. 7):
"Die vom Bundesverfassungsgericht angeführten Voraussetzungen, dass das Kind kein eigenes Bewusstsein von seiner Staatsangehörigkeit und kein eigenes Vertrauen auf deren Bestand habe, dürften bis zum fünften Lebensjahr weiterhin gegeben sein, so dass in solchen Fällen keine Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit gemäß Artikel 16 Abs. 1 Satz 1 GG vorliegt. Damit liegt die Altersgrenze ein Jahr unter dem regelmäßigen Grundschulalter eines Kindes, das in der Literatur als Maßstab für das Vorliegen der vom Bundesverfassungsgericht genannten Voraussetzungen angeführt wird (vgl. de Groot/Schneider, in: Rechtsstaatliche Ordnung Europas, Gedächtnisschrift für Albert Bleckmann, Köln 2007, S. 79, 102). Die Grenze beim fünften Lebensjahr anzusetzen, erscheint auch deswegen sachgerecht, weil der Zeitraum von fünf Jahren mit der Frist von fünf Jahren bei der Rücknahme von Einbürgerungen nach § 35 Abs. 3 StAG korrespondiert. Bei einem Abstammungserwerb (§ 4 Abs. 1) von einem eingebürgerten Deutschen, dessen Einbürgerung, z. B. wegen Täuschung, spätestens nach dem Ablauf von fünf Jahren nach dem Erlass der Einbürgerung zurückgenommen werden muss, kann das nachgeborene Kind gar nicht älter als fünf Jahre sein. Neben dem Abstammungserwerb sind jedoch auch Fälle des gesetzlichen Erwerbs, z. B. beim Erwerb durch Adoption (§ 6), denkbar, bei denen das Kind des Eingebürgerten älter als fünf Jahre alt ist, so dass die Regelung des § 17 Abs. 2 neben der Befristung in § 35 Abs. 2 nicht entbehrlich ist."
Auszugehen ist nach dem die Kammer bindenden Verständnis des Bundesverfassungsgerichts von der funktionalen Betrachtung der Staatsangehörigkeit, wie sie auch der Gesetzgeber zugrunde gelegt hat. Nach Überzeugung der Kammer wird bereits mit der behördlichen Entscheidung über die Rücknahme der Einbürgerung (Absatz 2) oder des Aufenthaltstitels (Absatz 3) der Eltern oder des maßgeblichen Elternteils das für die Herausbildung des Bewusstseins der eigenen Staatsangehörigkeit bei kleinen Kindern erforderliche Band zwischen dem Kind einerseits und dem deutschen Staatsgefüge andererseits so weit gelockert, dass eine weitere Verfestigung bis zur abschließenden Klärung der Statusfrage nicht mehr eintreten kann. Auch wenn ein Rechtsmittel gegen die Rücknahmeentscheidung eingelegt wird, besteht für die Zeit der Rechtshängigkeit eine Unsicherheit über den Aufenthaltsstatus der Eltern und damit über die Zugehörigkeit der gesamten Familie, die einer Vertiefung und Verfestigung des staatsbürgerlichen Bewusstseins des Kindes nachhaltig entgegensteht. Die Unsicherheit ergibt sich aus prozessualer Sicht bereits daraus, dass eine Klage gegen die Rücknahme einer Niederlassungserlaubnis zwar aufschiebende Wirkung hat (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO), damit aber nicht die innere Wirksamkeit der Rücknahmeentscheidung in Frage gestellt wird. Die im Verwaltungsprozessrecht umstrittene Frage der Bedeutung der aufschiebenden Wirkung (hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl 2009, § 80 Rz. 22) hat der Gesetzgeber mit § 84 Abs. 2 AufenthG für die Ausweisung und aufenthaltsbeendende Verwaltungsakte im Sinne der Vollziehbarkeitstheorie entschieden. Nach dieser Vorschrift lassen Widerspruch und Klage unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit der Ausweisung und eines sonstigen Verwaltungsaktes unberührt, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet.
Ist nach alledem auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten über die Rücknahme der Niederlassungserlaubnisse der Eltern des Klägers abzustellen, liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 3 StAG vorliegend nicht vor, weil der Kläger zu diesem Zeitpunkt das fünfte Lebensjahr noch nicht vollendet hatte.
Auch aus verfassungsrechtlichen Gründen ist keine dem Kläger günstigere Altersgrenze geboten. Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Entscheidung des Gesetzgebers, die Altersgrenze bei fünf Jahren zu ziehen, nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber hat die Grenzen seines Gestaltungsspielraums bei der Festlegung von Altersgrenzen hier ersichtlich nicht überschritten, sondern hat vielmehr einen nach Einschätzung der Kammer großzügigen Maßstab angelegt. Denn auch bei Kindergartenkindern spielen die Erfahrung des eigenen Ich und die unmittelbaren persönlichen Beziehungen zu Familienangehörigen, Freunden und weiteren Bezugspersonen eine überragende Rolle für die Selbstwahrnehmung, nicht aber die eigene Rolle als Staatsbürger.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 ZPO.