Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 29.05.2009, Az.: 14 U 76/09

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
29.05.2009
Aktenzeichen
14 U 76/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 41695
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2009:0529.14U76.09.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 06.03.2009 - AZ: 13 O 133/08

Fundstelle

  • OLGR Celle 2009, 576-577

In dem Rechtsstreit

...

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht König sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. Wessel und Schrader am 29. Mai 2009 beschlossen:

Tenor:

  1. I.

    Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist wird zurückgewiesen.

  2. II.

    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 13. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 6. März 2009 wird als unzulässig verworfen.

  3. III.

    Die Kosten des Wiedereinsetzungsverfahrens sowie die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

1

I. Wiedereinsetzung:

2

Die Wiedereinsetzung war zu versagen, weil Wiedereinsetzungsgründe nicht vorliegen.

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1. Das Urteil, gegen das sich der Kläger mit der Berufung wenden will, ist ihm zugestellt worden am (Montag), 16. März 2009 (Bl. 143 d.A.). Am (Mittwoch), 15. April 2009, ist ein Fax der Prozessbevollmächtigten des Klägers bei dem

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Oberlandesgericht Celle eingegangen (Bl. 148 d.A.). Danach wird - datiert auf den 15. April 200 8 -

"namens der Klägerin und der Berufungsklägerin gegen das am 06.03.2009 verkündete und am 16.03.2009 zugestellte o.g. Urteil des AG Hannover Berufung"

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eingelegt. In der voranstehenden Angabe der Prozessparteien findet sich der (männliche) Name des Klägers samt Adresse (allerdings in der Postleitzahl abweichend von den Angaben im angefochtenen Urteil) und die - unvollständige - Bezeichnung der Beklagten.

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Ferner ist angegeben:

"Az.: erster Instanz: 3 L 2512/08 CX.W 8, LG Hannover".

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Weitere Angaben enthielt das um 19:41 Uhr am 15. April 2009 bei dem OLG eingegangene Fax nicht. Insbesondere war keine (auch nicht auszugsweise) Abschrift des Urteils beigefügt, gegen das Berufung eingelegt werden sollte.

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Nach Ablauf der Berufungseinlegungsfrist ist am 17. April 2009 das Originalschreiben des Faxes - gleichfalls nur einseitig und ohne weitere Zusätze und Angaben - bei der Posteingangsstelle des Oberlandesgerichts Celle eingegangen (Bl. 149 d.A.).

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Mit weiterem Fax vom 21. April 2009 hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers das Aktenzeichen des Urteils mitgeteilt, gegen das tatsächlich Berufung eingelegt werden sollte (Bl. 147 d.A.). Die Geschäftsstelle des Senats hat daraufhin die betreffenden Akten angefordert. Diese sind am 30. April 2009 bei dem Oberlandesgericht eingetroffen (Bl. 146 d.A.).

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Mit Schreiben vom 15. Mai 2009 hat der Berichterstatter den Kläger im Einzelnen darauf hingewiesen, dass die Berufung nicht rechtzeitig eingelegt worden sein dürfte (Bl. 154 f.d.A.).

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Der Kläger tritt dem entgegen und beantragt hilfsweise:

  1. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist.

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Zur Begründung trägt er im wesentlichen Folgendes vor:

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Er habe ohne sein Verschulden die Berufung mit einem völlig falschen Aktenzeichen eingelegt. Die Berufungsfrist habe die Prozessbevollmächtigte des Klägers selbst berechnet. Daraufhin habe sie der Büroaushilfe - einer Jurastudentin, welche seit zwei Jahren in der Kanzlei aushelfe - das Berufungsgericht genannt und das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Hannover vorgelegt mit der Weisung, die Adresse des "OLG Zelle" herauszufinden und dort Berufung einzulegen. Die Aushilfe habe dabei eine Berufungsmaske verwendet, die sie "schon mehrmals" ausgefüllt gehabt habe. In diese Berufungsmaske seien nur die Gerichtsadresse, Parteinamen, Aktenzeichen, erstinstanzliche Gerichtsnamen sowie Verkündungs- und Zustellungstermin einzutragen. Dies habe die Aushilfe "auch mehrfach erfolgreich getan". Nachdem die Aushilfe dies im vorliegenden Fall vorgenommen gehabt habe, habe sie die Berufungsmaske

"der Klägervertreterin vorgelegt. Diese überflog die Seite, verifizierte die Parteien, unterschrieb und faxte die Berufungseinlegung persönlich am Mittwoch, 15.04.09, abends zum OLG Celle" (Bl. 161 d.A.).

