Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 11.07.1989, Az.: 9 L 39/89

Bemessung des Kindergartenentgeltes nach der Höhe des Elterneinkommens; Voraussetzungen des Einschreitens der kommunalen Rechtsaufsicht bei Ratsbeschlüssen über die Festsetzung privatrechtlicher Benutzungsentgelte; Bindung des kommunalen Rechtsträgers an die Vorgaben des öffentlichen Abgabenrechts und des Verfassungsrechts bei privatrechtlicher Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses eines Kindergartens; Inhaltliche Kriterien der Entgeltgestaltung bei privatrechtlichem Benutzungsverhältnis eines gemeindeeigenen Kindergartens; Betreuung eines Kindes in gemeindeeigenen Kindergarten als Hilfe zur Erziehung i.S.d. §§ 5, 6 Abs. 1 des Jugendwohlfahrtsgesetzes (JWG); Begriff der "speziellen Entgeltlichkeit" nach dem Niedersächsischen Kommunalabgabengesetz (NKAG); Berücksichtigungsfähigkeit sozialer Zielsetzungen bei der Bemessung der Benutzungsentgelte kommunaler Betreuungseinrichtungen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
11.07.1989
Aktenzeichen
9 L 39/89
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1989, 12783
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1989:0711.9L39.89.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 13.05.1987 - AZ: 1 VG A 139/84

Fundstellen

  • DVBl 1990, 443 (amtl. Leitsatz)
  • NJW 1990, 596 (amtl. Leitsatz)
  • NVwZ 1990, 91-93 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

kommunalaufsichtsbehörderlicher Verfügung.

Prozessführer

der Landeshauptstadt ...

durch den Oberstadtdirektor, ...,

Prozessgegner

die Bezirksregierung ...

Amtlicher Leitsatz

Die Staffelung von Kindergartengebühren nach dem Einkommen der Eltern verstößt nicht gegen Grundsätze des Kommunalabgabenrechts, jedenfalls soweit die nachgelassenen Ermäßigungen nicht zu Lasten der anderen Benutzer gehen (Abweichung von der st. Rspr. des früher zuständigen 3. Senats, vgl. u.a. Urt. v. 13.03.1980 - 3 OVG A 116/78 - OVGE 35, 455; v. 26.01.1984 - 3 OVG C 7/83 - OVGE 37, 453).

Der 9. Senat des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein
hat am 11. Juli 1989
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Schmaltz,
den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Berthold,
den Richter am Verwaltungsgericht Siebert sowie
den ehrenamtlichen Richter Krohn und
die ehrenamtliche Richterin Manske
ohne mündliche Verhandlung
für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 1. Kammer Hannover - von 13. Mai 1987 wird geändert.

Die Beanstandungsverfügung der Beklagten vom 9. September 1983 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 1984 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Die Beteiligten streiten darum, ob Kindergartenentgelte nach dem Elterneinkommen gestaffelt werden dürfen.

2

Der Rat der Klägerin beschloß am 19. Februar 1976 den Erlaß von Richtlinien für die Benutzungsregelungen für Kindertagesstätten der Landeshauptstadt Hannover. Diese Richtlinien sehen u.a. vor:

"Für den Besuch einer Kindertagesstätte wird ein Elternbeitrag in der Form eines privatrechtlichen Entgeltes erhoben, der vom Rat der Landeshauptstadt ... festgesetzt wird. Auf schriftlichen Antrag der Erziehungsberechtigten kann der Elternbeitrag nach den vom Rat der Landeshauptstadt erlassenen Regelungen (Sozialstaffelung und Platzgeld) ermäßigt oder erlassen werden".

3

Am 18. März 1982 beschloß der Rat, die Elternbeiträge in den Kindertagesstätten zu erhöhen (so wurde z.B. der Regelbeitrag bei Ganztagsbetreuung von 140,00 DM auf 180,00 DM angehoben). In den Anlagen 1) bis 3) der Beschlußvorlage wurde der zumutbare Elternbeitrag in Abhängigkeit von einer Einkommensgrenze festgelegt. Die Einkommensgrenze wird nach den Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes errechnet, der Elternbeitrag kann ganz entfallen.

