Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 19.07.1989, Az.: 18 OVG L 28/87

Rechtmäßigkeit der Änderung von Arbeitszeiten für eine Personengruppe ; Umfang der Mitbestimmung des Personalrats; Rechte und Pflichten des Personalrats

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
19.07.1989
Aktenzeichen
18 OVG L 28/87
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1989, 16543
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1989:0719.18OVG.L28.87.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Stade - 21.10.1987 - AZ: PL VG 6/87

Verfahrensgegenstand

Mitbestimmung des Personalrates u.a. bei der Einstellung von Helferinnen und Helfern im freiwilligen sozialen Jahr

Der 18. Senat
- Fachsenat für Personalvertretungssachen des Landes Niedersachsen -
des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Nieder Sachsen und Schleswig-Holstein
hat am 19. Juli 1989
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Hamann und Ladwig sowie
die ehrenamtlichen Richter Prieß und Teich
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Stade - Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen - vom 21. Oktober 1987 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Im Jahre 1986 leisteten wie in den Vorjahren eine Anzahl von Helferinnen und Helfern beim Kreiskrankenhaus des Landkreises ... ein freiwilliges soziales Jahr. Nach dem Gesetz zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres - GFfsJ - vom 17. August 1964 (BGBl I S. 640) in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 18. Dezember 1975 (BGBl I S. 3155) wird das freiwillige soziale Jahr ganztägig als pflegerische, erzieherische oder hauswirtschaftliche Hilfstätigkeit geleistet (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GFfsJ), und zwar von Helferinnen und Helfern in der Regel zwischen der Vollendung des 17. und des 25. Lebensjahres bis zur Dauer von zwölf zusammenhängenden Monaten bei einer Verpflichtung für mindestens sechs Monate (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 GFfsJ).

2

Mit einem Schreiben vom 4. Dezember 1986 machte der Antragsteller geltend, Einstellungen von Helferinnen und Helfern sowie Regelungen über die Änderung von Arbeitszeiten für diese Personengruppe bedürften seiner Mitbestimmung. Dies wies der Landkreis Uelzen mit einem Schreiben vom 20. Januar 1987 unter Hinweis auf eine Stellungnahme des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Niedersachsen vom 30. Dezember 1986 mit dem Hinweis zurück, Helferinnen und Helfer im sozialen Jahr seien als Nicht-Arbeitnehmer und damit nicht als Bedienstete im Sinne des § 3 Nds. PersVG anzusehen.

3

Am 7. April 1987 hat der Antragsteller das Verwaltungsgericht angerufen und vorgetragen: Helferinnen und Helfer seien denjenigen gleichzustellen, die sich in der Ausbildung zu einem Angestelltenberuf befänden und nach § 5 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 3 Nds. PersVG Bedienstete seien. Der Begriff der Berufsausbildung sei in weitem Sinne zu verstehen. Zu berücksichtigen sei ferner, daß die Beschäftigung im freiwilligen sozialen Jahr häufig einem echten Ausbildungsverhältnis vorangehe.

4

Das Beschäftigungsverhältnis der Helferin oder des Helfers weise auch die Merkmale auf, die für das Verhältnis eines Auszubildenden maßgebend seien, nämlich eine individualvertragliche Vereinbarung, die Eingliederung in den Betrieb mit der Folge der Weisungsabhängigkeit und die Pflicht des Arbeitgebers, Sozialversicherungsbeiträge zu leisten. Es bestehe in diesen Fällen auch ein Bedarf für eine Mitbestimmung des Personalrates; dieser habe darauf zu achten, daß die Schutzrechte der Helferinnen und Helfer gewahrt würden und daß ihrer persönlichen Eignung Rechnung getragen werde.

5

Der Antragsteller hat beantragt

festzustellen, daß ihm bei der Einstellung von Helferinnen und Helfern im freiwilligen sozialen Jahr sowie bei sonstigen Anordnungen im Sinne der §§ 75 und 7b Abs. 2 Nds. PersVG gegenüber Helferinnen und Helfern im freiwilligen sozialen Jahr ein Mitbestimmungsrecht zusteht.

