Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 07.05.2009, Az.: 5 U 89/06

Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz aufgrund eines Arbeitsunfalls; Mangelhafte Beweiswürdigung im Rahmen der Zeugenvernehmung; Nichteintreten der Berufsgenossenschaft bei Arbeitsunfällen

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
07.05.2009
Aktenzeichen
5 U 89/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 50746
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 30.03.2006 - AZ: 14 O 288/04

Redaktioneller Leitsatz

1. Ein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen eines Arbeitsunfalls am Bau besteht nicht, wenn der Geschädigte nicht beweisen kann, dass der Auftraggeber Schutzpflichten verletzt hat. 2. Der Geschädigte, der gegen die Eigensicherung am Bau gravierend verstoßen hat trägt die Schäden allein.

In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. März 2009 durch den Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... sowie den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 30. März 2006 verkündete Urteil des Einzelrichters der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Schmerzensgeld und Schadensersatz aufgrund eines Arbeitsunfalls, der sich am 16. September 2003 ereignet hat.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes 1. Instanz wird auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils verwiesen. Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Begründung des Ausspruchs wird auf die Urteilsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Gegen das Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er die Beweiswürdigung des Landgerichts rügt. Zudem habe das Landgericht zu Unrecht die Vernehmung des Zeugen M. K. als Ausforschung abgelehnt. Denn die Vernehmung des Zeugen M. K. hätte ergeben, dass der Zeuge R. in Widerspruch zu seinen Angaben im Termin vom 9. Februar 2006 gegenüber M. K. die Dinge am Tage nach dem Unfall exakt so dargestellt habe, wie sie der Zeuge W. K. in seiner Vernehmung vom 9. Februar 2006 geschildert habe. In gleicher Weise sei es unzulässig gewesen, dass in erster Instanz der Zeuge S. G. nicht vernommen worden sei. Aus seiner Aussage hätte sich die Richtigkeit der Darstellung des Zeugen K. bestätigt, insbesondere hätte sich aus seiner Aussage ergeben, dass entgegen der Aussage R. der Zeuge W. K. exakt in die Positionierungsarbeiten für das Paneel eingebunden gewesen sei und nur die koordinierte Ausführung durch die drei insoweit Beteiligten R., Rx. und W. K. überhaupt ein ordnungsgemäßes Positionieren möglich gemacht hätte. Darüber hinaus hätte G. ausdrücklich bestätigen können, dass W. K. sich tatsächlich auf der Stahlträgerkonstruktion befunden und dort Bauteile jeweils angenommen habe, die vom Manitu herangeführt worden seien. Schließlich habe das Landgericht es versäumt, ein Sachverständigengutachten einzuholen, was den Beweis dafür erbracht hätte, dass eine Montage des Paneels nur habe erfolgen können, wenn zusätzlich im unteren Bereich des Paneels Seitendruck ausgeübt worden sei. Darüber hinaus hätte es den Beweis dafür erbracht, dass ein Abstürzen des Paneels nach Verbiegung des Haltewinkels nur durch einen Druck durch den Hebearm des Manitus habe verursacht werden können. Zudem habe das Landgericht einen Hinweis unterlassen, wenn es den Beweisantrag, dass der Absturz der Paneele nur durch Druck von oben habe herbeigeführt werden können, als unzulässigen Ausforschungsantrag zurückzuweisen beabsichtige. Auf einen entsprechenden Hinweis wäre klägerseits vorgetragen worden, dass der Haltewinkel - wie der völlig unbeschädigte Zustand aller übrigen, typengleichen, an diesem Bau verwendeten Haltewinkel belege, die exakt gleichartig sämtlich, wie der hier verbogene Winkel, befestigt seien - eben nicht falsch angebracht gewesen sei, keine unzureichende Befestigung aufgewiesen habe, kein falsches Material dafür verwandt und auch die Dimensionierung den tatsächlichen statischen Erfordernissen folgend völlig korrekt gewählt worden sei.

Der Kläger beantragt:

  1. I.

    Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 30. März 2006 aufgehoben.