4

Am 13. Mai 1982 beschloß der Rat, den zumutbaren Elternbeitrag für Krippen in Abhängigkeit von der Einkommensgrenze neu festzusetzen.

5

Die Aufwendungen für den "Sozialrabatt" in allen von der Klägerin finanziell geförderten Kindertagesstätten stiegen in der Zelt von 1981 bis 1984 von rd. 2,2 Mio. auf rd. 4,7 Mio. DM. Der Prozentanteil der Kinder, für den ein Sozialrabatt eingeräumt wurde, stieg in dieser Zeit von rd. 22 % auf rd. 31 %.

6

Mit Verfügung vom 9, September 1983 beanstandete die Beklagte die Ratsbeschlüsse vom 19. Februar 1976, 18. März und 13. Mai 1982, soweit sie eine Staffelung der Kindergartenentgelte nach dem Elterneinkommen zur Folge haben. Die Beklagte ordnete an, daß der Rat der Klägerin die Beschlüsse aufhebt und eine rechtlich zulässige Entgeltregelung beschließt. Die Beklagte führte aus, der Sozialrabatt verstoße gegen das Prinzip der speziellen Entgeltlichkeit, woran die private Ausgestaltung des Entgeltes nichts ändere.

7

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 1984 zurückgewiesen.

8

Mit ihrer Klage hat die Klägerin beantragt,

die Beanstandungsverfügung der Beklagten vom 9. September 1983 und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 17. Juli 1984 aufzuheben.

9

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Das Verwaltungsgericht Hannover hat die Klage mit Urteil vom 13. Mai 1987 abgewiesen.

11

Mit Ihrer Berufung beantragt die Klägerin,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 1. Kammer Hannover - vom 13. Mai 1987 zu ändern und die Verfügung der Beklagten vom 9. September 1983 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 1984 aufzuheben.

12

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

13

Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen Bezug genommen.

14

II.

Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

15

Die Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Beanstandungsverfügung in der Fassung des Widerspruchsbescheides ist rechtswidrig.

16

Die Beklagte ist nicht berechtigt gewesen, die in der Beanstandungsverfügung genannten Ratsbeschlüsse der Klägerin nach § 130 NGO zu beanstanden. Denn diese Beschlüsse verletzen das Gesetz nicht. Die Beklagte ist vielmehr berechtigt gewesen, die Kindergartenentgelte nach dem Elterneinkommen zu staffeln.

17

1.

Ob die Rechtmäßigkeit gestaffelter Kindergartenentgelte schon daraus folgt, daß die Beklagte nach Ihren Richtlinien einen Elternbeitrag in der Form eines "privatrechtlichen Entgeltes" erhebt, mag offenbleiben.