6

Der Beteiligte ist dem Antrag entgegengetreten und hat erwidert: Helferinnen und Helfern im freiwilligen sozialen Jahr gehörten nicht zu den Bediensteten nach § 3 Nds. PersVG. Ihnen würden keine beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt. Sie seien nicht den Praktikanten mit einem bestimmten Berufsziel gleichzustellen. Auch der Umstand, daß ein freiwilliges soziales Jahr häufig der Übernahme in ein Angestelltenverhältnis vorausgehe, rechtfertige keine andere Beurteilung. Helferinnen und Helfer würden nicht "automatisch" in ein Angestelltenverhältnis übernommen. Hiervon abgesehen werde der Personalrat bei der Auswahl der Krankenpflegeschülerinnen und -schüler im Wege der Mitbestimmung hinreichend beteiligt.

7

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag durch Beschluß vom 21. Oktober 1987 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Die vom Antragsteller beanspruchten Mitbestimmungsrechte seien nicht gegeben, weil die Helferinnen und Helfer im sozialen Jahr nicht zu den Bediensteten im Sinne des § 3 Nds. PersVG zählten. Diese Personen besäßen nicht die Eigenschaft eines Arbeitnehmers.

8

Die Tätigkeit der Helferinnen und Helfer sei nicht dadurch gekennzeichnet, daß aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages fremdbestimmte Arbeit für einen anderen in dessen persönlicher Abhängigkeit geleistet werde. Zwischen dem Helfer und dem Krankenhaus werde ein Arbeitsvertrag im eigentlichen Sinne nicht geschlossen. Die sonst vertraglich zu regelnden Einzelheiten seien durch das Gesetz zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres vorgegeben und unterlägen deshalb nicht der Disposition der Vertragspartner. Da der Zweck der Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres nicht darin liege, daß eine Arbeitsleistung zu erbringen sei, könne in dieser Tätigkeit auch nicht eine berufsvorbereitende und einer Ausbildung deshalb gleichzustellende Tätigkeit gesehen werden.

9

Gegen den ihm am 2. November 1987 zugestellten Beschluß hat der Antragsteller am 27. November 1987 Beschwerde eingelegt und das Rechtsmittel am 24. Dezember 1987 begründet. Er trägt vor: Die Helferinnen und Helfer in einem freiwilligen sozialen Jahr seien mittelbar als in der Ausbildung stehende Personen zu betrachten. Denn in der Praxis werde das freiwillige soziale Jahr als zusätzliches Ausbildungsjahr angesehen, das der eigentlichen Ausbildung vorausgehe. So gesehen übten die Helferinnen und Helfer eine Tätigkeit aus, die letztlich auch eine Vorbereitung auf eine spätere Beschäftigung im Sinne einer Mitwirkung an der Erfüllung öffentlicher Aufgaben darstelle. Angesichts dessen sei ein regulärer Ausbildungsvertrag nicht Voraussetzung. Die Verhältnisse zu denjenigen der Auszubildenden seien auch insoweit gleich, als sich die Helferinnen und Helfer um eine der nur in begrenzter Anzahl verfügbaren Stellen für ein freiwilliges soziales Jahr bewerben müßten und im Falle einer Einstellung eine entsprechende Vereinbarung mit dem Krankenhaus abgeschlossen werde. Bei dieser Sachlage müsse dem Personalrat ein Mitbestimmungsrecht zur Prüfung der Qualifikation zustehen. Er müsse auch darüber wachen können, ob Bewerber, die kein freiwilliges soziales Jahr abgeleistet hätten, gegenüber Bewerbern mit einer solchen Vortätigkeit benachteiligt würden.