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Die Klägervertreterin habe somit ihre Aufsichtspflichten nicht verletzt. Zur Glaubhaftmachung der Angaben hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers eine Eidesstattliche Versicherung der Aushilfskraft vorgelegt. Dort heißt es, die Prozessbevollmächtigte des Klägers habe

"mich beauftragt, beim OLG Celle anhand der Maske Berufung einzulegen. Diese Maske habe ich schon oft ausgefüllt, und nie ist mir dabei ein Fehler unterlaufen. Nur dieses Mal habe ich irgendwo dieses seltsame Aktenzeichen abgeschrieben, ich weiß aber nicht mehr, wo. Frau ... [die Prozessbevollmächtigte des Klägers] hat das falsche Aktenzeichen nicht bemerkt, sie hat die Berufungseinlegung unterschrieben und noch innerhalb der Frist zum OLG Celle gefaxt" (Bl. 163 d.A.).

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2. Dieser von dem Kläger bzw. seiner Prozessbevollmächtigten vorgetragene Sachverhalt rechtfertigt keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat die ihr obliegenden Sorgfaltspflichten bei der Einlegung eines Rechtsmittels verletzt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Beschluss vom 29. April 1982 - I ZB 2/82, VersR 1982, 769; Beschluss vom 13. Juli 1988 - VIII ZR 65/88, NJW-RR 1988, 1528; Beschluss vom 7. April 2004 - XII ZR 253/03, NJW-RR 2004, 1148) gehört die Anfertigung einer Rechtsmittelschrift zu den Aufgaben, die der Rechtsanwalt seinem angestellten Büropersonal nicht übertragen darf, ohne das Arbeitsergebnis selbst sorgfältig zu überprüfen. Unabhängig davon, ob die Aushilfskraft über die erforderlichen fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügte, die Einlegung eines Rechtsmittels vorzubereiten, hätte die Prozessbevollmächtigte des Klägers in jedem Fall das ihr vorgelegte Schreiben zur Einlegung der Berufung sorgfältig überprüfen müssen. Das hat sie nach ihrem eigenen Vortrag schon nicht getan, weil sie ausdrücklich darauf hinweist und dies durch eine Eidesstattliche Versicherung bekräftigt, sie habe den Schriftsatz lediglich "überflogen" und dabei "das falsche Aktenzeichen nicht bemerkt". Das ist umso gravierender, als auch die Prozessbevollmächtigte des Klägers - nunmehr - der Ansicht ist, das angegebene Aktenzeichen sei evident falsch gewesen (Bl. 160 d.A.).

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Wegen der weitreichenden Bedeutung, die eine Rechtsmittelschrift im Hinblick auf das weitere Verfahren hat, genügte es also keinesfalls, dass die Prozessbevollmächtigte des Klägers den Berufungseinlegungsschriftsatz lediglich "überflog". Neben dem unverständlichen Aktenzeichen hätte der Prozessbevollmächtigten auch ohne weiteres die Widersprüchlichkeit der Gerichtsbezeichnung auffallen müssen, weil zum einen bei dem Aktenzeichen als Ausgangsgericht das Landgericht Hannover genannt wird, zum anderen im weiterführenden Satz das Amtsgericht Hannover. Entgegen der Ansicht der Prozessbevollmächtigten des Klägers war auch keineswegs offensichtlich, dass es sich nur um ein Urteil des Landgerichts Hannover gehandelt haben kann, weil Berufungen zum Oberlandesgericht gegen Urteile der Amtsgerichte "ausschließlich in Familien- und Kindschaftssachen" (Bl. 159 d.A.) möglich seien. Gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG sind die Oberlandesgerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten auch zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über Rechtsmittel in Streitigkeiten über Ansprüche, die von einer oder gegen eine Partei erhoben werden, die ihren allgemeinen Gerichtsstand im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit in erster Instanz außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes hatten. Ob dies bei dem Kläger der Fall war, konnte anhand des Schreibens vom 15. April 2009 jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen werden, weil der Kläger einen russischen Vornamen trägt (und überdies die ihn vertretende Rechtsanwaltskanzlei ausdrücklich schon im Briefkopf Rechtsbeistand für "russisches und ukrainisches Recht" gewährt).

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Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat demzufolge schon ihrem eigenen Vortrag nach gegen die ihr obliegenden Pflichten bei der Einlegung der Berufung verstoßen. Denn bei der gebotenen sorgfältigen Prüfung hätte sie ohne weiteres erkannt, dass das Schreiben, mit dem Berufung eingelegt werden sollte, in wesentlichen Punkten fehlerhaft und in sich widersprüchlich war. Ihrer Pflicht zur eigenverantwortlichen Prüfung der jeweiligen Rechtsmittelschrift auf Vollständigkeit und Richtigkeit genügte die Prozessbevollmächtigte des Klägers durch ein bloßes "Überfliegen" einer vorgelegten "Berufungsmaske" nicht (vgl. auch BGH, Beschluss vom 13. Juli 1988 - VIII ZR 65/88, a.a.O., juris-Rdnr. 9; Beschluss vom 7. April 2004 - XII ZR 253/03, a.a.O., juris-Rdnr. 6). Eine Wiedereinsetzung war damit nicht zu gewähren.