18

Öffentlich-rechtliche Körperschaften wie die Klägerin sind nach Ihrem Ermessen befugt, den Bereich der Daseinsvorsorge privatrechtlich und öffentlich-rechtlich zu gestalten. Die Verwaltung muß sich nur dann öffentlich-rechtlicher Form bedienen, wenn ihr dies verbindlich vorgeschrieben ist oder die Aufgabe nur im Verhältnis der über- und Unterordnung ausgeübt werden kann. Ein solcher Vorrang öffentlichen Rechtes ist beim Benutzungsverhältnis ... eines Kindergartens nicht gegeben, es kann daher auch privatrechtlich ausgestaltet werden. Betreibt eine Kommune einen Kindergarten privatrechtlich, so bedeutet das jedoch nicht, daß ihr auch alle Möglichkeiten und Freiheiten der Privatautonomie zustehen. Vielmehr werden in einem solchen Fall die Normen des Privatrechtes durch Bestimmungen des öffentlichen Rechtes ergänzt, überlagert und modifiziert (sog. Verwaltungsprivatrecht). Die Verwaltung hat in erster Linie die Grundrechte zu beachten, Insbesondere den Gleichheitssatz und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. BGH, Urt. V. 05.04.1984 - III ZR 12/83 -, DVBl 1984 S. 1118; OVG Lüneburg, Urt. v. 26.08.1976 - III OVG A 137/74 -, NJW 1977 S. 450; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, 5. Aufl. 1987, § 104 a VI). Die Verwaltung ist auch an weitere, jedenfalls an die substantiellen, öffentlich-rechtlichen Grundsätze gebunden (vgl. dazu z.B. Fischedick, Die Wahl der Benutzungsform kommunaler Einrichtungen, 1986, S. 45 ff). Sie kann die grundlegenden Prinzipien der öffentlich-rechtlichen Finanzgebarung nicht umgehen. Die Flucht ins Privatrecht darf vor allem nicht zum Mittel der Erschließung illegaler Finanzquellen werden. Den Bürgern dürfen dort keine wirtschaftlichen Entgelte abverlangt werden, wo bei öffentlich-rechtlicher Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses Abgaben nicht erhoben werden dürften (BGH a.a.O.; Ossenbühl, DVBl 1974 S. 541, 543). Auf der anderen Seite ist die öffentliche Hand bei privatrechtlicher Betätigung nicht völlig starren Bindungen unterworfen: Entgeltdifferenzlerungen mögen dort gestattet sein, wo sie auch in der Privatwirtschaft zulässig sowie vom wirtschaftlichen und kaufmännischen Stadtpunkt aus gesehen sinnvoll sind (Ossenbühl, DÖV 1971 S. 513, 523); allerdings müssen sich die Differenzierungen am Marktüblichen orientieren, damit keine Wettbewerbsverzerrung zugunsten der öffentlichen Hand eintritt (Rogosch, Verfassungsrechtliche Bindungen des Staates bei der Erhebung von Benutzungsgebühren und privatrechtlichen Entgelten, 1985, S. 230). Bei der Breite der Gestaltungsmöglichkeiten ist - neben dem Gebiet, auf dem sich die Kommune betätigt - auch die "Monopolstellung" der öffentlichen Hand von Bedeutung. Je größer die unternehmerische Macht und je abhängiger der Bürger von der Teilhabe an der Leistung ist, um so enger sind auch die Bindungen an das Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 1988, S. 466).

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Ausgehend von diesen Grundsätzen wäre der von der Klägerin angewandte "Sozialrabatt" wohl zulässig, wenn die Kindergärten der privaten Anbieter, auf deren Entgeltgestaltung die Klägerin keinen beherrschenden Einfluß hat, einen ähnlichen "Rabatt" gewährten. Zur Beurteilung dieser Frage fehlen Anhaltspunkte tatsächlicher Art so daß die Zulässigkeit des gestaffelten Entgeltes aufgrund der Wahl des Privatrechtes offenbleiben muß. Einer weiteren Sachaufklärung bedarf es nicht, weil der gewählte Sozialrabatt schon nach öffentlichem Recht - den allgemeinen Gebührengrundsätzen - zulässig ist.

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2.

Die Zulässig keit eines gestaffelten Kindergartenentgeltes ergibt sich allerdings nicht daraus, daß es (öffentlich-rechtlich) einem Kostenbeitrag nach dem Jugendwohlfahrtsgesetz gleichkommt.