10

Der Antragsteller beantragt,

den angefochtenen Beschluß aufzuheben und nach dem erstinstanzlichen Antrag zu entscheiden.

11

Der Beteiligte tritt der Beschwerde entgegen. Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

12

Wegen des Vorbringens des Antragstellers und des Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen, wegen des sonstigen Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen.

13

Der Antragsteller und der Beteiligte haben erklärt, daß sie mit einer Beschwerdeentscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden seien.

14

II.

Über die Beschwerde konnte nach § 85 Abs. 2 Nds. PersVG, § 83 Abs. 4 Satz 3 ArbGG ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.

15

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet.

16

Der Antrag ist abzulehnen.

17

Es ist bereits zweifelhaft, ob dem Antragsteller die geltend gemachten Mitbestimmungsrechte auch dann zustünden, wenn unterstellt wird, daß die Helferinnen und Helfer, die ein freiwilliges soziales Jahr leisten, als Bedienstete im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nds. PersVG anzusehen wären. Denn die Entscheidung über die Ableistung eines sozialen freiwilligen Jahres liegt bei dem Landkreis Uelzen als dem zuständigen Träger (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 GFfsJ), nicht bei der Einrichtung, dem Kreiskrankenhaus, bei der das freiwillige soziale Jahr geleistet wird. Zweifelhaft ist auch die Zuständigkeit der Verwaltung des Krankenhauses, soweit der Antragsteller ein Mitbestimmungsrecht in den Fällen sonstiger Personalmaßnahmen nach §§ 75 und 78 Abs. 2 Nds. PersVG, die Helferinnen und Helfer betreffen, beansprucht. Die Frage kann jedoch offenbleiben. Denn in jedem Fälle bestehen die geltend gemachten Mitbestimmungsrechte nicht, weil die Helferinnen und Helfer, die bei der Einrichtung eines Krankenhauses ein freiwilliges soziales Jahr leisten, keine Bediensteten nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nds. PersVG sine.