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II. Zulässigkeit:

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Die Berufung ist unzulässig:

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Eine Berufungsschrift muss entweder durch ausdrückliche Bezeichnung oder im Wege der Auslegung erkennen lassen, für und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt wird (vgl. nur BGH, Beschluss vom 29. April 1982 - I ZB 2/82, a.a.O.). Die Berufung ist danach schon dann nicht wirksam eingelegt, wenn sich aus dem Vorgang der Rechtsmitteleinlegung nicht ableiten lässt, gegen welches Urteil Berufung eingelegt werden soll. Die Angaben in dem erwähnten Fax vom 15. April 2009 genügten hierfür nicht. Anhand des "Aktenzeichens erster Instanz 3 L 2512/08 CX.W 8" ließ sich nicht erschließen, welches Urteil gemeint sein könnte. Das betraf ebenso das Ausgangsgericht. Denn in dem Schreiben sind sowohl das Landgericht Hannover als auch das Amtsgericht Hannover genannt. Wie erwähnt, hätte hier auch ein Berufungsverfahren gegen ein Urteil des Amtsgerichts über § 119 Abs. 1 Nr. 1 BGVG in Betracht kommen können [...]. Es war darüber hinaus auch keine Abschrift des Urteils beigefügt, aus der zweifelsfrei das Urteil, gegen das Berufung eingelegt werden sollte, erkennbar gewesen wäre. Erst aus dem nach Ablauf der Notfrist des § 517 ZPO eingegangenen weiteren Fax vom 21. April 2009 ließ sich das richtige Aktenzeichen erkennen. Es bestand allerdings zuvor keine Möglichkeit, noch innerhalb des verbliebenen Tages bis zum Ablauf der Berufungseinlegungsfrist das Urteil zu ermitteln, gegen das tatsächlich Berufung eingelegt werden sollte. Von Seiten des Senats hätten dazu Nachforschungen sowohl beim Amtsgericht als auch beim Landgericht Hannover angestellt werden müssen, wobei lediglich die (zudem auch in sich nicht korrekte) Bezeichnung der beteiligten Parteien zur Verfügung gestanden hätte. Der Senat hätte sich insoweit jedoch weder an eine konkrete Geschäftsstelle bei dem Amtsgericht noch an eine solche bei dem Landgericht wenden können, sondern lediglich an die allgemeine Eingangsstelle (die im Übrigen nicht befugt ist, Angaben zu Verfahrensbeteiligten zu machen). Derartige Nachforschungen von Amts wegen anzustellen, ist jedoch nicht Aufgabe des Gerichts. Es hätte sich hierbei auch nicht mehr um die Auslegung einer zwar in sich missverständlichen, aber durchaus insgesamt noch nachvollziehbaren Rechtsmittelschrift gehandelt, sondern um die Einholung der für die Einlegung des Rechtsmittels überhaupt erforderlichen Angaben und Unterlagen. Das Berufungsgericht muss jedoch lediglich anhand der innerhalb der Berufungsfrist zugegangenen Unterlagen feststellen können, gegen welches Urteil Berufung eingelegt werden soll (vgl. auch BGH, Beschluss vom 29. April 1982 - I ZB 2/82, a.a.O., juris-Rdnr. 9 m.w.N.).

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Da sich hier weder aus den angegebenen Gerichten noch aus dem Aktenzeichen oder einer beigefügten Urteilsausfertigung ergab, welches Urteil angefochten werden sollte, bestanden bis zum Ablauf der Berufungseinlegungsfrist unbehebbare Identitätszweifel in Bezug auf das Urteil, gegen das sich die Berufung richten sollte (vgl. dazu auch Zöller/Heßler, ZPO, 27. Aufl., § 519 Rdnr. 33 m.w.N.). Das gilt umso mehr, als auch die übrigen Angaben in dem Fax vom 15. April 2009 Fehler enthielten (Datum, Adresse der Partei, Parteibezeichnung des Klägers).

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Die "Aktenzeichenberichtigung" der Prozessbevollmächtigten der Klägerin per Fax vom 21. April 2009 änderte daran nichts mehr. Dadurch wurde nicht ein Erklärungsinhalt bestätigt, den die Berufungseinlegungsschrift bei sinnvoller Auslegung schon von Anfang an hatte, sondern es wurde hierdurch erstmals überhaupt nachvollziehbar mitgeteilt, gegen welches Urteil Berufung eingelegt werden sollte. Dies geschah erst nach Ablauf der Notfrist des § 517 ZPO.

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Die Berufung ist demnach insgesamt nicht fristgerecht eingelegt worden und somit gemäß § 522 Absatz 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

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III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 238 Absatz 4, 97 Absatz 1 ZPO.

König
Dr. Wessel
Schrader