21

Allerdings wird vertreten, die Betreuung von Kindern in Kindergärten sei (stets) Jugendhilfe nach § 5 JWG, und das Entgelt sei ein Kostenbeitrag nach § 81 JWG (vgl. auch § 34 Nds. AGJWG), der sich gemäß §§ 76 ff. BSHG nach dem Einkommen der Eltern richten müsse (OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 07.09.1988 - 6 A 78/88 -, KStZ 1989 S. 38; OVG Berlin, Urt. v. 15.10.1981 - 6 B 27/80 -, NJW 1982 S. 954; vgl. auch OVG Bremen, Urt. v. 16.06.1987 - 1 BA 78/86 -, DVBl 1988 S. 250, 251[OVG Bremen 16.06.1987 - 1 BA 78/86]; Kottmann in KStZ 1985 S. 41, 43 f.). Dem kann so jedoch nicht gefolgt werden. Die Betreuung eines Kindes in einem Kindergarten kann zwar Hilfe zur Erziehung sein, sie ist es jedoch nicht stets. Sie ist es vielmehr nur dann, wenn sie für die Wohlfahrt des Minderjährigen "notwendig" ist (vgl. § 6 Abs. 1 JWG). Die Notwendigkeit muß sich aus erzieherischen Gründen ergeben. Das Jugendwohlfahrtsgesetz ist seinem Gegenstand nach ein "Erziehungs-"Gesetz. Sein Anliegen ist es, das Recht des Kindes auf Erziehung zur leiblichen, seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit zu gewährleisten (§ 1 Abs. 2 JWG). Diese Gewährleistung ist jedoch nicht in dem Sinne Aufgabe des Staates, daß ihre Erfüllung zuförderst ihm obliegt. Eine staatlich gelenkte Erziehung findet nicht statt. Pflege und Erziehung der Kinder sind - ungeachtet des "Wächteramtes" des Staates - das natürliche Recht und auch die Pflicht der Eltern (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG), öffentliche Jugendhilfe tritt nur insoweit ein, als der Anspruch des Kindes auf Erziehung von der Familie nicht erfüllt wird (§ 1 Abs. 3 JWG). Damit ist die öffentliche Jugendhilfe als nachrangig charakterisiert. Es kann zwar davon ausgegangen werden, daß eine Betreuung im Kindergarten aus sozialpädagogischer Sicht wünschenswert ist und dem Bedürfnis nach einer sinnvollen vorschulischen Erziehung und dem Bedürfnis der Kinder nach Spielkameraden Rechnung trägt. Jedoch ist im Regelfall eine Kindergartenbetreuung unter erzieherischen Gesichtspunkten nicht notwendig. Es ist nicht Aufgabe der Jugendhilfe, jedem Minderjährigen die bestmögliche Erziehung zukommen zu lassen, vielmehr liegt es allein bei den Eltern, ob sie ihrem Kind eine Kindergartenbetreuung und -erziehung angedeihen lassen wollen. Dieser Nachrang des staatlichen Eingriffs in familiäre Erziehungsverhältnisse würde unterlaufen werden, wollte man bei einem Kindergartenbesuch in jedem Falle eine Notwendigkeit im Sinne des Jugendwohlfahrtgesetzes annehmen (vgl. BayVGH, Urt. V. 15.04.1985 - Nr. 12 B 84 A 1418 -, FEVS 34 S. 454; Hess. VGH, Beschl. v. 22.06.1983 - 9 TG 57/83 -, FEVS 33 S. 15; Hess. VGH, Beschl, v. 28.09.1976 a.a.O. S. 453; OVG Münster, Urt. v. 01.07.1988 - 8 A 2032/86 - NVwZ 1989 S. 273).

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3.

Ein gestaffeltes Kindergartenentgelt ist öffentlich-rechtlich jedoch mit der allgemeinen Gebührenregelung des § 5 NKAG zu vereinbaren.

23

a)

Gebühren müssen grundsätzlich nach Art und Umfang der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung bemessen werden, § 5 Abs. 3 Satz 1 NKAG.