18

Nach dieser Vorschrift gehören zu den Bediensteten die Angestellten und Arbeiter einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nds. PersVG gelten als Angestellte auch Angehörige des öffentlichen Dienstes, die sich in der Ausbildung zu einem Angestelltenberuf befinden. Nach § 5 Abs. 2 Nds. PersVG sind Arbeiter auch Lehrlinge, die für einen gewerblichen Beruf ausgebildet werden. Der Begriff des Angestellten und des Arbeiters ist dadurch gekennzeichnet, daß ein entsprechendes Arbeitsverhältnis bestehen muß (vgl. Lorenzen/Haas/Schmitt, Bundespersonalvertretungsgesetz, 4. Aufl., Rdn. 9 zu § 4); er muß in einem "arbeitsrechtlichen Vertragsverhältnis" stehen (vgl. BVerwGE 24, 76 f.). Soweit es sich um einen Auszubildenden handelt, muß das Rechtsverhältnis darauf angelegt sein, ihn auf den Beruf eines Angestellten oder Arbeiters vorzubereiten, in dem er an der Erfüllung öffentlicher Aufgaben mitwirken kann (so Lorenzen/Haas/Schmitt a.a.O., Rdn. 16). Die Helferin oder der Helfer, die in der Regel das freiwillige soziale Jahr bei einer Dauer von zwölf zusammenhängenden Monaten leisten, steht jedoch weder in einem Arbeitsverhältnis noch in einem Ausbildungsverhältnis zur Dienststelle. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GFfsJ wird das freiwillige soziale Jahr ganztägig als pflegerische, erzieherische oder hauswirtschaftliche Hilfstätigkeit geleistet. Nach § 3 Abs. 1 GFfsJ stellt der Träger des freiwilligen sozialen Jahres der Helferin oder dem Helfer die dort näher umschriebene Bescheinigung zu Beginn der Tätigkeit aus. Eine entsprechende Bescheinigung wird gemäß § 3 Abs. 2 GFfsJ nach dem Abschluß des freiwilligen sozialen Jahres erteilt. Ein Vertrag über eine der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 GFfsJ genannten Hilfstätigkeiten ist gesetzlich nicht vorgesehen. Gegen ein arbeitsrechtliches Vertragsverhältnis oder Ausbildungsverhältnis spricht ferner, daß die Helferin oder der Helfer für ihre Tätigkeit eine Vergütung oder Entlohnung nicht erhalten. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 GFfsJ wird ihnen - von Natural- und Versorgungsleistungen abgesehen - "ein angemessenes Taschengeld" gewährt, das 6 v.H. der in der Rentenversicherung der Arbeiter geltenden Beitragsbemessungsgrenze nicht übersteigt. Eine mittelbare Bestätigung für die fehlende Arbeitnehmereigenschaft ist schließlich darin zu sehen, daß in § 15 GFfsJ die Arbeitsschutzbestimmungen ausdrücklich auf Helferinnen und Helfer, die das freiwillige soziale Jahr leisten, für anwendbar erklärt werden. Dieser Regelung hätte es nicht bedurft, wenn in derartigen Fällen von einem arbeitsrechtlichen Vertragsverhältnis auszugehen wäre. Eine andere rechtliche Beurteilung ist auch nicht deshalb geboten, weil die Helferinnen und Helfer, die in einem Krankenhaus ein freiwilliges soziales Jahr leisten, dem ärztlichen Personal, dem Pflegepersonal und den Beschäftigten in der Krankenhausverwaltung unterstehen und insoweit weisungsgebunden sind. Eine gewisse Weisungsabhängigkeit reicht allein nicht aus, um die Eigenschaft eines Bediensteten zu bejahen (vgl. BVerwG a.a.O., S. 77 f., betr. Schwestern des Roten Kreuzes). Daß es sich in diesen Fällen um Arbeitnehmer handelt, wird auch im Schrifttum verneint (vgl. Dietz/Richardi, Bundespersonalvertretungsgesetz, 2. Aufl., Rdn. 81 zu § 4; Dietz/Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, 6. Aufl., Rdn. 60 zu § 5; Fitting/Auffahrt/Kaiser, Betriebsverfassungsgesetz, 14. Aufl., Rdn. 10 zu § 5).

19

Ohne Erfolg macht der Antragsteller geltend, Helferinnen und Helfer, die ein freiwilliges soziales Jahr im Krankenhaus ableisteten, würden "in der Praxis" häufig anschließend in ein Ausbildungsverhältnis, etwa als Krankenpflegeschülerinnen oder -schüler übernommen. Eine solche Handhabung ändert jedoch nichts daran, daß die von der Helferin oder dem Helfer geleistete Hilfstätigkeit etwa pflegerischer Art rechtlich nicht als Ausbildung zu betrachten ist, die auf eine bestimmte berufliche Vorbereitung hin ausgerichtet ist. Mag auch die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbs. GFfsJ vorgesehene Einführung und Betreuung der Helferinnen und Helfer seitens der Einrichtung, bei der das freiwillige soziale Jahr geleistet wird, diese Personen für den Träger im Hinblick auf eine etwaige spätere Beschäftigung im Krankendienst "wertvoll" machen, so sind sie deshalb noch nicht als in einer Ausbildung befindlich anzusehen, wenn der Antragsteller weiterhin bei der Einstellung von Schülern für den Krankenpflegedienst befürchtet, daß Bewerber, die ein freiwilliges soziales Jahr abgeleistet haben, anderen Bewerbern vorgezogen würden, so ist darauf hinzuweisen, daß er bei der Besetzung von Stellen für Auszubildende im Krankenpflegedienst seine Vorstellungen im Mitbestimmungsverfahren zur Geltung bringen kann.

20

Hiernach war die Beschwerde zurückzuweisen.

21

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind.

Dr. Dembowski
Dr. Hamann
Ladwig
Prieß
Teich