  2. II.

    Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger

    1. 1.

      einen in der Höhe ins Ermessen des Gerichts gestellten - unter entsprechend ausdrücklich limitiert zuzusprechenden - angemessenen Schmerzensgeldvorschussbetrag für die Verletzungen, die W. K., ..., anlässlich des Unfalls vom 16. September 2003 am Bauvorhaben Mx., ..., erlitt,

    2. 2.

      einen weiteren Betrag von zunächst 11.013,84 €,

    3. 3.

      für die Zeit vom 16. September 2003 bis 15. Juli 2004 einen nach Maßgabe eines vom erkennenden Gericht einzuholenden Sachverständigengutachtens zu beziffernden/verifizierenden Verdienstausfallschadensersatzbetrag, der zunächst vorläufig mit 2.000 € monatlich, also für den gesamten Teilzeitraum mit 10 x 2.000 € = 20.000 € geltend gemacht wird,

      zzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab 11. Dezember 2003 zu zahlen.

  3. III.

    Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, über die mit dem Klagantrag zu vorstehender Ziffer II. geltend gemachten Ansprüche hinausgehend dem Kläger einen weiteren (soweit nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen oder noch übergehenden) materiellen sowie allen immateriellen Schaden zu ersetzen, den W. K., ..., aus dem Unfall vom 16. September 2003 am Bauvorhaben Mx., ..., erlitten hat.

    Hilfsweise beantragt der Kläger Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung an das Landgericht.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Der Senat hat gemäß Beweisbeschluss vom 21. August 2008 (Bl. 433 d. A.) Beweis durch Vernehmung von Zeugen erhoben.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 22. Oktober 2008 (Bl. 482 d. A.) sowie das Protokoll vom 15. Dezember 2008 der Vernehmung des Zeugen S. G. (Bl. 515 d. A.) durch den ersuchten Richter des Amtsgerichts Brake verwiesen. Die Akte 317 Js 5686/04 StA Osnabrück lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen bis zur mündlichen Verhandlung am 25. März 2009 gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden.

Durch den Widerspruchsbescheid der Berufsgenossenschaft M. N. vom 27. März 2008 (Bl. 419 d. A.) steht gemäß § 108 Abs. 2 SGB VII für den Senat bindend fest, dass ein Arbeitsunfall i. S. des SGB nicht vorliegt und daher die Berufsgenossenschaft für die hier geltend gemachten Schadensersatzansprüche nicht eintritt.

Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch aus abgetretenem Recht des Zeugen W. K. auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Derartige Ansprüche können nicht aus einer werkvertraglichen Schutzpflichtverletzung aus §§ 631, 280 Abs. 1 BGB bzw. §§ 631, 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 278 BGB hergeleitet werden. Sie sind auch unbegründet, soweit sie auf § 823 Abs. 1 BGB, soweit der Beklagte selbst gehandelt hat, oder auf § 831 BGB, soweit er sich Verrichtungsgehilfen bedient hat, gestützt werden.

Der Kläger hat nicht bewiesen, dass der Beklagte Schutzpflichten gegenüber dem Zeugen K. verletzt hat.

Zwar hat der Zeuge W. K. bei seiner Vernehmung vor dem Senat angegeben, dass der Beklagte ihm gesagt habe, er solle auf den Stahlträger gehen und das Paneel andrücken. Eine solche Anordnung hat jedoch der Beklagte bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat in Abrede genommen. Er will dem Zeugen K. ausdrücklich die Anweisung gegeben haben, von dem Stahlträger herabzusteigen. Diese Angabe wird von dem Zeugen A. R. bestätigt, der zum Unfallzeitpunkt bei dem Beklagten angestellt war. Er hat bekundet, dass der Zeuge W. K. zu Anfang auf dem Stahlträger gewesen sei, bis er dann vom Beklagten ermahnt worden sei, von dem Stahlträger zu steigen. Vorher sei der Zeuge K. von sich aus mit der Leiter auf den Stahlträger geklettert. Er habe helfen wollen, sei dann aber zurückgepfiffen worden.