24

Soweit § 5 Abs. 3 Satz 1 NKAG als Ausdruck der "speziellen Entgeltlichkeit" einer Abgabe aufgefaßt wird (OVG Lüneburg, Urt. v. 13.03.1980 - 3 OVG A 116/78 -, OVGE 35 S. 455; Urt. v., 26.01.1984 - 3 OVG C 7/81 - OVGE 37 S. 453; Urt. v. 10.11.1988 - 3 OVG C 2/88 - SchlHA 1989 S. 90; VGH Kassel, Urt. v. 28.09.1976 - V N 3/75 - NJW 1977 S. 452; Schl.-H. VG, Beschl. v. 16.03.1988 - 6 D 16/88 -, KStZ 1989 S. 57), kommt diesem Begriff allerdings keine sachliche, sondern nur verbale Bedeutung zu. "Spezielle Entgeltlichkeit" bedeutet nur, daß die Gebührenerhebung an eine spezielle (bestimmte, besondere, individuell zurechenbare) Staatsleistung gebunden ist; insofern kann die Gebühr als eine spezielle oder besondere Abgabe bezeichnet werden. Eine "allgemeine Entgeltlichkeit" gibt es dagegen nicht. Der Zusatz "speziell" soll lediglich den Entgeltcharakter der Gebühr hervorheben und verdeutlichen, daß die Gebühr im Gegensatz zur Steuer nicht "voraussetzungslos" ist (Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz. 1973, S. 108 u. S. 22: "Geheimnisvolle Eigenschaft der speziellen Entgeltlichkeit"; vgl. auch Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, 1981, S. 121 ff; Rogosch a.a.O. S. 87 ff).

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Jedoch ist im Gebührenrecht der Gleichheitssatz zu beachten (Abgabengerechtigkeit). Es darf weder wesentlich Gleiches willkürlich ungleich, noch wesentlich Ungleiches willkürlich gleich behandelt werden. Hinsichtlich der Höhe der Gebühr folgt aus dem Gleichheitssatz und § 5 Abs. 3 Satz 1 NKAG, daß grundsätzlich bei gleicher Inanspruchnahme gleich hohe Gebühren und bei unterschiedlicher Inanspruchnahme diesen Unterschieden angemessene Gebühren erhoben werden müssen.

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Knüpfte man streng an die Inanspruchnahme an, ließen sich gestaffelte Kindergartenentgelte nicht rechtfertigen. Denn das Einkommen der Eltern sagt über Art und Umfang der Inanspruchnahme nichts aus, vielmehr ist die Leistung des Kindergartens für alle Benutzer unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Situation gleich (OVG Lüneburg, Urt. v. 26.01.1984 a.a.O.; VGH Kassel, Urt. v. 28.09.1976 a.a.O.; Bauernfeind/Zimmermann, KAG NRW, 2. Aufl. 1979, § 2 RdNr. 16; vgl. demgegenüber Webersinn in DÖV 1978 S. 165, 167: Vorteil für einkommensschwächere Eltern höher).

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b)

Allerdings erfahren der Gleichheitssatz und die Pflicht, die Gebühren an Art und Umfang der Inanspruchnahme anzuknüpfen, eine Modifizierung durch § 5 Abs. 1 Satz 3 NKAG. Hiernach können Gemeinden und Landkreise niedrigere Gebühren erheben oder von Gebühren absehen, soweit daran ein öffentliches Interesse besteht.

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Aus der Stellung dieser Vorschrift in Abs. 1 des § 5 NKAG folgt nicht, daß sie sich ausschließlich auf das in Satz 2 desselben Absatzes niedergelegte Kostendeckungsprinzip bezieht, wonach das Gebührenaufkommen die Kosten der jeweiligen Einrichtung decken, jedoch nicht übersteigen soll. Dies läßt sich auch nicht aus den Gesetzesmaterialien ableiten (so aber OVG Lüneburg, Urt. v. 13.03.1980 a.a.O.). § 5 Abs. 1 Satz 3 NKAG hat auch Bedeutung für den Gebührenmaßstab des § 5 Abs. 3 Satz 1 NKAG und den Gleichheitssatz.

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§ 5 Abs. 1 des Regierungsentwurfes zum NKAG (LT-Drs. 7/975) sah vor, daß die Gemeinden und Landkreise als Gegenleistung für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen Benutzungsgebühren erheben "können". Durch diese Formulierung sollte es den Gemeinden und Landkreisen freigestellt bleiben, ob sie die Kosten ihrer öffentlichen Einrichtungen durch die Erhebung von Gebühren oder durch allgemeine Deckungsmittel aufbringen. Bei den Beratungen des Entwurfes war der Ausschuß für innere Verwaltung einerseits bestrebt, den Zwang zur Kostendeckung bei der Gebührenerhebung "etwas flüssiger und eleganter" zu gestalten (Niederschrift über die 95. Sitzung des Ausschusses am 27.09.1972 S. 26). Andererseits ging es dem Ausschuß auch darum, durch eine Gebührenbefreiung oder durch eine Gebührensenkung z.B. zu einer höheren Benutzung dieser

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Einrichtungen Anreiz zu geben (Gebührenbefreiung aus "gemeindepolitischen" Gründen, S. 11 f der Niederschrift über die 98. Sitzung des Ausschusses am 18.10.1972). In der zweiten und dritten Beratung des Gesetzes hat der Berichterstatter hierzu und zu der vergleichbaren Vorschrift des § 4 Abs. 3 NKAG in Zusammenfassung der Beratungen ausgeführt (Spalte 5987 f. des Stenografischen Berichtes über die 50. Sitzung des Landtages am 25.01.1973):

"Nach der geänderten Fassung ist vielmehr entscheidend, ob im öffentlichen Interesse, z.B. aus sozialpolitischen, bildungspolitischen oder strukturpolitischen Gründen, auf die Erhebung einer Gebühr ganz oder teilweise verzichtet werden soll. Die Gemeinden und Landkreise können die Entscheidung über die Gebührenbefreiung bzw. -ermäßigung sowohl durch Satzung als auch im Einzelfall treffen ... So haben die Gemeinden und Landkreise nunmehr die Möglichkeit, durch eine Gebührenbefreiung oder eine Gebührensenkung beispielsweise einen Anreiz zur Benutzung kultureller oder der Volksgesundheit dienender Einrichtungen zu geben."

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Damit ist die Entscheidung, ob und wie soziale (sozialpolitische) Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, bewußt dem Ortsgesetzgeber überlassen worden, wobei sein Entscheidungsspielraum im Hinblick auf § 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2, Abs. 3 und das in § 3 Abs. 3 NKAG normierte Subsidiaritätsprinzip allerdings nicht völlig frei ist. Der Gesetzgeber hat dadurch, daß er neben dem Einnahmezweck der Gebühr auch sozialpolitische und andere Zwecke bei der Ausgestaltung der Gebühr zuläßt, eine Berücksichtigung des "Sozialstaatsprinzips" im Gebührenrecht ermöglicht und damit zugelassen, daß mit der Gebühr auch lenkende Nebenzwecke verfolgt werden dürfen.

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Eine "Aufweichung" des Gebührenrechtes (Webersinn a.a.O. S. 168) ist mit der Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte nicht verbunden. Da die Benutzungsgebühr ihrer Natur nach auf die Leistung bezogen ist, für die sie das Entgelt darstellen soll, erscheint eine Berücksichtigung sozialer Komponenten nur bei solchen öffentlichen Einrichtungen zulässig, die sozialen Zwecken dienen. Sozialförderung im allgemeinen hat sich grundsätzlich in den Bahnen zu vollziehen, die hierfür vorgegeben sind. Das ist grundsätzlich nicht das Kommunalabgabengesetz, sondern Gesetze wie etwa Bundessozialhilfegesetz, Jugendwohlfahrtsgesetz, Kindergeldgesetz sowie das Einkommensteuerrecht. Gerade das Steuerrecht erlaubt eine höhere Inanspruchnahme des wirtschaftlich Leistungsfähigeren. Sozialpolitische Ziele können daher im Gebührenrecht nur in eng begrenzten Ausnahmefällen berücksichtigt werden. Liegt eine solche Ausnahme vor, wird der Gleichheitssatz allerdings nicht verletzt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die Differenzierung nicht finden ließe (Willkürverbot). Von Willkür kann indessen nicht ausgegangen werden, wenn bei einem öffentlich-rechtlichen Entgelt (Gebühr) für eine Einrichtung, die sozialen Zwecken dient, die finanzielle Leistungsfähigkeit des Benutzers mitberücksichtigt wird (vgl. hierzu auch Starck in Mangoldt/Klein/Starck, GG 1985, Art. 3 Rdn. 84, Kloepfer, AÖR 97 S. 232, 257).

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Bei Entgelten für Kindergärten können soziale (sozialpolitische) Ziele ausnahmsweise berücksichtigt werden. Die Erziehung des Minderjährigen durch Eltern wird im Kindergarten unterstützt und ergänzt. Aufgabe des Kindergartens ist es, durch allgemeine und gezielte erzieherische Hilfen und Bildungsangebote die geistige und körperliche Entwicklung des Kindes anzuregen, seine Gemeinschaftsfähigkeit zu fördern und durch differenzierte Betreuung allen Kindern gleiche Entwicklungsmöglichkeiten zu geben. Insgesamt ist der soziale Ansatz solcher Einrichtungen stark ausgeprägt und mit dem anderer öffentlicher Einrichtungen (im Hinblick auf das Gebührenrecht sind etwa Wasserversorgung, Abwasserentsorgung und Müllabfuhr zu nennen) nicht zu vergleichen. Das Kindergartenrecht ist einem Lebensbereich zugeordnet, der den Sozialstaatsgedanken "geradezu auf der Stirn" trägt. Das rechtfertigt es im Ergebnis, auf die Erhebung einer Gebühr ganz oder teilweise zu verzichten. Ein solcher Verzicht ist nicht nur über die Härtemilderungsklausel des § 11 NKAG iVm § 227 AO im Einzelfall zulässig (so aber OVG Lüneburg, Urt. v. 13.03.1980 a.a.O.), sondern - wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt - auch durch allgemeine Regelung in einer Satzung.

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Bei der Gestaltung der Satzungsbestimmungen - d.h. der Umsetzung der sozialpolitischen Forderung - hat die Kommune einen gewissen Gestaltungsspielraum. Dieser wird nicht überschritten, wenn das Benutzungsentgelt nach dem Elterneinkommen gestaffelt wird. Denn damit werden unbillige Härten, die durch § 227 AO im Einzelfall ausgeschlossen werden können und sollen, generell vermieden. Kindern aus Schichten, die den Kindergarten bei Entgeltpflicht in voller Höhe aus finanziellen Gründen erfahrungsgemäß nicht besuchen würden, wird so die Nutzung der Einrichtung erst ermöglicht, insoweit eröffnet sich eine Kindergartenbetreuung im Rahmen der Kapazitäten für alle Bevölkerungskreise, so daß auf diese Weise ein gewisser Beitrag zur Chancengleichheit für künftige Entwicklungen geleistet wird (Bößl in KStZ 1975 S. 84, 86; Menger in Verwaltungsarchiv 1977 S. 389, 397; Kottmann a.a.O. S. 42). Es spricht einiges dafür, daß bei einer Entgeltstaffelung nach dem Einkommen die dem einen Teil nachgelassenen Ermäßigungen nicht den anderen Benutzern angelastet werden dürfen, sondern die Ausfälle aus allgemeinen Deckungsmitteln getragen werden müssen (Gern in DVBl 1984 S. 1164, 1166; Schmid, in ZKF 1985 S. 26, 28; Dahmen in Driehaus/u.a., Kommunalabgabenrecht, Kommentar, 1989, § 4 RdNr. 143 und § 6 RdNr. 234; weitergehend Kloepfer, a.a.O., § 257 f). Das bedarf hier aber keiner abschließenden Beurteilung, weil die Klägerin die durch die Ermäßigungsregelung entstehenden Einnahmeausfälle selbst trägt (Beschluß-Drs. 262/82 Bl. 3).

35

Die sich aus dem Vorstehenden ergebenden Grenzen und Bindungen hat die Klägerin mit ihrer Entgeltregelung nicht überschritten. Die Staffelung danach, in welcher Höhe das Elterneinkommen über oder unter der Einkommensgrenze nach den Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes liegt, ist sachgerecht. Daß ein Entgelt danach ganz, entfallen kann, ist natürliche Folge dieses Maßstabes und begegnet keinen Bedenken.

36

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167

37

VwGO iVm § 708 Nr. 10 ZPO.

Schmaltz Berthold Siebert