Der Zeuge A. Rx., der bei dem Beklagten als Subunternehmer beschäftigt ist, hat bekundet, dass der Zeuge W. K. zuerst mit der Leiter außen an der Halle auf der gefährlichen Seite gestanden habe. Er - der Zeuge Rx. - habe ihm dann gesagt, er solle da weggehen. Danach sei er verschwunden gewesen. Der Geschädigte habe auch nicht von der anderen Seite irgendetwas helfen oder machen sollen. Er habe nichts davon mitbekommen, dass er insoweit vom Beklagten eingewiesen worden sei. Er habe nicht mitgekriegt, dass der Zeuge K. mal auf dem Stahlträger gesessen habe und Herr I. ihn weggeschickt habe.

Der Zeuge M. K. konnte zum Unfallhergang keine Angaben machen, da er zum Unfallzeitpunkt nicht am Unfallort war. Er konnte auch keine konkreten Angaben dazu machen, was ihm der Zeuge R. zu einem späteren Zeitpunkt zum Unfallhergang gesagt hatte. Insbesondere konnte er nicht erinnern, ob sein Vater auf der Leiter oder auf dem Stahlträger gestanden habe.

Der Zeuge G. schließlich hat bekundet, dass der Zeuge K. zum Zeitpunkt des Unfalls auf dem Stahlträger gestanden habe und dann, als das Paneel so gut wie unten angesetzt gewesen sei, von dem Stahlträger gestürzt sei. Weitere Angaben zum Unfallablauf konnte er indessen nicht machen, weil ihm die Sicht auf die außerhalb der Halle arbeitenden Zeugen R. und Rx. versperrt gewesen sei. Er habe das Geschehen von seinem Pförtnerhaus aus durch die Halle hindurch aus einer Entfernung von 30 - 40 m, es könnten auch 60 m sein, beobachtet. Gespräche nach dem Unfall habe er nicht anhören können.

Aufgrund dieser Zeugenaussagen ist der Senat nicht davon überzeugt, dass der Beklagte den Zeugen K. angewiesen hatte, auf dem Stahlträger frei stehend bei der Montage der Paneele zu helfen. Für die Hilfestellung des Zeugen K. auf dem Stahlträger bestand nach den Angaben der Zeugen R. und Rx. auch kein Grund, da sie die Paneele zu zweit montieren konnten und das auch getan hatten, bevor der Zeuge K. Hilfestellungen leisten wollte.

Soweit der Beklagte durch Aufsetzen des Armes des Manitu auf das Paneel - der Beklagte und die Zeugen R. und Rx. haben ein solches Aufsetzen in Abrede genommen; die Zeugen R. und Rx. haben dazu nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass im Falle des Aufsetzens des Manituarmes auf das Paneel der Schlupf nicht hätte gelöst werden können, - oder die Zeugen R. und Rx. beim Absetzen des Paneels auf den Winkel einen Fehler begangen haben sollten, der zum Abrutschen des Paneels geführt hat, tritt ein etwa darin liegendes Verschulden hinter dem erheblichen Mitverschulden des Zeugen K. zurück. Der Zeuge K. war selbständiger Subunternehmer des Beklagten. Als selbständiger Werkunternehmer hatte er die Pflicht, selbst dafür Sorge zu tragen, dass er die Unfallverhütungsvorschriften einhält. Ihm hätte deshalb bekannt sein müssen, dass er nicht freistehend ohne Sicherung auf dem Stahlträger bei der Montage des Paneels mitwirken konnte. Der Zeuge, der als Subunternehmer des Beklagten, der sein überwiegender Auftraggeber zu der Zeit war, gefällig sein wollte, hätte nur mit entsprechenden Sicherungsmaßnahmen den Stahlträger betreten dürfen. Die Sicherungsmaßnahmen hätten in einer Art ausgestaltet sein müssen, dass er auch dann geschützt war, wenn er durch einen Montagefehler oder einem sonstigen Grund von dem Stahlträger stürzte. Da der Zeuge gegen die Eigensicherung gravierend verstoßen hat, muss er seinen Schaden selbst tragen.

Wegen des weit überwiegenden Mitverschuldens des Zeugen K. an der Entstehung seines Arbeitsunfalls scheidet eine Haftung des Beklagten aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den Vorschriften § 708 Nr. 10 ZPO i. V. m. §§ 709, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung die Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor.